Geschäftsstellen und Anzeigen-Annahmen marzellenstr. 37 und Breitestr. 85.
General-Anzeiger für die rheinische Hauptstact. r Kölner Fremdenbiatt.
Nr.
Beschäftsstellen u. Redaktion Marzellenstr. 37: A 6920 bis 6928 Ielüspl. Geschäftsstelle Breitestraße 85: A6636. W2 E
Köln, Samstag, 15. Januar 1916 30. Jahrgang. Heute 12 Seiten.
in Erlass des Kaisers.
Der deutsche Tagesbericht.
WTB Großes Hauptquartier, 15.Jan.1916. (Vormittags. Drahtber.)
Westlicher Kriegsschauplatz.
Auf der Front keine besonderen Ereignisse.
Ein nordöstlich von Albert durch Leutuant Bölke abgeschossenes feindliches Flugzeug fiel in der englischen Linie nieder und wurde von unserer Artillerie in Brand geschossen.
Oestlicher Kriegsschauplatz.
Bei der
Heeresgruppe des Generals von Linsingen
scheiterte in der Gegend von Czernysz(südlich des StyrBogens) ein russischer Angriff vor der Front der österreichisch=
ungarischen Truppen.
Balkan=Kriegsschauplatz.
Nichts neues.
Oberste Heereslenung.
Der österreichisch=ungarische Tagesbericht.
WTB Wien, 14.Jan.1916.(Drahtber.) Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz.
Der Feind versuchte seit gestern früh neuerlich, unsere bessarabische Front bei Toporoutz und östlich Rarance zu durchbrechen. Er unternahm fünf große Angriffe, deren letzter in die heutigen Morgenstunden fiel. Er mußte aber jedesmal unter schwersten Verlusten zurückgehen. Hervorragenden Anteil an der Abwehr der Russen hatte abermals das vorzüglich geleitete, überwältigende Feuer unserer Artillerie.
Seit Beginn der Schlacht in Ostgalizien und an der bessarabischen Front wurden bei der Armee des Generals Freiherr von Pflanzer=Baltin und bei den österreichisch=ungarischen Truppen des Generals Grafen Bothmer über 5100 Gefangene, darunter 30 Offiziere und Fähnriche, eingebracht. Bei Karpilowki in Wolhynien zersprengten unsere Streifkommandos einige russische Feldwachen.
Italienischer Kriegsschauplatz.
An der Südwestfront ereignete sich nichts von Bedeutung. Einzelne Punkte bei Malborgeth und Raibl standen unter feindlichem Geschützfeuer. Die Tätigkeit der italienischen Flieger erstreckte sich auf den Raum von Triest. Eine auf Spirano abgeworfene Bombe verursachte keinen Schaden.
Südöstlicher Kriegsschauplatz.
Saanan
Die Montenegriner haben unter Preisgabe ihrer Hauptstadt an allen Punkten ihrer Süd= und Westfront den Rückzug angetreten. Unsere Truppen sind in der Verfolgung über die Linie Budua=Cettinje=Grab=Grahova hinausgerückt und dringen auch östlich von Bileca und bei Avtovec in montenegrinisches Gebiet ein. Bei Grahova fielen drei Geschütze mit Bedienung, 500 Gewehre, 1 Maschinengewehr, viele Munition und anderes Kriegsgerät in unsere Hände.
Bei Beraue und westlich von Ipek nichts Neues.
***
[*) Die Bedeutung der Eroberung des Lovcen hat sich schon bald in dem weiteren bedeutsamen Ereignis gezeigt: die montenegrinische Hauptstadt ist in den Händen der österreichischen Truppen. Nach der Erstürmung des Lovcen fielen auch die benachbarten Höhenstellungen in ihre Hand, und damit wurde der Weg nach Cettinje vollends frei.
Eine Ueberraschung bedeutet die Besetzung der Stadt nicht; sie war verloren, sobald der Lovcen sie nicht mehr deckte. Es scheint nicht einmal zu größeren Kämpfen um die Stadt selbst gekommen zu sein, weil der Wiener Bericht sagt, daß die Stadt unversehrt ist.
Ein Erlaß des Kaisers.
WTB Berlin, 14.Jan.1916.(Drahtber.) Der Reichsanzeiger veröffentlicht folgenden Erlaß des Kaisers an den Reichskanzler:
Zum zweiten Male werde Ich Meinen Geburtstag im Waffenlärm des Krieges begehen. Trotz der heldenmütigen Taten und der ruhmvollen Erfolge der deutschen und der verbündeten Streitkräfte ist der schwere Daseinskampf noch nicht beendet, den der Neid und Haß feindlicher Großmächte uns aufgezwungen haben. Noch müssen Herz, Sinn und Kraft des deutschen Volkes im Felde und daheim auf das eine große Ziel gerichtet sein, einen endgültigen Sieg und einen Frieden zu erringen, der das Vaterland gegeneine Wiederholung feindlicher Ueberfälle nach menschlichem Ermessen dauernd zu sichern verbürgt. Ich bitte daher auch in diesem Jahre, anläßlich Meines Geburtstages, von den sonst zu Meiner Freude üblichen festlichen Veranstaltungen und glückwünschenden Kundgebungen abzusehen und es bei stillem Gedenken und treuer Fürbitte bewenden zu lassen. Wer seiner freundlichen Gesinnung an diesem Tage noch einen besonderen Ausdruck zu geben sich gedrungen fühlt, möge es durch Gaben der Liebe zur Linderung der durch den Krieg geschlagenen Wunden oder durch erhöhte Teilnahme an der Kriegsfürsorge tun. Meines wärmsten Dankes können alle gewiß sein. Gott der Herr aber sei auch ferner mit uns und unseren Waffen. Er weihe die schweren Opfer, die freudig auf dem Altare des Vaterlandes dargebracht werden, zu einem weiteren Grundstein für den festen Bau des Reiches und eine glückliche Zukunft des deutschen Volkes.—. Ich ersuche Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.
Großes Hauptquartier, 12. Jan. 1916.
Wilhelm J R.
*
Der Baralong=Fall.
WTB Berlin, 14.Jan.1916.(Eig. Drahtber.) Erwiderung der Deutschen Regierung auf die Erklärungen der
Britischen Regierung zu der deutschen Denkschrift über den Baralong=Fall.
Die Britische Regierung hat die deutsche Denkschrift über den Baralong=Fall dahin beantwortet, daß sie einerseits die Richtigkeit der ihr von der Deutschen Regierung mitgeteilten Tatsachen in Zweifel zieht, anderseits gegen die deutschen Streitkräfte zu Lande uno zu Wasser den Vorwurf erhebt, vorsätzlich ungezählte Verbrechen wider das Völkerrechtund die Menschlichkeit begangen zu haben, die keine Sühne erfahren hätten und denen gegenüber die angebliche Straftat des Kommandanten und der Mannschaft der Baralong völlig zurücktrete. Für diesen Vorwurf hat die Britische Regierung keinerlei Beweise beigebracht, sondern sich darauf beschränkt, ohne Mitteilung irgendwelcher Belege drei im Seekrieg vorgekommene Einzelfälle anzuführen, wo deutsche Offiziere völkerrechtswidrige Grausamkeiten verübt haben sollen. Die Britische Regierung schlägt vor, diese Fälle durch einen aus amerikanischen Marineoffizieren bestehenden Gerichtshof untersuchen zu lassen, und ist unter dieser Voraussetzung bereit, dem bezeichneten Gerichtshof auch den Baralong=Fall zu unterbreiten.
Die Deutsche Regierung legt die schärfste Verwahrung ein gegen die unerhörten und durch nichts erwiesenen Anschuldigungen der Britischen Regierung gegen die deutsche Armee und die deutsche Marine, sowie gegen die Unterstellung, als ob die deutschen Behörden etwaige zu ihrer Kenntnis gelangenden Straftaten solcher Art unverfolgt lassen. Die deutsche Armee und die deutsche Marine beobachten auch im gegenwärtigen Kriege die Grundsätze des Völkerrechts und der Menschlichkeit, und die leitenden Stellen halten streng darauf, daß alle dagegen etwa vorkommenden Verstöße genau untersucht und nachdrücklich geahndet werden.
Auch die drei von der Britischen Regierung aufgeführten Fälle sind seinerzeit durch die zuständigen deutschen Behörden einer eingehenden Untersuchung unterzogen worden. Dabei hat sich zunächst in dem Falle der Versenkung des britischen Dampfers Arabic durch ein deutsches Unterseeboot ergeben, daß der Kommandant des Unterseebootes nach Lage der Umstände die Ueberzeugung gewinnen mußte, der Dampfer sei im Begriff, sein Fahrzeug zu rammen: er glaubte daher
in berechtigter Notwehr zu handeln, als er seinerseits zum Angriff auf das Schiff überging. Der weiter angeführte Fall des Angriffs eines deutschen Torpedobootszerstörers auf ein britisches Unterseeboot in den dänischen Hoheitsgewässern hat sich in der Weise abgespielt, daß es in diesen Gewässern zwischen den beiden Kriegsschiffen zum Kampf gekommen ist, und daß sich dabei das Unterseeboot durch Geschützfeuer gewehrt hat; daß bei dem deutschen Angriff die dänische Neutralität verletzt worden ist, wird von der Britischen Regierung umsoweniger geltend gemacht werden können, als die britischen Seestreitkräfte in einer Reihe von Fällen deutsche Schiffe in neutralen Gewässern angegriffen haben. In dem Falle der Vernichtung des britischen Dampfers Ruel endlich hat das deutsche Unterseeboot lediglich die von der Deutschen Regierung im Februar 1915 angekündigten Vergeltungsmaßnahmen zur Anwendung gebracht; diese Maßnahmen entsprechen dem Völkerrecht, da England bemüht ist, durch die völkerrechtswidrige Lahmlegung des legitimen Seehandels der Neutralen mit Deutschland diesem jede Zufuhr abzuschneiden und damit das deutsche Volk der Aushungerung preiszugeben, gegenüber völkerrechtswidrigen Handlungen aber angemessene Vergeltung geübt werden darf. In allen drei Fällen hatten es die deutschen Seestreitkräfte nur auf die Zerstörung der feindlichen Schiffe, keineswegs aber auf die Vernichtung der sich rettenden wehrlosen Personen abgesehen: die entgegenstehenden Behauptungen der Britischen Re gierung müssen mit aller Entschiedenheit als unwahr zurückgewiesen werden.
Das Ansinnen der Britischen Regierung, die erwähnten drei Fälle gemeinsam mit dem Baralong=Fall durch einen aus amerikanischen Marineoffizieren gebildeten Gerichtshof untersuchen zu lassen, glaubt die Deutsche Regierung als unannehmbar ablehnen zu sollen. Sie steht auf dem Standpunkt, daß die gegen Angehörige der deutschen Streitmacht erhobenen Beschuldigungen von den eigenen zuständigen Behörden untersucht werden müssen, und daß diese jede Gewähr für eine unparteiische Beurteilung und gegebenen Falles auch für eine gerechte Bestrafung bieten. Ein anderes Verlangen hat sie auch gegenüber der Britischen Regierung in dem BaralongFall nicht gestellt, wie sie denn keinen Augenblick zweifelt, daß ein aus britischen Seeoffizieren zusammengesetztes Kriegsgericht den feigen und heimtückischen Mord gebührend ahnden würde. Dieses Verlangen war aber um so berechtigter, als die der Britischen Regierung vorgelegten eidlichen Aussagen amerikanischer, also neutraler Zeugen, die Schuld des Kommandanten und der Mannschaft der Baralong so gut wie außer Frage stellen.
Die Art, wie die Britische Regierung die deutsche Denkschrift beantwortet hat, entspricht nach Form und Inhalt nicht dem Ernst der Sachlage und macht es der deutschen Regierung unmöglich, weiter mit ihr in dieser Angelegenheit zu verhandeln. Die Deutsche Regierung stellt daher als Endergebnis der Verhandlungen fest, daß die Britische Regierung das berechtigte Verlangen auf Untersuchung des Baralong=Falles unter nichtigen Vorwänden unerfüllt gelassen und sich damit für das dem Völkerrecht wie der Menschlichkeit hohnsprechende Verbrechen selbst verantwortlich gemacht hat. Offenbar will sie den deutschen Unterseebooten gegenüber eine der ersten Regeln des Kriegsrechts, nämlich außer Gefecht gesetzte Feinde zu schonen, nicht mehr innehalten, um sie so an der Führung des völkerrechtlich anerkannten Kreuzerkrieges zu verhindern.
Nachdem die Britische Regierung eine Sühnung des empörenden Vorfalls abgelehnt hat, sieht sich die Deutsche Regierung genötigt, die Ahndung des ungesühnten Verbrechens selbst in die Hand zu nehmen und die der Herausforderung entsprechenden Vergeltungsmaßnahmen zu treffen.
Berlin, den 10. Januar 1916.
***
7 Die deutsche Antwortnote spricht eine würdige Sprache gegenüber dem Dokument englischer Perfidie, Niedertracht, Frivolität und verschlagener Sophisterei, womit die englische Regierung den feigen Meuchelmord an unserer-Bootmannschaft deckte. Lord Crewe,„in Abwesenheit Sir Edward Greys“ glaubte ein Meisterstück vollbracht zu haben, als er den Spieß umdrehte, und der deutschen Marine das gleiche Verbrechen vorwarf, das sich die englische Marine hat zu schulden kommen lassen. Ob er heute nach Empfang der Antwort noch derselben Ansicht sein wird, vermögen wir bei dem Geisteszustande der Engländer nicht zu entscheiden.
Die Deutsche Regierung wird allgemeines Verständnis dafür finden, daß sie es ablehnt, mit einer Regierung die kein Empfinden dafür hat, daß feiger Meuchelmord zu ahnden ist,