Nachen 1890. Nr. 38.

0. Nr. 38. 42. Jahrgang. Freitag, 14. Februar. Erstes Blatt.

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Gründet katholische Arbeitervereine!

] Der schon von uns erwähnte Erlaß des Breslauer Oberhirten an die Teistlichen seiner Diözese, in welchem er diesen die Fürsorge für die Arbeiterbevölkerung be­sonders warm ans Herz legt, lautet wie solgt:

Ehrwürdige Mitbrüder! Eine Anzahl katholischer Männer aus allen Theilen des Reiches, die sich zur Förderung der sitt­lichen wie materiellen Wohlsahrt der Arbeiterbevölkerung ver­einigt haben, hat in den jüngsten Tagen auf das ernste Gesicht hingewiesen, welches Gegenwart und Zukunft uns zeigen; auf die steigende Zahl gewissenloser Agitatoren, die Haß und Feindschaft unter den Arbeitern schüren und nicht das wahre Interesse der Arbeiter, sondern ganz andere Zwecke im Auge haben, zu denen die Arbeiter mißbraucht werden sollen; auf das heranwachsende glaubenslose Geschlecht, in welchem die Erkaltung des religidien Sinnes, die Lockerung des Familien­lebens, die Trunksucht, der Geist der Auflehnung gegen Eltern und Vorgesetze immer mehr an Boden gewinnen. In der Rück­kehr zum Christenthum finden jene wahren Arbeiterfreunde mit Recht den einzigen Rettungsweg und rusen zu dem gemein­samen Reitungswerke alle auf, denen das Wohl der Menschheit am Herzen liegt.

Auch an die Kirche und die Seelsorge windet sich ihr ernster Aufruf; darf ich denselben angesichts der Lage meiner eigenen Diözese überhören? Erinnert euch, ehrwürdige Mitbrüder, der eindringlichen Mahnung, mit welcher das Oberhaupt der Kirche die Fürsorge der Arbeiterbevölkerung in dem herrlichen Rundschreiben vom 20. April 1884Humanum genus empfahl.Diejenigen, so rief uns der hl. Vater zu,welche von dem Lohne ihrer Handarbeit ihr armes Leben fristen, siad ja zunächst eben durch ihre Lage vor allen anderen der Liebe und des Trostes besonders würdig; sie sind aber auch durch die Lockungen derjenigen, welche Ränke und List anwenden, besonders zugänglich. Darum sind sie mit möglichst großem Wohlwollen zu unterstützen und zu ehrenhaften Verbindungen einzuladen, damit sie nicht zu schöndlichen verleitet werden. Es gereicht uns zur großen Freude, daß schon an manchen Orten solche Vereine gegründet sind, und daß man durch dieselben sich bemüht, die achtbare arme Klasse zu unterstützen, ihren Kindern und Familien Hilfe und Schutz angedeihen zu lassen, und bei ihnen Liebe zur Frömmigkeit, Kenntniß in der Religion und Unbescholtenheit der Sitten zu sördern.

In diesen Worten findet sich das ganze Programm der Arbeitervereine. Wohl will der hl. Vater die Bestrebungen derselben auch auf die Förderung der materiellen Wohlfahrt der Arbeiterbevölkerung, auf die Hebung ihrer materiellen Lage ge­richtet wisten: aber als die Hauptaufgabe gilt ihm mit Recht die sittlich=religiöse Hebung derselben, und diese fällt vor­zugsweise der Kirche zu. Dieser Mahnung des Oberhauptes der Kirche entsprechend, hat auch mein verewigter Vorgänger, der Fürstbischof Robert, in seinem herrlichen Fastenhirtenbriefe vom Jahre 1885 zur Gründung von Arbeitervereinen aufgefordert. Der Erfolg hat den Erwartungen freilich bislang nicht entsprochen; nur in Breslau und Neisse haben sich solche bosche Sringend fordern, gg... die Verhäluisse

gergde da aber, wo die ist ihre Bildung unterblieben oder hat sich dem kirchlichen Einflusse entzogen Nun weiß ich wohl, was diese Zurückhaltung des hochwürdigen Klerus veranlaßt hat, es ist nicht allein die erdrückende Arbeitslast, welche auf seiten Schultern in Folge der so sehr verminderten Zahl der Seel­sorger ruht, es siad auch manche bittere und trübe Erfahrungen der Vergangenheit: die Herabminderung des seelsorgerischen An­sehens, die reiche Ernte von Undank und Verkennung, das Miß­trauen und der Argwohn gegen die bestgewollten Bestrebungen! Ich beklage dieses alles mit dem hochwürdigen Klerus: ich be­klage mit ihm die große Kurzsichtigkeit, welche in der Bekämpfung des seelsorgerlichen Einflusses einen Gewinn für das Gemeinwohl zu finden glaubte; ich beklage den Undank und die Verkennung, welche den aufreibenden Arbeiten des Klerus für die höchsten Güter der Menschheit zu Theil wurden; ich beklage den Arg­wohn und das Mißtrauen, welche die allein den religiös=sitt­lichen Interessen gelienden Bestrebungen oft begleiten.

Allein die Empfindungen, welche diese Erfahrungen hinter­lassen haben, dürfen niemals stärker sein als unser Pflicht­gefühl, und der Druck derselben darf uns nicht gleichgültig machen gegen die Gefahren, welche die unserer Sorge an­vertrauten Heerden bedrohen, auch selbst dann nicht, wenn wir diese Gefahren, ohne Gehör zu finden, vorausgesagt hätten. Nun droht aber den heutigen Bestrebungen der Arbeiter die große Gesahr, daß sie immer mehr und mehr auf der Bahn lediglich maierieller Interessen hinabgleiten und aller höheren Ziele wie auch sittlichen Mittel entkleidet werden. Gewiß wird diese Gefahr wachsen, wenn der seelsorgerische Einfluß sich von den Arbeitern und ihren Vereinigungen zurückhält oder die Leitung derselben aus der Hand gibt und Händen überläßt, welche die Arbeiter nur zu Werkzeugen ihrer verderblichen Pläne miß­brauchen wollen.

Shg dr Aongemunt don 1. schouer 150.)

30 Mercedes von Moron,

oder: Die schwarze Hand.

Von Lambert de Ste. Croix.

Autorisirte freie Uebersetzung von Philipp Freidank. (Fortsetzung.)

9. Kapitel.

Das Rennen um die Cintas.

Die Straße, welche von Teres nach Arco führt, ist, wie die meisten der Wege Andalusiens, schmal, schlecht unterhalten und sehr staubig. Sie zieht sich mitten durch Weinberge und ist so langweilig wie möglich. Von Zeit zu Zeit zeigt ein eisernes Gitter an, daß nicht weit davon sich das in blendendem Weiß glänzende Haus eines Päch­tes oder Eigenthümers befindet.

Von der Sonne war dieGira(der Ausflug zu Esel) nicht begünstigt. Der Himmel war so bewölkt, daß die segelnden Wolken die Sonne oft genug vollständig verdunkelten. In der Richtung von Feres her bewegte sich eine dichte Staubwolke, welche die Cavalcade der Gira ankündigte. Die 45 Esel, welche in Feres auf­zutreiben waren, reichten nicht hin, alle die jungen Damen und Herren, welche an derGira Theil nehmen wollten, beritten zu machen. Man hatte daher noch einige Wagen requirirt, welche der Calvacade den Rücken deckten; in diesen Wagen befanden sich die älteren Begleiter und Be­gleiterinnen der jungen Damen und diejenigen Theilnehmer an der Festlichkeit, welche nicht in den glücklichen Besitz eines Esels gelangen konnten. Außerdem bargen diese Wagen den so nothwendigen Mundvorrath.

In Spanien fällt es bei solcher Gelegenheit nicht auf, wenn ein Reitthier von zwei Personen zugleich benutzt wird. So befand sich auf dem Esel, welcher den Zug eröffnete, der Graf von Monteplata und hinter ihm auf der Kruppe des Esels die Tochter des Herzogs de Villa­Merced; dieselbe hielt sich mit der rechten Hand an dem Grafen fest, während sie mit der linken Hand ein an den

Hentaige Achacher ie wuiter 9ch nungen nicht überhören, welche das Oberhaupt der Kirche, ver­ständige und wahre Freunde der Arbeiterbevölkerung und vor Allem die gegenwärtige Lage an uns richtete. Wir müssen in den Wentkampf miteintreten, der in der Arbeiterbevölkerung entbrannt ist zwischen Glauben und Unglauben, zwischen wahren und falschen Bestrebungen für das Wohl der Arbeiter; wir dürsen uns die Führerschaft nicht entreißen lassen, wo es sich um die höchsten Güter und die heiligsten Interessen der Mensch­heit haudelt; wir dürfen nicht abwartend zur Seite treten, wo wir sehen, wie den uns anvertrauten Heerden die Gefahr droht, auf falsche Wege geleitet zu werden und die Fühlung mit christ­lichen Grundsätzen und christlicher Sitte allmählich zu verlieren.

Wo immer demnach die Verhältnisse es angezigt erscheinen lassen, da gründet Arbeitereine; die in Bildung begrisfenen nehmet unter eure Obhut und Fürsorge und die schon bestehenden zieher an euch heran. Im Allgemeinen wird jeder einzelne Ver­ein sich an den Pfarrbezirk anzuschließen haben. Wie sodann die einzelnen Vereine mit einander in Verbindung treten, ob es sich empfiehlt, einzelne Vereinsgruppen zu bilden und alle Gruppen zu einem Centralverbande der Diözesanvereine zusammenzufassen, kann vorbehalten bleiben. Was aber die Vereinsarbeit selbst an­geht, so ist selbstverständlich die wichtigste und Hauptausgabe, wie der hl. Vater sagt, die Liebe zur Frömmigkeit, die Kenntniß der Religion, die Unbescholtenheit der Sitten zu sördern. Jeder Versuch zur Besserung der sozialen Verhältnisse ohne religtöses Leben und christliche Moral ist erfolglos; darum müssen die Arbeiter vor Allem durch ihren Verein zu einem wahrhaft reliziösen Leben und zu einer streng moralischen Haltung ange­leitet werden. Dieses wird erstrebt durch gemeinsame Andachten, durch gemeinsamen Sakramentenempfang, durch östere Unter­weisung über ihre Christen= und Standespflichten und durch periodische Belebung des religiösen Lebens(Missionen).

Es wird jedoch nicht genügen, die Kenntniß und Uebung der Religion zu sördern und zu erweitern; die Arbeiter müssen heutzutage auch über ihre irdischen Verhältnisse, über ihre materielle Lage, ihre Aussichten und Hoffnungen belehrt werden. Gegenüber den Täuschungen und Hirngespinsten mit denen soziolistische Agitatoren an sie herantreten, ist es uner­läßlich, daß die Arbeiter über die Grundirrthümer der sozia­listischen Lehren, über die Nichtigkeit und Hohlheit ihrer Verheißungen, über die letzten Ziele jener Verführer unter­wiesen, dahingegen auf christliche Auffassung der Arbeit, auf den wahren Werih derselben, auf die wichtige und achtbare Stellung des Arbeiterstandes in der göttlichen Weltordnung hingewiesen werden. Auch dem Verhältnisse zwischen Arbeiter und Arbeit­geber muß eine sorgfältige und nach beiden Seiten hin vorsichtige Aufmerksamkeit gewidmet werden und rathend wie helfend soll der Arbeiterverein diesen wichtigen Beziehungen gegenüberstehen.

Man muß ferner, fährt der heilige Bater fort, den Kindern und der Familie Schutz und Hülfe angedeihen lassen. Und in der That, je glücklicher das Familienleben ist, desto festeren Halt gewährt dasselbe gegen alle Versuchungen. Es gilt daher, das Familienleben des Arbeiterstandes vor Gefohren zu schützen durch Bekämpfung der Trunksucht und des Wirthshausgehens, darüber habe ich bereits bei einer anderen Gelegenheit mich aus­gesprochen durch Fernhaltung aller Feinde des häuslichen Friedens und der ebelichen Einigkeit. Es gilt das Familienleben zu heben durch Ausbildung der jungen Mädchen und angehenden Hausfrauen in den sogenannten Haushaltungsschulen, durch Förderung aller für die Lebens= und Haushaltsführung nützlicher Wohlfahrtseinrichtungen, durch Empfehlung und Vermittelung des Sparwesens. Es gilt die jugendlichen Arbeiter und Arbeiter­innen gut zu leiten und zu überwachen, sie über ihre Pflichten und die Wege zu einem glücklich irdischen wie=ewigen Leben zu unterrichten, sie von zu frühen Heirathen zurückhalten und darum vor leichtsinnigen Bekanntschaften und zu freiem Umgange recht­zeitig zu warnen. Es gilt auch, der kleinen Arbeiterkinder sich anzunehmen und in Bewahrschulen ihnen Schutz und Fürsorge und Anleitung an Ordnung, Gehorsam, gesittetes Betragen zu Theil werden zu lassen. Und da im Menschen das Bedürfniß nach geselliger Freude nicht verkannt werden darf, muß sowohl der Jugend wie auch den Famisien zuweilen Gelegenheit zu einer anständigen Erholung in einer gemeinsamen Festlichkeit ge­währt werden. Endlich erinnert auch der heilige Vater an die Nothwendigkeit, die achtbare arme Klasse der Arbeiter zu unter­stützen. Auch dieses gehört zu den Aufgaben des Arbeiterver­eins; er muß hülfsbedürftige und würdige Arbeiter unterstützen, arbeitslosen Arbeitsgelegenheit zu vermitteln suchen, in Unfällen und Krankheiten die Hülse ergänzen, welche aus ösfentlichen Kassen geleistet wird, kurz: nicht allein der Noth vorbeugen, sondern auch da, wo sie eingezogen ist, dieselbe lindern.

Es ist ein großes Arbeitsfeld, ehrwürdige Mitbrüder, welches sich den Arbeitervereinen eröffnet, und ich sollte im Hinblicke auf die erdrückenden Anforderungen, welche die Seelsorge bereits an euch stellt, billigerweise Bedenken tragen, euch auf dieses Arbeits­feld zu führen, ohne daß ich zugleich euch Hülfe gewährte. Letzteres kann ich nicht, wie ihr selbst wißt; aber gleichwohl bitte ich euch, die Fürsorge für die Arbeitervereine nicht von euch zu weisen.

Pücice elich id bsche er Tet annr dele sorgerlichen Ausgaben, und danach enscheidet, wie viel an Zeit und Kraft ihr dieser Fürsorge widmen müßt. Die Herren Erzpriester werden in ihre Visiationsberichte den Erfolg eurer Bemühungen aufnehmen.

Der Fürstbischof.

* Georg.

Gleichzeitig mit den kaiserlichen Erlassen zur Regelung der Arbeiterfrage ist vorstehendes, ein Be­dürfniß unserer Zeit tief erfassendes Pastoralschreiben des hochwürdigsten Herrn Fürstbischofs Kopp an den Klerus seiner Diözese gerichtet worden, welches dazu auffordert, durch Gründung von Arbeitervereinen der Arbeiterwelt die ganze Fülle der brüderlichen Liebe zu zeigen, ihre materielle Lage zu bessern, ihr inneres, im Glaubens­und Sittenleben begründetes Glück zu vertiefen, sie daher auch vor der teuflischen Verführung durch die Agitatoren der rothen Internationale zu bewahren. Wie der h. Vater und unser hochwürdigster Herr Erzbischof Philippus, wie so viele anderen Bischöfe, wie die Generalversammlungen der Katholiken Deutsch­lands und zahllose andere partielle katholische Versamm­lungen, so erhebt jetzt auch der Oberhirt der großen schlesischen Diözese das Wort, um in apostolischem Sinne den Klerus zu ermahnen: sich ganz besonders durch eine wohlentwickelte Vereinsthätigkeit der Arbeiter­klasse anzunehmen. Welch' ein erfreuliches, welch' ein erhebendes Bild, so zur Zeit die weltliche und die geistige Autorität, den Landesherrn und den Kir­chenobern, Hand in Hand gehen zu sehen, um das Loos der Arbeiterbevölkerung zu verbessern, und um der­selben das beglückende Gefühl wiederzugeben oder in ihr zu erhalten, daß die ersten, daß die besten Faktoren ihre volle Aufmerksamkeit dem Arbeiter zuwenden, ihre mächtige Fürsorge für sein zeitliches und ewiges Wohl­ergehen einsetzen. Möchte diese in ihren wohlthätigen Wirkungen noch gar nicht abzusehende eminente Arbeiter­freundlichkeit von den Arbeitern recht geschätzt, von den Arbeitgebern ernstlich respektirt und unterstützt werden! Möchte aber auch der Klerus und der wohlgestellte Bürgerstand, der den Arbeiter­vereinen seine Ehrenmitgliedschaft leihen muß, in ganz Deutschland erkennen: wie viel es auf diesem Gebiete für sie noch zu thun gibt, wie viel Versäumniß es hier gutzumachen gibt! Es ist die letzte Stunde gekommen, die Stunde der Entscheidung! Auf denn überall zum guten Werke; gründen wir in allen industriellen Bezirken und Orten katholische Arbeiter­vereine!

Deutschei Reich.

+ Berlin, 12. Febr. Die in politischen Kreisen so viel beachteten, vonbestunterrichteter Seite kommenden Mittheilungen der halboffiziösenTäglichen Rundschau zur Vorgeschichte der kaiserlichen Erlasse haben im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

Als Fürst Bismarck kurz vor Schluß des Reichstags von Friedrichsruh hier eintraf, war ihm die Absicht des Kaisers, in einer Ansprache an das Volk sein Verhalten gegenüber der sozia­listischen Bewegung klarzulegen, genau bekannt, und ebenso war der Monarch auf den Entschluß des Kanzlers, sein Amt als Handelsminister niederzulegen, durchaus vorbereitet. Des Kanzlers Vorhaben entsprang nicht dem Gefühl der Ermüdung und dem Verlangen nach Entlastung von einem gewichtigen Theil preußischer Geschäfte, sondern es drängte sich ihm nach den Grundzügen der beiden Erlasse die politische Nothwendig­keit auf, das Handelsministerium an einen besonderen Minister ab ugeben. Die Hauptsätze der kaiserlichen Kundgebung hatten zum Verfasser den Kaiser selbst, der hierbei von den Ge­sichtspunkten sich hatte leiten lassen, die sich ihm aus dem Ver­gleich der Berichte der Grubenbesitzer mit den Darlegungen der Bergarbeiter hatten aufdrängen müssen..... Der Kanzler bestand nun sofort darauf, daß in der Thronrede vom Sozia­listengesetz nicht die Rede sein sollte, schon damit die Ansprachen des Kaisers durch voraufgegangene Erklärungen nicht eine Ab­schwächung erführen, und bevor hierüber eine Verständi­gung erfolgte, war die Schließung des Reichstag un­

Vatache üich uich uue die Zeit blieb, dem Kaisser ein gedrucktes Exemplar der Thronrede zu überreichen: er war genöthigt, die Schlußrede nach einer Abschrift des vereinbarten Textes zu verlesen. Zwei Tage nach dem Reichstagsschluß wurde nun an die Fassung der Erlasse herangegangen, und rühren einzelne Aenderungen des kaiserlichen Entwurfs vom Kanzler her, der unter wissen des Bundesraths wie des preußischen Staatsministeriums Zusätze und Abstriche vornahm, so war doch alles Wesentliche unverändert geblieben, so daß in jedem Betracht von kaiserlichen Erlassen gesprochen werden muß. Vereinbart wurde das Wegbleiben jedweder Gegenzeichnung und die Veröffent­lichung durch denStaats- und Reichsanzeiger. Wie es nicht anders sein konnte, ging das Manuskript der Erlasse dem amt­lichen Blate vom Fürsten Bismarck zu, der als Kanzler und preußischer Ministerpräsident Herr desReichs= und Staats­anzeigers ist. Die kanzlerischen Aenderungen des kaiserlichen Textes bezweckten, den weiteren Entschließungen der Krone die Freiheit der Entschließung zu sichern. Von grundsätz­lichen Einreden des ersten Minister im Reiche und in Preußen war zu keiner Zeit auch nur das Geringste bekannt geworden, eben weil an den Vorbesprechungen Fürst Bismarck nicht mehr theilnahm. Hätte er dies Nebenamt behalten, so würde er dem Inhalt der Erlasse nicht haben zustimmen können, und um die Kabinetsfrage zu stellen, waren die streitigen Punkte dem Kanzler nicht durchschlagend genug. Die Idee, mit den Erlassen zunächst den Staatsrath zu befossen, entsprang dem Wunsche, die eigentlich amtlichen Erwägungen zeitweilig vertagt zu wissen. Die etwaigen Beschlüsse des Staatsraths sind für keinen der offi­ziellen Faktoren verbindlich, und es wird also Zeit gewonnen, um endliche Entschließungen erst fassen zu brauchen, nachdem über Zweck und Ziel der Erlasse das Urtheil weithin sich geklärt hat. Der Kanzler erachtet die moralische Wirkung der Erlasse für so erheblich, daß der Ausspruch, dieser ideale Punkt, nicht der Umsang der thatsächlichen Ergebnisse, sei die Hauptsache, auf ihn zurückgeführt wird.

Vorstehende Darstellung stimmt so ziemlich mit dem überein, was man anderweitig zur Sache vernimmt. Der Kanzler hat die Kabinetsfrage nur deßhalb nicht gestellt, weil ihm der Gegenstand noch nicht wichtig genug dazu erschienen. Offenbar beruht die Idee der inter­nationalen Konferenz und der Begutachtung durch den Staatsrath, wodurch die praktischen Entscheidungen ver­tagt werden, auf dem Vorschlag des Kanzlers. Auch die Annahme, daß über die Erwähnung des Sozialisten­gesetzes keine Einigung für die Throurede erzielt werden konnte, findet durch vorstehende Darstellung eine Bestätigung. Ja, ja, es stimmt gar Mauches in den obersten Regionen nicht mehr!

(2) Berlin, 12. Febr. Die zur Zeit hier weilenden Mitglieder der kaiserlichen Familie werden heute Abend einer in der akademischen Hochschule für Musik stattfindenden Gedächtnißfeier zu Ehren der Kaiserin Augusta beiwohnen.

Die Ernennung des Staatssekretärs Dr. Bosse zum Vertreter des Kaisers im Staatsrathe wird von der Kreuzztg. als eine glückliche Wahl bezeichnet. Herr Bosse sei in den Arbeiten, die ihm mit dem neuen Amte übertragen, besonders geübt; schon als vortragender Rath und als Direktor im Reichsamt des Innnern und im Staatsministerium sei er häufig als Protokollführer verwendet worden. Auch in dem reaktivirtem Staatsrathe war er im Jahre 1884 Protokollführer. Bls äußerer Grund für seine Berufung dürfte auch noch das mitgewirkt haben, daß er durch sein Hauptamt in unmittelbarer amt­licher Verbindung auch zum Vicepräsidenten des Staats­ministeriums steht.

Den Mitgliedern des Staatsrathes, welche am Freitag der Eröffnung desselben im Elisabethensaale des Schlosses beiwohnen, ist Galauniform mit dunkeln Beinkleidern vorgeschrieben.

Aus Sansibar sind der hiesigenOstafrikanischen Gesellschaft; gestern, wie man hört, schriftliche Berichte über das mit dem Sultan von Sausibar Mitte Januar abgeschlossere Uebereinkommen wegen der Zollpacht zugegangen. Dasselbe hat bekanntlich die Durchschnitts­ergebnisse der drei Jahre von 1888 bis zum 18. August 1891 zur Grundlage, mit Abzug der Kosten für die Ge­

Sattel befestigtes Taschentuch gefaßt hatte. Ihre niedlichen Füßchen stützte die junge Dame endlich auf ein an der Seite des frommen Thieres angebrachtes Trittbrett. In bunter Reihe folgte so die ganze Calvacade.

Mercedes war allein; der Marquis de la Montana befand sich links von ihr und auf der anderen Seite tummelte Raoul einen prächtigen afrikanischen hochbeinigen Esel, welcher trotz seiner Magerkeit hinten und vorne ausschlug und durch kunstgerechtes Bocken seinen Reiter abzuwerfen suchte.

Als guter Reiter nahm Raoul das Thier kräftig zwischen die Schenkel und nach kurzem Kampfe war dessen Widerspenstigkeit besiegt.

Die junge Dame richtete an ihn einige Höflichkeits­phrasen, indem sie von Frankreich sprach, welches Land sie gut zu kennen schien.

Weiter hinten folgte der französische Konsul, dem es die größte Mühe kostete, seinenRenner" vorwärts zu bringen; derselbe machte nämlich alle Augenblicke den Versuch, nach Teres zurückzukehren.

Der brave Mann war ein recht guter Konsul, aber ein schlechter Reiter und er bereute es jetzt, den Bitten Raouls nachgegeben zu haben, zu Esel an derGira Theil zu nehmen, anstatt zu Wagen. Er gab sich aber selbst das heilige Versprechen, wenigstens nicht mehr zu Esel nach Teres zurückzukehren.

In der Cavalcade bemerkte man noch neben vielen anderen Theilnehmern die beiden Töchter des Herzogs de San Gerano, beide auf demselben Esel hinter den Brüdern Gil de Vellona, beide Marineoffiziere in Urlaub, dann eine Anzahl Offiziere in Civil und viele Damen

aus der besten Geselschoft.

Es ging äußerst lustig in der Calvalcade her und die Kosten der Unterhaltung trugen größtentheils die Reiter, welche sich unfreiwillig von ihren störrigen Eseln trennten, und den oft vergeblichen Versuch machten, sie wieder zu besteigen, denn auch in Spanien sind bekanntlich die Esel sehr eigensinnig.

Raoul hatte Mercedes vor dem Abmarsche nicht be­grüßen können, so sehr er sich beeilte, die Bekanntschaften wieder zu erneuern, welche er auf dem Kafinoballe ge­macht hatte. Mit de la Montana wechselte er nur kurze frostige Worte.

Absichtlich hielt er sich in diskreter Entfernung hinter der jungen Herzogin. Aber diese, sei es durch eigenen Entschluß, sei es unfreiwillig, das mag dahingestellt bleiben, hielt ihren Esel zwei= oder dreimal zurück, bis sie sich Seite an Seite mit Raoul befand; dann begann sie mit ihm eine lebhafte Unterhaltung.

De la Montana, welcher Mercedes wie ihren Schatten begleitete, war von ihrem geschickten Manöver nicht an­genehm überrascht, noch weniger freute ihn der herzliche Händedruck, mit welchem die junge Dame den Franzosen begrüßte.

Die Unterhaltung zwischen Mercedes und Raoul über­schritt die bekannten Gemeinplätze nicht, ihre Kosten trugen vorwiegend die komischen Unglücksfälle, von denen die un­glücklichen Reiter heute betroffen wurden.

De la Montana überwachte nichtsdestoweniger den jungen Franzosen mit Argusaugen und bemerkte mit innerer Wuth, daß derselbe kaum einen Blick von dem jungen Mädchen wandte. Das gefiel ihm ganz und gar nicht und instinktiv sagte er sich, seine Freundschaft mit Raoul könne unter sotanen Umständen nicht von langer Dauer sein, zudem ihm ein gewisses Vorgefühl sagte, daß Raoul auch sein Nebenbuhler um die Liebe Mercedes sei. Die Gefühle der Abneigung, welche Mercedes gegen den Fremden früher besaß, waren de la Montana bekannt; aber, wie seine heutigen Beobachtungen feststellten, hatte die Abneigung der jungen Dame einer gewissen Wärme Platz gemacht.

Sie plauderte mit Raoul ungemein herzlich und er bemerkte sogar, daß sie den Fremden mehrmals mit Auf­merksamkeit betrachtete. Was Raoul betrifft, so schien er von Mercedes vollständig hingerissen zu sein.

Der Marquis beschloß, obwohl es in ihm innerlich

gährte, seine wahren Gefühle zu verheimlichen und unter­hielt sich in gewohnter freundlicher Weise mit Mercedes.

Mercedes war häufig zerstreut; sie nahm zwar an der Unterhaltung, welche sich rings um sie bewegte, ge­bürenden Antheil, aber nichtsdestoweniger mußte ein scharfer Beobachter konstatiren, daß ihre Gedanken in der Regel nicht bei der Sache waren.

Die junge Herzogin versuchte in der That sich in Gedanken Rechenschaft darüber abzulegen, wie sie eigent­lich zu Raoul stehe. Sie hatte sich vorgenommen, ihn zu hassen, ihn zu fliehen; thatsächlich aber fühlte sie eine geheime Zuneigung zu ihm, und sie sehnte sich sogar dar­nach, ihn sprechen zu hören.

In demselben Maße, wie ihre Neigung zu Raoul wuchs, verminderte sich ihr Interesse an den Marquis. War er ihr schon früher gleichgültig, so verabscheute sie ihn jetzt beinahe.

Und doch drängte sie diese Gedanken in das Innerste ihrer Seele zurück und gab sich Mühe, sich gegen die beiden jungen Männer gleich liebenswürdig zu erweisen.

Endlich kam man an der Stätte an, wo das länd­liche Mahl eingenommen werden sollte.

Der Ort war bewunderungswürdig ausgewählt. Eine weite Lichtung mitten in einem Tannenwalde, und was in diesem Lande ziemlich selten ist, der Boden der Wald­blöße bestand aus einem schwellenden Teppich mit gras­untermischtem Moose.

Nicht weit von dem Lagerplatze sprudelte unter einem Felsblocke eine Quelle des prächtigsten Wassers.

Die ersten Ankömmlinge auf dem Rendez=vons=Platze waren Marquis de la Montana, Mercedes, Raoul und der Konsul.

Raoul sprang zuerst aus dem Sattel und gedachte, der Tochter des Herzogs von Moron aus dem Sattel zu helfen; er hatte aber ohne den Marquis gerechnet, welcher dem jungen Franzosen zuvorgekommen war. Der Marquis blickte Raoul höhnisch an und richtete seine Schritte gegen die ankommenden Wagen. Raoul war tief verletzt durch