Erscheint täglich

ausschließlich der Sonn= und Festtage.

Bezugspreis für den Monat 65 Pfg. ilustrierter Sonntagsbeilage; mit acht­seit. Uustriertem Familenblat 75 Gfg, Postbezug vierteljährlich.25 Ml.

Fernsprech-Anschluß Nr. 183.

Basichusbeseihen

für die einspaltige Petitzeile oder deren Raum 15 Pfg., im Reklamen=Teile 40 Pig. Anzeigen von auswärts #. Fosten 20 Pig, die Petitzeile.

Bei Wiederholungen wird entsprechender Nachlaß gewährt.

Amtliches Kreisblatt für den Stadt= und Landkreis Mülheim a. d. Ruhr.m.

Offizielles Organ für die amtlichen Veröffentlichungen des Kreisausschusses, des Amtsgerichts, der Stadtverwaltung und der Landbehörden.

Chefredakteur: C. Ottweiler, Mülheim(Ruhr). Verlag: Mülheimer Zeitung

Geschästsstellen: Alstaden: Aug. Briem, Wilhelmstr. 35..Broich:

M. Speldorf: Fritz Buchloh und Wilh.

MA 97

5: Julins Sar Schsazste Dtuig, von Er gk., Wggig in Mülthelgsgtage, Hauptgeschäftsstelle,ppinghoferstrapgrgt,

Julius Purt, Suigüfr, 3. Bgigenz, Pranz,###en Washemrgt,.Saarn: Emst Winternheim, Markplat.

Bih. Anhäuser, Lussurgerstr. M. Sthrum: Joh. Schulten, Brintzelmerstr. 62 und 92.94. d Winternthein, Martriat,

Mittwoch, 27. April 1910

Rd. Zohrane

Die heutige Nummer umfaßt

6 Seiten.

ie Wahlprüfungen im Reichstage.

Bekanntlich werden die Reichstagswahlresultate, gegen die von irgend einer Seite Protest erhoben worden ist, der Wahl­prüfungskommission unterbreitet, die das ganze vorliegende Ma­erial prüft, um dann eventuell die Gültigkeit der Wahl zu baanstanden und ihre Ungültigkeitserklärung im Plenum des Reichstages zu beantnagen. Diese Arbeit ist natürlich keine angenehme. Ganz abge,ehen davon, daß z. B. die Merkmale der Wahlbeeinflussung, wenn man für sie auch einige bin­dende Gesichtspunkte aufgestellt hat, doch im allgemeinen noch sehr umstritten sind, und daher jede Partei sich ins Unrecht

##sett glaubt, wenn eins ihrer Mandate von der Kommission für ungültig erklärt wird, schleppen sich diese Wahlprüfungen der Kommission fast durch die ganze Legislaturperiode hin. sa, es kann sogar vorkommen, daß ein Abgeordneter, obwohl sein Mandat angefochten ist, während der ganzen Periode Liäten bezieht, an den Sitzungen teilnimmt und vielleicht auch bei diesen oder jenen Abstimnungen über Gesetzentwürfe den Ausschlag gibt. So ha z. B. jetztt, wo die Wahlprüfungen im Reichstage am Dienstag und Mittwoch dieser Woche bevorstehen, die Kommission die Wahl von nicht weniger als sieben Abge­brdneten als für ungültig zu erklären beantragt.

Solche Verhältnisse, bei denen wie hier sieben nicht genü­gend legitimierte Abgeordnete seit mehr als drei Jahren über Wohl und Wehe des deutschen Volkes mit entscheiden, sind natürlich unhaltbar und verlangen dringend nach Abstellung. Eas einfachste wäre natürlich, wenn diejenigen Herren, deren Mandat angefochten ist, sich solauge den Reichstagssitzungen fernhielten, bis die Wahlprüfun zskommission über die Berech­tigung des Wahlprotestes entschieden hätte. Aber freilich, dann würde jede Partei es sich angelegen sein lassen, soviel wie möglich Mandate ihrer Eegner anzufechten, und der Reichstag wäre wahrscheinlich während der ersten Zeit seiner Tagung beschluß­unsähig. So ist dieser Wez, wie ihn allerdings hie und da ein besonders feinfühliger Abzeordneter schon freiwillig eingeschla­gen hat, in seiner Allzemeinheit ungangbar. Man muß also banach trachten, die Arbeit der Wahlprüfungskommision besser zu organisieren, um sie so in die Lage zu setzen, mit ihr früher sertig zu werden, als das heute der Fall ist.

Diese unabweisliche Notwendigkeit ist denn auch von allen Parteien des Reichstags anerkannt worden, ja sogar die Wahl­prüfungskommission selbst dringt jetzt auf Remedur. In ihrem Namen bezw. im Namen der in ihr vertretenen Mitglieder aller Parteien hat der Vorsitzende der Kommission Dr. Goerck einen Antrag im Reichstag eingebracht, nach dem die Geschäftsord­wing, stweit sie Bestimmungen über die Wahlprüfungskom­mission enthält, dahin abgeändert werden soll, daß der§ 5 Abs. 2 der bisher nur dahin lautete, daß die Wahlprüfungskommission für die Tauer jeder Session gewählt wird, künstizhin den Zu­at enthält:Die Wahlprüfungskommission ist befugt, ihre Geschäfte auch während der Zeit, in welcher der Reichstag nicht versammelt ist, zu bearbeiten. Ihr steht das Recht zu, die An­stellung von Ermittelungen selbständig zu beschließen.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Uebertragung der Beschlußfassung über Ermittelungen an die Wahlprüfungs­kommission, die bisher Sache des Reichstags war, dazu ge­

eignet ist, den Ganz der Untersuchung der Wahlproteste einiger­maßen zu beschleunigen. Auch die Tagung der Kommission während der Ferien dürfte in derselben Richtung wirken. Aber

eine Abhilfe, wie man sie auf Grund der oben geschilderten Ver­häunisse verlangen muß, werden diese kleinen Auskunftsmittel doch nicht bringen. Will man sich dazu entschließen, hier wirk­lich ganze Arbeit zu machen, also dafür sorgen, daß die Gültigkeit aller Reichstagsmandate während einer Frist von elwa drei Mongten, nach Eröffnung des neuen Reichstags einwandsfrei festgestellt ist, so wird man wohl die Wahlprüfungskommission als solche, bestehen lassen können, ihr aber eine Art Prüfungs­gerichtshgl, an die Seite stellen müssen. Wir denken uns das so, daß die Wahlproteste nach wie vor der Prüfungskommission unterbreitet werden, die ihrerseits die ungerechtfertigten aus­scheidet, alle übrigen Wahlproteste aber, bei denen auch nur

der geringste Grund zu einer Beanstandung vorliegt, einem

Kachte ochsche Kescie. Kal eie eickr aur erfiche Kollegium, wenn wir von den wenigen Ersatz= und Nachwahlen während der Tauer der Legislaturveriode, gegen die protestiert wird, absehen, in den ersten drei Monaten nach Zusammentritt eines neuen Reichstags keine andere Arbeit zu leisten hätte, die jetzige Verschleppung der Wahlprüfungen behoben, nein, es Fürden sich auch durch diese Spruchpraxis ganz bestimmte Rechtsnormen herausbilden für die Merrmale der ungültig zu erklärenden Wahlen. Der jetzige Hader zwischen den ein­zelnen Parteien um Gütigkeit oder Ungiltigkeit eines Mandats wäre damit dem parteipolitischen Milieu entrückt und seine

Schlichtun, Männern anverrraut, die über den Parteien stehen.

Deutsches Reich.

Die Kaunzgtung e. zratsche baehgungerechgeteaere

Der dem preußischen Albgeordnetenhause zugegangene Ent­wurf eines Gesetzes zur Abänderung der Vorschriften über die Wohnungsgelzuschüsse und Mietsentschädigung, dessen Inhalt wir bereits kurz im Lepeschenteil mitgeteilt haben, will den nach der reichsgesetzlichen Regelung vom Juli v. Is. maßgeben­den Wohnungsgeldzuschußztarif, sowie die nach dieser für die Lewährung der Wehnungsgelozuschisse an die Reichsbeamten je­weitig maßgebende Ortsklasseneinteilung für Preußen in Kraft setzen. Der Reichstarif, der nun also auch für Preußen Geltung haben soll, set der Uebersicht halber hier nochmals schematisch dargestellt:

Bezeichnung der Beamten

I. Beamte der 1. Rang­

klasse......

II. Beamte der 2. und 3. Rang­

klasse......70

III. Beamte der 4. und 5

Rangklasse......

IV. Leamte, welche zwischen den Beamten der 5. Rungklasse und den Subalternen der Propinzualbehörden rangieren, Subalternbeamte 2. Klasse bei den Zentralbehörden, Sutalternbeamte bei den Provinzial= und Lokatbehör­

V. den........

Unterbeamte.....

Tarif enthält für die Unterbeamten die gleichen Sätze wie der zurzeit gettende preußische. Bei den mittleren und höheren Reamten geht er über den preußischen in den beiter niedrigsten Ortsklassen um 16½ Proz, hinaus, während er diesen in den 8 oberen Ortsklassen bei den mittteren Be­amten um rund 117, Prozent, bei den höheren Beamten um rund Prozent übersteigt. Um die Ortsklasseneinteilung des Reichs undgründert auf Preuhen zu übertragen, müssen 510

preußische Orte in eine höhere Ortsklasse hinaufgesetzt, 100 Orte in eine niedere Klasse herabgesetzt werden. Den Beamten in diesen hundert Orten sollen indes ihre bisherigen Sätze noch belassen werden, solange sie am gleichen Orte verbleiben und sowett nicht durch eine Steigerung ihrer Dienstbezüge ein Ausgleich eintritt. Die vorgeschlagene Neuregelung bringt somit für keinen Beamten eine Verkürzung seine; augenblicklichen Dienstbezüge, für einen großen Teil der keamten dagegen eine Steigerung des Einkommens mit sich.

Staatssekretär Dernburg wehrt sich.

Bei fortgesetzter Geratung der Anträge über die Ti#ung der restlichen Kriegskosten für Teutsch=Schawest­afrika rechtfertigte Staatssekretär Dernburg in der Kom­mission mit sehr entschiedenen Worten seine Kosonial=Politik und bemerkte u.., die schwersten Vorwürfe, die man gegen ihn gerichtet habe, seien nicht mehr gutgläubig gemacht. Auch auf die Anträge des Abgeordneten Lattmann(Wirtsch. Verg.), die nicht 61 Millionen, wie Erzberger, sondern nur 36 Millionen Mark von den Farmern und Gesellschaften Südwestafrikas durch eine befondere Einkommenstuer einziehen wollen, ging der Staatssekretär nicht ein. Der zweite Teif des Antrages Latt­mann über die Kapital=Konfiskation bezweckt, die Jorderungen, die Abg. Erzberger in einem formellen Antrag festsetzt, in die Form einer Resolution zu fassen, so daß die Hoheitsrechte des Kaisers, die der Staatssekretär als durch den Antrag Erz­berger für verletzt erklärt hatte, dadurch nicht gefährdet, sondern die Entscheidung über den ganzen Komplex von Fragen beson­deren Verhandlungen zwischen der Regierung, den Bundesstaaten und dem Reichstag überwiesen wird. Die Schmälerung der Hoheitsrechte des Kaisers, die dem Staatssekretär, aber auch den Konservativen den Antrag Erzberger unannehmbar machte, scheidet in dem Antrage Lattmann also aus; daher glaubt man auch vielsach, daß dieser Antrag die Basis bilden werde für eine Verständigung zwischen der Regierung und dem Parla­ment. Der Antrag Erzberger ist nach derKöln. Volks=Ztg. bekanntlich nur eine private Arbeit Erzbergers, mit der die Fraktion sich noch nicht einmal beschäftigt, viel weniger identi­fiziert hat. Dem gegenüber veröffentlicht Abgeordneter Erz­berger eine Erklärung, daß sein Vorschlag, die großen Gesell­schaften und die höheren Vermögen zu den südwestafrikanischen Kriegskosten heranzuziehen und eine endgüitige Auseinander­setzung mit den südwestafrikanischen Gesellschaften herbeizuführen, mit einmütiger Zustimmung seiner Fraktion eingebracht worden ist. Staatssekretär Dernburg führte in seiner nahezut zweistündigen Rede in der Kommission u. a. folgendes aus: Die Einzelheiten der Lüderitzbuchter Tenkschrift sind unhaltbar und zum Teil durch pekuniäre Interessen verursacht. Ich stand zvischen zwei Feuern, der Denkschrift der Lüderitzbuchter und berjenigen der Kolonial=Gesellschaft. Alle Behauptungen, daß ich die Leitung irgendwelcher Gesellschaften bestimmten Personen in die Hand gespielt habe, sind unwahr; und es ist stark zu be­haupten, daß ich das Reichs=Interesse bei den Abmachungen mit der Kosonialgesellschaft vernachlässigt habe. Es soll mir erst einer nachmachen, bei 15 Millionen Mk. Brutt=Einnahmen 8 Millionen Mk. im ersten Jahre für das Reich zu erzielen. Wer solche Vorwürse erhebt, ist nicht mehr gutgläubig. Man ist eben neidisch auf die Kosonial=Gesellschaft. Ich erwarte von der Kommüsion, daß sie ihr Wort hält, wie ich der Kom­mission durch Voriegung des neuen Vertrages mit der Kolosal­Gesellschaft mein Wort gehalten habe. Dieser neue Vertrag entspricht den Wünschen der Kommission. Die Tiamantengeschichte ist ein Kampf zwischen großem und kleinem Kapital. Das Großkapitat zu bekämpfen, ist ein billiger Ruhm. Auch, die deritzbuchter Denkschrift ist von Millionären abgesaßt. In Südwestafrüg bildet sich ein eigenes Uebersee=Deutschtum heraus, dem es unangenehm ist, daß die Gesetze von Berlin aus dittiert werden. Ein günstiger Ausgang des Prozesses des Gouvernements gegen die Roionialgesellschaft ist nach einem Gutachten des Reichs=Justizamts sehr fraglich; der Fiskus hat demnach nicht das Recht, für sich zu sparen. Alsdann be­gründete nach kurzen Ausführungen eines nationalliberalen Red­ners Abg. Lattmann seinen Antrag. Der neue Vertrag mit der Kovonial=Gesellschaft läßt das früher nicht gesperrte Gebiet, im Gegensatz zu dem ersten Vertrage, auch in Zukunft offen. Es wird dort eine Gebühr von 2 Proz, zugunsten der Kolonial­Gesellschaft erhoben. In dem bisher gesperrt gewesenen Ge­biete wird die Sperre aufrecht erhalten, um das Eindringen fremden Kapitals zu verhindern. Die Tiamanten=Gesellschaft gibt nach einer Vorzugs=Lividende von 6 Proz. dem Fiskus eine Gewinn=Beteitigung von 31½ Proz. Lamit steigert sich die Netto=Belastung der Diamanten=Gesellschaft auf 73¼ Proz­gegenüber 55 Proz, bei den anderen Geseilschaften, und ver­dient die Geseilschaft eine Million, so erhält der Fiskus 3 Millionen. Das ist genug aufgeknallt. Mehr ist vicht zu er­reichen. Die Sicherheit des Eigentums muß auch in den Schutz­gebieten festgestellt sein, gerade so wie in Preußen. Die Jiedner der konservativen Partei und der Reichspartei sprechen sich gegen, der der Sozialdemokratie für den Antrag Erzberger aus. Abg. Erzberger betont noch einmal, daß ihm bei seinem Borgehen jede politische Absicht fernliege, und von Minister­stürzerei keine Rede sein könne. Der größte Teil der Rechte in den Kovonien gehört nicht dem Fiskus, sondern den Gesell­schaften. Die Abrechnung mit den Gesellschaften muß sofor­erfoigen, da sie mit jedem Jahre kostspieliger wird. Staats­sekretär Ternburg verwahrte sich noch gegen die Unterstellung, er habe den Kaiser in die Debatte gezogen, und nahm gegenüber dem Abg. Erzberger den Vorwurf zurück, dieser habe Vermögens­Konfiskatton in Südwestafrika herbeiführen wollen. Am gestrigen Dienstag wurde die Tebatte fortgesetzt. Das Organ des Bundes der Landwirte, dieDeutsche Tagesztg. setzt ihre Angriffe gegen den Staatssekretär Dernburg in verschärftem Tone fort. Einen Beschluß über den Antrag Erzberger oder den Antrag Lattmann faßt die Budget=Kommission voraussicht­sich überhaupt nicht, sondern überläßt das dem Plenum, das am Freitag mit der Beratung über den Gegenstand beginnen will. In der Köln. Volksztg ist noch zu lesen: Alen Ausreden des Abgeordurten Erzbergers gegenüber stellen wir kurz sol­gendes fest: Der Antrag Erzberger hat niemals der Fraktion vielen Worten und großer Entrüstung dagegen sagt, sind nichts vorgelegen. Alles, was jetzt der Abgeordnete Erzberger mit als Ausflüchte Wir können nur hoffen, daß man angesichts dieses Zwischenfalles, der nicht der erste seiner Art ist, auch innerhalb der Zentrumsfraktion zum Rechten sieht und daß alle Mitglieder der Fraktion in Zukunft das Beispiel der Tisziplin geben, welche von der Partei im Lande mit Recht verlangt wird.

Dr. Curtius.

Aus Straßburg, 24. April, wird geschrieben: Auch Kaiser Wilhelm II. groltt nicht ewig. An der gestrigen Paradetafel im Kaiserpalast nahm auch Dr. Curtius, der Präsident der Kirche Augsburgischer Konfession, teil. Man wird sich erinnern, daß vor drei Jahren Dr. Curtius wegen der Herausgabe der Memoiren des Reichskanzlers und früheren eisaß=lothringischen Statthalters Uhiodwig von Hohenlohe von der Liste der Eingeladenen gestrichen wurde und auch im letzten Jahre noch nicht empfangen wurde. Man legte Dr. Curtius sogar nahe, von seinem Amte zurückzutreten, ja man sprach davon, er solle dazu gezwungen werden, was aber nicht ging, da er keine Staatsstellung inne hat. Jetzt ist die Wolke scheinbar gewichen, und das ist im Interesse der Evangelischen im Reichs­lande nur zu begrüßen, denn es waren doch unerfreuliche Zustände, wenn die Vertreter des katholischen und israelitischen Bekenntnisses vom Kaiser empfangen wurden, nicht aber der Repräsentant des evangekischen.

des über die Wahl zur Deputiertenkammer erst am Sonntag, den 8. Mai, ersehen, an dem die Stichwahlen vorgenommen werden. Bisher hat die Regierungspartei einen Zu­wachs von erwa 30 Mandaten zu verzeichnen. Die Minister sind bis auf Millerand, der in die Stichzvahl gekommen ist, alle wiedergewählt. Ter bisherige Kammerpräsident Brisson brachte es nur bis zur Stichzvahl, in der seine Chancen noch nicht einmal günstig find. Die Kandidatinnen haben recht dürftig abzeschnitten. In Paris erhielt die Frauenrechtlerin 470 Stimmen, ihre Kolleginnen in der Provinz kamen nirgends über 34 Stimmen hinaus. Ermutigend war also der Versuch für die Fräuen nicht. Die Rüpeleien, an denen bie sonst recht eintönige Wahlkampagne so ungewöhnlich reich war, haben auch dem Wahltage selber ein recht unfreundliches Gepräge ver­liehen, Im Wahikreise Telcassees nurden die Wahlzettel aus drei Gemeinden und zwei Urnen verbrannt. In Vordeaux gab es sozialistische Kundgebungen, in Chambon(Südfrankreich) ar­teten ähnliche Temonstrationen zu einer Meuterei aus, wobei das Rathaus in Brand gesteckt wurde. Zwischen Genbarmerie und Feuerwehr kam es zu einer förmlichen Schlacht, wobei fünf Personen schwer verwundet wurden. In einem anderen Oite wwurden zwischen Polizei und Demonstranten Revolver­schüsse gewechselt, wieder in einem anderen wird der konser­vative Kandidat Servigny von seinen Begnern in der Bürger­meisterei gefangen gehalten. An verschiedenen Orten wurden die Wahlurnen zertrümmert und die Stimmzettel auf die Straße gestreut. Das geschah sogar u. a. in einem Pariser Wahlkreise. Bei Angouleure wurde der Bürgermeister, während er die Wahl leitete, durch einen Revolverschuß in den Kopf auf der Stelle getötet.

Großbritannien. Balsour über Deutschland.

London, 25. April. Bei einem Frühstück, das die Ta­tifresormliga den von ihrer Reise in Teutschland zurück­gekehrten Arbeitern gab, sagte Balfour, er verurteile, daß man in den Streit über den Tarif übertriebene Behaup­tungen gebracht habe, die den tatsächlichen Verhältnissen der Kellur einer großen benachbarten und befreundeten Nation widerspräcken. Teutschland habe etwas von England zu lernen, aber England habe ganz gewiß noch mehr von Teutschland zu leinen. Die Teutschen hätten in stetiger zusammenhän­gender Arbeit mit seltener Geschicklichkeit und großer Sachkunde und Beharrlichkeit erfolgrrich große soziale Ziele in den Indu­striezeniren wie in dem flachen Lande verfolgt. Er hoffe, daß die Parteien Englands imstande sein würden, die gro­ben Prokleme sozialer Reform mit demselben Ernste zu be­handeln, welche die deutsche Politik kennzeichne

Türkei.

Der Aufruhr in Albanien.

Konstantinopel, 25. April. Der gestern gemeldete Kampf bei Stimlia endete mit der Zurückdrängung der Albaner, die große Verluste erlitten. Auf Seiten der Truppen wurden drei Soldaten getötet, ein Offizier und zehn Soldaten ver­wundet.

Saloniki, 25. April. Die Nachrichten aus Oberalbanien lauten ungünstiger. Bei Chilan sitehen 3000 Mann, an der Trenitza 2000, in der Gegend von Lpljau 4000, bei Poarima 5000, in der Umgegend von Prizrend und Podgori 3000, bei Lavieselt und bei Liuma je 6000 bewaffnete Arnauten. Hierzu kommt noch der 2000 Mann starke Stamm der Ostrospons. Weitere 12 Bataillone und vier Batterien sind nach Albanien unterwegs, sodaß die Gesamtzahl der Truppen sich aus 52 Bataillonen und 16 Batterien zusammensetzt. Die Reservisten von Salonikt wurden einberusen. Schefket Torget Pascha ver­scumte, das Defilee von Katschanik rechtzeitig zu besetzen, sodaß 3000 Arnauten sich dort festsetzten, die den Bahnverkehr ver­hindern. Sie ließen nur die Post passieren, entwaffneten 20 den Bahnzug begleitende Soldaten und zwangen diese, nach Uesküb zurückzukehren.

Steuerzahler Erhöhung seines Einkommens; nicht im­mer kann er sie durchsetzen: auch dem Staate steht toin ewig sprudelnder Goldquell zur Verfügung. Und darum ist dieser Kampf nicht allein eine Sache der kämpfenden

Parteien, sondern die Algemeinheit unseres Volkes

Ausland.

Frankreich.

Die Wahlen.

Da 207 Stichwahlen, d. h. noch über 50 mehr als vor vier Jahren, erforderlich geworden sind, so läßt sich Abschließen­

Der Kampf im Baugewerbe.

Der Arbeitgeberbund für die rheinisch=westsälischen Industriegebiete

in Essen schreibt uns:

Wem gilt der Kampf? Seit acht Tagen stehen sich Tausende von Arbeitgebern und Lunderttausende von Arbeitern in einem der wichtigsten und bedeutendsten Gewerbe in unserem Vaterlande im offenen Kampfe ge­genüber. Noch ist es nicht zur vernichtenden Feldschlacht noch nicht zum entscheidenden Schlage gekommen, im stillen Ringen stehen sich die gewaltigen Massen der Kämpfer gegenüber: Belagerungszustand. Die werktätige: Arbeit von Tausenden von Händen feiert, die Geistes­Arbeit von Tausenden von Köpfen ruht. Millionen­Verluste bereiten sich vor. Anscheinend unbeteiligt sieht die Oeffentlichkeit dem erbitterten Kampfe zu, je nach Neigung verfolgt sie die eine oder die andere Seite mit ihrer Sympathie, bekundet aber im allgemeinen kein direktes Interesse am Ausgange des Streites. Und doch liegt hier ein hervorragendes Interesse der Allgemeinheit vor. Glaubt man wirklich, daß es sich nur um die Er­kämpfung einiger Tarifparagraphen handelt? Um pa­pierener Bestimmungen willen greifen nicht ernste, nüch­tern erwägende Männer zur zweischneidigen Waffe der Aussperrung, legen nicht zahllose Unternehmer ihre Be­triebe still, nehmen nicht kaufmännisch rechnende Köpfe ungcheure, Opfer auf sich. Es güt mehr, es gilt die Existenz des ganzen Gewerbes. Von Jahr zu Jahr haben sich die Arbeitgeber im Baugewerbe von den Gewerk­schaften zurückdrängen lassen, eine Position nach der andern haben sie preisgeben müssen, Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhung war das Ergebnis jeder Tariserneue­rung. Einmal aber kommt der Moment, wo auch der Ertgegenkommendste, einsieht: hier ist die Grenze, hier ist die Nachgiebigkeit nicht mehr am Platze. Wer will behaupten, daß die Bauarbeiter ausgebeutet würden, daß sie überanstrengt würden, daß sie für ihre Leistung nicht angemessen bezahlt würden? Um einen Stundenlohn von 75 bis 80 Pfennig wird mancher auch aus anderen Stän­den den Berliner Bauarbeiter beneiden, und eine Arbeits­zeit von durchschnittlich Stunde wird das Ideal man­ches sein, der sich in mühseliger Arbeit weit länger plagen muß. Tatsächlich sind also die Bauarbeiter nicht nur den meisten der übrigen Handarbeiter, sondern über­haupt der Mehrzahl unseres verdienenden Volkes weit voraus. Nach den Feststellungen ihrer eigenen Bewerk­schaft betrug die Steigerung des Durchschnittslohnes für die Maurer innerhalb der Jahre 1885 bis 1905 für das ganze Reich 64 vom Hundert. Weiche andere Arbeiter­klasse, welcher andere Stand kann sich einer ähnlichen Steigerung seines Einkommens rühmen? Und wer hat diese Lohnerhöhung zum guten Teite bezahlt? Nicht der Bauarbeitgeber hat sie tragen können, er hat sie aus das Produkt schlagen müssen: die Häuser, die Woh­rungen sind teurer geworden, und so hat letzten Endes der Mieter, das heißt die überwiegende Mehrheit unseres Volkes, die Kosten jeder Lohnerhöhung tragen müssen. Aber die Welle schlägt weiter; erhöhte Miete verlangt höhere Gehälter, und der Beamte mit seinem festen Ge­halt verlangt vom Staate, von der Allgemeinheit der

die überwiegende Mehrheit unserer Bürger, letzten Endes die Kriegskosten tragen müssen. Formell mögen die Ar­beitgeber die Angreifer sein, sachlich sind sie in der Ver­teidigung, und sie vertreten die Interessen unseres ge­samten, Bürgerstandes, der deshalb auch offen auf ihre Seite treten muß, denn seine Sache wird verhandelt, auf ihn wirkt Sieg oder Niederlage der Arbeitgeber, ihm gilt der Kampf.

*

Duisburg, 25. April. Die Firma Kiefer, In. haberin eines der größten Baugeschäfte hier, hatte ihro Arbeiter ausnahmslos ausgesperrt und deshalb auch die Arbeiten am Erweiterungsbau des Landgerichts einge­stellt. Nunmehr hat die Justizbehörde der Firma Kiefer die Aufforderung zugehen lassen, die Arbeiten unverzüglich wieder auszunehmen, andernfalls die Weiterführung des Baues ihr entzogen würde. An dem fraglichen Neubau waren über 100 Arbeiter beschäftigt. Wie in der gestrigen Generalversammlung des christ­lichen Bauarbeiterverbandes festgestellt wer­den konnte, sind im hiesigen Verwaltungsbezirk 253 christlichorganisierte Bauarbeiter ausgesperrt. Dem Ver­bande ist es gelungen, die Ausgesperrten bis auf etwa 90 Mann in anderweitigen Betrieben unterzubringen.

Dortmund, 26. April. Gestern nachmittag hat eine Sitzung der Vorsitzenden des Arbeitgeber­bundes stattgefunden, an der nahezu 150 Herren teil­nahmen. Es wurde einstimmig beschlossen, jeden dem Verband angehörigen Unternehmer, der arbeiten läßt, in eine Strafe von 10 Mark pro Mann und Tag zu nelien Außerdem wurde noch verhandelt über die Nichteinstellung bezw. Nichtentlassung von Arbeitern bei Streiks und Aussperrungen im allgemeinen. Zum Schluß wurde mitgeteilt, daß im gesamten rheinisch=westfälischen Gebiet etwa 22000 Bauarbeiter und seit Samstag etwa 650 Dachdecker ausgesperrt seien.

Berlin, 25. April. Der außerordentliche Kongreß der Gewerkschaften, auf dem ungeführ zwei Millionen Mitglieder von 58 Organisationen durch 422 Delegierte vertreten waren, nahm eine Resolution an, in der den ausgesperrten Bauarbeitern die Sympathie ausgesprochen wurde und sämtliche or­ganisierten Arbeiter aufgefordert werden, den Ausge­sperrten ihre Solidarität durch sofortige allgemeine Sammlungen zu beweisen. Die christlichen Gewerk­schaften und die Hirsch=Dunkerschen Gewerkvereine sind der Einladung zur Teilnahme an dem Kongreß nicht gesolgt In Breslau finden Verhandlungen mit Arbeitgebern und=Nehmern vor dem Einigungs­amte statt.

***

Ausschreitungen in Berlin.

Berlin, 25. April. Als sich eine Kolonne Ar­beitswilliger der Firma Altmann auf dem Heim­wege besand und auf einem Gerüstwagen die Grollmann­straße in Charlottenburg passierte, wurde sie von etwa 60 Streikenden umzingelt und mit Knüppeln und [Stangen angegriffen. Der Polier gab einen Schreckschuß auf die Angreifer ab. Ein starkes Poli­zeiaufgebot trennte die Streitenden und geleitete deu Wagen zur Arbeitsstätte. Ein weiterer Zusammen­stoß zwischen Arbeitswilligen derselben Firma und Strei­kenden erfolgte nachmittags auf dem Schinkelplatz. Auch hier mußte ein starkes Polizeiausgebot Ordnung halten.

Berlin, 26. April. Die Mittagsblätter melden aus Wilmersdorf: Heute früh gegen halb 7 Uhr stürmten einige hundert Ausständige auf mehrere von Arbeitswilligen der Vereinigten Gerüstbau­verleihanstalten eskortierte Wagen, die in die Prinz­Regentenstraße einbogen, verletzten acht Pferde durch Messerstiche, bombardierten die Arbeiter mit Stei­nen und beschossen sie mit Revolvern. Zwei Ar­beitswillige wurden schwer und zwölf leichter ver­letzt. Ein starkes Aufgebot von Schutzleuten zerstreute die Demonstranten. Die eigentlichen Täter entkamen, Verhaftungen wurden deshalb nicht vorgenommen.

Von Hah und Fern.

Zu dem Unglück des Reichsluftschiffes Z II

wird aus Weilburg gemeidet: Die Stahltrossen, mit denen

das Luftschiff verankert war, rissen, und vergeblich bemühten

sich die Mannschaften, das Luftschiff zu halten. Um ein Un­glück zu verhüten, mußten die Mannschaften zum Los­lassen der Fesseln aufgefordert werden. Der We­bersberg, die Stätte der Landung, erhebt sich fast senkrecht über der Lahn und der Esenbahn. Er ist gekrönt von einem Kur­haus mit einem Pavillon. Der hintere Teil des Lustschifses blieb mit den Steuern in diesem Pavillon hängen, während der vordere Teil über den Berg hinaus ragte. Der Frankf. Zeitung wird aus fachmännischen Kreisen geschrieben: Die Zer­störung des Zeppeitn=Luftschiffes bedeutet scheinbar einen harten Schlag für das Ansehen des starren Syitems. Aber ganz zu Unrecht! Wenn hier ein System zu tadeln ist, so ist es das der Militärverwaltung, welche die Parade der Luftschiffe vor dem Kaiser trotz des ungünstigen Wetters und troßz des Abratens der Meteorologen durchsetzte. Am Tage der Ab­fahrt war dem Kommandeur der Verkehrstruppen, von Lyncker, gesagt worden, daß die Luftschiffe wohl nach Honcburg ge­langen würden, doch voraussichtlich in absehbarer Zeit nicht wieder zurückfahren könnten, weil andauernd westliche Winde in Aussicht ständen. Die Rückfahrt machte, wie vorausgesagt, Schwierigkeiten. Tas.=Schiff wurde entleert, die Fahrt der übrigen verschoben. Als nun in der Nacht vom Samstag zum Sonntag zwischen zwei Tiefdruckgebieten vorübergehend ruhiges Wetter auftrat, hat der Parseval=Ballon die günstige Situation mit schnellem Entschluß benutzt. Wäre das Luftschiff 333=cheukauls miütgefahren, so würde auch dieses voraussichlich Peztzug in Köln angekommen sein. Statt dessen hat man darauf bestanden, bis Sonntag zu warten und ist dann trotz ungünstiger Wetteraussichten wosgefahren. Man ist noch nicht so weit, daß Luftschiffe dem Wetter zum Trotz auf Befehl eines Vor­gesetzten fahren können. Auch ein Parsevalballon hätte am Sonntag die Fahrt nicht durchführen können, wenngleich er in­folge seiner Konstruktion nicht zertrümmert worden wäre, son­dern hätte entieert werden können. Die Zeppelin=Balions ver­langen ehen eine gediegenere Ausbildung der Führer. Die Luftschiff=Katastrophen des April 1910 werden zur Jolge haben, daß man die Meteorokogie bei der Ausbilbung der Ballon­führer mehr in den Vordergrund stellt.

Weiter wird in der Frankf. Ztg, noch geschrieben: Nach der Abfahrt des P. 2 verschlechterte sich die Wetterlage rasch. Am 25. bief das Bawmeter stark und die Wetterkarte ließ erteunen,