38. Jahrgang. Nr. 12870

Bonn, Samstag, 16. Juli 1927.

Gründungsjahr des Verlags 1725.

Dol einten=Bulgentich ii Aien.

Die Arsache. Erste Zusammenstöße. Der Sturm auf den Justizpalast. 40 Tote und 200 Verwundete. Keine Telefonverbindung mehr. Militär schützt das Parlament.Sozialistische Republik? Kabinett Seipel gefährdet.

Das ist ja eine Revolte".Nein, Sire, das ist eine Revolution! Man ist an die klassische Replik des kaiserlichen Hofmarschalls an Kaiser Franz von Oesterreich anläßlich der beginnenden Unruhen im Jahre 1848 erinnert, wenn man die unheimliche Ent­wicklung verfolgt, die in Wien eine, wie es anfangs schien, nur reichlich unruhige Straßendemonstration gegen ein Gerichtsurteil genommen hat. Wohl wetter­leuchtete es schon seit einigen Tagen: Umzüge in der Wiener Neustadt und Reibereien mit der Polizei, eine Meuterei wenigstens hätte man das früher als eine solche bezeichnet, bei der Soldaten Offiziere mißhandelten, die beim Absingen der Internationale sitzen geblieben waren; aber es wetterleuchtet eigent­lich andauernd in dem unglücklichen Oesterreich des Vertrages von St. Germain, der eben ein solches Monstrum wie der Versailler Vertrag ist, sodaß man schließlich nicht übermäßig darauf achtet. Heute steht Wien in Flammen.

Die äußere Ursache ist wie oft verhältnismäßig ge­ringfügig. Ein Geschworenengericht, das auch links­stehende Mitglieder zählte, hat ein Urteil gefällt, das von den Massen als herausfordernd empfunden wor­den ist. Wir geben an anderer Stelle eine ausführ­liche Schilderung der Herganges. Auf deutsche Ver­hältnisse übertragen, war es ein Zusammenstoß zwi­schen Reichsbanner einerseits und Stahlhelm oder Werwolf andererseits. Die Verhandlung ergab so widersprechendes Material, u. a. konnte gar nicht jest­gestellt werden, welcher Angeklagter die tödlichen und welcher die nichttödlichen Schüsse abgegeben hatte, daß die Geschworenen zu einem Freispruch kamen. Demgegenüber wurde von sozialdemokratischer Seite die Parole ausgegeben, das Gericht hätte aus bös­williger Absicht freigesprochen und ein Turtzurteil fällen wollen, wodurch die Auffassung einer Schicht der Bevölkerung gegen die einer anderen gesetzt wurde. So aufreizend natürlich dieser Gedanke in einer Stadt wirken mußte, in der Zehntausende Ar­heitslose jeden Augenblick bereit sind, sich einer wilden Aktion anzuschließen, so wäre es doch verfehlt, in dem Urteil der Wiener Geschworenen die einzige oder die Hauptursache der heutigen Katastrophe zu sehen. Man bedenke: Die ursprünglichen Vorgänge liegen ein halbes Jahr zurück. Die Angeklagten sind selbst Kleinbauern. Das Beweismaterial war augenschein­lich schwach, ein Geschworenengericht, also doch ein Volksgericht, spricht frei, das alles ist nicht gerade dazu angetan, eine Revolte oder gar eine Revolution auszulösen.

Die äußeré Haupkursache dieser schrecklichen Heim­suchung, die über das deutsche Oesterreich gekommen ist, scheint darin zu liegen, daß die sozialdemokra­tischen Parteiführer gänzlich die Herrschaft über die Massen verloren haben. In der sozialistischen Be­wegung in Oesterreich ist die große Spaltung, die sich in ihrer deutschen Schwesterpartei nach dem Kriege vollzog und diese in ein sozialistisches und ein kommunistisches Lager teilte, nicht eingetreten, vielleicht deswegen, weil man in Wien über hervor­ragende Führerpersönlichkeiten verfügte. Infolge­dessen hat die Sozialistische Partei viel radikalere Elemente unter sich als die deutsche. Sie entspricht etwa der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USP), die sich unmittelbar nach dem Kriege zwi­schen den Mehrheitssozialisten und den Kommunisten in Deutschland bildete und durch ein Verdammungs­urteil aus Moskau wegen nicht absoluter Rechtgläu­bigkeit vernichtet wurde.

In letzter Zeit scheinen sich nun unter der Hand die rein kommunistisch gerichteten Elemente in der öster­reichischen Partei gesammelt zu haben, und heute haben sie, den eigentlichen Führern die Revolution förmlich über den Kopf gestülpt. Alle Anstrengungen, die von der Wiener Parteileitung und von den Gewerkschaften gemacht wurden, um die aufge­hetzte Menschenmenge zum Auseinandergehen zu bringen, scheiterten. Es wird weiter berichtet, daß, wo immer sich ein sozialdemokratischer Funktionär zeigte, ihn die hinzueilenden Banden niederschrien, die teilweise gar nicht aus organisierten Parteimit­gliedern bestanden. Das Ende ob ein Ausgleich, verbunden mit einem Rücktritt der Regierung, ob ein blutiger Bürgerkrieg, also ob eine Revolte oder eine Revolution ist zur Stunde nicht vorauszusehen. Die tiefste Ursache sei hier nur kurz gestreift. Sie ist ja auch oft genug behandelt worden und einfach die, daß das heutige Oesterreich, bestehend aus einer Großstadt und einigen umliegenden Dörfern, ein ganz unmögliches Staatengebilde darstellt. Kein Kopf und kein Rumpf. Hierin nurein gemeinsamen Gedanke, von dem Direktor der Alpinen Mon­tangesellschaft, bis zum Führer der Sozialdemokra­tischen Partei: Anschluß an Deutschland. Seine Ver­wirklichung erscheint unmöglich. Darum tiefste Unzufriedenheit, nicht nur in den Kreisen radikaler Arbeiter, sondern ebenso und vielleicht noch gefähr­licher in denen des teilweise gänzlich verproletari­sierten ehemaligen Bürgertums. Ein Pulverfaß, das die unendliche Weisheit derGroßen Vier in St. Germain schuf und das eines Tages sie alle mitein­ander in die Luft sprengen kann.

Die Ursache.

Seit gestern morgen haben sich in Wien schwere Un­ruhen ereignet, die zu den leidenschaftlichsten Kundgebun­gen und wilden Straßenkämpfen führten. Die Ursache diesen Ereignissen bot der Freispruch des Wiener Schwur­gerichtes, dem sich die drei Frontkämpfer Josep! Tscharmann, Hieronymus Tscharmann und Loseph Pinter wegen Tötung eines Arbeiters und

eines achtjährigen Knaben sowie Verwundung von vier Arbeitern und eines sechsjährigen Knaben zu verantwor­ten hatten.

Der Vorfall, der zur Anklageerhebung gegen die drei führte, spielte sich im Januar 1927 in Schattendorf im Burgenlande ab. Am 30. Januar nachmittags hatte die Ortsgruppe Schattendorf der Frontkämpfervereini­gung eine Versammlung nach Schattendorf einberufen, zu der aus den Nachbarorten die Frontkämpfer erscheinen sollten und zu der auch Wiener Frontkämpfer eingeladen waren. Die Versammlung sollte in dem Gasthaus des Joseph Tscharmann stattfinden. Für denselben Sonntag­nachmittag wurde in das unweit dem Tscharmannschen Hause liegende Lokal des Paul Moser eine sozialdemokra­tische Versammlung einberufen, zu der Mitglieder des Republikanischen Schutzbundes aufgeboten wurden. Die Schutzbündler planten, den Zuzug auswärtiger Besucher zur Frontkämpferversammlung gewaltsam abzuhalten. Schon den ganzen Tag über war es zu Reibereien zwischen den beiden Parteien gekommen. Nachmittags kamen die Schutzbündler vom Bahnhof her durch die Ortsstraße und marschierten ohne Aufenthalt an dem Tscharmannschen Gasthaus vorbei. Eine kleinere Gruppe von drei oder vier Mann drang in das Tscharmannsche Gasthaus ein. Sie forderten die Frontkämpfer auf, auf die Straße zu kommen. Währenddessen hatte der Wirts­sohn Joseph Tscharmann Vorbereitungen getroffen, um den erwarteten Besuch der politischen Gegner im Gasthaus mit Waffen zu empfangen. Im Schlafzimmer, dessen zwei Fenster auf die Ortsstraße münden, waren zu diesem Zweck drei Gewehre vorbereitet worden. Als nun die Schutzbündler in den Hof eintraten und zum Raufen her­ausforderten, eröffneten die drei Beschuldigten aus ihren Gewehren ein Feuer. Zunächst schossen sie auf die gegen­überliegende Mauer, wodurch unter den im Gastzimmer befindlichen Frontkämpfern eine ungeheure Verwirrung entstand. Viele flüchteten, andere versteckten sich. Bei den meisten entstand der Irrglaube, die Schutzbündler hätten gegen das Gasthaus das Gewehrfeuer eröffnet. Nachher gaben die Drei Schüsse aus einem der beiden vergitterten straßenseitigen Fenster auf die auf der Straße vorbeizie­henden Schutzbündler ab, und zwar in solcher Neigung, daß die Schüsse in den Zug einschlagen mußten. Fünf Men­schen auf der Straße wurden verletzt und zwei Menschen getötet. Da die drei Angeklagten abwechselnd feuerten, durchweg Schrotladungen, ist es kaum möglich geworden, klarzustellen, welcher von ihnen die tödlichen und nichttöd­lichen Verletzungen verschuldet hat.

Die ersten Zusammenstöße.

Schon bei der Verkündung des Urteils am Donnerstag­abend war es vor dem Wiener Gerichtsgebäude zu großen Kundgebungen gegen den Freispruch gekommen. Die Er­regung eines großen Teils der Wiener Arbeiterschaft über die nach ihrer Anschauung ungerechtfertigte Freisprechung der drei Frontkämpfer suchte sich dann am Freitagmorgen in Massenkundgebungen auf der Ringstraße, besonders vor der Universität, dem Justizpalast und dem Parlament Luft zu machen. Wiederholt versuchten die Tumultuanten den Justizpalast zu stürmen. Die Polizei war der Volks­menge gegenüber machtlos. Gegen mittag fiel aus einer Wachstube ein Schuß, der das Zeichen zum allgemeinen Aufruhr gab. Eine wütende Volksmenge drang in die Wachstube ein, nahm den anwesenden Polizisten die Waf­fen weg und riß ihnen die Kleider vom Leibe. Darauf versuchte man, die Polizisten, die man auf die Straße geschleppt hatte, an Laternenpfähle aufzuhängen, was jedoch im letzten Augenblick vereitelt werden konnte.

Auch gegen die Universität drangen die Demon­stranten vor und stürmten die Rampe. Es gelang noch, die eisernen Türen zu schließen, worauf die Fensterscheiben eingeschlagen, die dort postierten Schutzleute angegriffen und ihnen die Säbel entrissen wurden. Erst ein größeres Polizeiaufgebot konnte die Menge zurückdrängen.

Viel schwerer waren die Angriffe gegen das Parla­mentsgebäude. Die Polizisten mußten, da sie dem Ansturm nicht standhalten konnten, blankziehen und auf die Menge feuern. Zahlreiche Frauen unter der Menge fielen in Ohnmacht. Um die Mittagszeit ruhten sämtliche Fabrikbetriebe Wiens. Auch die Angestellten stellten die Arbeit ein.

Der Kampf um den Justizpalast.

Der schwerste Kampf entspann sich um den Justizpalast am Schmerling. Dort hatte sich eine nach Tausenden zählende Menschenmenge angesammelt, die die Polizei hart bedrängte, sodaß diese gezwungen war, zu der Waffe zu greifen. Obwohl di eBeamten mehrere Salven abga­ben, stürzte sich der Mob erneut auf die Polizeimann­schaften, entwaffnete und mißhandelte sie. In den um den Justizpalast gelegenen Straßen wurde das Pflaster aufgerissen und Barrikaden errichtet. Der Menge gelang es, in den Justizpalast einzudringen. Die dort befindlichen Polizisten wurden hinausgejagt, nachdem man ihnen die Uniform ausgezogen hatte. Darauf zerschlug man das Inventar und warf es mit ungeheuren Bündeln von Akten durch die Fenster auf die Straßen und zündete es an. Bald sah man aus dem Untergeschoß an einer Ecke des Justizpalastes Flammen emporschlagen. Vergeblich versuchte die Feuerwehr, sich einen Weg durch die Men­schenmenge zu bahnen. Sie mußte ihr Vorhaben auf­geben. Das Bild wird immer bedrohlicher, zumal aus allen Fenstern des Justizpalastes große Rauch= und Feuersäulen herausschlagen.

Gegen.30 Uhr abends hat der Brand im Justizpalast seinen Höhepunkt erreicht. Das ganze riesenhafte Gebäude bildet ein einziges Flammenmeer, über das die roten Ilammen 20 Meter hoch zusammenschlagen. Eine schwarze Rauchwolke bedeckt den Himmel. Das Feuer konnte deshalb in so kurzer Zeit das ganze Gebäude um­fassen, weil die Demonstranten die Röhren der Gas­leitung zerschlugen und die ausströmenden Gase zur Ent­zündung brachten. Die große Kuppel ist vollständig aus. gebrannt.

Der Kampf um die Zeitungen.

Das Gebäude der christlich=sozialenReichspost sowie dieWiener Neuesten Nachrichten und dieDeutsch=öster­reichische Tageszeitung" letztere sind, deutschnationale Blätter wurden zerstört, das Gebäude der Reichspost niedergebrannt.Nieder mit der Hetzpresse! Rache für Schattendorf! ertönten die Rufe. Manuskripte und Bücher wurden vorher auf die Straße geworfen, die Schilder von der Mauer gerissen. Hierbei gab es einige Tote. Die Zei­tungssetzer der übrigen Blätter Wiens sind in den Streik getreten. Keine Zeitung ist mehr erschienen.

Das Vorgehen der Polizei.

Bereits um drei Uhr war die Polizei gegen das Rathaus

Die Alt-Sozialistische Partei.

MTB Berlin, 15. Juli. Soeben ist hier eine Orts­gruppe der Altsozialistischen Partei gegründet worden, die sich mit folgendem Programm an die Oeffentlichkeit wendet: Die Altsozialistische Partei Sachsens hat auf ihrem Partei­tag am 10. Juli beschlossen, sich künftig nurAlte So­zialdemokratische Partei zu nennen. Darauf­hin hat sich eine Ortsgruppe Großberlin dieser Partei gebildet. Die Ortsgruppe sieht ihre Aufgabe zu­nächst in der Propaganda innerhalb ihres eigenen Ge­bietes. Dem soll ein Wochenblatt dienen, dessen baldige

d die umliegenden Straßen vorgegangen in denan dia Herausgabe in Aussicht genommen ist. Die Altsozialistische

Schutzbündler Auss...( Part hat noch kein formuliertes Programm. Ihr dies­

SchubhenanerAustelung genommen hetten und gaben jähriger Parteitag hat beschlossen, mit den Vorarbeiten

Salven ab. Am Rathaus wurde ein Magstratzbeamter zur Rustellung eines Parteiprogramms zu beginnen. und ein Arbeiter erschossen und fünf weitere Personen% altsoziglistischen Auffassung ist die Hin­

schwer verletzt. Die Polizei ging nach zwei Richtungen! er ern Prpeiterz zu Staat und Nation. Sie ist die

vor. In der Mitte machte bertene Schutpokizei an der Wiederaufnahme und Fortführung der Linie, die mit dem

Hinterfront des Rathauses eine Attacke. Die Schieberei Eintreten des deutschen Arbeiters für Staat und Volkstum

bei Beginn des Weltkrieges gegeben war. Was von da an die Politik des 4. August hieß das Bekenntnis zum Staat, zur nationalen Schicksalsgemeinschaft, zum Opfer für die Freiheit und Größe der Nation; das ist der Kern altsozialistischer Auffassung. Die Hinwendung des Arbei­ters zum Staat ist uns keine Frage der Zweckmäßigkeit und Taktik. Sie ist uns Erfüllung eines geschichtlichen Be­rufes. Nicht fordern wir vom Staat; wir wollen ihm dienen! Das Schicksal unseres Landes verkörpert sich uns in seiner besitzlosen, arbeitenden Bevölkerung in den zwanzig Millionen deutscher Arbeiter und ihrem Nach­wuchs. Wir sehen deren Leben eingeengt, sehen es bedroht von leiblicher und seelischer Verelendung, durch Arbeits­losigkeit und Heimlosigkeit und wir sehen und betonen den Zusammenhang dieser Not der Massen mit der Tribut­

dauerte etwa eine Stunde, es dürften etwa 20 Saloen abgegeben sein. Nachdem auf Betreiben des sozialdemo­kratischen Parteivorstandes die Polizei aus dem Kampf­gebiet zurückgezogen worden war, wurden starke Abtei­lungen des Republikanischen Schutzbundes sowie uni­formierte Straßenbahner mit dem Ordnungsdienst betraut. Die Empörung über das Verhalten des Polizeipräsidenten Schober bei den Sozialdemokraten ist allgemein.

40 Tote und 200 Verwundete.

Die letzten Nachrichten über die Ereignisse in Wien, welche von der Grenze nach 11 Uhr abends anlangten, lauten noch immer sehr unbestimmt, zumal der gesamte Telephonverkehr nach dem Auslande eingestellt worden ist. Das geschah auf Betreiben der Organisation des Fern­sprechpersonals, denn die Bundesverfassung Deutsch­

Oeterreiche abt der Regerung keinertei Möglichteit zu plichtigtest des deutschen Staates und der deuschen Wirt­

irgendwelcher Ausnahmeverfügung. Die Lage soll sich aber jgagt Axheiternotist deutsche Not. Es ist unser

Wille, der deutschen Nation zu dienen, indem wir ihrer

irgendwelcher Ausnahmeverfügung. Die Lage soll sich aber wesentlich verschlimmert haben. Nach einer Erklärung des Chefs der Wiener Freiwilligen Rettungsgesellschaft soll die Zahl der Opfer bisher 40 Tote und 200 Verwundete betragen.

Wien vor dem Generalstreik?

Vom Westbahnhof gehen keine Züge mehr ab, dagegen werden vom Ostbahnhof noch Züge abgefertigt. Man nimmt aber an, daß der Eisenbahnverkehr ganz eingestellt werden wird, damit die Demonstranten von außerhalb kinen Zuzug mehr bekommen können. Bei der Eisen­ljahn herrscht im übrigen Teilstreik, doch befürchtet man, daß Wien vor dem Generalstreik steht.

Arbeit für die deutsche Befreiung den Machthintergrund zu schaffen trachten, den der Freiheitswille der arbeitenden Millionen ihr geben kann. In diesem Geiste nimmt die Ortsgruppe Groß=Berlin der Altsozialistischen Partei ihre Arbeit auf. Sie hat zu Vorsitzenden August Winnig=Pots­dam und Bernhard Rausch=Berlin gewählt. Letzterer führt die Geschäfte.

Keynes über den Dawesplan.

MTB Zürich, 15. Juli. In derNeuen Züricher Zei­Nach einer anderen Meldung, die auf Umwegen über tung nimmt der bekannte Nationalökonom Keynes das

Nach einer anderen Meidung, die auf umwegen über##, ur deutsche Reparationsfrage und führt aus: Preßburg nach Deutschland gelangte, soll es etwas ruhiger Jetzt sei der Moment gekommen, wo der deutsche Reichs­

in Wien genorden sen, da de Volizel und der Vepu, hauschast Beitäige zu leisten habe, die er kaum auspringen

Telegraph und Telephon legen sl. doch wird in den horser nar werde wie weit der deusche Reichehauehal Ceitridtätewerten gearbeitet.. sund bie internationale Jahlungsblanz zur Tragung deser

Nach den letzten Meldungen ist auch der Justizpalast heträchtlich erhöhten Leistungen befähigt seien. Der deutsche bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Sämtliche Reichshaushalt biete ohne Zweifel einen sehr ernsten An­Grundbücher, Prozeßakten und zahlreiche andere Doku= glig da sich seine Lage eher verschlechtert als verbessert

mente sind gernichtet. 1b11a, bu 1,.. zu Hackung der nallen Ammität

Vor einer Sozialistischen Republik.

Wie weiter berichtet wird, ist vor dem Parlament ein Bataillon Infanterie mit Maschinengewehren aufmar­schiert, um das Gebäude zu schützen. Außerhalb Wiens und in den übrigen Bundesländern herrscht vollkommene Ruhe. Nach Ansicht maßgebender Kreise ist nicht anzu­

habe. Es ergebe sich, daß zur weckung der vollen Annuität ohne Beanspruchung des Auslandsanleihemarktes der deutsche Export um 36 v. H. zunehmen müsse. Wenn man die in den Ausfuhrwaren enthaltenen Rohstoffe berück­sichtige, die eingeführt werden müßten, sogar um 40 bis 50 v. H. Wenn man in Betracht ziehe, daß mehr als ein Drittel der deutschen Ausfuhr aus Eisen, Kohle, Stahl und

nehmen, daß, selbst sich, wenn es in Wien zur Ausrufung Textilien bestehe wenn man die chemischen Produktio­

einer Sozialistischen Republik käme, die übrigen nen und die Maschinenindustrie einbezehe, käme man auf

noch mehr als die Hälfte so müsse man sich fragen, ob eine derartige Steigerung den Konkurrenten Deutschlands erwünscht wäre. Keynes resümiert, der Dawesplan wird planmäßig zusammenbrechen. Es fragt sich nur, was der Preis für seine Abänderung sein wird. Wie schwer muß

Bundesländer diesem Vorgehen anschließen werden.

*

Das Kabinett Seipel in Gefahr.

* Prag, 15. Juli. Das Präsidium der österreichischen Sozialdemokratischen Partei trat heute mittag zusammen

und erklärte sich in Permanenz. Auch das ganze Plenum die Krise sein, die in der Wirtschaft Deutschlands eintreten

Gemerkschaftszentrale wurde zur Mit., muß, bevor man die Tatsache zugibt. Diese Frage müßte

jetzt schon die Diplomatie gründlich beschäftigen.

Zur Frage der Rückgabe des deutschen Eigenkums.

WTB Newyork, 15. Juli. Zur Frage der Rückgabe des beschlagnahmten deutschen Eigentums, über die der Stellvertreter des Sekretärs des Schatzamtes, Mills,

des Ausschusses der Gewerkschaftszentrale wurde zur Mit­arbeit eingeladen; über diese Tagung wurde bisher kein offizieller Bericht ausgegeben, doch verlautet, daß be­schlossen wurde, für Wien und Umgebung den General­streik der gesamten Arbeiterschaft zu proklamieren. Der Streik soll auch auf die Buchdruckereibetriebe ausgedehnt

werden. Von den Wiener Blättern wird morgen nur die Stellvertreter des Sek

Arbeiterzeitung erscheinen. Die Straßenbahnangestellten eine Erklärung abgegeben hat, erfährt World aus Washing­

#. Mas.####ram#####ta ton noch, daß folgende Gründe für ein beschleunigtes Vor­

gehen der Regierung in dieser Angelegenheit sprechen: Erstens lasse das Herannahen der Wahlen eine Rücksicht­nahme auf die deutsch=amerikanischen Wähler angebracht erscheinen, die über die bisherige schleppende Behandlung der Eigentumsrückgabe verstimmt seien und zweitens habe die Eigentumsverwaltung zu Skandalen geführt, die wäh­rend des Wahlfeldzuges gegen die Regierung ausgenutzt werden könnten, falls die Frage bis dahin nicht völlig erledigt wäre. Drittens könne der Aufschub ihrer Erledi­starken Kongreßstimmung für Steuer­minderungen eine Komplikation herbeiführen. Werde nämlich eine Steuerreduktion vor der Eigentumsrückgabe vorgenommen, so werde schwerlich der für die Eigentums­rückgabe erforderliche Betrag erübrigt werden können.

und die Beamten des Post= und Telegraphendienstes haben sich mit der Arbeiterschaft solidarisch erklärt. Bis­her ist es ungewiß, ob auch die Eisenbahnangestellten den Dienst einstellen werden.

Nach einer um 7 Uhr in Prag eingegangnen Meldung soll das Präsidium der österreichischen Sozialdemokrati­schen Partei beschlossen haben, eine Abordnung zum Bun­deskanzler Dr. Seipel zu entsenden, um ihn zum Rücktrilt aufzufordern.

Nach einer weiteren Meldung aus Wien erschienen um erledigt

6 Uhr bei dem Bundeskanzler Dr. Seipel die Gesandten gung infolge der starken Kongreßstimmung für der in Wien akkridierten Staaten zu einer Besprechung! über die Lage. In den Straßen Wiens werden Flugblätter verteilt, in welchen der Rücktritt Dr. Seipels und Schobers verlangt wird, andernfalls wird mit dem Generalstreik gedroht. Die ausländischen Journalisten sehen die Lage der Regierung als erschüttert an.

Die Fortführung der Flottenabrüstungskonferenz.

Genf, 13. Juli. Soeben wird bekannt, daß in der Sitzung der politischen Leiter der Drei=Mächte=Konferenz, die sehr lange gedauert hat, beschlossen worden ist, auf morgen nachmittag die Konferenz zu einer öffentlichen Sitzung einzuberufen. Die Tatsache, daß die am Montag auf unbestimmte Zeit vertagte öffentliche Sitzung von den Politikern wieder einberufen ist, läßt den Schluß zu, daß irgendwelche für den Verlauf der Konferenz entscheidenden Beschlüsse jetzt der Oeffentlichkeit vorgelegt werden sollen. *

Ein Aufruf der bayerischen Staatsregierung.

WTB München, 13. Juli. Die bayerische Staats­regierung hat anläßlich des bevorstehenden 80. Geburts­tages des Reichspräsidenten einen Aufruf erlassen, in dem es u. a. heißt: Es wird den Deutschen im Inlande und Auslande ein Herzensbedürfnis sein, der allverehrten Per­son des Reichspräsidenten, dem großen Führer des deut­schen Volkes in schwerster Zeit, dem obersten Vertreter des Deutschen Reiches Beweise dankbarer Verehrung zu geben. Mit Hindenburgs Ehrung ehrt das deutsche Volk sich selbst, wenn es in dankbarem Gedenken der gewalti­gen Leistungen und Opfer derer sich erinnert, die unsere Heimat, Haus und Herd vor Kriegszerstörung bewahrt, und wenn es der Hinterbliebenen derer eingedenk ist, die getreu bis zum Tode dem Vaterland gedient. Schließlich werden alle Bayern aufgefordert, mitzuhelfen zum Fest­tage des allverehrten Reichspräsidenten von Hindenburg ein Werk der Fürsorge zu schaffen.

*

Durch Kohlensäure erstickt.

WTB Paris, 12. Juli. WieParis Soir" berichtet, sind in dem Keller einer Markthalle, in dem reife Bananen lagerten, infolge der aus den Früchten ausströmenden Kohlensäuregase drei Menschen erstickt.

Pilsudski schließt den Senat und den polnischen Seim.

* Warschau, 14. Juli. In der Nachmittagssitzung des Senats erschien mitten in der Beratung des Ab­änderungsgesetzes über die Selbstauflösung des Seims In­nenminister Skalowski. Die Debatte sollte gerade be­ginnen, als er um das Wort bat. Der Minister verlas eine Verordnung des Staatspräsidenten, durch die die gegenwärtige Session des Senats für geschlossen erklärt wird. Die Sitzung mußte sofort abgebrochen werden.

Die Nachricht von diesem Willkürakt der Regierung hat in politischen Kreisen größtes Aufsehen hervorgerufen.

* Warschau, 14. Juli. In später Abendstunde erschien der Sekretär Pilsudskis, ein Leutnant, beim Seimmarschall und überreichte ihm ein schriftliches Dekret, wonach auch der Seim geschlossen wird. Pilsudski verschmähte es, dieser ungewöhnlichen Art, Seim und Senat nach Hause zu schicken, irgendwelche Begründung beizugeben. Einer der hauptsächlichsten Führer der Sozialisten, Niedzial­kowski, schreibt heute imRobotnik, hier habe man es mit einem neuen Schritt auf dem Wege zu tun, das Par­lament vor den Augen des Landes verächtlich zu machen. Wir polnischen Sozialisten", so schließt Niedzialkowski, protestieren im Angesicht der Arbeiterklasse und im An­gesicht des Landes gegen diese Politik und Taktik. Die öffentliche Meinung, die ganz in von der gesamten Presse genährten Geheimnissen herumirrt, erwacht endlich und fragt, wohin führst du Polen? Haben wir es hier mit einer Posse oder schon mit einem Drama zu tun?" Alle Blätter besprechen eifrig den ungewöhnlichen Vorfall. Die Pilsudski ergebene Presse ist in Verlegenheit. Nicht un­richtig meint dieGazette Warschafka Poranny, Pilsudski habe Seim und Senat am 20. Juni zu einer außerordent­lichen Sitzung nur deshalb einberufen, um das Gesetz für den Abschluß der amerikanischen Anleihe gut zu heißen.

Die heutige Nummer umfaßt 26

Seiten