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37. Jahrgang. Nr. 12692
U
für Bonn und Umgegend.
Druck u. Verlag: Hermann Reusser
Verantwortlich:
Hauptschriftleiter: Deter Neufser Anzeigen: Deter Leserinler Alle in Bonn.
Keine Verpflichtung zur Rückgabe anverlangter Manustripte.
Bonn, Donnerstag, 9. Dezember 1926.
Gründungsjahr des Verlags 1725.
Eine Rheinlische Eillente:
Vor einer angeblichen deutsch=französischen Verständigung.
Die Verhandlungen in Genf.
Pawels und die Botschafterkonferenz.
Die letzten Entwaffnungsfragen.
Reichskommissar General Pawels, der Verbindungsoffizier zwischen der deutschen Regierung und der Interalliierten Militärkontrollkommission, weilt zurzeit in Paris, um in der Entwaffnungsfrage den Endkampf mit dem „Drachen“, genannt Botschafterkonferenz, auszufechten. Pawels wurde für diese heikle Aufgabe ausersehen, nachdem sich herausgestellt hat, daß Legationsrat Forster vom Berliner Auswärtigen Amt zwar dem Diplomaten, aber nicht den„Sachverständigen“ des Botschaftertribunals gewachsen ist. Diese Sachverständigen sind französische Offiziere. Sie haben über alles ihre eigene Ansicht und treiben eine besondere Politik, die Politik des Mißtrauens, der Kleinlichkeit und der Verschleppung. Aber Pawels kennt seine Pappenheimer schon von Berlin her und läßt sich nicht mürb machen. Er weiß, daß man in Genf auf die Entscheidung der Botschafter wartet. Er kämpft wie ein Löwe um ehrliches Spiel und rasche Arbeit. Um was geht nun dieses letzte Ringen?
Es handelt sich nur noch um sechs Punkte, von denen die weniger schwierigen zuerst genannt sein mögen: Erstens verlangt die alte Entente auf Grund der letzten Berichte der
I. M. K. die Eingemeindung eines größeren Teiles der staatlichen Schutzpolizei. Eine Bagatelle. Eine lächerliche Kleinigkeit. Während nämlich bisher von insgesamt 150 000 deutschen Polizisten 108000 vom Staate besoldet werden und 42000 von den Gemeinden, verlangen die unerbittlichen Kontrollschnüffler, daß es künftig nur 100000 staatliche Polizeibeamte geben dürfe. 50000 müssen die Gemeinden übernehmen. Man wird den rechthaberischen Herren den Gefallen tun. Sie werden aber hoffentlich abwarten können, bis die verwaltungstechnische Seite der Angelegenheit— Ueberweisung, Umsiedlung, Kasernierung— erledigt ist. Oder will man der deutschen Regierung immer wieder einen Strick aus dieser Nebensächlichkeit drehen?
Zweitens: Beim zweiten Punkt handelt es sich ebenfalls um Kasernen, aber um leere. Bekanntlich hat die deutsche Heeresverwaltung, als mit Volldampf abgerüstet wurde, sämtliche leer werdenden Kasernen der Finanzverwaltung übergeben. Sie solle sie möglichst gut verkaufen. Das ist aber bei der herrschenden faulen Wirtschaftslage nicht so einfach. Der Finanzminister wäre wohl froh, wenn er diese Sorge bald los wäre. Aber wer nimmt ihm die Riesenkasten ab? Er selbst kann sie nicht brauchen. Er ist mehr für schöne Hotels wie z. B. den Berliner Kaiserhof. Aber die argwöhnischen Sachverständigen der früheren Verbändler sind unerbittlich. Sie wünschen restlose Verwendung der alten Kasernen zu privaten und zivilistischen Zwecken. Man wird dem Wunsche nach Möglichkeit nachkommen.
Drittens beanstandet die I. M. K. die militärische Ausbildung der Reichswehr. Tanks darf das deutsche Heer nicht führen. Gut. Aber auch der theoretische Unterricht über das Wesen dieser Waffe soll unterbleiben. Eine ebenso gehässige wie komische Forderung. Denn der deutsche Offizier und der deutsche Soldat muß wissen, was ein Tank ist, schon deswegen, weil die Herren aller anderen Länder diese Waffe im größten Stil ausgebaut haben. Vielleicht sieht die Botschafterkonferenz das Lächerliche ihres Begehrens ein.
Viertens wird verlangt die Durchführung der Verordnungen gegen die radikalen Kampfverbände. Dies ist nun eigentlich eine innerpolitische Angelegenheit. Sie wird umso schneller erledigt sein, je früher der Druck von außen aufhört, d. h. je schneller die ehemaligen Ententestaaten, vor allem Frankreich, ihre Demütigungspolitik gegenüber Deutschland einstellen. Nun kommen die Punkte, die in den letzten Tagen in Paris besonders heiß umkämpft wurden: Königsberg und die Ausfuhr von Kriegsmaterial:
Fünftens: Frankreich will(auf polnischen Druck hin) nur die Erhaltung der deutschen Festungen im Zustand des Jahres 1919 zugestehen. Die deutsche Heeresverwaltung mußte Königsberg ausbauen, um es nicht zerfallen zu lassen, um es zu erhalten. Es ist ein Streit um Worte.
Sechstens: Nach Artikel 170 des Versailler Diktats ist nicht nur die Einfuhr, sondern auch die Herstellung und Ausfuhr von Kriegsmaterial„streng verboten". In Berlin wird(nach Behauptung der französischen und englischen Presse) ein Gesetz vorbereitet, das zwar die Ausfuhr von Fertigfabrikaten verbietet, aber die von Halbfabrikaten erlaubt. Darum geht jetzt der Streit. Am vergangenen Montag ist man nicht zu Rande gekommen. A.
Der Kampf um die Getränkesteuer.
Den Gemeinden soll das Recht der Gekränkesteuer genommen werden.
MTB Berlin, 8. Dez. Am Mittwoch haben in Berlin wieder neue Besprechungen zwischen dem Reichsfinanzminister und den Finanzministern der Länder begonnen, in denen der Entwurf des Reichsfinanzministers über den vorläufigen Finanzausgleich noch einmal besprochen wurde. Dem Ausschuß des Reichsrates ist ein vorläufiger Entwurf zugegangen. Das Plenum des Reichstags wird erst dann sich mit der Materie beschäftigen, wenn die Verhandlungen zwischen den Ländern und dem Reiche endgültig abgeschlossen sind.
In dem augenblicklich geltenden Finanzausgleichsgesetz ist bekanntlich den Ländern und Gemeinden das Recht zur Erhebung einer Gemeindegetränkesteuer eingeräumt. Im Frühjahr dieses Jahres hat der Reichstag aber beschlossen, vom 1. April 1927 ab den Gemeinden das Recht zur Erhebung von Getränkesteuern zu entziehen. Wie wir bereits vor einiger Zeit melden konnten, ist die Reichsregierung auch diesem Reichstagsbeschluß insofern beigetreten, als in dem augenblicklich zur Debatte stehenden Entwurf eines Finanzausgleichs mit den Ländern die Gemeindegetränkesteuern nicht mehr enthalten sind. Der deutsche Städtetag hat bekanntlich in einer Denkschrift verlangt, daß die Gemeinden auch über den 1. April 1927 hinaus die Getränkesteuer erheben dürfen. Um diese Frage wird in allernächster Zeit voraussichtlich ein heftiger Kampf entbrennen. Wie wir erfahren, hat Preußen bei den gegenwärtig schwebenden Verhandlungen den Antrag gestellt, die kommunalen Getränkesteuern zunächst bis 1. April 1927 bestehen zu lassen. Auch Bayern soll beabsichtigen. sich dem Vorgehen Preußens anzuschließen.
In der ganzen Angelegenheit ist selbstverständlich noch nicht das letzte Wort gesprochen. Es kommt jetzt vor allem darauf an, wie die politischen Parteien sich zur Frage der Gemeindegetränkesteuer stellen. Daß die Sozialdemokraten für die Beibehaltung der Steuer sind, haben wir bereits früher gesagt. Von den übrigen Parteien hat sich die Deutsche Volkspartei insofern jetzt festgelegt, als sie vor einigen Tagen einen Antrag
Die Verhandlungen im Völkerbundrat schreiten nur langsam vorwärts. Als äußerlicher Grund für das Schneckentempo kann der Umstand gelten, daß die Konferenzen der in Paris tagenden Botschafterkonserenz den Gang der Genfer Verhandlungen, verzögern, ferner aber auch der Umstand, daß die Grippe, von der Stresemann und Briand gepackt sind, die Arbeitsfreude der Diplomaten beeinträchtigen. Ein gewisser Fortschritt scheint inzwischen erzielt zu sein. Im wesentlichen bestätigen sich die Meldungen von französischer Seite, daß die Beratungen der juristischen und militärischen Experten sich darauf beziehen, das entmilitarisierte Rheinlandsgebiet von der allgemeinen Investigationsregelung auszunehmen und besonders zu gestalten. Man rechnet damit, noch in dieser Ratstagung sich über den endgültigen Rückzug der bisherigen Militärkontrollkommission sowie über die Annahme des teilweise abgeänderten, teilweise durch gegenseitige Erklärungen ergänzten Investigations= planes von 1924 mit Deutschland zu verständigen. Da die éléments stables immer nur für die entmilitarisierte Zone gedacht waren, so scheiden sie für das übrige Deutschland aus. Ueber die besondere Militärkontrolle für das Rheinland hofft man bis zum Ende der Tagung, ziemlich sicher am Samstag, sich in einer allgemeinen Erklärung zu verständigen, während die weiteren Detailberatungen des Projektes nachher weitergehen werden, wofür man vielleicht auch zu dem Mittel einer besonderen Konferenz der dabei hauptbeteiligten Mächte(Frankreich und Deutschland) greift. Wenigstens gehen solche Gerüchte um.
Inhaltlich würde die Investigationsregelung für das Rheinland ein Zusatzabkommen zum LocarnoRheinpakt darstellen. Von deutscher Seite wird dazu vor allem die Bedingung gestellt werden, daß die Rheinland=Militärkontrolle höchstens so lange dauern darf, als die militärische Besetzungsfrist läuft, d. h. bis 1935. Demgegenüber wird von französischer Seite darauf hingewiesen, daß die Stellung des Rheinlandes durch vier Faktoren bestimmt wird:
1. Artikel 213 des Friedensvertrages, der von keiner Differenzierung der Investigation für das Rheinland und das übrige Deutschland spricht,
2. die Tatsache, daß die militärische Besetzung nur bis 1935 dauern darf(auf welche beiden Punkte sich Deutschland stützt), dann aber auch
3. durch die andere Tatsache, daß die Entmilitarisierung des Rheinlandes diesem einen besonderen Charakter gibt, und
4. daß durch den Locarno=Rhein=Pakt die besondere Lage des Rheinlandes ebenfalls in außerordentlicher Weise geregelt sei.
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Eine deutsch-französische Verständigung in Sicht?
WTB Paris, 9. Dez. Der Berliner Korrespondent des Journal will berichten können, daß deutscherseits folgendes
Kompromiß in der Entwaffnungs- und Kontrollfrage
als möglich bezeichnet werde:
1. Deutschland gibt seine Zustimmung zur Einrichtung einer ständigen Kontrolle im Rheinland.
2. Diese Kontrolle hat nicht länger zu dauern als bis zum Jahre 1935, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Rheinland nach dem Versailler Friedensvertrag geräumt werden muß.
3. Deutschland wird durch wenigstens ein Mitglied in dem Investigationskomitee vertreten sein, dessen Sitz nicht in Deutschland sein wird.
4. Seine Machtbefugnisse erstrecken sich nicht über das Rheinland und die entmilitarisierte Zone hinaus. Aber auf Verlangen eines Mitgliedes des Ausschusses kann dieser auch Kontroll=Operationen in gewissen der deutschen Grenze benachbarten französischen und belgischen Gebietsteilen vornehmen.
5. Die Räumung des Rheinlandes muß im Laufe des Jahres 1927 vollzogen sein.
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Vor der deutsch-französischen Einigung.
MTB Gen f. 8. Dez. Die Einigung in der Militär= kontrollfrage und der Investigationsfrage, die nun einmal miteinander verbunden sind, zeichnet sich heute, nach Beendigung der Juristenbesprechungen, etwas deutlicher ab. Sobald die Botschafterkonferenz morgen die letzten Berichte über die Erfüllung der Entwaffnungsvorschriften empfangen und den Beschluß gefaßt haben wird, daß dem Aufhören der Militärkontrolle in Deutschland wahrscheinlich zu Anfang oder Mitte Januar nichts mehr im Wege steht, werden hier in Genf die Beratungen der fünf Locarnomächte über die Zusätze zum Investiga
im Reichstag eingebracht hat, in dem gefordert wird, daß die Gemeindegetränkesteuern am 1. April nächsten Jahres fallen sollen. Man darf darauf gespannt sein, welche Entwicklung diese Frage noch nehmen wird.
Kein Einspruch Preußens gegen das Jugendschutzgesetz.
* Berlin, 8. Dez. Das preußische Staatsministerium trat heute in der Wohnung des Ministerpräsidenten Braun, der bekanntlich einen Unfall erlitten hat, zu einer Sitzung zusammen. Es befaßte sich zum ersten Male offiziell mit der Frage des vom Reichstag kürzlich verabschiedeten Gesetzes zum Schutze der Jugend vor Schmutz und Schund. Einstimmig wurde beschlossen, im Reichsrat keinen Einspruch gegen das Gesetz zu erheben. Hierdurch erledigt sich auch der heute von den Kommunisten im Landtag eingebrachte Antrag, der verlangte, daß die Vertreter Preußens im Reichsrat angewiesen werden sollen, auch gegen die jetzige Fassung des Gesetzes Einspruch zu erheben und jedes geeignete Mittel zu ergreifen, um das Inkrafttreten des Schund= und Schmutzgesetzes zu verhindern.
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Rücktritt des Herrn von Berg.
Die Nachricht, daß Herr von Berg zurücktritt, bestätigt sich. Der Generalbevollmächtigte der Hohenzollernfamilie, Herr v. Berg, hat Wilhelm II. in Doorn sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Der frühere Kaiser hat der Entlassung aus seinen Privatdiensten zugestimmt. Angeblich sollen Meinungsverschiedenheiten zwischen Herrn v.
tionsplan, des Völkerbundes wieder aufgenommen werden.
Sollten sich noch irgendwelche Bedenken der Botschafterkonferenz ergeben, so soll nach französischer Auffassung eine besondere, ganze kleine Liquidationskommission in Funktion treten, die den Rest der Militärkontrolle möglichst rasch aufzuarbeiten hätte. Es ist aber möglich, daß für diesen letzten Rest der Militärkontrolle, falls die Botschafterkonferenz noch Bedenken hat, eine andere Regelung gefunden wird.
Hier nimmt man jedenfalls an, daß morgen abend spätestens ein Beschluß der Botschafterkonferenz vorliegen wird, der die Schlußberatungen über die grundsätzlich in fast allen Punkten erzielte Einigung für den Investigationsplan des Völkerbundes ermöglicht.
In den Zusätzen, die zu dem Investigationsplan gemacht werden sollen, wird den drei Bedenken der deutschen Regierung, die in der deutschen Note vom 12. Januar angeführt wurden, Rechnung getragen werden.
Wenn die Einigung morgen abend oder wahrscheinlich übermorgen, zustande kommt, so würden von den fünf Locarnomächten gemeinsam im Völkerbundsrat voraussichtlich am Samstag die Zusatzerklärungen beantragt werden, und es ist anzunehmen, daß der Völkerbundsrat die vollzogene Einigung begrüßen und sie unverändert annehmen wird.
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Auch aus dem Saargebiet sollen die Besatzungstruppen entfernt werden.
MTB Genf, 8. Dez. Bei den Besprechungen, die zwischen dem französischen Rechtsberater Fromageot und Dr. Gaus stattgefunden haben, ist auch die Frage der Zurückziehung der französischen Truppen aus dem Saargebiet besprochen worden.
Dabei ergab sich eine ziemlich vollständige Uebereinstimmung darüber, duß die beiden französischen Regimenter, die noch im Saargebiet stehen, entfernt werden sollen.
Die beiden Juristen haben auch ein System vereinbart, wie der von Frankreich geforderte Bahnschutz durch nicht im Saargebiet beheimatete, aber nicht militärischen Personen ausgeführt werden kann, die nur unter der Aufsicht der Regierungskommission stehen und nicht abhängig von irgendwelcher alliierten Regierung sind.
Es ist wahrscheinlich, daß der Völkerbundrat dieser Einigung seine Zustimmung nicht versagen wird, umsomehr als er selbst schon verschiedentlich die Zurückziehung der französischen Truppen aus dem Saargebiet gefordert hat.
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Stresemann und Briand erkrankt.
WTB Genf, 8. Dez. Reichsminister Dr. Stresemann, der sich eine leichte Erkältung zugezogen hat, ist ohne Fieber. Auf Vorschlag des Arztes wird er jedoch auch heute nachmittag nicht an der Ratssitzung teilnehmen.
* Genf, 8. Dez. Heute konnte Briand wegen eines leichten Grippeanfalls das Zimmer nicht verlassen.
Eine„rheinische Entente“?
Sowohl die vorstehenden Informationen als auch das weitere uns heute früh übermittelte Nachrichtenmaterial aus Paris und Genf ergeben, daß man in Genf versucht, uns die Fortdauer der ständigen Kontrolle, zum mindesten die des besetzten Rheinlandes, dadurch schmackhaft zu machen, daß man sie mit der früheren Räumung des Rheinlandes in Verbindung bringt. Die Kontrolle, wie sie nach vorstehenden Meldungen gedacht ist, soll von den fünf Rheinpaktmächten, also unter Einschluß Deutschlands, organisiert werden. Marcel Ray spricht davon, daß die Verwirklichung dieses Planes zu einer großen rheinischen Entente führen würde.
Andererseits hätten wir im Falle eines derartigen Paktes, der die Vereinbarungen von Locarno ergänzen würde, nach der vorstehenden Auslassung des Pariser Journals bereits im Jahre 1927 mit der Beseitigung der fremden Besatzungen am Rhein und im Saargebiet zu rechnen. Ob wir uns aber mit dieser sogenannten rheinischen Entente nicht ein Kuckucksei ins eigene Nest legen würden, d. h. doch wiederum im Sinne des französischen Ehrgeizes, ein französisches Sonderregimeam Rhein mit eigenen Händen aufrichten würden, ist eine Frage, die noch der näheren Untersuchung bedarf.
Jedenfalls liegt bis zur Stunde eine offizielle Bestätigung für das bevorstehende Kompromiß im Sinne einer Rheinlandkontrolle weder von Berlin noch von Genf aus vor.
Berg und Wilhelm II. sowie dem früheren Kronprinzen über die Auseinandersetzung mit dem preußischen Staat zum Rücktritt des bisherigen Generalbevollmächtigten geführt haben.
Wie nunmehr bekannt wird, hat auch Graf Rantzau, der bisher die Stellvertretung des Herrn v. Berg innehatte und als Nochfolger in Betracht kam, seinen Abschied eingereicht, und zwar aus denselben Gründen wie v. Berg.
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Das Hohenzollernhaus in finanziellen Schwierigkeiten.
* Berlin, 8. Dez. Wie in unterrichteten Kreisen verlautet, ist die erste Rate von fünf Millionen Mark, die nach Genehmigung des Auseinandersetzungsvertrages an das Hohenzollernhaus gezahlt wurde, dazu benutzt worden, um finanzielle Verpflichtungen abzudecken. Es verlautet weiter, daß das Hohenzollernhaus erneut mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, sodaß voraussichtlich auch ein erheblicher Teil der zweiten FünfMillionen=Rate, die am 1. Februar 1927 gezahlt werden soll, ebenfalls zur Abdeckung der finanziellen Verpflichtungen benutzt werden muß. In diesem Zusammenhang erhält der Rücktritt des Generalbevollmächtigten des ehemaligen Kaisers, des Geheimrats v. Berg, eine besondere Note. Man nimmt an, daß als Nachfolger des Herrn v. Berg der Geheime Oberregierungsrat Ziersch bestellt wirh der an den Auseinandersetzungsverhandlungen stark beteiligt war.
Das Schicksal der Kunstwerke aus dem Hohenzollernbesitz.
* Berlin, 8. Dez. Wie der„Demokratische Zeitungsdienst" erfährt, ist zwischen Preußen und dem Hohenzollernhause eine Abrede dahin getroffen worden, daß die im Abschnitt 3, Ziffer—13 des Auseinandersetzungsvertrages aufgeführten Kunstwerke bis zu ihrem Ankauf durch die preußische Staatsregierung den staatlichen Museen und den Schloßverwaltungen zur Verfügung stehen. In welchem Umfange Preußen Kunstwerke kaufen wird, ist noch Gegenstand der Verhandlungen.
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Poincars über seinen Kampf um die Frankengesundung.
* Paris, 7. Dez. In der Kammer begann heute die Besprechung über die Finanzlage. Von besonderem Interesse waren die Ausführungen Poincarés in seiner Eigenschaft als Finanzminister. Heute vormittag hat man mich gefragt, sagte Poincaré, ob ich nicht etwa ein Mechaniker sei, der seine Maschine nicht mehr aufhalten kann, oder ein Reiter, dem sein Pferd durchgegangen sei. Jedesmal, wenn ich auch noch so diskret auf Fragen antwortete, die mir gestellt wurden, bemächtigte sich die Spekulation dieser Worte, und ich habe keine Lust, die Spekulation zu begünstigen. Gewiß kann eine Revalorisierung der Währung eine Wirtschaftskrise hervorrufen und Arbeitslosigkeit zur Folge haben. Aber es gibt keine Währungsfestigung, die nicht ziemlich ungünstige wirtschaftiche Folgen hat. Wer eine schwankende Währung in eine gesunde umwandeln will, muß verstehen, den Abgrund zu überschreiten. Man beschwert sich über das Steigen des Franken. Uebel ist das Steigen der Währung, es ist aber nicht so übel, wie die Pessimisten es angekündigt haben. Wenn eine vorübergehende Arbeitslosigkeit eintritt, kennt die Regierung ihre Pflicht, diese zu mildern. Augenblicklich sind die Auswirkungen dieser Krise weniger ernst, als man behauptete. Die Regierung hat sich übrigens niemals der Täuschung hingegeben, daß die Finanz= und Währungsreform ohne Opfer und ohne Leiden durchgeführt werden kann. Frankreich hat aus eigener Kraft seine finanzielle Wiedererhebung durchgeführt, ohne seine Freiheit aufzugeben.
Poincaré kündigte in seiner Rede zum Schluß an, daß die Regierung, sobald der Haushaltplan verabschiedet sei, dem Parlament nach seinem Wiederzusammentritt Entwürfe zur Linderung der Folgen der Wirtschafts. krise durch Hebung der Produktion in Frankreich und seinen Kolonien unterbreiten werde:
Alsdann äußerte sich Poincaré über die Währungsfestigung selbst, indem er folgende Grundsätze aufstellte: Es gebe keine Finanz= und Währungsreform ohne eine aktive Handelsbilanz. Diese Tatsache dürften auch die ausländischen Gläubiger Frankreichs nicht verkennen. Frankreich könnte nur Zahlungen an sie leisten, wenn es sie regulär transferieren könne, d. h. wenn es Waren und Devisen zu seiner Verfügung habe.
Schließlich betonte Poincaré, daß man die Einzelheiten des Festigungsplanes angesichts der ausländischen Spekulation nicht bekanntgeben dürfte. Er wies ferner darauf hin, daß auch Belgien seine Absichten bis zum letzten Augenblick geheimgehalten habe, und daß der belgische Schatzminister Francqui, als er ihm in Paris über seine Absichten seinerzeit Aufschluß gegeben habe, sich wohl gehütet habe, ihm alles zu sagen.
Die Kammer schloß alsdann die allgemeine Aussprache, und trat in die Einzelberatung ein.
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Die Weltwirtschaftskonferenz auf den 4. Mai 1927 nach Genf einberufen.
TU Genf, 8. Dez. Der Völkerbundsrat hat heute Nachmittag auf Grund eines Berichtes des Generalsekretärs des Völkerbundes über die bisherigen Erfahrungen bei den interalliierten Konferenzen auf Vorschlag Chamberlains beschlossen, die Weltwirtschaftskonferenz zum 4. Mai 1927 nach Genf einzuberufen. Zum Präsidenten der Konferenz wurde der frühere belgische Finanzminister Theunis ernannt.
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Schmuggel in französischer Uniform.
MTB Landau, 7. Dez. Bei der großen Alkoholschmuggelaffäre, die am Samstag ihre gerichtliche Sühne fand, ergab die Zeugenvernehmung, daß der französische Kaufmann Ferain, der französischer Offizier in Landau gewesen war, den Schmuggel mittels eines französischen Begleitscheines ausführte, als ob die Ware Besatzungsgut sei. Er hatte die deutsche Nummer am Automobil entfernt und durch eine französische ersetzt; er hatte sogar bei Grenzüberschreitungen die französische Uniform angelegt. Nur auf diese Weise konnten ihm seine Schmuggelfahrten gelingen. Die Ware wurde hauptsächlich in Frankfurt und Rastatt abgesetzt.
Ueber den Alkoholschmuggelprozeß erfahren wir noch folgendes: Vor den Schranken des großen Schöffengerichts, das sich in viertägiger Verhandlung mit der Angelegenheit zu befassen hatte, standen als Angeklagte Weinhändler, Spediteure, Kaufleute usw. wegen Bandenschmuggels und Steuerhehlerei. Drei weitere Mitglieder der Schmugglerbande, die französischen Kaufleute Ferain, Chevalier und Loncol sind flüchtig. Der Alkohol wurde bei Schweighofen und Weißenburg über die elsäßische Grenze geschmuggelt und im Inland durch die Angeklagten weiter vertrieben und verarbeitet. Vier Angeklagte wurden freigesprochen, die übrigen wurden zu Gefängnisstrafen, 690000 Mark Geldstrafe und 69000 Mark Wertersatz verurteilt. An die Stelle der Geldstrafen tritt eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe. Eingezogen wurden sieben Fässer Sprit mit 4200 Liter Inhalt sowie ein Lastauto.
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Wegen„beleidigender Haltung".
P Berlin, 9. Dez. Amtlich wird mitgeteilt: Der 26 Jahre alte Rohrschneider Jakob Kegel von Sonderheim wurde vor die französische Gendarmerie in Germersheim geladen. Als er sich am 27. November dort einfand, wurde er verhaftet und nach Landau gebracht, wo er sich noch befindet. Der Grund zu der Verhaftung ist noch nicht sicher bekannt. Man nimmt an, daß die französischen Behörden die Verhaftung damit begründen werden, daß Kegel eine beleidigende Haltung den französischen Besatzungsorganen gegenüber eingenommen hat.
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Mit einem Wasserflugzeug nach Mittelafrika.
P Rom, 9. Dez. Der Schweizer Flieger Mittelholzer ist mit seinem Wasserflugzeug in Neapel gelandet und wird nach Aufnahme von Lebensmitteln und Brennstoff seinen Flug über Athen nach Alexandria und Mittelafrika fortsetzen.
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