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Nachen, Donnerstag, 12. Juli 1928(Nabor)
1. Blatt Nr. 162
I•Zetit
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Lohnsteuersenkung ab 1. Oktober.
Einigung über die Amnestie erzielt.
Ferienstimmung im Reichstag.
Drahtbericht unserer Berliner Schriftleitung.
AK. Berlin, 12. Juli. Im Reichstag tritt nun allmählich Ferienstimmung ein. In früheren Jahren äußerte sich diese darin, daß in gehäuften Sitzungen von ausgedehnter Dauer und bei beschleunigtem Arbeitstempo der Rest des Programms gewissermassen in Akkordarbeit erledigt wurde. Diesmal ist das nicht notwendig. Zwar ist an wartenden Aufgaben kein Mangel, aber durchweg sind sie noch nicht soweit vorbereitet— vor allem nicht von seiten der Regierung—, daß eine fruchtbringende Behandlung möglich wäre. Gestern standen neben der Verlängerung und Ausdehnung der Krisenfürsorge nur die formale Ueberweisung der Strafrechtsvorlage an den Ausschuß und weniger wichtige kleinere Vorlagen zur Beratung. Heute werden Amnestiegesetz und Lohnsteuersenkung die Hauptpunkte der Tagesordnung darstellen.
Eine Einigung über diese Punkte hat sich gestern im Rechtsausschuß und im Steuerausschuß unter verhältnismäßig leichter Ueberwindung der Schwierigkeiten erzielen lassen. Zur schnelleren Erledigung wird der Weg über Initiativanträge der Parteien gewählt, so daß der Reichsrat erst nachträglich seine Zustimmung zu geben braucht.
Der Amnestieantrag, der die Unterschriften der Sozialdemokraten, Demokraten, des Zentrums und der Deutschen Volkspartei gefunden hat, gewährt Straferlaß für die von Gerichten des Reiches und der Länder verhängten Strafen für Taten, die aus politischen Gründen begangen sind oder wegen Zuwiderhandlungen gegen das Militärstrafgesetz bis zum 1. Oktober 1920 verhäugt worden sind. Anhängige Verfahren werden eingestellt, wenn die Tat vor dem 1. Januar 1928 begangen ist. Neue Verfahren werden nicht angemeldet.
Ausgeschlossen von der Straffreiheit sind Landesverrat und Verrat militärischer Geheimnisse, wenn die Tat aus Eigennutz begangen ist, ferner Verbrechen gegen das Leben und solche Straftaten, zu deren Durchführung der Täter ein Verbrechen gegen das Leben begangen hat. Strafen wegen Verbrechen gegen das Leben sollen noch gemildert werden. So sollen Freiheitsstrafen auf die Hälfte herabgesetzt werden, wobei an die Stelle des Zuchthauses Gefängnis tritt. Lebenslängliche Zuchthausstrafen werden in Gefängnis von 7½ Jahren umgewandelt.
Der Lohnsteuerantrag hat die Unterschrift der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Demokraten gesunden. Die Volkspartei hat ihre Unterschrift nicht gegeben, weil sie eine weitergehende Berücksichtigung der mittleren Einkommen wünsche. Sie wird aber dem Antrage ihre Zustimmung nicht versagen, da gleichzeitig eine Entschließung angenommen werden soll, daß die Regierung während der Reichstagspause die finanzielle Lage des Reiches gründlich dahin prüfen möge, inwieweit eine Senkung der Steuer bei mittleren Einkommen möglich sei. Die Bereitwilligkeit dieser Entschließung nachzukommen, hat Finanzminister Hilferding bereits gestern im Steuerausschuß ausgesprochen.
Die nun zustandekommende Lohnsteuersenkung wird so aussehen, daß der nach dem letzten Gesetz über die Lohnsteuersenkung in Höhe von 15 vom Hundert, bzw. höchstens zwei Mark monatlich erfolgende Abzug vom Steuerbetrag auf 25 vom Hundert, bzw. drei Mark erhöht werden soll. Unter diese Ermäßigung würden Einkommen bis zu 15000 Mark jährlich fallen. Daueben soll eine weitere Senkung der Steuerleistung durch eine Abrundung der lohnsteuerpflichtigen Beträge nach unten herbeigeführt werden. Die Neuregelung soll am 1. Oktober in Kraft treten.
Wenn der Reichstag diese beiden Aufgaben noch erledigt haben wird, dann wird er voraussichtlich schon morgen die Sommerpause eintreten lassen. Die andere Streitfrage, die Schaffung des Nationalfeiertages wird, wie schon gestern von uns angenommen, bis Herbst im Rechtsausschuß schlummern. Wie man die Frage dann weiter behandelt, hängt sicherlich nicht zuletzt von der Regierungsbildung in Preußen ab. In sozialdemokratischen Kreisen des Reichstags betonte man gestern erneut, daß ohne eine Zustimmung der Volkspartei zum Nationalfeiertag nicht daran zu denken sei, die Volkspartei in die preußische Koalition aufzunehmen. Es sieht also jetzt schon so aus, daß die Verhandlungen über die preußische Regierungsumbildung im Herbst,
die ziederum mit der koalitionsmäßigen Umbildung
Kräftigung der Partei auszunützen. Der Parteitag, der wahrscheinlich in der zweiten Oktoberwoche in Hamburg stattfinden wird, soll nach außen hin die erneut gesammelte und gestärkte Schlagkraft der Partei zum Ausdruck bringen. Gegenwärtig ist die Reichstagsfraktion damit beschäftigt, noch eine Reihe von Anträgen verschiedenster Art vorzubereiten, die während der parlamentarischen Sommerpause der Reichsregierung mit die Grundlage geben soller für die Vorbereitung der Arbeiten, die der Reichstag im kommenden Herbst und Winter finden wird.
Landtag ist bereits in Ferien.
Die Kommunisten verhindern die Siebenstundenschicht der Bergarbeiter.
+t Berlin, 11. Juli. In der heutigen letzten Landtagssitzung vor den Sommerferien sprach Präsident Bartels vor Eintritt in die Tagesordnung zunächst unter lebhaftem Beifall des Hauses dem Zentrumsabgeordneten Herold, der am 20. Juli 80 Jahre alt wird, herzliche Glückwünsche des Hauses aus. Der Abg. Herold dankte und betonte dabei, daß er auch fernerhin alle seine Kräfte zum Dienste am deutschen Volk im Parlament einsetzen wolle.
Das Haus behandelte dann ein umfangreiches Programm des Hauptausschusses, das zur Behebung der Notlage der See= und Küstenfischerei ausreichende Notstandsmaßnahmen und Kredite, sowie wirksame Dauermaßnahmen vorsieht. Das Ausschußprogramm wurde nach kurzer Aussprache im wesentlichen unverändert angenommen.
Der Ausschußberatung wird überwiesen die Vorlage über Aufhebung des hannoverschen Polizeistrafgesetzes vom 25. Mai 1847. Auch die Ausführungsverordnung zum Reichsgesetz über die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und die Vorlage, wonach zur Wiederinstandsetzung, und Verbesserung staatlicher Hasenanlagen rund 3½ Millionen zur Verfügung ge
stellt werden, gehen an die zuständigen Ausschüsse. Die Ausführungsbestimmungen über die unkündbare Anstellung in der Schutzpolizei gehen an den Beamtenausschuß.
Es folgt die Beratung von Ausschußanträgen über Zechenstillegungen und Bergarbeiter
tlassungen. Die Ausschußanträge ersuchen das
Staatsministerium, rechtzeitig vor Ablauf des Ruhrkohlensyndikats mit der Reichsregierung in Verhandlungen einzutreten über diejenigen Aenderungen des Syndikatsvertrages bzw. des Kohlenwirtschaftsgesetzes, die im Interesse der im Steinkohlenbergbau beschäftigten Arbeitnehmerschaft und insbesondere zur Verhinderung vermeidbarer Stillegungen notwendig sind. Ferner wird das Staatsministerium ersucht, durch Einwirkung auf die Reichsregierung und die Reichsbahn zu erreichen, daß zur Ermöglichung eines besseren Wettbewerbs mit der englischen Kohle die Küstentarife für Kohle wesentlich verbessert werden.
Schließlich soll bei der Reichsregierung durchgesetzt werden, daß im Bergbau unter Tage die Siebenstundenschicht eingeführt wird. Außerdem werden Maßnahmen zur Erhaltung der Gruben= und Hüttenbetriebe in Sieg=, Lahn= und Dillgebiet verlangt.
Ein kommunistischer Antrag, mit der Beratung auch die kommunistische Forderung zu verbinden, den Abg. Sobottka(Komm.) wieder in die Grubensicherheitskommission zu delegieren, scheitert an sozialdemokratischen Widerspruch. .53 BErge Heiteranträge fanden nach der Ausschußfassung Annahme, abgesehen von der Stelle, in der die Siebenstundenschicht gefordert wird. Bei der namentlichen Abstimmung hierüber wurde das Haus beschlußunfähig, da nur 30 Kommunisten ihre Karte abgaben.
In der sofort einberufenen neuen Sitzung wurde ein Antrag zur Behebung der Wohnungsnot der Beamten und ein Antrag des Hauptausschusses auf sofortige Auflegung einer Auslandsanleihe der Provinz Ostpreußen mit großer Mehrheit angenommen.
Anträge kommunistischer Abgeordneter, auch am Donnerstag noch eine Sitzung abzuhalten, wurden gegen die Antragsteller abgelehnt, und um ½6 Uhr wurde die Sitzung unter lebhaften Rufen der Kommunisten:„Auf zu dem Festessen nach Köln!“ geschlossen.
Der Landtag wird am Dieustag, den 2. Oktober wieder zusammentreten.
ag:„Unterhaltungsbeilage“. Monatlich:„Der Steuerberater“.
Schwere Vergiftung auf einem Rheindampfer.
Bisher drei Tote.
#t Mainz, 12. Juli.(Drahtung.) Von dem während einer Rheinfahrt unter Vergiftungserscheinungen Erkrankten sind in München bis jetzt drei Tote, darunter der schwedische Afrikaforscher Swen Alinder, zu verzeichnen. 23 Erkrankte liegen noch in den Münchener Krankenhäusern, unter ihnen solche, die sich noch in Lebensgefahr befinden. Die genane Ursache der Vergiftungserscheinungen ist noch nicht bekannt, da die Erhebungen von Mainz aus gepflogen werden.
an Nobiles Bericht.
Drahtbericht unserer Berliner Schriftleitung
preußische Regierungsumbildung im
die wiederum mit der koalitionsmäßigen Umbildung der Reichsregierung zusammenhängen, nicht leicht sein werden. Das preußische Zentrum wird der Heranziehung der Volkspartei in Preußen keine grundsätzlichen Schwierigkeiten in den Weg legen. Andererseits besteht für die Zentrumsfraktion des Landtags aber auch keine Veranlassung, wie scheinbar jetzt vor dem Auseinandergehen des Landtags von der Volkspartei angeregt worden ist, hierbei die Initiative zu ergreisen.
Doch das sind Dinge, über die man sich jetzt noch nicht den Kopf zu zerbrechen braucht. Hinwieder gilt auch in der Politik das Sprichwort, daß Zeit Rat bringt. Inzwischen gilt es für das Zentrum, die parlamentsfreie Zeit zur Reorganisation und
AK. Berlin, 12. Juli. Der in Tromsö weilende Sonderberichterstatter des„Berliner Tageblatts“ übermittelt seinem Blatt eine Meldung, wonach auf Spitzbergen starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Nobiles Bericht geäußert werden. Da das empfindliche Radiogerät gerettet worden sei, begegne Nobiles Behauptung von einer Losreißung der Luftschiffgondel bei dem Aufschlagen auf das Eis starker Skepsis.
Man ist fast versucht, so heißt es in der Meldung, ein vorbereitetes Manöver anzunehmen, bei dem alles, was als wichtig gerettet werden sollte — man erinnere sich der 250 Kilogramm Proviant—, vorher nach der Gondel gebracht war, während der Rest, der eventuell geopfert werden mußte, zur Ausbalanzierung des Luftschiffes am anderen Ende untergebracht wurde. Daß es Absicht war, in jedem Falle alle Menschen zu retten, ist selbstverständlich.
Immer seltsamer erscheint auch das Verhalten der Mannschaft der„Citta di Milano“. Nobile brachte auf das Schiff ein Notizbuch zurück, in dem alle Telegramme verzeichnet waren, die er seit dem ersten Tage der Katastrophe abgesandt hatte. Sein Sendegerät war keine Minute entzwei. Hat die „Citta di Milano“ die Telegramme nicht aufgefangen, oder hat ihre Besatzung die Funksprüche verschwiegen, bis durch Amateurempfänger die Katastrophe bekannt wurde?
Eine weitere Frage: Warum ist Malmaren überhaupt über das Eis abmarschiert? Nobiles Begründung ist unlogisch. Vor allem: warum ist Malmgren gegangen, ohne daß diese Tatsache vorher telegraphiert wurde? Man ist hier der Ansicht, so heißt es in dem Bericht, daß zwischen Malmaren und Nobile bereits seit dem letzten Start, den Malmgren nicht billigte, eine Spannung herrschte. Malmgren und seine Begleiter bekalnen keine Waffen mit und ihr Schuhzeug war für die Expedition völlig ungeeignet. Auffallend ist auch, daß Lundborg, der zehn Tage lang mit auf der Eisscholle saß und über den schlechten Zustand dieser Gruppe eingehend berichtete, garnichts über die Art der Katastrophe mitteilt, von der seine Leidensgefährten doch sicher gesprochen haben. Hat er sich etwa einer'talienischen Zensur unterstellt?
Sterben in der weißen Wüste.
Eigener Drahtbericht.
AK. Oslo, 11. Juli. Das immer noch audauernde Schweigen der Funkanlage der Nobileleute vom Roten Feld wird von den arktischen Sachverständigen dahin gedeutet, daß auch der Funkoffizier Biagi mit seinen Gefährten den Strapazen erlegen ist oder jedenfalls im Sterben liegt. Man nimmt an,
daß das hochgradige Fieber der Leute, von dem Lundborg berichtet hat, schon auf beginnende Lungenentzündung zurückzuführen war, die in einem so kalten und nassen Klima bei so primitiver Unterkunft sozusagen mit Naturnotwendigkeit eintreten müsse.
Der Schicksalsflug der„Latham“.
AW. Oslo, 11. Juli.(Drahtung.) Der Radiotelegraphist, der auf der Bäreninsel Dienst hatte, als Guilbaud und Amundsen den Flug antraten, von dem sie bisher nicht zurückgekehrt sind, ist in Tromsö eingetroffen. Seinen Schilderungen sei zu entnehmen, daß das Flugzeug„„Latham“, das man lange Zeit in den Gewässern um die Bäreninsel gesucht hat, diese gar nicht erreichte. Am 18. Juni hat der Telegraphist von .30 bis 12 Uhr nachts dauernd versucht, den Sendeapparat der„Latham“ zu hören. Seine Bemühungen, die nur einige Male unterbrochen werden mußten, um die Wetternachrichten aufzunehmen, blieben jedoch vergeblich. Der Telegraphist versuchte dann seinerseits, die„Latham" anzurufen, erhielt aber keine Antwort. Die bei ihm eingehenden Nachrichten über die Eisverhältnisse in der Umgebung der Bäreninsel und in der Gegend von Kingsbay wurden von ihm an die „Latham“ weitergegeben. Er versuchte auch, das Motorengeräusch zu hören, konnte aber nichts wahrnehmen. An dem fraglichen Tage war das Wetter klar und der Gesichtskreis infolgedessen ganz ungewöhnlich groß. Es wäre an sich ja möglich gewesen, das Flugzeug zu beobachten, besonders, da Maddalenas Flugzeug später von der Flugstation aus gesehen und gehört werden konnte.
Der Eisbrecher„Krassin“ nur 3,6 Kilometer entfernt und doch keine Hilfe.
* Kopenhagen, 11. Juli. Nach den aus Königsbucht vorliegenden Nachrichten wird das Schicksal der Viglieri=Gruppe immer hoffnungsloser. Obwohl der Eisbrecher„Krassin“ sich nach der Berechnung des Schiffes„Quest“ dem Lager wahrscheinlich bis auf eine Entfernung von 3,6 Kilometer genähert hat, ist sein weiteres Vordringen durch dickes Packeis verhindert. Falls nicht in allernächster Zeit eine Aenderung in den Eisverhältnissen eintritt, muß„Krassin" durch die Hinlopenstraße an der Südund Ostküste des Nordostlandes vorbeifahren, um zu Kap Leig Smith zu gelangen. Er muß dann aber vorher die Adventbucht passieren, um Bunkerkohlen einzunehmen. Die Aussichten auf Erreichung der Viglieri=Gruppe durch den Eisbrecher werden dadurch sehr verzögert. Und dabei wächst die Verzweiflung und das physische Elend der Unglücklichen von Stunde zu Stunde. Einer von ihnen soll sich, wie von Königsbucht aus erklärt wird, in geistiger Verwirrung von seinen Kameraden entfernt haben.
*
Der Korrespondent der United Preß, Dr. Ingels, hatte Nobile an Bord der„Citta di Milano“ be
sucht. Dr. Ingels, der Arzt ist, untersuchte den italienischen General und stellte fest, daß dieser an Fieber litt und sehr schwach war. Nobile leidet unter heftigen Schmerzen; sein rechter Unterarm ist stark geschwollen und deformiert. Ein Bein ist verkürzt und infolge des Bruchs verkrümmt, da es nach dem Unfall nicht gestreckt werden konnte. Nobile erklärt, daß er sich selbst aus Holzteilen der Gondel einen Notverband gemacht habe. Er erzählt, daß das erste Zelt, das die Verunglückten sich auf ihrer Scholle errichtet haben, und in dem sie die ersten vier Tage hausten, viel zu klein gewesen sei. Die Verunglückten hätten darin geradezu übereinander gelegen, was aber anderseits den Vorteil gehabt hätte, daß sie einander wärmten. Im Magen des zuerst erlegten Bären hätte man Stücke Zeitungspapier und Teile der Hülle der„Italia“ gefunden. Alle hatten unter Verdauungsstörungen gelitten, die auf den Genuß des nur halb gar gekochten Bärenfleischs zurückzuführen gewesen seien. Nobile fügte hinzu, er wünsche jetzt, daß er wieder im roten Zelt sei.
Malmgren gefunden!
it Moskau, 11. Juli.(Drahtung.) Wie die Telegraphenagentur der Sowjetunion meldet, entdeckte bei einem Erkundungsflug der russische Flieger Tschuchnowski 80 Grad 42 Minuten nördlicher Breite, 25 Grad 45 Minuten östlicher Länge, 26 Meilen östlich von der„Krassin" die Malmaren=Gruppe, von der zwei Mann mit Fahnen winkten und der dritte in liegender Stellung verharrte. Tschuchnowski sucht nach einem Landungsplatz.
Die Ozeanflieger gedenken des ersten Reichspräsidenten.
#t Heidelberg, 11. Juli.(Drahtung.) Der Ozeanflieger Hauptmann Köhl machte heute nachmittag bei seinem Fluge von Frankfurt nach Berlin einen Umweg über Heidelberg und warf hier über dem Bergfriedhof zwei Kränze(von Köhl und von Hünefeld) mit Schleifen in den Reichsfarben für den versorbenen, Reichspräsidenten Ebert ab. Sie trugen die aufschrift:„Dem ersten Reichspräsidenten zum Gedenken!" Das Flugzeug flog sehr niedrig, so daß die beiden Kränze richtig auf dem Bergfriedhof niedersielen. Sie wurden dann am Grabe Eberts niedergelegt. Das Flugzeug beschrieb noch einen Bogen über Heidelberg und flog dann in der Richtung nach Berlin weiter.
Hauptmann Köhl ist nachmittags.45 Uhr im Tempelhofer Flughafen wohlbehalten gelandet.
Die Luftfahrtspionage.
Ein Geständnis Ludwigs.
#t Berlin, 11. Juli.(Drahtung.) Nach hartnäckigem Leugnen hat Ludwig dem Vernehmungsrichter ein Geständnis augelegt. Er berief sich allerdings zunächst darauf, daß er nur in der Statistischen Abteilung der Versuchsanstalt für Luftfahrt beschäftigt war und deshalb keinen Einblick in Geheimdokumente hatte, doch konnte man dem Verhafteten sofort das Gegenteil nachweisen. Gegenwärtig prüfen die Behörden, ob Ludwig schon in seinen früheren Stellungen bei verschiedenen Flugzeugwerken Spionage getrieben hat.
Moskau weiß von nichts.
Eine Erklärung der Sowjetbotschaft.
#t Berlin, 11. Juli.(Drahtung.) Die Pressestelle der Botschaft der Sowjetunion teilt mit:„Die in den heutigen Zeitungen erschienene Nachricht, daß der verhaftete Angestellte der Versuchsanstalt für Luftfahrt, der unter dem Verdacht steht, an eine fremde Macht wichtige Dokumente verkauft zu haben, im Interesse der Sowjetunion gehandelt und mit der hiesigen Sowjetvertretung in Verbindung gestanden hätte, entspricht nicht den Tatsachen. Auch die durch ein Mittagsblatt verbreitete Nachricht, daß die Abberufung des früheren Militärattachés Lunjeff unmittelbar mit dieser Asfäre in irgendeinem Zusammenhang steht, ist falsch. Vielmehr wurde die Abberufung des Herrn Lunjeff den entsprechenden deutschen Behörden bereits Ende Februar mitgeteilt.“
In aller Kürze.
Gegen den Schriftsteller Heinrich Wandt, den Verfasser des Buches„Etappe Gent", ist nach einer Meldung der„Welt am Abend“ vom Reichsgericht beim Amtsgericht Berlin=Schöneberg der Erlaß eines Haftbesehls beantragt worden, weil er 3188 Mark Kostech, die aus Anlaß seines Prozesses entstanden sind, noch zu zahlen hat.