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Hernsprech=Ausching Nr. 193.

Amtliches Kreisblatt für den Stadtkreis Mülheim a. d. Ruhr.

(Mülheim, Broich, Tümpten, Heißen, Saarn, Speldorf und Styrum.)

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Chefredakteur: G. Ottweiler, Mülheim(Ruhr). Verlag: Mülheimer Zeitung G. m. b. H. Druck von Ernst Marks in Mülheim(Ruhr). Hau

beschäftestellen: M. Broich: Julius Karp, Schlossftr. 3. M. Heiben ,Sg, Huftegt Pasthemsetgeuspigt. M.Saarpz, Trpst, Win gesigen, Bug.-Grie# Quisburger Srr. M.=Styrum: Joh. Schutten, mucheimer Str. 62 und 9294. Oberhausen=Akstaden: dug. Oriem,

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M 223

Freitag, 23. September 1910

38. Jahrgang

Die heutige Nummer umfaßt 6 Seiten.

Es Köstet Hiehts

wenn jetzt hinzutretende Bezieher dieMülheimer Zeitung bis zum Beginn des nächsten Monats zu erhalten wünschen. Jeder Abonnent(bei Ver­heirateten auch die Ehefrau) ist gegen Unfall mit Todeserfolg mit 600 Mark versichert.

Deutsches Reich.

Berliner Nachrichten.

Der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg

hat Berlin, wo er die Verhandlungen zwischen dem Reichs­Schatzsekretär und den Ressortchefs leitete, noch einmal verlassen und sich zu kurzem Aufenthalt nach Görlsdorf in der Uckermark begeben. Der preußische Ju­stizminister Dr. Beseler vollendete am Donners­tag das 70. Lebensjahr. Der Jubilar wurde am 21. November 1905 als Nachfolger Dr. Schönstedts, der da­mals wegen hohen Alters aus dem Amte schied. zum Justizminister ernannt. Der Unterstaatssekretär im Reichs=Kosonialamt Dr. Böhmer wurde von Staats­sekretär Dr. v. Lindequist feierlich in sein neues Amt eingeführt. Für dieses war lautSchwäb. Merkur. zuerst der Vorstand der Zentralstelle für Handel und Gewerbe, Staatsrat v. Mosthaf in Stuttgart, inAus­sicht genommen. Herr v. Mosthaf lehnte das Aner­bieten jedoch ab.

Kaiser Wilhelm in Wien.

Alle Blätter sind voll des Ruhmes über die be­geisterte Aufnahme, die Kaiser Wilhelm auch diesmal in Wien gefunden hat. Man braucht solche Ausbrüche des Volisempfindens keineswegs zu überschätzen. Aehnliche Formen des Ueberschwangs hat man auch erlebt, wenn Zar Nitolaus oder König Eduard nach Paris kamen. Dem Gehalt nach waren aber die französischen Eckstasen himmelweit verschieden von den jetzigen österreichischen. Sie waren nichts anderes als Vorschußlorbeeren, erhofften künftigen Revanchehelfern begehrlich dargebracht. InWien hingegen dankte man für bewiesene Treue. Es bleibt unnetgessen, daß sich in ernster Zeit der Bundesgenosse mit schirmender Wehr dem Doppeladler zur Seite gestellt, und lohnt mit treuem, überströmendem Herzen.In in­niger Zuneigung hat Kaiser Franz Josef dem Kaiser Wilhelm seine Plakette gewidmet, und aus inniger Zu­neigung entsprangen die Heilrufe, die den Vertreter des deutschen Volkes in Wien begrüßten. Das ist es ja, was das deutsch=österreichische Bündnis so erfreulich macht. Mit Italien sind wir durch Verträge verbunden, mit Oesterreich durch den Zug der Volksseele. Drum ist jenes leicht, dies aber schwer zu lösen. Hüben wie drüben hat man noch lange nicht vergessen, daß wir einst eins waren, und Blut bleibt dicker als Wasser. Das hat Fürst Bismarck selber empfunden und daher in seine Rechnung gesetzt.

Die Novelle zur Sachverständigen= und Zeugengebühren­Ordnung.

Ueber die seit längerer Zeit im Reichsjustizamt sertig­gestellte Novelle zur Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige erfährt die Post, daß der Entwurf den Forderungen der Sachverständigen wesentlich in der Er­höhung der Gebühren entgegenkommt, aber nicht so weit geht, wie es deren Wünschen entsprechen würde. Jedenfalls sind die bestehenden Angleichheiten beseitigt und u. a. ist auch eine Steigerung der Sätze für Kosten der Verpflegung und des Nachtaufenthalts vorgesehen. Was die Neuordnung der Zeugengebühren anbelangt, so F#. deren Erhöhung gleichfalls vorgesehen, und zwar vor all in der Mindestsätze; denn der Entwurf sieht Sätze in einem Rahmen vor, innerhalb dessen die einzelstaatlichen Re­gierungen die Gebühren nach ihrem Ermessen festsetzen können.

Zur Fleischteuerung.

Ueber die Fleischteuerung hat die preußische Staats­regierung mit der Veröffentlichung ihrer Erklärungen und Tabellen die Alten vorläufig geschlossen; trotzdem gehen ihr fortgesetzt Proteste und Wünsche zur Ab­hitfe des Notstandes zu. Die von der Kölner Stadtverordneten=Versammlung eingesetzte Kommission forderte

scharfen Resolution, die eine Gefahr für die Partei sei. Die Norddeutschen könnten sich in die badischen Verhältnisse gar nicht hinein versetzen. Klara Zetkin rechnet mit den Hof­gängern ab. Die monarchistische Institution sei die stärkste Festung der reaktionären Parteien. Die badischen Genossen hätten in dem Augenblick das Budget bewilligt, wo die seigenblattlose Proklamation des Gottesgnadentums zur Sammlung aller Bürgerlichen rufe. Die Frage sei, ob man einen Schritt rechts in den Flugsand der Konzessionspolitik tun wolle oder sich bekennen wolle zum Standpunkt der re­volutionären Arbeiterklasse. Unter stürmischemHört!" be­kennt Dr. Quessel, Darmstadt, die Macht der Verhält­nisse werde dazu zwingen, die Bebelsche Resolution zu bre­chen. Kaum hat Ledebour die Rednertribüne betreten, da ist auch schon die Versammlung in lebhafter Aufregung. Die badischen Genossen hätten so wenig proletarisches Selbst­bewußtsein, daß sie dem jämmerlichen deutschen Bureaukratis­mus die Existenz weiter ermöglicht hätten.Ob der Mann Bodman oder Bethmann oder ein anderer unmännlicher Mann ist, sie sind doch nur Handlanger des verschleierten Absolutis­mus. Es ist charakteristisch, mit welcher Frivolität sie die Frage behandeln. Genosse Frank lacht!... Frank ruft: Ueber Sie!" Der Revisionist Dr. David betont, nicht die Resolution Bebel, sondern die Einsetzung der Studien­kommission kann Frieden schaffen. Der Ausschließungs­antrag müßte patentiert werden. Er ist ein automatisches Selbsthinrichtungsinstrument, eine Art beschleunigtes stand­rechtliches Verfahren. Großen Eindruck macht der Redner mit der Erklärung, daß man, wenn man die Führer ausschließe.

in einar E; abg an d's Tiaatsregierung dig mit der Erklärung, daß man, wenn man die Führer ausschließe,

in einer Eingabe an die Staulsi#h#rgung die auch die hinter ihnen stehenden Organisationen ausschließe. sofortige Oessnung der holländischen Grenze für die Vieh= Ein jugendlicher Stürmer, Grohles, Elberfeld, verlangt, einfuhr sowie die Erleichterung der Einfuhr aus Täne= unter dem Lärm der Revisionisten, kategorisch Ausschluß. mark. Die Stadt Dülseldorf ließ eine Petition im Müller, München, meint, zu viel Gemüt haben sei kein gleichen Sinne überreichen, desgleichen Elberfeld. Die.

gebracht werden, sind zwar auch sehr nahrh. und meistens Tich, und gut; über schließlich boch nicht severmunns Sache. Wo gute Bahnverbindung mit den Hochseesischereien be­steht, sollten die immerhin noch billigen Seefische mehr

Elberfelder Stadtverwaltung beschloß außerdem, jährlich 2000 Mk. zu bewilligen, um Fischverkaufsstände in ver­schiedenen Teilen der Stadt zu errichten. Diese Stände sollen später an Gewerbetreibende abgegeben werden. Leider sind dieFlußfische nur auch sehr teuer. Die auf der Hochsee gesangenen Fische, die auf Eis in den Hande! gebracht werden, sind zwar auch sehr nahrh. und meistens

frisch und gut; aber schließlich doch nicht jedermanns

Wo

als bisher verwendet werden. Auch in tonangebenden Fleischerkreisen werden Massepetitionen an den preußischen Landwirtschafts=Minister an­(geregt. In diesen Petitionen sollen jedoch nur solche Forderungen erhoben werden, die nicht auf eine strikte Ablehnung Seitens der maßgebenden Kreise zu rechnen haben. Zu sorchen Forderungen gehören die auf zeitweise Aufhebung der holländischen Grenzsperre und der Er­leichterung der Vieheinfuhr aus Dänemark. Der am ver­gangenen Mittwoch in Köln abgehaltene Obermeister­Tag aller rheinisch=westfälischen Metzger=Obermeister hat diese Forderungen gleichsalls aufgestellt und auch die Städte ersucht, sich in ihren Petitionen fortan auf dise erreichbaren Wünsche zu beschränken.

Heer und Flotte.

Eine Militär=Zigarrenfabrik. Dem in Metz stehenden 4. Bayerischen Infanterie=Regiment wurde zum teilweisen Ausgleich der in Metz eingetretenen besonderen Ver­teuerung. aller im Kantinenbetrieb benötigten Lebens= und Genußmittel vom bayrischen Kriegsminister gestattet, den Be­darf an Zigarren für die Mannschaften in eigner Regie durch zwei gelernte Zivilarbeiter in einem eigens zu diesem Zweck ge­mieteten Raum anfertigen zu lassen. Die gefertigten Zigarren dürfen lediglich von der Truppe selbst verbraucht und nicht nach auswärts verlauft werden. Die Bitte des Deutschen Tabak­

Fehler. Wenn Rosa Luxemburg zu ihrem scharfen Verstand nur ein bischen Gemüt hätte, sie wäre ein vollkommenes Frauenzimmer. In Bayern könne die Regierung, wenn das Budget abgelehnt werde, machen, was sie wolle. Mit einer Flut persönlicher Bemerkungen schließt die Vormittagssitzung.

Nachmittags hat als erster Liebknecht das Wort. Vor überfülltem Haus. Liebtnecht singt ein Loblied auf die Dis­ziplin, die sein Vater fest hat in ihm einwurzeln lassen. Unter jubelndem Beifall ruft Lieblnecht, dem man schon äußer­lich den Fanatiker ansieht:Vergeßt nicht die Quelle der Macht, die Massen draußen! Eindringlich warnt Süde­kum,

lärmumtobt,

Katastrophenpolitik zu treiben.Was Sie wollen, ist, icht Einheit, sondern Kleinheit. Für die Radikalen spricht West­meier. Die Mehrheit der Arbeiter stehe hinter den Gegnern der Budgetbewilligung. Ein Schlußantrag wird ange­nommen und Bebel erhält unter allgemeiner Spannung das Wort. Er spricht ruhig und zeitweilig humorvoll. Die Budgetbewilliger hätten nicht den Beweis erbracht, daß sie großen Schaden gehabt hätten, wenn sie nicht für das Bud­get gestimmt hätten. Solange ich atme, werde ich dafür kämpfen, daß wir uns rückenstark zeigen. Ein Intermezzo gibt es, als Bebel auf eine Aeußerung über den Prinzen Lud­wig zurückkommt. Er würde ihn auch nach seiner Rede noch lieber zum König wählen als einen Hohenzollern. An der Mißwirtschaft im Reich sind die Einzelregierungen allesamt schuld. Die Erbitterung ist der Widerhall der Erregung in den Massen. Kein Mensch denkt an eine Spaltung. Mir wird niemand zutrauen, daß ich auf meine alten Tage etwas tun würde, was die Partei spaltet. Ich weiß, die Spaltung kommt nicht, die Massen machen nicht mit. Ich mache mich anheischig, droht Bebel versteckt, wenn es dazu kommt, auch nach Baden andere Stimmung zu bringen. Würde der An­trag auf Einsetzung einer Studienkommission angenommen, die ganze Welt lachte darüber. Wenn Genosse David stu­dieren will, gut, dann hat er keine Zeit, andere Dinge zu machen. Den Ausschlußantrag bitte er abzulehnen. Dieser Staatsstreich

bringen. Er gab daher dem Führer des ihm sichtbaren Süd­zuges sofort Notsignale. Diese wurden auch erkannt. Der Lokomotivführer gab Gegendampf und bremste und verlang­samte dadurch die Schnelligkeit seines Zuges. Der Nordzug dagegen war durch eine Kurve um einen Berg bis unmittel­bar vor der Haltestelle unsichtbar. Als der Lokomotivführer dieses Zuges die Notsignale sah, bremste er gleichfalls, konnte aber bei der Kürze der Zeit keine Wirkung mehr erzielen. Die vernichtende Kraft des Stoßes traf vor allem die bei­den Lokomotiven und die drei ersten Wagen jedes Zuges. Von den sieben Todesopfern waren drei sofort tot, die an­deren starben zum Teil nach mehrstündigen entsetzlichen To­desqualen. Hilfe herbeizurufen war schwierig. Die Halte­stelle konnte nur Signale geben, keine telegraphischen Mittei­lungen. Der Feuerwächter der Stadt Rottenmann hatte aber das Unglück wahrgenommen und alarmierte sofort die Rot­tenmanner Feuerwehr. Von Rottenmann aus mußte dann die Rottenmanner Station durch Boten benachrichtigt werden, die dann die Station Selzthal von der Katastrophe in Kennt­nis setzte. Von dort traf ein Hilfszug ein. Aerzte, die sich in beiden Zügen befanden, leisteten die erste Hilfe. Vov den Toten sind drei, von den zehn Schwerverletzten fünf Fahr­gäste. Die übrigen Opfer sind Bahn= und Postbeamte. Leicht­verletzt sind 19 Personen.

Der Berliner Schausensterwettbewerb übertrifft den vorjährigen bei weitem, nicht nur, was die Zahl der Teilnehmer anbetrifft, auch in Hinsicht der künst­zerischen Qualität der Dekorationen sind Fortschritte erzielt worden. Welcher Wert der Konkurrenz auch weit über die Grenzen Berlins hinaus beigelegt wird, geht daraus her­vor, daß aus Budapest 10 Herren in Berlin eingetroffen sind, die von der ungarischen Regierung zum Studium des Schau­fensterwettbewerbs entsandt worden sind. Auch aus Rußland und Belgien sind zu Studienzwecken Delegierte großer Fir­men in Berlin eingetroffen. Ein Gang durch die Leipziger­Straße, die vornehmsten Geschäfte, kann einen wirklichen Ge­nuß vermitteln. Ein strenges Gesetz macht sich bei allen De­korationen wohltuend bemerkbar: Die Einheitlichkeit der Farbe. Was früher(und zum Teil noch heute) an den un­möglichsten Farbenzusammenstellungen geleistet wurde, war ja wirklich entsetzlich. Heute ist man ästhetischer geworden. Den Vogel abgeschossen in der Schaufensterdekoration haben natür­lich wieder die Konfektionsfirmen, dann folgen die Möbel­häuser, die ihre Schaufensterräume zu entzückenden Interieurs ausgestaltet haben. Aber auch die übrigen Branchen schlie­ßen sich würdig an.

Noch hallten die Kanonendonner, da sprach er auf dem Schlachtselde von Sadowa schon das Wort, daß jetzt, nachdem die Lösung von Oesterreich entschieden sei, die nächste große Aufgabe sein müsse, auf der neuen Grund­lage den alten Bund mit Oesterreich wieder zu erneuern. Das ist denn auch seiner Meisterschaft gelungen, und es bleibt der Ruhm der nachbismaräschen Aera, daß sie in diesem Punkte an seiner Politik treu festgehalten hat. Ja, gerade in ihr erst ist der Bund beiden Teilen zum rechten Herzensbedürfnis geworden. Ob der Dreibund bleibt oder zerfällt, ist eine Frage des Nutzens, den Italien daraus zieht, daß der Zweibund auf absehbare Zeiten gesichert ist, das weiß man in beiden Reichen und nicht minder in ganz Europa. Darin liegt eine Gewähr des Friedens, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, und die Wiener Tage sind eine neue Lehre an alle, die's angeht, ob sie nun im Westen oder Osten von uns wohnen. So war auch des Kaisers Rede im Wiener Rathause eine Verherrlichung dieses Bündnisses, das, wie der Kaiser­liche Redner sich ausdrückte, zum Heile der Welt in die Ueberzeugung und in das Leben der beiden Völker als ein Imponderabile übergegangen sei. Das lateinische Wort bedeutet bekanntlich unwägbar; unwägbar sind die Gefühle in der Menschenbrust, die wichtiger sind als die wägbaren und sichtbaren Dinge außer uns. So ist auch der Bündnisgedanke innerstes Herzenseigentum der beiden Nationen geworden, und daher steht der Bund so uner­schütterlich fest.

Ministerkonserenzen in Berlin.

Zu den Konferenzen, die der Reichskanzler jetzt in Berlin mit den Ministern und Staatssekretären abge­halten hat, wird derVoss. Ztg. geschrieben:

Der Reichskanzler billigte im allgemeinen die Sparsam­keitspolitik des Reichsschatzsekretärs, und die einzelnen Reichs­ämter haben sich auch den Wünschen Wermuths gefügt. So habe beispielsweise Staatssekretär v. Kiderlen=Wächter, Neu­

detrage von 430000

M. zurückgezogen. Nur das preußische Krieasministerium gebe

sich mit den vorläufigen Abstrichen des Reichsschatzsekretärs nicht zufrieden, und da auch der Reichskanzler in seinem jüng­sten Programm die Notwendigkeit desmilitärischen Schutzes) betont hat. so werde Herr Wermuth doch vielleicht nachgeben müssen. An neue Steuern möchte man angesichts der bevorstehenden Reichstagswahlen und der allgemeinen Verstimmung über die bereits bestehenden und über die Fleisch­teuerung nicht herangehen. Von seiten der Regierung gelte die Fleischfrage als vorläufig erledigt.

Aus den Kommissionen des Reichstages.

Die Justizkommission erörterte nach Erledi­gung des Abschnitts über das schleunige Verfahren am Mittwoch den Abschnitt Strafbefehl. Gegen Jugenoliche ioll der Erlaß eines Strafbefehls ausgeschlossen sein, so­sern es sich nur um Uebertretungen handelt. Die Reichstagskommission für die Versicherungzord­nung genehmigte den Begrisf Fabrik so. wie ihn die Regierungsvorlage aufstellt, lehnte einen sozialdemokra­tischen Antrag ab, der Unfälle auf dem Wege zur Arbeit entschädigungspflichtig machen will und erörterte die Frage der Entschädigung der Berufskrankheiten. Beide Kom­missionen setzten am Donnerstag ihre Beratungen fort.

um Aushebung dieser Vergünstigung wurde, wie wir Voss. Ztg."lesen, vom Minister abschlägig beschieden.

sei verwerflich. Man darf die Mög­

Dierussische Regierung und die Zeitungs­einfuhr. Auf eine Anfrage beim Chef der Oberpreß=Ver­waltung über die Gründe des Verbotes der Einfuhr des Berl. Tagebl. in Rußland wurde mitgeteilt, daß in der letzten Zeit erschienene Telegramme und Berichte über den Zaren die Veranlassung zu dem direkt vom Minister des In­nern Stolypin ausgegangenen Verbot gewesen seien. Dazu komme, daß das Blatt Protest gegen die russische Zensur erhoben habe, die jene Telegramme entweder schwärzte oder ausschnitt. Ein ähnliches Verfahren hätten noch einige andere deutsche Blätter gezeigt. Es sei auch gegen diese der Erlaß des Einfuhrverbots erwogen, jedoch ihrer ganz geringen Ver­breitung in Rußland wegen sei zunächst davon Abstand ge­nommen worden.

Zur Verbilligung des Theaterbesuchs hat ein bedeutender Beamten=Wirtschaftsverein in Berlin mit einer Reihe von Bühnen Verträge abgeschlossen, in denen gegen Garantierung einer bestimmten Besucher=Anzahl eine Ermä­ßigung von 25 Prozent der Eintrittspreise gewährt wird. Recht praktisch ist, daß sich der Abonnent eine Art Rund­reiseheft für die Berliner Bühnen zusammenstellen kann.

Räuberei als Sport. DieB. Z. läßt sich melden, daß der Sohn des Petersburger Millionärs Fitizoff

lichkeit der Verteidigung nicht abschneiden. Ein bürgerliches eine Art Sport darin suchte, mit gleichgesinnten Genossen Gericht würde diese Zusatzresolution nicht anerkennen. Bebel auf dem Lande ganze Dörfer zu überfallen. Die Räuber schließt:Hoffentlich werden wir in alter Freundschaft nach begingen dabei die größten Grausamkeiten. Kürzlich gelang Haus gehen. Kaum hat Bebel geschlossen, da wird unter es jedoch den Bauern, den Räuberhauptmann zu fangen. dem ironischen Gelächter der Revisionisten der Ausschluß=An= Sie knüpften ihn auf, w trag zurückgezogen. Frank hat das Schlußwort. Er lege lungsweise war.

was sicherlich die vernünftigste Hand­

Ausland.

Frankreich.

Frankreich kann es der südamerikanischen Re­publik Brasilien nicht verzeihen, daß diese deutsche Truppen=Instrukteure den französischen vorzieht. Der Hafen­kommandant von Cherbourg versagte unter leeren Ausflüchten dem Kommandanten des brasilianischen Kreuzers, auf welchem der künftige Präsident da Fonseca die Heimreise anzutreten gedenkt, den üblichen Empfang. In Frankreich ist man auch über den bekannten englischen Finanzmann Sir Ernest Cassel ungehalten, der mit der Türkei die türkische Anleihe unter den Bedingungen abschloß, welche die französische Re­gierung nicht gewähren wollte. Die französische fordert von der englischen die Erklärung, daß diese nicht hinter der Cassel­schen stehe. Die Londoner Blätter lachen, daß der französi­sche Einfluß in der Türkei nun noch tiefer gesunken ist.

Rußland.

Rußiand plant angeblich schon wieder eine auswär­tige Anleihe in Höhe von 200 Millionen Rubeln, ver­zinslich zu 4 Prozent, aufzunehmen. Trifft diese keineswegs unwahrscheinliche Angabe zu, dann wird es begreiflich, daß der Zar den Wunsch nach einer Begegnung mit unserm Kaiser besonders dringlich empfindet.

Griechenland.

Das Amtsblatt veröffentlicht ein Dekret, wodurch die Reservisten Her Jahrgänge 1907/1908 zum 5. Oktober einberufen werden. Hier wiro besonders hervorgehoben, daß die Einberufung lediglich auf Grund des Reglements des Organisationsplanes für die Armee erfolgt. Die Manöver an welchen die einberufenen Mannschaften teilnehmen sollen, finden nicht in Thessalien statt, damit einer irrigen Deutung vorgebeugt wird.

weniger Wert auf neue als auf wichtige Dinge. Mit beißen­der Satire erzählt er zur Beleuchtung der Unhaltbarkeit, daß Genossen in einer Gemeindevertretung eine neue Hose im Betrage von 6 Mark bewilligt haben. In der Partei=Ver­sammlung hätten die Genossen dann Rechenschaft gefordert, da diese Bewilligung gegen die Nürnberger Resolution ver­stoßen habe. Nicht an den Personen, sondern an den Verhält­hältnissen liege es, daß die süddeutsche Arbeiterschaft hinter ihren Führern stehe. Schließlich fragt er:Was sol!

geschehen?" Der Vorschlag mit der Studienkommission hätte den Waffenstillstand in der Budgetfrage garantiert. Der Antrag auf Ausschluß ist zurückgezogen worden. Als Frank diesen Antrag mit Hohn und Spott übergießt, lärmt die Mehrheit andauernd. Unbeschreiblicher Tumult setzt ein, als Frank schließt:Keiner von uns kann er­klären, was geschehen wird. Wie wir abstimmen, werden wir sehen, je nach den Verhältnissen. Eine scharfe Geschäfts­ordnungsdebatte verschärft die Situation. Die verhöhnten Radikalen verlangen nach

Sturmszeuen, die jeder Beschreibung spotten,

Vertagung auf ½ Stunde zur Abfassung einer Erklä­rung. In wüstem Lärm wird die Vertagung beschlossen. Um 8 Uhr abends wird die Sitzung wieder eröffnet. sch Spannung auf allen Gesichtern. Unter ungeheurer Spannung gehen vier namentliche Abstimmungen vor sich. Die Nürn= 10 berger Resolution, die die Zustimmung zu dem Bud­ ja

Ein Opfer seiner Wissenschaft. Der englische Geograph Bellis wurde in Südamerika von Alligatoren auf­gefressen. Der Forscher hatte in einem kleinen Boot einen Fluß befahren, um dessen Tiefen festzustellen. In einer Strom­schnelle kippte das Boot und Bellis stürzte ins Wasser. Er war sofort von Akligatoren umringt, die ihn zerrissen.

Schwere Anschuldigungen gegen die Re­formschule in Buschgarten bei Berlin, in der Söhne und Töchter vieler vornehmen Familien untergebracht sind, er­hebt dieNat.=Ztg. In der Schule herrsche ein Prügel­system schlimmster Art: der Leiter der Anstalt, ein gewisser Dr. Ostronoski, leide an Größenwahn, er selbst pflegt sich in Religionsstunden mit Jesus auf eine Stufe zu stellen. Oft würden Knaben nach körperlichen Mißhandlungen noch einer Hungerkur unterworfen.

Ein Stimm=Phänomen. In Dresden produ­zierte sich vor einem Auditorium von Gelehrten ein junger Sänger, der imstande ist, Töne zu singen, deren Quinte fast gleich stark mittlingt. Die Stimmbänder des Sängers sind vollkommen gesund und normal. Es ist jedoch nicht ausge­schlossen, wie auch Sachverständige meinen, daß vielleicht die sogenannten falschen Stimmbänder, die Taschenbänder, in Mit­schwingungen geraten.

Die Freisprechung des Sergeanten Tetz­laff vor dem Oberkriegsgericht in Berlin von der Anklage

berger Resolutign,die die Zustimmung g#emz jahrelanger Unterschlagung von Küchengeldern erfolgte ledig­

get verbietet, wird(wie schon mitgeteilt. neo.) mit gooflich, weil hinreichende Beweise nicht beigebracht werden konn­gegen 106 revisionistische Stimmen angenommen. Die ten. Der Verdacht konnte nicht beseitigt werden, und vielleicht

scharfe Mißzbilligung. far, die badischen Budgethewilliger gibt die Sache daue Pp'ec, dab Hat Pantrglfge

wit 9ügegen 302 Stimmen ausgesprochen. Da­

wird myr vo gegen 302 Stimmen ausgesprgche

durch wird dokumentiert, daß die Badenser einen Disziplinar­bruch begangen haben. Der Antrag auf Einsetzung einer Studienkommission wird abgelehnt.(Was dann noch bis Mitternacht folgte, die Beschließung des Ausschlusses der Budgetbewilliger im Wiederholungsfalle und der Abzug der Süddeutschen, ist von uns schon gestern unter denLetz­ten Nachrichten kurz geschildert worden. Ned.)

Sozialdemokratischer Parteitag.

sch. Magdeburg, 21. September. Das sensationelle Interesse an der Budgetdiskussion dauert heute ungeschwächt fort. Bebei nimmt alle seine Kraft zusammen, damit er das Schlußwort halten kann. Die kleine, schmächtige Rosa Luxemburg sorgt für neuen Sturm. Spricht 15 Minuten gegen die Badenser und höhnt über ihre erreichten Lappalien. Ihre Redezeit ist abgelaufen. Und ob die Revisionisten auchSchluß! Schluß! lärmen, sie fängt ein neues Thema an. Zehn Minuten tobt der Kampf um Rosa Luxemburg. Stadthagen und Lieb­knecht erreichen es nicht daß ihr mehr Redefreiheit gegeben wird. Sie muß unter dem tronischen Gelächter der Revisio­nisten abtreten. Als Heihmann, Chemnitz, in der Tak­tik der Partei Rücksicht auf die Linke genommen wissen will, meint Quark, Frankfurt, das wäre eine traurige Taktik. Heute, wo das Gottesgnadentum auch durch den badischen Thron gestützt würde, hätte man nie und nimmer das Bud­

get bewilligen dürfen. Der bekannte lebhafte Abgeordnete Ukrich, derhessische Hofgänger, warnt vor Annahme der

Von Hah und Fern.

Das Eisenbahnunglück in Steiermark.

Das Rottenmanner Bahnunglück entstand, wie nunmehr feststeht, dadurch, daß der Südzug die Station Rottenmann überfuhr, wo fahrplanmäßig die Kreuzung mit dem Nordzug hätte erfolgen müssen. Der Nordzug hatte Verspätung. Eine Kreuzung der beiden Züge zwischen den Stationen Selzthal und Rottenmann war nicht mehr möglich, denn die Strecke hat auch in der Haltestelle Rottenmann=Stadt, der einzigen zwischen den beiden genannten Stationen, kein zweites Geleise zum Ausweichen. Der Fehler ist also zweifellos in der Sta­tion Rottenmann gemacht worden. Entweder hat die Station den Südzug vorbeifahren lassen in der Meinung, er werde noch vor dem verspäteten Nordzuge die Station Selzthal erreichen, oder der Lokomotivführer dieses Zuges hat das Haltesignal nicht beachtet. Dieser Lokomotivführer ist tot. Es war noch ein Glück im Unglück, daß der Zusammenstoß bei der Haltestelle Rottenmann=Stadt und nicht auf freier Strecke erfolgte. Der Bahnwächter auf dieser Haltestelle be­nahm sich tadellos. Der Südzug wurde ihm gemeldet. Wäh­rend er diesen heranbrausen sah, wurde auch der Nordzug gemeldet. Der Zusammenstoh war also unvermeidlich, wenn es ihm nicht gelang, beide Züge rechtzeitig zum Stehen zu

gior die Sache dazu Anlaß, oaß das Kontrollsystem ver­bessert und verschärft wird.

Das neue Passagierluftschiff. Nach der Köln. Ztg. wird die Fertigstellung derErsatz Deutsch­land derart beschleunigt, daß ihre Indienststellung zum 15. Oktober bereits zu erwarten ist. Dieses Luftschiff wird vor­aussichtlich bei seiner Aeberführung nach Düsseldorf, wo es während des Winters bleiben wird, in Baden=Baden landen und vielleicht auch in Frankfurt, um auf diese Weise mit der Fernfahrt gleichzeitig Passagierfahrten auszuführen.

Die Berliner Schwindelgeschichten nehmen kein Ende. Jetzt verschwanden die beiden Unternehmer Otto Gabriel und Franz Wiecicki, nachdem sie viele Personen um große Summen geschädigt haben. Die beiden arrangierten alle Augenblicke neue Fabrik=Unternehmungen, fanden auch immer Geldgeber, die sie geschickt hinzuhalten wußten. Gabriel war früher Klavierspieler in einer Singspielhalle. Wiecickt war Stallarbeiter. Durch ein üppiges, hochnobles Leben wußten die Schwindler zu blenden.

Sarah Bernhardt in einem Londoner Variététheater. Am Montag erschien die, wie man sagt, jetzt 57 Jahre alte Sarah Bernhardt zum ersten Male in ihrem Leben auf der Bühne eines Variététheaters und zwar im Londoner Kolosseum, wo sie ein vierwöchiges Gast­spiel absolviert. In der ersten Woche wird sie den zweiten Akt von Edmond Rostands L'Aiglon spielen. Es muß be­merkt werden, daß die Londoner Variétébühnen im alige­meinen in jeder Beziehung über den Pariser und Berliner gleichartigen Instituten stehen, wie ja auch die Eintrittspreise

nur um ein weniges geringer,

in den erstklassigen Theatern(10.50 Mark), Sarah Bei

hardt wird zweimal pro Tag auftreten, um nach ihrem Gast­spiel acht Monate nach Amerika zu fahren.