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Tucherinter
Nr. 193
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Amtliches Kreisblatt für den Stadtkreis Mülheim a. d. Ruhr.
cheim, Broich, Dämpten, Heißen, Gaarn, Speldorf und Eihrum.)
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. Duaburger Ter.— Mn.28. um. Ooh.&apAuster, Wpzlkzue Du. a—##.8; Suarg:, Ernst Pinternheim, Markplat.— B.Speldorf: Faiz Buchle,
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und Wilh. Anhäuser,
Die heutige Nummer umfaßt 6 Seiten.
Deutsches Reich.
Aus dem Reichstage.
Die Beratung des Reichshaushaltes hat gezeigt, daß die Finanzlage und auch die neue Militärvorlage die Redner viel weniger beschäftigten, als die allgemeine Politik und die Parteigegensätze. Wir sind. wie der Reichsfinanzminister Wermuth hervorhob, noch nicht über den Berg fort, aber wir können hoffen; die Einnahmen befestigen' sich, und es soll streng daran festgehalten werden, keine Ausgaben zu machen, für die das Geld fehlt, und zu sparen, so viel es angeht. Da die neue Militärvorlage sich in der Tat in durch die modernen Verhältnisse gebotenen Grenzen hält, so konnte der Kriegsminister von Heeringen mit noch froheren Hoffnungen in die Zukunft blicken, wie sein Kollege von den Reichsfinanzen. Tagegen hatte kaum ein Redner wirkliche EinnEndungen zu machen, die gesamten inneren Verhäktnisse nahmen sie in Anspruch. Wenn der Vertreter der Sonäldemokratie von einem deutsch=englisch=französischen Völkerbund träumte, so kannte er den Charakter von Franzosen und Engländern nicht.
Zur Reichswertzuwachssteuer hat der Verband der Haus= und Grundbesitzervereine im rheinisch=westfälischen Kohlenrevier, dem etwa 15.000 Haus= und Grundbesitzer angehören, in einer gut besuchten Versammlung Stellung
genommen und sich dahin erklärt, daß eine Wertzuwachssteuer von den Hausbesitzern nur dann gehilligt werden könne, wenn gleichzeitig alle Umsatziteuern fallen und in
gleicher oder ähnlicher Weise der Wertzuwachs des mobilen Kapitals erfaßt wird. Der dem Reichstag vorliegende Gesetzentwurf sei in seiner jetzigen Fassung nnannehmbar wegen seiner großen Unklarheiten, wegen der Höhe der Steuersätze, weil er ferner die Gemeinden berechtige, erhebliche Zuschläge einzuziehen und der Entwurf für die Grundstücksumsätze der Gemeinden Steuerfreiheit vorsehe. Dem Wunsche der Hausbesitzer, wonach nur die Hälfte der Wertzuwachssteuer erhoben werden soll, wenn es sich um den Wertzuwochs eines Hausgrundstücks handelt, das bisher längere Zeit vom Veräußerer ganz oder teilweise bewohnt worden ist, entspreche der Entwurf ebenfalls nicht. Insbesondere sei dr auch unannehmbar deshalb, weil der Wertzuwachs bis zum Jahre 1885 zukück berangezogen werden solle, damit werde zum Teil eine Enteignung des Vermögens der Haus= und Grundstücksverkäufer vorgenommen.— Die Reichstagskommission nahm mit 13 gegen 12 Stimmen einen Antrag auf Einbeziehung auch der Landesherren in dies Gesetz an. Nach den
Peuerfe ses vichen„Velingungen God Die Landesherren steuerfret, lo, daß also zuerst eine Aenderung der betreffenden Vorschriften in den einzelnen Staaten erfolgen müßte. Die Reichsregierung ist gegen diesen Beschluß. Vielleicht sind aber die Bundesfürsten freiwilig damit einverstanden.
Die Fernsprechgebührenordnung.
Die Budgetkommission begann am Samstag die zweite Lesung der Fernsprechgebührenordnung. Sie änderte die Beschlüsse erster Lesung in einigen wesentlichen Punkten um. Die hauptsächlichste Aenderung ist die Beseitigung der vom Staatssekretär besonders angefochtenen Einschaltung einer 250=Kilometerzone mit einer Gebühr von 75 Pfg. Der Paragraph 1 wird in der Fassung der Regierungsvortage wieder hergestellt; somit wird die Pauschcebühr, die nach dem Beschlusse erster Lesung an Stekle der Gesprächsgebühr neben der Grundgebühr entrichtet werden sollte, beseitigt; für jeden Anschluß an ein Fernsprechnetz wird eine Grundgebühr und eine Gesprächsgebühr erhoben, und die Pauschgebühr wird nur als Form der Gesprächsgebühr, wahlweise neben der Einzekgebühr eingeführt. Die in erster Lesung beschlossenen Sätze, Einzelgebühr 4 Pfg., Pauschgebühr von 2000 bis 10000 Verbindungen, abgestuft von 75 bis 300 Mark jährlich, mit der Höchstzahl von 10 000 bei einem Anschluß zulässigen Verbindungen, werden beibehalten. Es wird hinzugefügt:„Wird bei Anschlüssen gegen Einzelgebühr die Höchstzahl überschritten, so ist für jede Verbindung die Einzelgebühr und für je 10.000 Verbindungen die Grundgebühr für einen weiteren Anschluß zu entrichten. Wird bei Anschlüssen gegen Pauschgebühren die Höchstzahl(10.000) um mehr als 600 Verbindungen überschritten, so sind für je 10.000 Verbindungen die Grundgebühr und die Gesprächsgebühr für einen weiteren Anschluß zu entrichten.“ Weiterberatung: Dienstag.
Zur Reichstagsstichwahl Labiau=Wehlau. and Fie,„Reichstagsstichwahl im ostpreußischen ländlichen Wahlkreise Labiau=Wehlau, in welcher der fortschrittliche Kandidat Wagner gegen seinen konservativen Gegner BurGard,„mit erhehlicher„Maiorität gewählt wurde, da die Sozialisten geschlossen für ihn eintraten, hat, wie sich aus allen Zeitungsäußerungen ergibt und auch im Reichstag hervorgehoben wurde, tiefen Eindruck gemacht. Was am meisten auffällt, ist die Tatsache, daß die konservativen Stimmen in der Stichwahl kaum so stark waren, wie vor acht Tagen bei der Hauptwahl.— Welche Erwartungen für die Zukunft werden nun daraus gezogen? Die konfervativen Organe bedauern das Ergebnis tief, stellen aber in Abrede, daß sich wirklich eine Volksströmung gegen sie herausgebildet habe; sie schieben die Schuld für das Resultat auf die gegnerische Agitation, die sich in bisher ungekanntem Maße entfaltet hätte. Es fehlt aber auch nicht an Stimmen, die eine Prüfung der Parteipolitik für geboten erachten, wenn nicht die allgemeinen Wahlen schwere Verluste bringen sollten. Groß ist die Freude bei den Liberalen im Wahltreise wie im ganzen Reiche. Da wird diese Wahl das Philippi genannt, auf das Fürst Bülow vor seinem Rücktritt hinwies, und die Zuversicht ausgesprochen, daß die Neuwahlen ganz in diesem Sinne ausfallen würden. Allerdings fällt auch ein Wermuttropfen in den Freudenbecher, man verschließt sich nicht der Tatsache, daß wahrscheinlich die Sozialdemokratie 1911 eine ganze Reihe von liberalen Mandaten erobern wird; dafür hofft man Ersatz in bisher konservativen Kreisen zu finden. Unzweifelhaft hat die Wahl in Labiau=Wehlau die Lage völlig geklärt: An einen Zusammenschluß der bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie für die Neuwahlen ist trotz allen Ermahnungen nicht zu denken. Konservative und Nationalliberale werden sich in einigen Wahlkreisen finden, die Fortschrittspartei bleibt außer Betracht.
Die deutsche Landwirtschafts=Gesellschaft beging am Sonntag die Feier ihres 25jährigen Bestehens und erwartete zu dem aus diesem Anlaß gestern veranstalteten Festmahl den Kaiser als Gast. Die deutsche Landwirtschaftsgesellschaft, welche am 11. Dezember 1885 gegründet wurde, zählt heute 18,000 Mitglieder und hat ein Vereins=Vermögen von mehr als 4 Millionen Mark.
Am bekanntesten unter den won ihr zur Förderung der Landwirtschaft ausgehenden Veranstaltungen sind ihre jährlichen Wander=Ausstellungen und Wander=Versammtungen, deren Ort in ganz Deutschland wechselt, sowie ihre im Oktober und Februar in Berlin stattfindenden Versammlungen.— Die Jubiläumstagung vereinigte am Sonntag Nachmittag um 6 Uhr, nachdem vormittags auf dem Grundstück des Gesellschaftshauses in der Dessauer Straße die Enthüllung der Porträtreliefs von Heinrich von Nathusius, A. Schultz=Lupitz und B. Wölbling vorgenommen worden war, die Teilnehmer zu einem Festmahle im Landesausstellungs=Park. Anwesend warer die Minister von Schorlemer und Delbrück, Staatssekretär von Lindequist, die Gesandten von Brandenstein und Ktügmann, Präsident Graf Schwerin=Löwitz, Vizepräsi
Tr. Spahn, Präsident von Kröcher und Vizepräsident Dr. Krause. Das Hoch auf den Kaiser, die Bundesfürsten und die freien Städte brachte Rittergutsbesitzer von Stockhausen aus.
Adolf Wagner über den Kathedersozialismus.
Vor einer vom Verein deutscher Studenten einberufenen Versammlung sprach am Sonntag mittag Professor Adolf Wagner in mehr als 1½stündiger Rede über den Kathedersozialismus. Er führte unter anderem aus, daß der Kathedersozialismus sich auf dem Gedanken aufbaue, daß mit dem Optimismus des freien Wettbewerbs nicht weiter zu kommen sei und daß auch das Wirtschaftliche vom sittlichen Standpunkte aus beurteilt werden müsse. Wirklicher Sozialismus sei aber der Kathedersozialismus niemals, weil er die Ueberführung des Privateigentums in Gesellschaftseigentum niemals wolle. Der Unternehmer sei das wahre Haupt der Privatwirtschaft. Er müsse eine gewisse Verfügungsfreiheit über die Arbeiter haben. Auch die Gesetzgebung dürfe ihm gegenüber gewisse Grenzen nicht überschreiten. Arbeiterfreundlich sei der Kathedersozialismus in dem Sinne, daß der Unternehmergewinn kein noki me tangere sei. Das große Unternehmertum müsse an den Staat übergehen, einmak weil er es am besten mache, und dann, weik er es gemeinnützig mache und der Gewinn der Gesamtheit zugute komme. Die mittleren und höheren Klassen müßten stärker mit direkten Steuern bekastet werden. Nicht nur noblesse oblige, sondern auch richesse oblige.
Rusland.
England
Das Wahlbild in England hat sich nicht geändert. und es wird mit jedem Tage klarer, daß das Unterhaus sich ziemlich in derselben Zusammensetzung wiederfinden wird, in der es auseinander ging. Von Bedeutung ist jedoch die wachsende M.inungsverschiedenhei innerhalo der konservat ven Partei über die Jollpolitik. Während der greise Joe Chamberlain und sein Sohn streng an der Forderung des Hochschutzolls festhalten, neigen Balfour und seine Anhänger wieder mehr dem Freihandel zu. Für das Ausland und für England ist das Schigksal der Zollfrage ungleich wichtiger als dasjenige des Oberhauses.— In mehreren irischen Städten kam es aus Anlaß der Wahlen zu stürmischen Straßenszenen, bei denen mehrere Personen verletzt, viele Schaufenster zertrümmert und zahlreiche Revolverschüsse abgefeuert wurden
Frankreich.
— Die Niederlage französischer Truppen in Wadai über welche die Regierung am Freitag dieser Woche der Kammer Rede und Antwort zu stehen hat, wird wohl eine heftigere Debatte entfesseln, als man bisher angenommen hat. Es wurden inzwischen Briefe des in dem unglücklichen Kampfe gesallenen Oberst Moll veröffentlicht, in denen ausnahmslos auf die dringende Notwendigkeit von Trunven=Verstärkungen hingewiesen, gleichzeitig aber auch der Resignation darüber Ausdruck gegeben wird, daß solche Verstärtungen nie eintreffen würden, da die Regierung jede der zahlreichen Vorstellungen und Bitten unbeachtet gelassen hätte.—. Die eigentlichen verantwortlichen Minister gehören der jetzigen Regierung bis auf Briand nicht mehr an: dieser hat die ganze Verantwortung vor der Deputiertenkammer zu tragen.— Zu einer Regulierung der Grenzen der englischfranzösischen Interessensphären imHinterlande von Tripolis und Wadai, von der sich Frankreich eine Erleichterung seiner Position verspricht, hat England zur Zeit keine Lust.— Mit einem großen Plan soll sich die französische Regierung tragen: es handelt sich um den Bau eines Kanals von der See bis nach Asnieres bei Paris, den die größten Ozeandampfer benützen können. Für den Kanat soll das Flußbett der Seine benützt werden. Die Ausführung würde natürlich Jahre erfordern.
Orient.
Der Pforte sind nunmehr auch die schriftlichen Antworten der Kretamächte auf die letzte Rote gegen die Beschlüsse der kretischen Kammer zugegangen. Die Antworten besagen, die Pforte wisse wohl, daß die souveränen Rechte der Türkei von den Schutzmächten anerkannt werden und daß man den Vorgängen in der kretischen Nationalversammlung keine Aufmerksamkeit zu schenken brauche. Solche Manifestationen hätten schon früher stattgefunden, aber keinen Einfluß auf die Verwaltung der Insel gehabt. Die Mächts würden die Frage in ernste Erwägung ziehen, sobald sich eine günstige Gelegenheit dazu biete.
Portugal.
Das Appellationsgericht hat einstimmig zu Gunsten Joao Francos und der anderen Mitglieder des ehemaligen Ministeriums Franco beschlossen, daß sie in die Annestie eingeschlossen werden und die gegen sie erhobenen Beschuldigungen für unrichtig erklärt werden.
Amerika.
Die Bevölkerungsziffer der Vereinigten Staaten mit Einschluß von Alaska, Hawai und Portorico beträgt nach dem amtlich festgestellten Ergebnis 93 402 151, das ist eine Zunahme von 20,9 Prozent gegenüber dem Jahre 1900. Die Bevölkerung des kontinentalen Gebietes der Vereinigten Staaten zählt 91 972266 Seelen, was einer Zunahme von 21 Prozent gleichkommt
China.
Von der Regierung in Peking wird jetzt über die Einrichtung eines Kabinetts nach japanischem Muster beraten, das nur dem Thron verantwortlich sein und aus den jetzigen Ministern bestehen soll. Den Vorsitz soll ein Prinz führen. Der Thron ist für die Berufung des Prinzen Ching auf diesen Posten. Das ganze Projekt ist aber noch sehr unbestimmt.
von Hah und Fern.
Volkszählungs=Ergebnisse.
5 Tie.„Einwohnerzabl von Münster beträgt 89 845 leinschließlich 3735 Militärpersonen) gegen 81 468 vor 5 Jahren.— Das vorläufige Ergebnis der Volkszählung
lautet auf 66 115 Einwohner gegen 89 71 im Jahre 1905. Die Iunahme beträgt 5401 oder 8.9 Prozent.— Düren hatte am 1. Dezember 32199 Einwohner gegen 29770 im Jahre 1905.— In Trier ergah die Volkszählung 48 760 Einwohner gegen 46698 im Jahre 1905.— Essen hat nach dem vorläufigen Ergebnis rund 293.000 Einwohner gegen 231.360 am 1. Dezember 1905.
***
Colombo, 11. Dezember. Reise des Kronprinzeupaares. Der heute beendete Aufenthalt Ihrer Kaiserlichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kronpringessin auf Ceylon ist in jeder Beziehung durchaus befriedigend verlaufen. Trotz dem eingehaltenen Inkognito ist von den Behörden und der Bevölkerung alles geschehen, um das Verweilen der hohen Gäste so angenehm wie möglich zu gestalten. Der Kronprinz benutzte, wie bekannt,
auf Ceylon verlebten Tage, um die ihm hier zum
ersten Male entgegentretende Tropenwelt kennen zu lernen und nahm an mehreren Jagderpeditionen teil, die infolge wechselnder Witlerung mancherlei Zwschensäll; mit sih brachDer Kronprinz besuchte ferner in Begleitung der Kronprinzessin die historischen Denkmäler der Insel und besichtigte mehrere indu trielle Etallisements. Ge ern fand nach einem Diner bei dem deutschen Konsul ein Empfang im deutschen Klub statt, wobei der Kronprinz und die Fronvczzäl sich sämtliche Mitglieder der hiesigen deutz#n Kolonie vorstellen lieben und in längerem zwanglosen Gespräch mit ihnen verweilten. Heute gab der Gouverneur zu Ehren des kronprinzlichen Paares ein Abschieosfrühsitgck. Die Kronprinzesin beuchte hierauf die Gneisenau und begab sich sodann mit dem Kronprinzen auf den Lloyddampfer Lützow, mit dem sie die Rückreise antritt, während der Kronprinz auf die Gneisenau zurückkehrte. Am 14. morgens wird die Gneisenau in Bombay eintreffen, wo der Gouverneur den deutschen Thronfolger an Bord begrüken und die zum Stabe des Prinzen kommandierten englischen Herren sich melden werden.
— Für den vernorbenen Maler Profefvor Knaus hat am Sonntag mittag im groben Saale der Königlichen Akademie der Künste in Berlin eine Trauerfeier stattgefunden. Im Auftrage des Kaisers wohnte der Chef des Zivilkabinetts von Valentini der Feier bei. Der Kultusminister ließ sich durch den Unterstaatssekretär Schwarzkopf vertreten. Bürgermeister Dr. Reicke und Senatsmitglieder der Akademie befanden sich ebenfalls in der Trauerversammlung. Prosessor Dr. Freiherr von Soden, der Präsident der Akademie, Geh. Baurat von Großheim, der Vorsitzende des Vereins Berliner Künstler und Professor Schulte hielten Ansprachen. Nach der Feier wurde der Sarg in langem Zuge nach dem Friedhofe in Dahlem übergeführt, wo die Beisetzung erfolgte.
Eine Diebesbande von Knaben. Vor einiger Zeit war einem Schlächter in Rummelsburg aus seinem Marktstande eine Geldtasche mit 4000 Mark entwendet worden, ohne daß es gelungen war, den Täter zu ermitteln. Jetzt führten die Nachforschungen nach einem verschwundenen Knaben zur Entdeckung einer aus 14 Knaben im Alter von 8 bis 14 Jahren bestehenden Diebesbande. Nach dem Geständnis eines Knaben hat ein achtjähriger Knabe die Geldtasche gestohlen und sie dann seinen Kameraden gebracht.
— Eine Robert Koch=Gedenkfeier. In der
neuen Berliner Universitätsaula hat am Sonntag, am Tage des 67. Geburtstages Robert Kochs, eine Gedenk
feier für den großen Gelehrten stattgefunden. Ein glänzendes Auditorium von Medizinern aus aller Herren Länder füllte den Saal bis auf den letzten Platz. Geheim
rat Dr. Gaffky hielt die Gedächtnisrede, in der er Lebensgang und Lebensarbeit des Verstorbenen schilderte.
— In der kanadischen Stadt Tor onto gab es blutige Ausschreitungen gegen die Straßenbahnen, weil die Gesellschaft eine neue Art der Fahrgeld=Zahlung ein
gesühtt und auf Schildern an den Wagen angeordnet
hatte:„Beim Betreten des Wagens zahlen!“ Diese Me
thode erschien den Kanadiern, die von„Europens übertünchter Höflichkeit“ auch heute noch nichts wissen wollen, unbequem und zeitraubend und sie stürmten die Wagen.
Es kam zu einem Handgemenge, in dem 25 Personen schwer verletzt wurden. Die Wagen fahren seitdem unter dem
Schutz der Polizei, die mit Mühe und Not die Ordnung herstellte.
.— Eine Wundermaschine will der Londoner Gelehrte John Gray erfunden haben. Sie zeigt den Grad des menschlichen Verstandes, der Intelligenz an. Der angebliche Ersinder hat bisher nichts verlauten lassen, zu
welcher„Verstandsklasse“, er selbst gehört.
—. Geheimrat Ehrlich über sein Präparat. In seinem ersten Fortbildungsvortrag für Aerzte sprach in Frankfurt Geheimrat Ehrlich über die bisher eizielten Resultate mit dem Präparat„Ehrlich=Hata 606“. Er führte aus, er betrachte seine Vorarbeit heute, nachdem das Mittel in 20= bis 30.000 Fällen erprobt worden ist, als abgeschlossen und übergebe ruhig sein Präparat den Aerzten. Daß noch nicht alle Fragen gelöst seien, insbesondere die über die beste Behandlungsform und die beste Dosierung, bilde keinen Grund gegen die Freigabe. Es sei mit Sicherheit festgestellt, daß das Präparat das mächtigste Heilmittel gegen die Syphilis darstelle, das die andern Mittel bei weitem übertreffe. Wenn trotdem noch ein gewisses Mißtrauen wegen der eventuellen schädlichen Wirkung des Präparates auf Augen und Ihren bestehe, so sei das auf irrige und absichtliche Entstellungen eurüdzuführen. Bei etwa 25·000 Behandlungsfällen sei nur ein einziger Fall von Sehnervenatrophie beobachtet worden, und in diesem Falle wäre der Patient vorher intensiv mit anderen Arsenilpräparaten behandelt worden. Ehrlich erhebt entschieden Protest dagegen, daß der tödliche Ausgang der Behandlung auf Kosten des Präparates gesetzt werden dürfte.
— Die Bonner Borussen. Viel von sich reden gemacht hat die Begnadigung der beiden adeligen Bonner Borussen, Graf Finckenstein und von Quistorb, die wegen Teilnahme an der Attacke in der Wohnung ihres früheren Kommilitonen Feith zu acht Tagen Gefängnis verurteilt waren, zu acht Tagen Festung. Jetzt gibt der Reichstagsabgeordnete Graf Finckenstein bekannt, daß die beiden fungen Leute eigentlich gar nicht an dem Vorfall beteiligt gewesen wären, sondern nur in das Zimmer des Feith„hineingesehen“ hätten.— Dafür wären acht Tage Gefängnis allerdings etwas viel gewesen. Wir dürfen wohl hoffen, daß eine Begnadigung in solchen Fällen von Unbedachtsamkeit künftig allgemein erwogen wird.
Kleine Chronik.
Unmittelbar nach Schluß der Schwurgerichtsverhandlung gegen den Friedberger Bombenattentäter Karl Werner, die mit dessen Verurteilung zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe endete, traten auf Anregung des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalts Tuteur I (Kaiserslautern), die Geschworenen zusammen, um ein Gnadengeluch an den Großherzog von Hessen für den Verurteilten abzusenden.— Sonntagmittag wurde am Grabe des Oberhospredigers Stöcker dessen Büste enthällt. Um 9 Uhr abends ist Stöckers Gattin nach langem Leiden in Berlin gestorben.— Nach zweitägiger Verhandlung hat das Schwurgericht in Plauen den Reisenden„Johann Ritzen aus Nachen, der am 2. Mai seiner Gellebten, der Kellnerin Emile Heinrich, nach einer Eifersuchtsszene den Hals durchschnitten hatte, wegen Mordes zum Tode verurteilt.— Der vom norwegischen Störting jährlich auszuteilende Friedenspreis
Robeitomites Fen Porsida, seierlicher Situng des
durch dessen Vorsitzenden, den Staatsminister Lägland dem internatignalen Friedensbureau in Bern mit 140000 Kronen zuerteilt.— Der Petersburger Polizei
slang, Fchag einem Pyrfe, Pex, Gonvernemente Lubian eine Gesellschaft von gefährlichen MädchenhändLer verhaften,„O#e., eu., ezngerer Zeit funge Mäd
heu, unter falschen Versorechungen ins Ausland verschleppt „.„Ig. Newyorker Sechstagerennen wurde von Root=Moran knapp gegen Rütt=Clark und FoglerHill gewonnen.— Die Newyorker Polizei verhaftete eine Gruppe der berüchtigten italienischen Mörderbande„Die schwarze Hand“. Sie befreite dabei einen Knaben, von dessen wohlhabenden Eltern die Banditen ein hohes Lösegeld verlangt hatten.
Rheinland und Westfalen.
Duisburg, 12. Dez. Einwohnerzahk. Nach dem vorläufigen Ergebnis der Zählung betrug die Einwohnerzahl am 1. Dezmber 227075 gegen 192 346 Einwohner im Jahre 1905; die Zunahme beträgt 18 Prozent.
Essen, 11. Dez. Die Emscher ist gestern mittag in ihr neues Bett umgeleitet worden. 11 Jahre lang ist an der Herstellung des Bettes und an der Regulierung der Emscher gearbeitet worden. Die Kosten betrugen 45 Miklionen Mark. An dem aus diesem Anlaß veranstalteten Festakte, der in dem Verwaltungsgebäude der EmscherGenossenschaft stattfand, nahmen u.a. der Oberpräsident von Westfalen, Frhr. von der Recke, und Regierungspräsident Dr. Kruse, Düssekdorf, teil.
Barmen, 12. Dez. Erschlagen. In der vergangenen Nacht wurde bei einer Schlägerei in der Nähe eines Tanzlokals ein einundzwanzigjähriger Arbeiter mit einem Zaunpfahl erschlagen. Der Täter, der festgenommen wurde, will in Notwehr gehandelt haben.
Köln, 13. Dez. Rheinischer Sängerbund. In einer am Samstag im Vereinshause des Kölner Männergesang=Vereins abgehaltenen Vorstandssitzung des Rheinischen Sängerbundes wurden wiederum mehrere Vereine dem Verbande zugeführt, so daß diesem nunmehr hundert rheinische Gesangvereine angehören. Die Sitzung beschäftigte sich hauptsächlich mit dem im Juli 1911 stattfindenden rheinischen Sängerbundesfeste. Die einzelnen Ausschüsse wurden gebildet, wie Ehren= und Arbeitsausschuß, Finanzausschuß, Literarischr Ausschuß, und des weiteren die Errichtung einer besonderen Geschäftsstekle beschlossen. Eine Besprechung darüber, ob die dreitägige Sngerbundesfeier mit einem Festzuge verbunden sein soll, bleibt einer späteren Vorstandssitzung vorbehalten.
Düren, 13. Dez. Für Augenkranke. Zum Andenken an ihre verstorbene Mutter, Frau Benno Schoeller geb. Peikl, haben Herr Hugo Schoeller und Frau Landrat Schmöle geb. Schoeller nebst ihren Gatten dem Verein zur Fürsorge für die Blinden der Rheinprovinz 50000 Mark zum Zweck der Heilung bedürftiger Augenkranker geschenkt und 10000 Mark dem hiesigen Evangelischen Frauenverein für die Abteilung Armenunterstützung überwiesen.
Grevenbroich, 11. Dez. Doppek=Unglück. Im denachbarten Reisdorf erlitt ein 80jähriger Landwirt einen Schkaganfall. Während sich der Schwiegersohn und dessen Frau um den Kranken bemühten, blieben seine Enkel eine Zeit lang allein. Die dreijährigen Zwillinge begaben sich in der Zeit in dn Stall, und später fand man eins der Kinder tot in einer Bütte vor. Das Kind steckte noch mit dem Kopf im Viehfutter, wo es erstickt war.
Rus Stadt und Umgegend.
Nachdruck unserer mit Korresvondenzzeichen verseheuen Lokalnetizen ist nur mit vellständiger Quellenangabe gestattet.
13. Dezember 1910.
Mülheim-Ritftadt.
* Hafenprojekt und Bodenspekulation. Es wird berichtet: Daß bei Bekanntgabe der Absicht, unsere Stadt durch einen Hafen mit dem Rhein zu verbinden, die Bodenspekulation in dem an der Ruhr gelegenen Gelände einsetzen würde, war vorauszusehen, Es erfolgen denn auch täglich in graßer, Zahl Anfragen nach Besitzungen in der Altstadt Mülheim, die unmittelbar an die Ruhr stoßen. Der hohen Forderungen wegen, die die Cig ntümer stellen, ist indes ein Abschluß noch nicht erfolgt. Die Ruhrerbreiterung bei der Stadt soll vorzugsweise auf dem rechten Ufer erfolgen.
* Geflügel=Ausstellung. Auf der 2. Allgemeinen RheinischWestfälischen Geflügelausstellung, die vom 9. bis 11. Dezember in Steele stattgefunden hat, haben auch hiesige Züchter Auszeichnungen erworben. Es erhielten: Hermann Becker jun., Speldorf, auf Rhode Island 1. Preis, Ehrenpois. 2 mal 2. Preis und 3. Preis, auf weiße Wyandottes 2 mal 1. Preis, 2. und 3. Preis, auf gelbe Wyandottes 1. Preis und auf schwarze Orpington 1. und Ehrenpreis, Heinrich Becker, Styium, auf schwarze Italiener 1. Preis und auf Kropftauben 1. und 3. Preis, Wilhelm Ferschen, Saarn, auf gelbe Italiener 1. und Ehrenpreis, H. Reienburg, Saarn, auf rebhuhnfarbig: Italiener 2. Preis, Karl Rückels, Saarn, auf Holländer Weißtauben 1. Preis, 2 mal 2. Preis und 3. Preis. Lehrer H. Schellberg, Speldorf, auf weiße Pfautauben 1. Preis, Ehrenpreis, 2. und 3. Preis, Wilh. Spliethoff, Mülheim, auf schwarze Bantam 2 mal 2. Preis, Wilhelm Sandmann, Speldorf, auf gesperberte Italiener 2 mal 1. Preis, Ehrenpreis und 2. Preis, Wilhelm Zähres, Mülheim, auf Carrier 2. und 3. Preis.
* Krebse an der Ruhr. Auf die Aufrage eines Mitarbeiters in, der Samstagsnummer ist uns von einem Leser unseres Blattes die Mitteilung zugegangen, daß das Fangen von Krebsen aus dem Ruhmbach in Tinkrath(Oberhansbergs) Busch oberhalb der Walkmühle vor 20 Jahren etwas Alltägliches gewesen sei. Die Krebse waren dort so allgemein verbreitet, daß die Kinder sich kaum mit bloßen Füßen in den Bach wagten. Heute sieht man gar keine Krebse mehr, und auch von den Kindern hört man nichts mehr darüber. Derselbe Leser teilt uns mit, daß an derselben Stelle auch graue, etwa 15 bis 20 Zentimeter lange Fische(von den Kindern„Chrönte“ genannt), die sich unter den Steinen des Baches aufhielten, gefangen worden seien und zwar in solchen Mengen, daß oft eine große Bratpfanne voll von diesem Fischgericht auf den Tisch gekommen sei, während die Krebse nicht genossen wurden. Diese Fische seien vor 5 bis 6 Jahren noch vorhanden gewesen; ob sie heute noch da sind, weiß unser Gewährsmann im Augenblick nicht.— Ueber Krebsfang in demselben Holthauser Bach, nur weiter oberhalb, ist uns eine zweite Mitteilung zugegangen; Pfarrer Kemper in M.=Styrum schreibt uns: Auf Ihre Anfrage in der heutigen Nummer teile ich Ihnen mit, daß ich vor 30 Jahren im oberen Lauf des Holthauser Baches hinter dem sogenannten„Sibusch“(an der linken Seite des Werdener Weges hinter der Engelbrauerei) selbst Krobse gefangen habe, die dort reichlich vorkamen,