29. Jahrgang.— Nr. 19037.
Donnerstag, 2. Februar 1928.
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Reichstag.
* Berlin, 1. Febr. Im Reichstage wurde heute die zweite Beratung des Etats des Auswärtigen Amtes abgeschlossen. Nach Oppositionsreden der beiden pölkischen und der beiden kommunistischen Gruppen nahm
Reichsaußenminister Dr. Stresemann
noch einmal das Wort.
Stresemann wendet sich gegen die gestrigen Ausführungen des Abgeordneten v. FreytaghLoringhoven und der dazu vom Vorwärts aufgeworfenen Frage, was der Minister dazu erklären wolle. Der Minister betont, er könne nicht mit dem Abg. v. Lindeiner=Wildau die Rede des Abg. v. Freytagh als eine wertvolle Ergänzung der Ministerrede betrachten. Die Deutschnationalen haben die Locarnopolitik nicht etwa terminiert anerkannt. Ihr Vertreter Dr. Hoetzsch hat auch in Genf loyal mitgearbeitet. Wenn Abg. v. Freytagh eine Abkehr von der deutschfranzösischen Verständigungspolitik fordert, so liegt darin
ein Gegensaßz zu dieser Haltung seiner Fraktion.
Es trifft nicht zu, daß diese Politik in eine Sackgasse geführt hätte. Wir haben mit der obligatorischen Schiedsgerichtsverpflichtung den übrigen Großmächten ein Beispiel gegeben und uns den Beifall der kleineren Staaten errungen.
Wir wollen die Politik der gegenseitigen
Verständigung nicht verlassen.
Der Locarnovertrag hat uns die Freiheit des Luftverkehrs und viele andre Erleichterungen gebracht. Der Fortschritt geht natürlich nur schrittweise. Ich habe darauf hingewiesen, daß es sich in Locarno nicht nur um das Vertragswerk handeln sollte, sondern um den Anfang einer gemeinsamen Politik zur Erhaltung des Friedens
Deutschland ist schon in seinem Selbsterhaltungswillen zu einer solchen Politik genötigt. Von einem neudeutschen Imperialismus kann wirklich nicht gesprochen werden. Natürlich ist seit Locarno noch nicht jede Spannung beseitigt, aber ich betrachte es als meine Aufgabe, daran zu arbeiten. Darum kann ich auch an die französische Adresse die Mahnung richten: Nun kut dasselbe, daß die Idee von Locarno Gemeingut Europas werde! Es wird behauptet, Deutschland habe durch den Vertrag von Versailles das modernste Heer der Welt bekommen. (Lachen.) Wir empfehlen allen Mächten der Welt, sich ein modernes Heer dieser Art anzuschaffen! (Sehr gut!) Die von französischer Seite gegen eine Rheinlandräumung angeführten Argumente treffen nicht den Kern. Ganz unverständlich ist die Erklärung. Deutschland müßte erst seine Reparationsverpflichtungen erfüllen. Die Rheinlandbesetzung soll doch auch nach dem Versailler Vertrag nicht so lange dauern, bis die letzte Mark bezahlt ist. Wenn aber Frankreich die Fortdauer der Besetzung als einen Machtfaktor betrachtet, so wäre nicht zu verstehen, daß es diesen Machtfaktor für irgendeine Gegenleistung aus der Hand geben will. Wir hoffen, daß die leitenden französischen Kreise zu der Einsicht kommen, daß eine
schnelle Räumung des Rheinlandes die allerbeste Wirkung für die Verständigungspolitik haben würde.
Es ist nicht zu verkennen, daß der Gedanke der Verständigungspolitik seit der Bildung der jetzigen Regierung im deutschen Volk wesentliche Fortschritte gemacht hat. Dieses wachsende Verständnis wird nicht erschüttert werden durch
eine parlamentarische Entgleisung, wie wir sie gestern hier erlebt haben. Der Vorwärts sollte diese Angelegenheit nicht allzu tragisch nehmen. Der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende hat je erst vor kurzem den Abgeordneten v. Freytagh=Loringhoven als Beispiel dafür genannt, daß ein Redner nicht in jedem Falle die Meinung seiner Fraktion zu vertreten braucht. Wenn der Vorwärts sagt, Herr v. Lindeiner habe für die deutschnationale Fraktion den Ausführungen des Abgeordneten v. Freytagh zugestimmt, so muß man berücksichtigen, in welcher Eile sich Abgeordneter v. Lindeiner auf seine Rede präparieren mußte.(Heiterkeit.)
Ich hoffe, daß es uns gelingen wird, bald die letzten Hemmnisse zu beseitigen, die einer wirkungsvollen Zusammenarbeit mit Frankreich dem Werk des Weltfriedens noch entgegenstehen.(Beifall.)
Dr. Breitscheid(Soz.) weist die Ausführungen des Abgeordneten v. Rheinbaben über die Entschließung der Internationalen sozialistischen Konferenz in Luxemburg zurück. Das Auswärtige Amt fordert der Redner auf, dagegen einzuschreiten, daß in der amtlichen Wochenschrift der deutschen Marine von Offizieren Außenpolitik auf eigne Faust betrieben werde.
Dr. Wirth(Ztr.) meint, Dr. Strefmann habe gesprochen wie ein Minister der loyalen Opposition. Der gestrige Zwischenfall habe wieder gezeigt, welch falsches Spiel die Deutschnationalen spielen. Wir, die wir in Opposition zu der jetzigen Regierung stehen(Bewegung), wir wollen das parlamentarische System in Deutschland zu einem brauchbaren Instrument der Außenpolitik machen. Die Welt ist willens, auf dem Wege der Verhandlung mit dem deutschen Volk voranzuschreiten. Wir, die wir zur jetzigen Regierung in loyaler Opposition stehen(Hört, hört!), wir halten uns fern von jener Verbitterung, die aus den Reden der Deutschnationalen und vieler Volksparteiler tritt. Diese Verbitterung stört das Friedenswerk des Ministers des Aeußern und stärkt die Reaktion in Frankreich. Die Politik des Ministers
Briand sdn Falde derennen.
Der Glaube an Leearne.
* Nochmals wurde gestern Reichsaußenminister Dr. Stresemann im Reichstag auf den Plan gerufen, nochmals gab er in glänzender Diktion seiner Meinung Ausdruck, daß sich die Fortdauer der Besetzung der Rheinlande mit dem Geist von Locarno nicht vereinharen lasse. Veranlassung zu dieser zweiten feierlichen Erklärung, in der sich geschickt die Antwort an den Temps verbrämte, daß die Entfernung der feindlichen Truppen aus dem Rheinland mit dem Dawesabkommen ganz und gar nichts zu tun habe, gab das vorgestrige Rededuell zwischen dem deutschnationalen Abg. von Freytagh=Loringhoven und dem schlesischen Prälaten Ulitzka von der Zentrumspartei.
Stresemann charakterisierte die Rede von Freytagh=Loring. hovens als eine parlamentarische Entgleisung, die durch von Lindeyner im Sinne der offiziellen Auffassung der Deutschnationalen Partei eine Richtigstellung erfahren habe. Ob man innerhalb der deutschnationalen Fraktion diese Auffassung Stresemanns völlig teilt, ist öffentlich nicht bekannt. von Freitagh=Loringhoven hat eine offizielle Desavouierung nicht erfahren, während anderseits Ulitzka attestiert erhält, daß, wie die Germania erfährt, die Zentrumsfraktion über die vom Abg. Ulitzka vorgetragenen Verwahrungen vorher unterrichtet war und sie durchaus gebilligt habe.
Der Zwischenfall ist durch gegenseitige Schreiben der beiden Fraktionen formell erledigt. Aber bei Besprechung der gestrigen Ausführungen Dr. Stresemanns zeigt sich in der Presse, daß innerhalb der Koaltionspar= teien doch keine völlig geschlossene Auffassung über Locarno besteht.
So schreibt die konservative Kreuzzeitung:
Bei aller Betonung des Gemeinsamen in der Beurteilung der außenpolitischen Lage mußte er doch bald an dem Punkte ankommen, an dem sich die Wege scheiden: Festhalten an der Locarnopolitik oder Neuorientierung. Er glaubt noch immer an die Möglichkeit, auf dem Wege von Locarno zur Verständigung zu kommen, und da scheiden sich die Geister. Wir unterschreiben voll und ganz die Feststellugen des Frhrn. v. Freytagh=Loringhoven, daß wir mit Locarno in eine Sackgasse geraten sind und neue Wegegehen müssen.
Die übrige Presse verteidigt nachdrücklichst den Stand. punkt Stresemanns, daß wir in der bisherigen Weise auf dem Wege der europäischen Friedenssicherung und
präsidenten Macdonald gegenüber die Verantwortung für die Echtheit des berüchtigten Sinowjews-Briefes übernommen und in Abwesenheit Macdonalds die scharfe Note an Rußland unterzeichnet.
der Förderung der deutsch=französischen Zusammenarbeit unbedingt weiterarbeiten müßten, eine Auffassung, die in einem Aufsatz von Leon Blum über die Rheinlandräumung ganz im Sinne der Ausführungen Stresemanns unterstützt wird, daß
die Räumung des Rheinlandes nicht als Wechselgeld
für diese oder jene finanziellen Vorteile zu betrachten sei. Blum führt der französischen Regierung vor Augen, daß man doch auch nach 1935 Deutschland im Sinne eines gleichberechtigten Volkes behandeln müsse. Es wäre daher klüger, schon jetzt entsprechend der von Herriot eingeleiteten Verständigungspolitik das Rheinland zu befreien.
In ähnlicher Deutlichkeit äußert sich die englische liberale Presse, Daily News und Westminster Gazette, die die Auffassung Stresemanns in überaus warmgeh iltenen friedensfreundlichen Worten kommentieren und die Auffassung äußern, daß die britische Regierung keinen Augenblick zögern würde, den Rest ihrer Truppen aus dem Rheinland zurückzuziehen, wenn Frankreich im Sinne des wahren Friedens willens wäre, das Rheinland von seinen Truppen freizugeben.
Briand, der wahrscheinlich nach Vorliegen der zweiten Rede Stresemanns antworten wird, hat angeblich das Versprechen auf eine weitere Herabsetzung der französischen Besatzungstruppen 10000 Mann gegeben. Echo de Paris ist der Meinung, Stresemann habe Briand in Verlegenheit gebracht, er habe ihn vor die Alternative gestellt: entweder ist der Locarno= Vertrag etwas wert und in diesem Fall ist die Sicherheit Frankreichs garantiert und die Rheinlandräumung muß in Kürze erfolgen, oder aber die Rheinlandbesetzung bleibt bestehen, und Locarno ist als wert= und wirkungslos anerkannt worden. Man müsse zugeben, daß dieses Argument der Stärke nicht entbehre.
Wir glauben das nationalistische französische Blatt mit diesen Bemerkungen dahin zu verstehen, daß man nach dem energischen Auftreten Stresemanns die Auffassung hat, daß man in der Locarnofrage an einem Scheidewege angelangt ist.
Und in dieser Hinsicht begegnet sich offenbar das Echo de Paris mit der Berliner konservativen Kreuzzeitung. Und schließlich will ja auch Stresemann offenbar mit seinen zwei Reden nichts anderes, als endlich Klarheit haben darüber, ob wir um den Preis unserer LocarnoZugeständnisse nicht geprellt werden.
des Aeußern wird getragen von der großen Mehrheit des deutschen Volkes. Sie stützt sich auf die
Regierung der großen Koalition, die außenpolikisch schon vorhanden ist. Das ist der beste Beweis für die Notwendigkeit, schleunigst mit der jetzt nur noch formell bestehenden Regierungskoalition Schluß zu machen. Das liegt im Interesse des deutschen Volkes und des Friedens unter den Völkern.(Beifall links und im Zentrum.)
Dr. Schnee(Deutsche Vp.) kritisiert die englische Politik in den ehemals deutschen Kolonien in Afrika. Diese Politik widerspreche den festgelegten Grundsätzen des Völkerbundes für die Mandatsmächte.
Reichsminister des Aeußern Dr. Stresemann erklärt dazu, die deutsche Regierung werde sich gegen eine Verletzung der Mandatsgrundsätze wenden.
Damit schließt die Aussprache.
Von den Kommunisten ist ein Mißtrauensantrag gegen den Minister des Aeußern eingebracht worden, der gegen die Antragsteller und gegen die Völkischen abgelehnt wird.
Der Haushalt wird nach den Vorschlägen des Ausschusses mit den Ausschußentschließungen angenommen. Ohne Aussprache wird der Gesetzentwurf über die Anrufung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs im Haag in erster und zweiter Beratung angenommen.
Um 6 Uhr vertagt sich das Haus auf Donnerstag 12 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen die Einsprüche gegen die Ausweisung der Kommunisten in Florin und Bertz und der Haushalt der besetzten Gebiete.
*
World über die Stresemannrede.
WTB Newyork, 1. Febr. World erklärt, wenn Stresemann die Fortdauer der Rheinlandbesetzung als dem Locarnogeist zuwiderlaufend betrachte, so sei diese Haltung theoretisch unangreifbar. Indessen sei zu berücksichtigen, daß Frankreichs wirklicher Beweggrund ein materieller, nämlich die Reparationsfrage, sei. Frankreich wisse, daß die Räumung der Rheinlande für das deutsche Kabinett eine Prestigefrage darstelle; es wisse aber auch, daß dieses Jahr das Jahr der ersten Probe auf den Dawesplan sei und daß unter Umständen eine Revision der Reparationen nach unten notwendig werden könne. Jedenfalls werde die Festlegung des Reparationsbetrages in nächster Zukunft Gegenstand der Verhandlungen sein. Frankreich sichere sich daher durch die Besetzung das Handelsobjekt. Deshalb liege französischerseits durchaus nicht die Absicht vor, Locarno den Rücken zu drehen.
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Iswestija zur Rede Stresemanns.
WTB Moskau, 1. Febr. Die Iswestisa bezeichnen in einer Besprechung der Rede Stresemanns als besonders beachtenswert die Erklärung des Ministers über mögliche Befürchtungen der öffentlichen Meinung bezüglich des wirklichen Wesens der Sicherheitsfrage. Das Blatt hebt hervor, daß Stresemann keine konkreten Maßnahmen genannt habe, mit welchen er diese Befürchtungen zu zerstreuen beabsichtige. Solche Maßnahmen seien auch in dem deutschen Memorandum nicht erwähnt, welches den entschiedenen Eindruck erwecke, daß in der Sicherheitsfrage Deutschland sich dem Standpunkte Englands angeschlossen habe, und die Rede Stresemanns zerstöre diesen Eindruck nicht. Unter Hinweis auf die von Stresemann gegebene Charakteristik der deutsch=französischen Beziehungen schreibt das Blatt,
funter den bestehenden Machtverhältnissen auf dem europäischen Schauplatz sei die Bemerkung des Ministers über die Macht Englands als den Garanten Locarnos von besonderem Interesse.
Unterzeichnung am 6. Jebruar.
WTB Paris, 2. Febr. Havas berichtet aus Washington, man kündige aus autorisierter Quelle an, daß eine Vereinbarung hinsichtlich des Abschlusses des neuen amerikanisch=französischen Schiedsgerichtsvertrages erfolgt sei. Die Unterzeichnung werde am 6. Februar anläßlich des 150. Jahrestages des ersten französisch=amerikanischen Allianzvertrages erfolgen. Die Veröffentlichung werde erst nach der Ratifizierung durch den amerikanischen Senat möglich sein. Man bestätige, daß das Abkommen einen Paragraphen enthalte, der die Anwendung von Gewalt als Mittel nationaler Politik bei der Regelung eotl. Zwistigkeiten zwischen beiden Ländern verurteilt. Der Vertrag trage dem amerikanischen Vorbehalt betreffs Anwendung der Monroe=Doktrin und dem französischen Vorbehalt betreffend die Verpflichtungen Frankreichs gegenüber dem Völkerbund Rechnung.
Aufklärung eines schweren Kriegsverbrechens?
Die Explosion der vier Ahlhorner Luftschiffhallen 1917.
Im Winter 1917 wurden die vier Ahlhorner Luftschiffhallen auf unerkläxliche Weise unter lautem Getöse in die Luft gesprengt, wobei 40 bis 50 Menschen ihr Leben lassen mußten. Jetzt nach zehn Jahren scheint sich zu klären, unter welchen Umständen die Explosion erfolgt ist. Aus Südoldenburg wird dazu berichtet: Ein gewisser W. aus der Ahlhorner Gegend soll die Anlagen gegen 2 Millionen Mark an die Engländer verraten haben. W. war in Ahlhorn als Feldwebel stationiert und mit den dortigen Luftschiffanlagen vertraut. Wie verlautet, hatte er eine etwa zehn Meter lange Zündung mit Ladung an einem Gasrohr, aus dem die Luftschiffe, die nach England flogen, gespeist wurden, angebracht. Die Explosion ist gegen 8 Uhr abends erfolgt. Die als Attentäter in Frage kommende Person soll sich vor mehreren Jahren zwei Rittergüter gekauft haben. Nach längeren Beobachtungen scheint es jetzt gelungen zu sein, den Attentäter zu entlarven.
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Eine Skandalsache im englischen Auswärtigen Amt?
WTB London, 1. Febr. Vor den Gerichten gelangte ein Fall zur Entscheidung, in dem eine Bankfirma Schadenersatzansprüche in Höhe von 30000 Pfund Sterling gegen eine Dame wegen umfangreicher Spekulationen in ausländischen Währungen geltend gemacht hatte. Im Verlaufe des Prozesses wurde auch auf die Spekulationen einiger Mitglieder des Foreigi Office Bezug genommen. Wie jetzt mitgeteilt wird, hat der Erste Minister eine besondere Kommission ernannt, die über die in dem Prozeß vorgebrachten Erklärungen Untersuchungen anstellen soll.
Eine weitere Meldung besagt:
MTB London, 2. Febr. Eine diplomatische Skandalaffäre scheint im Foreign Office enthüllt worden zu sein. Dort soll der Ministerialdirektor Georgy seine Amtsstellung zu Valutaschiebungen mißbraucht haben. Ein Untersuchungsausschuß soll die im Verlaufe des Valutaschieberprozesses gegen Georgy und verschiedene andere hohe Beamte erhobenen Beschuldigungen prüfen. Georgy hatte im Jahre 1924 dem damaligen Minister
Zur Rückgabe deutschen Eigenkums.
WTB Washington, 1. Febr. Der Finanzausschuß des Senats hat heute die Bestimmungen der Vorlage über das ehemals feindliche Eigentum betreffend die lofortige Rückgabe von 80 v. H. des deutschen Eigentums und die Zahlung von 100 Millionen Dollar für die deutschen Schiffe, Patente und Radioanlagen, die während des Krieges beschlagnahmt wurden, ange
nommen.
Drei Gießener Funker freigelassen.
WTB Gießen, 1. Febr. Zu der Verhaftung von Funkern beim ersten Bataillon des 15. Infanterie=Regiments in Gießen wird von unterrichteter Stelle mitgeteilt. daß von den Verhafteten fünf Funkern in Gießen gestern nachmittag drei aus der Haft entlassen wurden. Darunter befindet sich auch der Funkstellenführer. Zwei Mann der Funkstelle sind noch in Haft.
Kundgebung des Rheinisch-Westfälischen Verbander Deutscher Lichtspiel-Theaterbesitzer gegen die Neuregelung der Lustbarkeitssteuer.
Düsseldorf, 2. Febr. Am 6. Februar veranstaltet der Rheinisch=Westfälische Verband Deutscher LichtspielTheaterbesitzer in Düsseldorf eine Kundgebung gegen die Neuregelung der Lustbarkeitssteuer. Die Spitzenorganisation der deutschen Filmindustrie hat einen Film herstellen lassen, der die Auswirkungen und die Materie der Lustbarkeitssteuer bildmäßig darstellt. Dieser Film wird in der Kundgebungsversammlung gezeigt werden, woran sich eine Aussprache anschließt. Eingeladen sind unn zu dieser Versammlung die Vertreter der Parlamenta der Behörden, der Presse, der Kunst; die Filmindustrie selbst wird ebenfalls zahlreich vertreten sein.
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Industriespionageprozeß.
WTB Düsseldorf, 1. Febr. Am 15. ds. Mts. wird sich vor dem Erweiterten Schöffengericht der Amerikaner Guido Meisel wegen Werkspionage zu verantworten haben. Er soll gemeinsam mit zwei deutschen Chemikern versucht haben, geheime Verfahren der I. G. Farbenindustrie und der dieser angeschlossenen Werke ans Ausland weiterzugeben. Meisel ist seit Juni vorigen Jahres in Haft. Der Prozeß gegen die drei Angeklagten wird mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Rechtsanwalt Vaterrodt legt sein Stadtverordnetenmandal nieder.
MTB Köln, 1. Febr. Der Kölner Rechtsanwalt Dr. Vaterrodt, der bisherige Vorsitzende der Wirtschaftspartei, hat bekanntlich nach dem Ausgang des Limbourg=Prozesses sein Mandat als Mitglied des Rheinischen ProvinzialLandtages=niedergelegt. Vaterrodt hat nunmehr auch auf sein Mandat als Stadtverordneter von Köln verzichtet. Er war neben Justizrat Dr. Hahn Berlin und Dr. Sack Berlin Verteidiger Dr. Limbourgs in dessen Prozeß gegen den Kölner Stadt=Anzeiger.
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Verfahren wegen Anstiftung zum Mord.
WTB Nürnberg, 1. Febr. Bei dem Untersuchungsrichter des Landgerichts Nürnberg schwebt zurzeit eine Voruntersuchung gegen den gegenwärtig in Strafhaft befindlichen Kommerzienrat und frühern Konsul Guggenheimer wegen Anstiftung zum Mord. Guggenheimer soll einen Zellengenossen mit Namen Wolk, zuletzt Kaufmann in Nürnberg, angestiftet haben, den Landtagsabgeordneten und frühern Stadtrat und Hauptlehrer Julius Streicher gegen eine Entlohnung von 25000 Mark aus dem Wege zu schaffen. Diese Abmachung soll ein anderer Zellengenosse, ein Lehrer Amen von auswärts, mit angehört haben.
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Zwölf Jahre Zuchthaus.
WTB Berlin, 1. Febr. In dem Prozeß gegen die Revolverhelden Scharfe und Schlabbach, die bei einer Schießerei am Teutoburger Platz den Schuhmachermeister Neumann und den Bezirksvorsteher Schulze erschossen und zwei andere Personen durch Schüsse schwer verwundet haben, wurde heute das Urteil gefällt. Das Schwurgericht nahm in allen vier Fällen Totschlag und erschwerten Totschlagsversuch an und verurteilte Otto Scharfe zu einer Gesamtstrafe von zwölf Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust. Joseph Schlabbach wurde wegen versuchten Totschlags unter Zubilligung mildernder Umstände zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
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90 000 Mark unterschlagen.
WTB Breslau, 1. Febr. Durch die Zusammenarbeit der Brieger und der Berliner Kriminalpolizei wurde eine umfangreiche Unterschlagung zum Nachteil der Reichsbank aufgedeckt. Der bei der Reichsbanknebenstelle Brieg beschäftigt gewesene Reichsbankpraktikant Haselbach verschaffte sich im Sommer vorigen Jahres einen Girovordruck und erwirkte mit Hilfe dieses Vordrucks im Juni die Auszahlung von 90000 Mark bei der Reichsbank in Beuthen an einen Freund seiner Frau. Dieser Freund ist als Mittäter bereits verhaftet worden. Haselbach selbst, gegen den ebenfalls ein Haftbefehl erlassen wurde, ist vorläufig, da er wegen Krankheit nicht haftfähig ist, auf freiem Fuß belassen worden.
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Gescheitert.
WTB Auckland(Neuseeland), 1. Febr. Nach einer hier eingegangenen drahtlosen Meldung ist das britische Transportschiff„Ozeantransport“ an einer großen Insel gescheitert und völlig zerstört worden. Die Besatzung konnte sich retten
Kein Wiedereintritt Heidelbergs in die Deutsche Studentenschaft.
Zu den verschiedenen Pressemeldungen über den Wiedereintritt Heidelbergs in die Deutsche Studentenschaft stellte der allgemeine deutsche Studentenausschuß in seiner Sitzung vom 1. Februar 1928 folgendes fest: Der Vorstand der Heidelberger Studentenschaft hat dem Vorstand der Deutschen Studentenschaft mitgeteilt, daß der Rektor der Universität Heidelberg den vom allgemeinen Studentenausschuß mit einfacher Mehrheit gefaßten Beschluß zum Wiedereintritt Heidelbergs in die Deutsche Studentenschaft außer Kraft gesetzt hat. Heidelberg gehört der Deutschen Studentenschaft also zurzeit nicht an. Jedoch hat sich der Rektor eine endgültige Stellungnahme bis zur Klärung der Rechtslage vorbehalten.
Die heutige Nummer umfaßt 14 Seiten