Kölner

Geschäftsstellen und Anzeigen-Annahmen:

marzellenstr. 37 und Breitestr. 35.

Local-Anzeiger

General-Anzeiger für die rbeinische Hauptstadt. 2 Kölner Fremdenblatt.

Geschäftsstellen u. Redaktion Marzellenstr. 37: A 6920 bis 6928. häfte".--

Köln, Samstag, 19. Juli 1913.

26. Jahrgang. Heute 16 Seiten.

c Iu Adolf Rolpings hundertstem Geburtstag.

Wer kennt nicht Adolf Kolping, denGesellenvater"! Ketteler #n der einen, Kolping auf der anderen Seite sind die beiden ###oßen sozialen Reformatoren, denen das katholische Deutsch­Und so viel verdankt, deren Auffassung von der christlichen ##alpolitik noch heute den Geist der sozialen Bewegung aus­scht. Beide führte die soziale Not ihrer Zeit zum Priestertum. tieler und Kolping mußten sich in vielem gleichgeartet finden. ährend ihrer Münchener Studien schlossen sie sich einander Ketteler hat Kolping nicht unwesentlich beeinflußt. Wäh­d Kolping anfangs an eine religiöse Vereinigung der andwerksgesellen nach dem Muster der mittelalterlichen fruderschaften dachte, vertrat Ketteler mit Erfolg die Idee der Pialen Organisation mit der religiös=sittlichen und sozial­Hirtschaftlichen Weiterbildung als Hauptaufgaben. Beide #ngen sie von den Grundgedanken aus, daß ohne Christentum Eine Lösung der sozialen Frage möglich sei.

Kolpings Verdienst liegt darin, daß er entgegen den herrschen­en Anschauungen von der Freiheit des Wirtschaftslebens, der seien Entfaltung der Persönlichkeit, wie sie als Nachwirkungen es wirtschaftlichen Liberalismus sich breit machten, den Ge­#anken der Sozietät, verbunden mit dem der Solidarität in Form r Organisation vertrat. Kolping schuf in seinen Gesellenver­ien die erste Organisation, die dem neubelebten Katholizismus lf, die neuzeitlichen Aufgaben der Fürsorge für sozial und sitt­h gefährdete Wirtschaftsklassen aufzunehmen. Ursprünglich bst Handwerksgeselle kannte er die religiösen und sozialen iten des Handwerks. Wenn er bessern wollte, so mußte er bei n Handwerksgesellen, den zukünftigen Trägern der handwerk­sichen Arbeit, beginnen. Der große Fehler der deutschen Wirt­schaftspolitik war, daß man die alten Zünfte, die an sich nicht ehr in die veränderten Verhältnisse hineinpaßten, nicht refor­pierte, sondern sie einfach beseitigte. Eine Zeitlang herrschte llständiges Koalitionsverbot. Die gesetzgeberischen Reformen Litte des 19. Jahrhunderts blieben praktisch unausgeführt. Das leiche gilt von Maßnahmen der Selbsthülfe, die geeignet ge­besen wären, das Handwerk sozial und wirtschaftlich zu heben und vor der Proletarisierung zu schützen. Die Folgen der Schutz­Hsigkeit des Mittelstandes zeigten sich bald. Die winderwertigen Ar seitskräfte, für die es keinerlei Beschränkung gab, drückten die keistungsfähigkeit und Lebenskraft der Kleinbetriebe. Die Predigt der individuellen Freiheit zogen Lehrling und Gesellen aus dem Reisterhause in die ungebundene Freiheit. Sittlicher Halt und Kligiöser Untergrund entschwanden, Genußleben und Autoritäts­Ssigkeit traten an ihre Stelle. Die geistige Verwahrlosung, die #tliche Verdorbenheit, der Verlust aller ständisch=sozialen Spann­nait sowie allen religiösen Haltes waren es, die Kolping unter mnen Standesgenossen so tief beklagte. Diese traurigen Bilder ##h er deutlich und grell auf seiner Wanderschaft.

Zum Priester geweiht, brachte Kolping ein klares Programm sich. Sozial war dem Gewerbe nur zu helfen, wenn man n Handwerker wieder zu Standesbewußtsein und Korpo­ionsempfinden erzog und mittels seiner konservativen Tra­zonen und Anlagen den Stand reformierte. Nach der religiös­lichen Seite konnte nur eine entsprechende Erziehung helfen. eligion und Arbeit sind der goldene Boden de# Volkes war Kolpings Motto. Kolpings Plan, den ##n seiner 1848 herausgegebenen Schrift: Der Gesellenverein. Ar Beherzigung für alle, die es mit dem wahren Volkswohl ## meinen, entwickelte, war folgender: Schaffung eines Ver­eins unter priesterlicher Leitung, der für Bücher, religiöse und unterhaltende Schriften, für staatsbürgerliche und berufliche Weiterbildung sorge, damit die Gesellen tüchtige Christen und #chtige Geschäftsmänner würden. Der Verein soll vor allem i n<space> F a m i l i e n l e b e n<space> e r s e t z e n.<space> I n<space> e r s t e r<space> L i n i e<space> s e i<space> a u c h<space> d a h i n<space> z u<space> ##eiten, daß Armut, Not und Krankheit die Mitglieder nicht Verlassene treffe. Der erste solche Verein entstand 1845 Elberfeld. Wenn Kolping das wichtigste Problem, die ###derschaftszeit der Gesellen regeln wollte, so war er ge­###ngen, einen allgemeinen Gesellenverein für Deutschland und die Nachbargebiete mit Gruppen in allen ##adten, wohin Gesellen kommen, zu schaffen. Kolpings Auf­####e war es daher, die Idee der katholischen Gesellenvereine #erall zu verbreiten. Dazu benützte er vor allem die Katho­#tentage. 1865, dem Todesjahr Kolpings, gab es bereits Gesellenvereine mit 60000 Mitgliedern. Die innere Or­nisation fand durch die Schaffung von Diözesanverbänden nd Errichtung des Generalpräsidiums mit dem Sitze in Köln hren Abschluß. Auch die größte materielle Aufgabe des Ge­lenvereins, die Schaffung von Wohnungsheimen für fremde esellen, die Kost oder Wohnung oder beides sich außer dem ause des Meisters suchen müssen, hat Kolping 1863 für Köln klöst. Heute hat der Kölner Gesellenverein ein Ledigenheim it etwa 900 Betten. Alle größeren Gesellenvereine haben ihre genen Häuser. Keine Organisation hat auf dem Gebiete des sohnungswesens so viel geleistet als die katholischen Gesellen­ereine.

0h L SO

Das Neueste vom Tage

a' Reichstagsersatzwahl. Weilheim, 18.Juli1913. Bei der Reichstagsersatzwahl für den verstorbenen Abg. Frhru. von Thünefeld(Zentr.) wurde der Amtsrichter Emminger (Zentr.) gewählt. Nach dem bisher vorliegenden Ergebnis der Stimmenzählung erhielten Emminger 11 394, der Bauernbündler Eisenberger 5081, der Sozialdemokrat Staimer 3379 und der Liberale Dr. Müller 2482 Stimmen. Zersplittert waren zehn Stimmen. Es stehen noch vier Gemeinden aus, die aber an der Wahl Emmingers nichts mehr ändern.

Bei der letzten Wahl entfielen auf das Zentrum 14 852, die Sozialdemokratie 3794, die Liberalen 3121 und den Bauern­bund 1609 Stimmen. Mit einem Anschwellen der bauernbünd­lerischen Stimmen mußte diesmal gerechnet werden, zumal der Bauernbund hier seinen zugkräftigsten Mann, seinen Führer Eisenberger, als Kandidaten aufgestellt hatte, der außerdem eine sehr eifrige stille und offene Förderung durch die Liberalen er­fuhr. Immerhin wird die verhältnismäßig hohe Stimmen­zahl des Bauernbundes denjenigen, der den Verhält­nissen ferner steht, überraschen. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß die starke Erregung der bayerischen Bauern über die Handhabung der letzten bayerischen Steuergesetze und namentlich auch über die Behandlung derHolzrechtler dieses Ergebnis herbeigeführt habe. Für diese Beschwerden, deren Abstellung das Zeutrum wiederholt sehr entschieden gefordert hat, macht die gegnerische Agitation natürlich gleichwohl das Zeutrum, weil es die Mehrheit im Landtage hat, verantwortlich. Es scheint, daß man angesichts dieser Mißstimmug in manchen bayerischen Zentrumskreisen sogar mit einem Verlust des Wahl­kreises Weilheim gerechnet hat. Das ist nun doch vermieden worden; hoffentlich trägt das Ergebnis dazu bei, daß den Ur­sachen der Mißstimmung ernstlich zu Leibe gegangen wird.

(A) Revolverszene vor dem königlichen Schloß in Berlin.

Am Lustgarten vor dem Portal IV des königlichen Schlosses wurde in der vorvergangenen Nacht ein Schutzmann durch einen Revolverschuß schwer verletzt. Zwischen 12 und 1 Uhr verlangte ein Mann am Portal IV des Schlosses Einlaß in das Schloß. Er ging an das Schloßtor heran und versuchte, die Tür zu öffnen. Einer der beiden Militärposten von der 9. Kompagnie des 3. Garderegiments zu Fuß fragte den Mann nach seinem Be­gehren und wies ihn zurück. Als er der Aufforderung des Postens nicht Folge leistete, rief der Soldat den Schutzmann Glandow vom ersten Polizeirevier, der in der Nähe stand, zur Hülfe herbei. Der Schutzmann forderte den Fremden, der den Eindruck eines Be­trunkenen oder Geisteskranken machte, auf, weiterzugehen. Der Mann schickte sich auch an, weiterzugehen. Auch der Schutzmann entfernte sich wieder von dem Portal IV. Nach wenigen Schritten drehte sich jedoch der Fremde plötzlich um, zog einen Revolver und gab auf den Schutzmann einen Schuß ab. Die Kugel drang Glandow unterhalb des Halses in die Brust. Der Beamte stürzte besinnungslos zu Boden. Der Militärposten eilte herbei und ver­setzte dem Revolverschützen mit seinem Gewehrkolben einen Stoß vor die Brust.

Der Schutzmann, der inzwischen das Bewußtsein wiedererlangt hatte, raffte sich auf und gab dem Angreifer mit seinem Säbel einen Schlag über den Kopf, so daß er zusammenbrach. Trotz seiner schweren Verwundung und des starken Blutverlustes holte der Schutzmann eine Droschke herbei und brachte den verletzten Fremden nach der Hülfswache am Spittelmarkt. Dort wurden Glandow und der Festgenommene verbunden. Dann wurde der Beamte nach der königlichen Klinik in der Ziegelstraße gebracht, wo das Geschoß durch einen operativen Eingriff entfernt wurde. Die Verletzung des Schutzmanns ist, wie sich herausstellte, nicht lebensgefährlich. Der Fremde wurde zunächst nach dem Polizei­revier in der Georgenstraße und von dort nach dem Polizeipräsi­dium gebracht. Hier wurde er als der 41 Jahre alte Landwirt Friedrich Michaelis aus Garnsee bei Marienwerder festgestellt, der erst kürzlich nach Berlin zugereist war und sich hier wohnungslos umhertrieb. Michaelis verweigerte jede Auskunft. Es konnte bis­her nicht festgestellt werden, was er eigentlich beabsichtigte. Es wird angenommen, daß er im Schloß nächtigen wollte. Aller Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen Geisteskranken. Der Verhaftete wird zunächst auf seinen Geisteszustand untersucht werden. Der Revolver, der vor dem Schloß gefunden wurde, ent­hielt noch fünf scharfe Patronen. Außerdem wurde bei Michaelis ein scharfes dolchartiges Messer gefunden.

Kaiserbesuch in Enaland? Berlin, 18.Juli1913. Wie die Daily Mail berichtet, heißt es in der britischen Hauptstadt, der Deutsche Kaiser werde mit der Kaiserin im nächsten Frühjahre einen Besuch in England machen. König Georg habe einen Brief des Deutschen Kaisers erhalten, worin dieser seiner Freude darüber

Ausdruck gebe, daß während des ganzen Verlaufes der schweren Krisis, die Europa durchzumachen gehabt habe, die beiderseitigen auswärtigen Aemter in so guter Harmonie für die Erhaltung des Friedens unter den Großmächten hätten arbeiten können. In dem Briefe werde auch mehrfach Bezug genommen auf die persönlichen Verhandlungen zwischen den Monarchen. An Berliner maßgebender Stelle wird die Möglichkeit eines solchen Besuches zwar zugegeben, aber betont, daß zurzeit irgend welche sicheren Bestimmungen dar­über nicht getroffen worden seien.

Eine Junggesellen=Steuer in Frankreich.

Paris, 18.Juli1913.(Drahtber.) Die Budgetkommission der Kammer beschloß einen Steuerzuschlag von zwanzig Prozent zu erheben von Junggesellen, die über 30 Jahre alt sind.

Die Unruhen in China.

Peking, 18.Juli1913.(Drahtber.) Die allgemeine Lage hat sich für die Nordtruppen gebessert. Die Südtruppen wählten Tsengkunhsuan, einen alten Feind Juanschikais, zum Präsidenten und ernannten einige Minister. Es wird berichtet, daß die Südtruppen den Gouverneur von Anhui und etwa zwanzig an­dere Offiziere getötet haben. Eine Anzahl ergebener Generale beriet gestern lange mit Juanschikai. Fengknochani, der Erorberer von Hanyun während der Revolution, soll das Oberkommando erhalten

G London. 19.5uli191#. Die Times melden aus Peking vom 18.: Nach zuverlässigen Berichten aus dem Süden erwartet man, daß die Provinzen Kwangtung, Fukien, Tschekiang, Anhui, Szechuan und Hunan sich der revolutionären Bewegung an­schließen werden. Ein Erfolg gegen die nordchinesischen Truppen würde sicher auch andere Provinzen fortreißen. Der wesentliche Faktor der Lage ist daher, die Haltung der Truppen Lijunghengs in Wutschang in der Provinz Hupeh und der Truppen Tschanghsuns in Jentschaufu in Südschantung. Juanschikai hat 20000 nordchinesische Truppen in Kiangsi und Wutschang und ihre Aufstellung in der Nähe des Yangtse dürfte die südchine­sischen Truppen in Schranken halten. Aber falls die Bewegung im Süden allgemein wird, ist eine Revolte der südchinesischen Soldaten zu erwarten. Die Regierung findet eine Verstärkung ihrer Armee im Yangtsetal schwierig, ohne ihre Positionen in der Mongolei zu entblößen.

** Der Prinz von Wales in Deutschland. Neustrelitz, 18.Juli 1913. Der Prinz von Wales traf heute nachmittag im Automobil hier ein. Er wurde vor dem Schloß von dem Großherzog und dem Erbgroßherzog begrüßt.

** Mord.(Drahtber.) Ein mysteriöser Mord beschäftigt die Kriminalpolizei in Graudenz. Am 13. Januar wurde der Unter­offizier und Hoboist Fiedel vom 141. Infanterieregiment auf einem Bahnübergang in der Kulmer Vorstadt tot aufgefunden. Man nahm an, daß er von einem Zuge überfahren worden sei. Infolge eines Streites, den die Mägde eines benachbarten Gutes hatten, hat sich nun herausgestellt, daß der Unteroffizier von einem-Eifer­süchtigen Nebenbuhler und Helfershelfern getötet und auf die Schienen gelegt worden ist. Ein der Tat verdächtiger Arbeiter und eine Magd sind verhaftet worden.

** Schülerselbstmord.(Drahtber.) Aus geringfügiger Ursache hat sich in Rathenow ein elfjähriger Knabe das Leben genommen. Der Schüler Fritz Otto wollte mit seinen Kameraden baden gehen. Die Mutter verbot dies, weil der Knabe herzleidend sei. Der Junge fürchtete den Spott seiner Kameraden und erhängte sich in einer Scheune.

Echt russisch. St. Petersburg, 19.Juli1913.(Drahtbericht). Ein Millionenskanoal bereitet sich bei der Amurbahn vor. In der nächsten Zeit wird der Kontrolleur Charitonow in das Amurgebiet abreisen, um festzustellen, wohin die Unsummen ge­kommen sind, die über den Voranschlag hinausgehend, beim Bau der Amurbahn verausgabt wurden. Oberingenieur Nawrotzki von der Amurbahn hat bereits auf die Nachrichten von einer Revision hin seinen Abschied eingereicht. Die Mehrausgaben für den fertig­gestellten wesentlichen Teil der Bahn belaufen sich auf 20 Millionen, für den zur Hälfte fertiggestellten mittleren Teil der Bahn auf 12 Millionen Rubel.

** Eisenbahnunglück in Amerika.(Drahtber.) New York, 18.Juli1913. Oestlich von Cleveland stießen auf offener Strecke zwei Personenzüge zusammen. Es wurden zwölf Personen ver­letzt. Der Speisewagen wurde zertrümmert.

** Brand. New York, 18.Juli1918. Durch eine Explosion entstand heute Feuer in einer Knopffabrik. Das Gebäude brannte vollständig nieder. Mehrere hundert Arbeiter befanden sich darin. Bei der Rettung spielten sich aufregende Szenen ab. Zwölf Mädchen und drei Männer wurden schwer verbrannt.

Kolpings Ideen haben sich von einer unzerstörbaren Unver­wüstlichkeit und Volkstümlichkeit erwiesen. Kolpings Geist herrscht auch heute noch in den Gesellenvereinen und hat auf manche andere katholische Standesvereine befruchtend gewirkt. In seinemsozialen Testament behandelt Kolping vor allem das Verhältnis der sozialen Frage und Sozialreform zur Reli­gion, und gibt als besonders wertvoll eine Reihe von Instruk­

tionen und Leitsätzen für die Präsides zur praktischen Arbeit in der Organisation. Daneben darf die Bedeutung Kolpings als Volksschriftsteller nicht übersehen werden. Seine Prosa­erzählungen und Volkskalender kamen dem literarischen Hunger des einfachen Mannes mit bewunderungswertem Geschick ent­gegen. Kolping und sein Werk sind im katholischen Volk sehr populär geworden. Der Gesellenverein ist zwar die älteste

S

1

8