Bezugspreis: Monatlich.4 Anzeigen: lokale 2s, auswärtige 40 S Reklamen:„ 75," 120 J
Lokale Familien=Anzeigen 20 3 Lokale Stellengesuche 13 3 die Zeile. Dostscheck=Konte Köln Nr. 18672 Fernruf 66. 366. 367.
für Bonn und Umgegend.
Druck u. Verlag: Hermann Neusser
Verantwortlich:
Hauptschriftleiter: Deter Neusser Anzeigen: Deter Leserinier Alle in Bonn.
Keine Verpflichtung zur Rückgabe unverlangter Manustripte.
32. Jahrgang. Nr. 12658
Bonn, Mittwoch, 22. Oktober 1926.
Gründungsjahr des Verlags 1725.
Pentures Gegeipiel.
Ein Riesenkanal Ruhrgebiet=Nordsee?
P Das Berl. Acht=Uhr=Abendblatt berichtet: Die Erfahrungen aus dem englischen Kohlenbergarbeiterstreik, der eine beträchtliche Mehrbeschäftigung der deutschen Kohlenindustrie hervorgerufen hat, werden voraussichtlich zur Durchführung eines der größten Kanalbauprojekte führen, die in Deutschland und Europa jemals zur Ausführung gelangt sind. In der Reichsverwaltung und namentlich bei der Preußischen Kanalbauverwaltung hat man sich überzeugt, daß die Durchführung des Hansa=Kanalprojektes eine außergewöhnliche und dauernde Belebung der deutschen Wirtschaft herbeiführen kann. Die erfreulichen Anzeichen einer Konjunkturbelebung, die sich in den letzten Wochen geltend gemacht haben, haben ihren Ausgang von der rheinisch= westfälischen Industrie, namentlich der Bergindustrie genommen. Gegenwärtig haben die Hansestädte einen Bedarf von 8,21 Millionen Tonnen Kohle, der im wesentlichen für Schiffahrtszwecke in Betracht kommt und bisher stark durch England gedeckt wurde wegen des teueren Frachttarifes von den deutschen Kohlengebieten nach der Küste. Das AchtUhr=Abendblatt schätzt die Absatzmöglichkeiten der englischen Kohlenindustrie im Bereich von Hamburg und Bremen allein auf jährlich über 3 Millionen Tonnen. Durch Anlegung eines leistungsfähigen Schiffahrtsweges, einer Binnen=Wasserstraße, wie es der Hansa=Kanal werden soll, würde die Absatzmöglichkeit der deutschen Kohlenindustrie im Jahr um diesen ungeheuren Betrag gesteigert werden können. Die rheinisch=westfälische Kohlenindustrie allein wäre genötigt, mindestens 10000 Bergarbeiter nicht nur für eine Saison, sondern dauernd einzustellen.
Der Kanal soll seinen Ausgangspunkt nehmen im Ruhrgebiet. Er liegt im Bereich von Dortmund, Essen, Düsseldorf, gestützt auf das dort schon vorhandene leistungsfähige Kanalnetz mit Anschluß an den Rhein. Ueber seine Weiterführung nach den Hansestädten schweben zwei große Projekte. Innerhalb der Verwaltungsbürokratie erfuhr bisher die Linienführung über den Emscher=Weser=Kanal bis Minden und von da auf der kanalisierten Weser bis zur Abzweigungsstelle nach Hamburg die größte Beachtung. Die Wirtschaftskreise des Rhein= und Ruhrgebietes und der Hansestädte verlangen aber die direkte Linienführung von Bramsche=Ems=Weser=Kanal bis Aschem südlich Bremen an der Weser, die Ueberbrückung der Weser durch den Kanal und über Harburg und Hamburg an die Elbe.
Dieser sogenannte echte Hansakanal bietet gerade für den Zweck des Arbeitsbeschaffungsprogramms der dauernden Beschäftigung von jetzt ab noch Erwerbslosen die denkbar größten Chancen.
Die Arbeit wäre unter Einsatz von Hunderttausenden von Arbeitskräften in—8 Baujahren durchzuführen.
Von der Wasserbaudirektion in Hannover werden die Kanalbaukosten auf rund 300 Millionen Mark veranschlagt. Von dieser Summe würden rund 90 Prozent allein auf Löhne entfallen, die Erwerbslosenkosten des Reiches und der Länder also außerordentlich vermindern und den Einsatz von Geldmitteln für wirklich produktive Arbeit sichern. Für die Durchführung der Wassertransporte müßten an die Industrie beispielsweise auch Aufträge für mindestens 500 Schleppkähne modernsten Formates mit leistungsfähigen Schleppern gegeben werden.
*
Dr. Reinhold zur deutschen Iinanzwirtschaft.
TU Leipzig, 27. Okt. In einer von der Deutschen Demokratischen Partei veranstalteten Wahlversammlung sprach Reichsfinanzminister Dr. Reinhold am Dienstag in Leipzig. Er gab zunächst einen kurzen Ueberblick über die jetzige innerpolitische Lage und beleuchtete dann vor allem die deutsche Finanzwirtschaft. Dabei stellte er mit besonderer Genugtuung fest, daß unsere Lage sich stetig verbessert habe. Die Stimmen, die vor Steuerminderung warnten, seien jetzt verstummt. Das ganze Steuerwesen bedürfe aber in Reich, Ländern und Gemeinden einer organischen Grundlage. Jeder einzelne Deutsche dürfe in Zukunft nur mit den Steuern belastet werden, die er tatsächlich wirtschaftlich auch zu tragen vermöge. Nach diesem Hauptgesichtspunkt müsse auch der kommende Finanzausgleich eingerichtet werden. Vorbedingung für diesen Ausgleich sei, was er besonders hervorzuheben wünsche, die deutsche Verwaltungsreform. Dabei gelte es vor allem, die Ausgaben abzubauen und nicht die Beamten.
Einen weiteren Teil seiner Ausführungen widmete der Minister dem Arbeitsbeschaffungsprogramm der Reichsregierung. Vor allem diene das Programm der Milderung der Arbeitslosigkeit und dann dem Ziel, den Verfall halbbegonnener Bauten aufzuhalten. Es gelte nicht„uferlose Kanalbauten" zu treiben. Mit dem Arbeitsbeschaffungsprogramm werde die Regierung aber dafür zu sorgen haben, daß ein neuer lebendiger Impuls durch deutsches Wirtschaftsleben gehe. Dabei erscheine viel wichtiger, daß der Staat einmal die Möglichkeit eines Defizits in Kauf
Thoiry=Verhandlungen auf neuer Grundlage?
Gefährliche Winkelzüge Frankreichs. (Drahtung unseres Berliner=Mitarbeiters.)
Berlin, 27. Okt. Die Pariser Korrespondenten verschiedener Berliner Blätter brachten heute morgen eine fast gleichlautende Information, wonach die letzten Besprechungen des deutschen Botschafters von Hoesch mit Briand und Berthelot ergeben chätten, daß„eine neue Grundlage für Thoiry“ geschaffen werden müsse. In hiesigen unterrichteten politischen Kreisen hat die Formulierung dieser Information einige Verwunderung ausgelöst; man glaubt, daß die Behauptung, es müsse eine neue Grundlage für die Thoirypolitik gefunden werden, möglicherweise auf ein Mißverständnis zurückgeht. Jedenfalls legt man in Berliner maßgebenden Kreisen Wert darauf, noch einmal zu betonen, daß die Grundlage des Thoiry=Programms nach deutscher Auffassung die ist:
durch deutsche finanzielle Zugeständnisse die beschleunigte Räumung der besetzten Gebiete von Frankreich zu erlangen.
Die von der deutschen Regierung gebotene Mobilisierung der Industrieobligationen ist auch jetzt nach deutscher Ansicht für absehbare Zeit die einzige Möglichkeit, wodurch es Frankreich gelingen könnte, die für die Stabilisierung seiner Währung nötigen Summen zu erhalten. Wenn sich dieser Grundidee Schwierigkeiten entgegengestellt haben, so liegen sie nach deutscher Auffassung wohl ausschließlich in der Weigerung Frankreichs, das interalliierte Schuldenabkommen zu ratifizieren. Diese Weigerung ist nicht recht verständlich, da man doch in Frankreich wissen muß, daß eine Unterbringung der Dawesobligationen auf dem allein in Frage kommenden amerikanischen Markt von den Vereinigten Staaten so lange nicht zugelassen werden wird, als Frankreich nicht das Schuldenabkommen ratifiziert hat. Offenbar hat man sich in Frankreich von dieser Notwendigkeit noch immer nicht überzeugen können, und anscheinend versucht man deshalb noch immer, ob man auf irgend einem anderen Wege sich von Deutschland die nötigen Gelder verschaffen kann, ohne das Schuldenabkommen ratifizieren zu müssen.
In unterrichteten deutschen politischen Kreisen hält man derartige Versuche aber für völlig aussichtslos und auch für politisch gefährlich. Gesetzt den Fall, daß Deutschland sich z. B. damit einverstanden erklären würde, daß
eine deutsch-französische Anleihe auf den europäischen Märkten untergebracht werden soll, so würde man in Amerika sofort wissen, daß der Zweck der genannten Anleihe nur auf eine Umgehung der Ratifizierung des Schuldenabkommens durch Frankreich hinausläuft. Amerika würde somit Grund zu einer Verstimmung gegenüber Deutschland haben. Daß wir auf solche Weise in irgendwelche politische Gegensätze zu Amerika geraten, wird aber niemand in Deutschland wünschen und verantworten können. Die deutsche Regierung tut daher zweifellos gut, wenn sie sich auf derartige Manöver nicht einläßt, sondern an dem in Thoiry festgelegten Grundgedanken der Mobilisierung der Obligationen festhält. Mit irgendeinem anderen brauchbaren Projekt, das Frankreich günstigere Aussichten auf baldige Finanzsanierung eröffnen würde, ist übrigens von französischer offizieller Seite an die deutsche Regierung bisher auch garnicht herangetreten worden. *
Poincaré's und Foche's Kontreminen.
Wie man Locarno und Thoiry durchkreuzen will.
* London, 26. Okt. Der diplomatische Gewährsmann des Daily Telegraph stellt fest, daß die Botschafterkonferenz beschlossen hat, dem Ueberwachungsausschuß anheimzustellen, welche mündlichen oder schriftlichen Beschwerden dem Reichswehr
ministerium über die angeblichen Mängel der deutschen Entwaffnung gemacht werden sollen. Die Botschafterkonferenz wolle auf diese Weise die öffentliche Erörterung und Erregung vermeiden, die eine mehr formelle Note der Konferenz in Deutschland und anderswo hervorrufen würde. Der Gewährsmann hört, daß die Abneigung der französischen Regierung, dem Völkerbund schon in nächster Zeit die Ueberwachung der deutschen Entwaffnung zu übertragen, nicht in dem Mißtrauen begründet liege, das wegen der noch immer festgestellten Verstöße Deutschlands in den militärischen Kreisen Frankreichs und andrer Verbandsstaaten vorhanden sei.
Poincaré und seine Generale seien jedoch entschlossen, in der Beaufsichtigung der deutschen Entwaffnung keine Milderung eintreten zu lassen, solange die genauen Bedingungen, unter denen der Völkerbund die Aufsicht übernehmen wolle, nicht zur Zufriedenheit Frankreichs festgelegt seien. Die französischen Forderungen schlössen eine überwältigende Mehrheit der Verbündeten in dem künftigen Ausschuß des Völkerbundes ein, ferner häufigere und regelmäßigere Untersuchungen als bisher. In Aussicht genommen seien eine schärfere Ueberwachung der Rheinlandzone, als sie das übrige Deutschland erhalte, und schließlich die Befugnis des Bundesrats, durch Mehrheitsbeschluß Sanktionen zu verhängen. falls der Ueberwachungsausschuß eine Verfehlung des Reichs feststelle. Der Gewährsmann sieht voraus, daß Monate darüber hingehen werden, bis ein Einverständnis sowohl unter den Verbandsstaaten als auch mit Deutschland erzielt werden kann.
Die Berliner Rechtspresse zu Poincarés Militärkontrollplänen.
MTB Berlin, 26. Okt. Die heutige Meldung des diplomatischen Berichterstatters des Daily Telegraph über den Entschluß Poincarés und der französischen Generale, keine Nachlassung der ständigen Kontrolle zu gestatten, hat in hiesigen politischen Kreisen Aufsehen erregt. Wie die„Tägl. Rundschau" bemerkt, laufen diese Pläne Poincarés offenbar darauf hinaus, die Politik von Locarno, Genf und Thoiry zu Schanden zu machen. Daß das Gerede von der mangelhaften Abrüstung Deutschlands lächerlich ist, so weit es nicht schlechthin als böser Wille bezeichnet werden muß, wird sogar von tschechischer Seite anerkannt. So schreibt selbst die Prager„Tribuna“, welchen Sinn es jetzt noch habe, von einer ungenügenden Abrüstung Deutschlands zu sprechen, da der Völkerbund selbst das Maß der Abrüstung für ausreichend zur Aufnahme Deutschlands anerkannt habe. Das Blatt stellt die Frage, ob irgendwelche politischen Kleinigkeiten und theoretischen Einwände wirklich eine genügende Ursache seien, zum eine Lage neuerdings zu erschüttern, nachdem es gelungen ist, sie wenigstens einigermaßen zu stabilisieren.
Die„Kreuzzeitung" bemerkt zu der englischen Meldung, daß man aus ihr mit aller Deutlichkeit ersehen könne, daß Frankreich die Absicht habe, die militärische Ueberwachung Deutschlands zu verewigen. Die Art und Weise, wie Deutschland auch künftig durch dauernde Ueberwachung seines Militärwesens unter Druck gehalten werden soll, zeige, was in Wirklichkeit von der französischen Verständigungspolitik zu halten sei. Wenn Frankreich heute nach Locarno, und trotzdem Deutschland Mitglied des Völkerbundes geworden sei, derartige Forderungen aufzustellen sich erdreiste, so ist überhaupt jede Verständigung mit unserem westlichen Nachbarn illusorisch.
Die„Deutsche Tageszeitung“ fragt, wo hier auch nur der geringste Erfolg der unter großen deutschen Opfern in Locarno gegebenen Sicherheiten bleibe. Wo werde der Tatsache der englischen und italienischen Rheingarantie irgendwie Rechnung getragen, und wo bleibe schließlich der Geist von Thoiry?
Poincars läßt den halbamtlichen Daily Telegraph dementieren.
TU Paris, 27. Okt. Großes Interesse erregt hier die Veröffentlichung aus englischer Quelle, wonach sich Ministerpräsident Poincars und die französischen hohen Militärs der Uebertragung der Abrüstungskontrolle an den Völkerbund widersetzen würden, bevor nicht Frankreich volle Genugtuung hinsichtlich der Zusammensetzung dieser Völkerbundskommission gegeben worden sei. Diese Nachricht sowie die vom Daily Telegraph angeführten einzelnen Punkte der französischen Wünsche über die Abtretung der Kontrolle an den Völkerbund wird vom Quai'Orsay als Phantasiemeldung bezeichnet.
Deutschnationale Kampfansage.
MTB Leipzig, 27. Okt. In einer Rede über die deutsche Außenpolitik erklärte gestern abend Graf Westarp u.., die Deutschnationalen hielten ein Zusammengehen mit der Sozialdemokratie in einer Regierungsgemeinschaft für unmöglich, weil sie der Ueberzeugung seien, daß mit dieser Partei weder eine stabile Mehrheit noch stabile Regierungsverhältnisse zu schaffen seien. Wenn die jetzige Regierungsminderheit glaube, nach wie vor als Minderheit mit Unterstützung bald von rechts, bald von links regieren zu können, so werde sie sich davon überzeugen müssen, daß auf diese Weise weder feste Regierungsverhältnisse geschaffen, noch positive Erfolge erzielt werden könnten.
Eine Erklärung zur Frage der Rückkehr Wilhelms II.
MTB Berlin, 26. Okt. In einem Artikel über die durch den Abschluß des Vergleichs mit dem Hohenzollernhause und der preußischen Regierung geschaffenen Lage beschäftigt sich Geheimrat Ziersch von der Generalverwaltung des königlichen Hauses im„Steglitzer Anzeiger“, u. a. auch mit der Frage der Rückkehr des Kaisers nach Deutschland. Wilhelm II. habe nicht die Absicht nach Deutschland zurückzukehren, solange sich die politischen Verhältnisse in dem gegenwärtigen Stadium befänden. Es müsse von seiten der Generalverwaltung auf das entschiedenste betont werden, daß der Kaiser nicht daran denke, deutschen Boden zu betreten, wenn auch die Möglichkeit einer Rückkehr in dem Vertrage enthalten sei.
Die Kommunisten und der Hohenzollernvergleich.
* Berlin, 26. Okt. Die kommunistische Fraktion des Preußischen Landtages hat folgenden Antrag eingebracht: „Mehr und mehr stellt sich heraus, daß die Beratung des Gesetzentwurfes über die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem preußischen Staat und den Hohenzollern auf Grund unzulänglicher und sogar falscher Auskünfte des Staatsministeriums erfolgt ist. Die Auskünfte des Finanzministeriums über die verschwundenen Kunstgegenstände stellen sich nachträglich als faisch heraus. Die Einräumung des Wohnrechts an Wilhelm Hohenzollern und seine Frau ist nach Auskunft des Finanzministers auf Grund falscher Voraussetzungen gegeben worden, die inzwischen durch die Aeußerungen Wilhelm Hohenzollerns über den Haufen geworfen worden sind. Wir beantragen: Die Verkündung des Gesetzes über die Vermögensauseinandersetzung mit den Hohenzollern wird aufgeschoben; der Gesetzentwurf geht zur nochmaligen Beratung an den Landtag zurück.“
*
Was Echo de Paris, das Organ Poincarés,
zu berichten weiß.
WIB Paris, 27. Okt. Der Londoner Berichterstatter des Echo de Paris will erfahren haben, daß nach gewissen Andeutungen, die man aus Washington erhalten habe, das Staatsdepartement eine gewisse Versärgerung gegen die deutsche Regierung und die Politik der Wilhelmstraße zeige. Reichsaußenminister Dr. Stresemann werde angeklagt, sich in eine europäische Politik hineinziehen zu lassen, die, wenn sie auch nicht direkt gegen Amerika hervortrete, es nicht verfehlen werde, in Amerika Mißfallen zu erregen. Sehr klare Vorstellungen seien jüngst dem deutschen Botschafter in Washington(in Frage kommt nur der deutsche Geschäftsträger, da der deutsche Botschafter sich bekanntlich seit Monaten in Urlaub befindet) gegenüber erhoben worden. Man habe eine sehr lebhafte Sprache geführt und habe ihm zu verstehen gegeben, daß die Politik von Thoiry nichts einbringe, daß auf alle Fälle Deutschland mehr verlieren würde als andere Mächte.
*
„Richt unveränderlich“.
P Washington, 27. Okt. Das Organ der Newyork Trust=Company bringt eine interessante Betrachtung zum Thema der Mobilisierung der deutschen Eisenbahnsobligationen. Es kommt zu dem Schlusse, daß deren Begebung auf einem ausländischen Geldmarkt notwendigerweise die Festsetzung eines Termins für ihre Fälligkeit zur Voraussetzung hätte. Damit wäre aber eo ipso auch die Notwendigkeit für die Signatarmächte des Londoner Abkommens gegeben, eine Einigung über die Dauer sämtlicher Zahlungen aus dem Dawesplan herbeizuführen. Der Tatbestand der Vereinbarungen von Thoiry, wie gesagt, bedeutet bereits das erste Anerkenntnis Frankreichs, daß„die politischen Klauseln des Versailler Vertrages nicht unveränderlich sind“.
*
Pilsudski bietet einem Fürsten Radziwill die Königskrone an.
MTB Warschau, 26. Okt. Die Tatsache, daß Pilsudski an dem großen Empfang des polnischen Adels, der Monarchisten und der Verbände der Großgrundbesitzer auf dem Schlosse des Fürsten Radziwill teilgenommen hat, wird in der Rechtspresse so ausgelegt, daß Pilsudski die Absicht habe, in Polen das Königtum wieder aufzurichten. In politischen und diplomatischen Kreisen spreche man bereits davon, daß Pilsudski einem der Fürsten Radziwill die Königskrone antragen wolle. Wie die „Gazetta Warzawska“ schreibt, würden in der nächsten Zeit weitere Minister zum Rücktritt veranlaßt werden; sie würden durch solche aus dem Lager der Monarchisten ersetzt. Pilsudski ebne den Weg zur künftigen Monarchie in Polen. Als Thronanwärter brauche aber nicht Fürst Sixtus von Parma in Frage zu kommen. Pilsudski und der Familie Radziwill seien begeisterte Ovationen dargebracht worden.
*
Polnische Schikanen.
P Berlin, 27. Okt. Die Reichsregierung hat an die Warschauer Regierung eine Note gerichtet, in der gegen die unberechtigte Ausweisung von zwei Reichsdeutschen, Leiter industrieller Werke in Ostoberschlesien, Einspruch erhoben wird. Die beiden Direktoren müssen bis zum 1. November das polnische Gebiet verlassen haben und sollen durch polnische Direktoren in ihren Betrieben ersetzt werden. Da dieser Fall auch mit dem zurzeit verhandelten Niederlassungsrecht in Zusammenhang steht, so ist er auch gegenüber der polnischen Delegation in Berlin zur Sprache gebracht worden, und es ist gleichzeitig auf die schikanöse Behandlung Reichsdeutscher in Ostoberschlesien hingewiesen worden. Mit Hilfe der Steuerschraube wird gegen Reichsdeutsche in rigoroser Weise vorgegangen. Während auf der einen Seite die deutschen Unternehmer gezwungen werden, unrentable Betriebe weiterzuführen, versucht man auf der andern Seite einen Druck auf die Gesellschaften auszuüben, die deutschen Direktoren zu entlassen.
Die benige Nummer umsaszi 12 Selten
nehme, als daß Thesaurierungspolitik getrieben würde, die sich aus innen= und außenpolitischen Gründen schwer rächen könnte. Der Minister sprach dann noch vom Dawesplang und seinen Auswirkungen auf das deutsche Wirtschaftsleben. Er halte es für seine besondere Pflicht, festzustellen, daß die Zeit kommen werde, wo die ganze Weltwirtschaft sich gegen den Dawesplan auflehnen müsse. Den Vorwurf des Optimismus nehme er sowohl inbezug auf die durch die Außenpolitik geschaffene Lage als auch inbezug auf die wirtschaftliche Entwicklung gerne hin. Vorbedingung für einen gesunden Optimismus uver sei, daß endlich aller Parteihader im deuischen Volke begraben werde.
*
Die Automobilstraße Köln—Düsseldorf.
WTB Düsseldorf, 26. Okt. Der Provinzialausschuß hat sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Vorschlag des Landeshauptmanns zur Prüfung einer Automobilstraße Köln=Düsseldorf mit Verlängerungsmöglichkeit nach Essen und Duisburg einverstanden erklärt und den Landeshauptmann beauftragt, mit größtem Nachdruck die weiteren Schritte bei der Reichs= und Staatsregierung zur Erlangung der Mittel aus der produktiven Erwerbslosenfürsorge für das Unternehmen zu tun.
MTB Düsseldorf, 26. Okt. Der Plan der neuen Autobahnstraße Köln—Düsseldorf läßt die Autobahnstraße in der Markgrafenstraße in Köln=Mülheim beginnen. Die Autobahnstraße=verläuft rechtsrheinisch und endigt in der Erkrather Straße in Düsseldorf. Zwischen Köln und Düsseldorf sind 7 Autobahnhöfe vorgesehen. Sie bestehen aus 2 Rampen rechts und links des Straßen
körpers, die den Verkehr zur Autostraße vermitteln. Hier wird die Abgabe für die Benutzung der Autobahnstraße erhoben, die für jedes Auto zwei Mark betragen wird. Es ist vor der Hand noch nicht abzusehen, wann mit dem Bau begonnen werden kann. Fünf preußische und drei Reichsministerien müssen dem Projekt noch zustimmen. Weiter steht auch die Zustimmung der Reichsbahn noch aus. Der Bau wird etwa 17 Mill. Mark erfordern; davon kommen aus einer Provinzialanleihe 4 Mill. Mark, aus einem Reichsdarlehen 10 Mill. Mark und aus der produktiven Erwerbslosenfürsorge 3 Mill. Mark. Es sind drei Baujahre vorgesehen. Die neue Autobahnstraße wird drei Jahre hindurch 1000 Arbeitern Beschäftigung geben. Die Straße wird 16 Meter breit, davon gelten 12 Meter für die vierspurige Fahrbahn und 4 Meter sind als Bankett gedacht. Das ganze Projekt ist wirtschaftlich durchführbar und auch finanziell tragbar. Die Finanzierung wird in der Hauptsache durch die Provinz vorgenommen. Es wäre wünschenswert, daß mit den Erdbewegungsarbeiten recht bald, noch vor Eintritt des Winters, begonnen werden könnte. Die Autobahnstraße soll nicht in Düsseldorf enden, sondern nach Duisburg und Essen weitergeführt werden.
*
Staatsbeihllfen.
P Berlin, 27. Okt. Der Hauptausschuß des Preußischen Landtags nahm einen Antrag sämtlicher Fraktionen mit Ausnahme der Kommunisten an, wonach die für die Grubenbetriebe des Siegerlandes sowie des Lahn= und Dillgebietes seit dem 1. Juni bewilligten Staats beihilfen, die am 1. November d. J. ablaufen, unter
Einbeziehung der Gruben im Sauerlande und im Hunsrück, bis zum Ende des Etatsjahres 1926 weiter gewährt werden sollen, Voraussetzung soll allerdings sein, daß die Bedürftigkeit an sich leistungsfähiger Betriebe von Fall zu Fall von dem eingesetzten Prüfungsausschuß beim Oberbergamt Bonn einwandfrei festgestellt ist.
Angenommen wurde gleichfalls ein Zentrumsantrag zugunsten eines Aachen=Rhein=Kanals in der abgeschwächten Fassung: Das Staatsministerium zu ersuchen, aus dringenden wirtschafts=politischen Gründen des Aachen.=Gladbacher Gebietes auf die Reichsregierung dahin einzuwirken, das Kanalprojekt Aachen=Rhein beschleunigst zu prüfen zwecks Aufnahme in das Programm der Reichsregierung.
*
Rheinischer Landesverband der Wirtschaftspartei.
* Köln, 25. Okt. Auf einer Tagung des Rheinischen Landesverbandes der Reichspartei des deutschen Mittelstandes(Wirtschaftspartei) berichtete Provinziallandtagsabgeordneter und Stadtverordneter Dr. O. Stein aus Düsseldorf über den diesjährigen Parteitag in Görlitz. Landtagsabgeordneter Dr. Klamt aus Köln erläuterte die nunmehr festgelegten Richtlinien des Görlitzer Programmentwurfs. Landtagabgeordneter Müller(Franken) berichtete über kommunalpolitische Fragen unter besonderer Berücksichtigung der Haushaltsaufstellungen. Die Versammlung beschloß die Gründung einer kommunalpolitischen Vereinigung für die Rheinprovinz, zu deren Vorsitzenden der Provinziallandtagsabgeordnete und Stadtverordnete Rechtsanwalt Vaterrodt in Köln gewält wurde.