Nachen 1877. Nr. 72.

Erstes Blatt.

Mittwoch, 14. März.

.. Ree Gegduburk.

Verantwertlicher Redakteur: Hilmar Heinrich Beissel.

Verlag von P. Kaager in Nachen.

Druck von C. H. Georgi in Nachen.

Bachoruchrei, 9. 2 Leuctien, Car Kus, Spiades a Krabe; Eiderseld: B. Tdiems: Frantsurt a..: Zägrsch, Buchandtung, I. Meste. r. G. E. Laube& Co. und deren Filial=Bürraux in allen größeren Städten: Hamburg: Haasenstein& Vogler, R. Moss: Hannover: Daasenstein& Vogler, R. Mosse: Leipzig: Haasenstein& Vogler, G. L. Dande& Co., R. Mosse: Lüttich: Ch. Gnusé: München: : 8. 2. Daube& Co., 3 rue de Provence; Rotterdam: Kijoh& von Ditmar; Wien: Haasenhein& Vogler; Würzburg:

Nachen, 13. März.

DieDaily News bringen ein römisches Telegramm, vemzufolge eine hochgestellte Person im Vatikan ihre Dienste zur Vermittlung zwischen dem päpstlichen Stuhle und dem Berliner Cabinette angeboten habe. Der Papst soll für den guten Willen der betreffenden Person gedankt, aber bemerkt haben, ein modus vivendi mit Irrthum sei unmöglich; die Kirche könne gewisse Handlungen nicht billigen, diese müßten mithin vorher annullirt werden, ehe eine Versöhnung ange­dahnt werden könne. Mag es sich mit dieser Mittheilung verhalten, wie auch immer, jedenfalls liegt darin der Weg, wie man zu einer Versöhnung zwischen Kirche und Staat gelangen kann und soll, angedeutet. Wir wollen es unent­schieden lassen, ob der Cardinal von Hohenlohe diejenige dohe Person sei, welche das Friedenswerk in ihre Hand nehmen möchte, so viel steht fest, daß die desfallsigen Ver­handlungen nicht, wie der enragirte Nationalliberalismus sordert, auf Grund des nunmehr geschaffenen Rechtsbodens eingeleitet werden können, weil die katholische Kirche von einer absoluten Staatssouveränität nichts weiß und dem Staate auf ihrem Gebiete nur diejenigen Rechte, welche sie ihm selbst einräumt, zugestehen kann. Die Regelung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat findet demnach nicht durch Landes­vertretungen Statt, am wenigsten haben dieselben die Be­sugniß, bestehende Vereinbarungen dieser Art zu durch­drechen; es geschieht dies vielmehr durch internationale Ver­träge, die den Namen von Concordat oder Convention tragen und zwischen der betreffenden Regierung und dem heiligen Stuhle zum Abschlusse gelangt sind.

Das katholische Bewußtsein kann und wird sich schlechter­dings nicht damit abfinden lassen, daß es einseitige Verän­derungen und Modifikationen bestehender Verträge bis zu den Grenzen hin, welche es als die äußersten anerkennt, gut­heißt; es würde ja dadurch dem Staate im Prinzip das Recht, auf kirchlichem Gebiete nach seinem Dafürhalten zu schalten und zu walten, zuerkennen. Da sich die hier ein­schlägigen Fragen in den letzten Jahren bis zur äußersten Schärfe zugespitzt haben, so wird die Ermöglichung eines modus vivendi zunächst zu der prinzipiellen Frage zurück­kehren, ob die Staats=Souveränität eine absolute sei, oder ob sie in dem unveräußerlichen Rechte der Kirche nicht eine heil­same Gränze und Einschränkung habe. Das ist zunächst die Alternative, vor welcher wir heute stehen; das Uebrige ist, wie man sieht, detail und relativ untergeordneter Art. Je nach der Stellung aber, welche man zur Beantwortung dieser Frage nimmt, wird es sich ergeben, ob die heutige Zeit, das heißt, die unmittelbare Gegenwart zur Versöhnung sich neigt und eignet oder nicht. Wenn der Katholik von vornherein, ehe noch von der anderen Seite eine Anerken­nung der eigensten Rechte der Kirche erfolgt ist, erklärt, dem Staate gegenüber bis zur äußersten Grenze des Möglichen gehen zu wollen, so handelt er jedenfalls sehr voreilig: er ergibt sich auf Gnade oder Ungnade und erwartet dafür den Bettel des Mitleides, sorgt übrigens weder für die Gegen­wart, noch weniger aber für die Zukunft.

Wir Katholiken leben nicht von der Gnade einer uns günstigen Zeitströmung, wir haben verbriefte Rechte, deren Abänderung wir uns dann erst gefallen lassen, wenn die beiden competenten Personen, für Deutschland und natürlich Preußen, der deutsche Kaiser und der römische Papst dies­salls zu einem Einverständnisse gelangt sind. Gesetze, die im Wege des Landes= und der Reichsgesetzgebung diesfalls zu Stande gekommen sind, bedürfen demnach noch eines wei­teren mitwirkenden Factors, ehe der Katholik sie als für ihn bindend betrachten darf; und das Beispiel hat zur Ge­nüge bewiesen, daß er eher bereit ist, die ganze Härte einer besonders zugeschärften Strafgesetzgebung zu dulden, als seinem Prinzipe untreu zu werden. Wir setzen demnach voraus, daß ein Katholik, der Friedenswünsche kundgibt, sie nur unter dieser Voraussetzung ausspricht. Warum wir aber bis zum Aeußersten uns bequemen sollten, um Frieden zu erlangen; warum wir frühere Rechte, deren Uebung uns die neueste Gesetzgebung unmöglich macht, preisgeben sollen, das leuchtet uns nicht ein. Was haben wir gethan, um der­selben verlustig zu gehen? Diese Frage ist noch nie beant­wortet worden und sie wird auch wohl nie beantwortet wer­den; wohl aber wissen wir, daß der moderne Pseudolibera= lsmus im Christenthume an sich seinen unversöhnlichsten

Feind erblickt und darum schon lange mit Schmerzen den Zeitpunkt herbeizuführen trachtete, um dem festesten Horte des Christenthums, der römischen Kirche den Garaus zu machen. Zu ohnmächtig, einen Universalkampf gegen den Katholizismus in's Werk zu setzen, hat der Liberalismus seine Aufgabe nach Ländern und Nationalitäten vertheilt.

Ein Hauptstück dieser Arbeit ist dem erneuten deutschen Reiche zugefallen, und in demselben nimmt Preußen die vor­nehmsten Stellung ein, wie hinsichtlich der Macht, so auch in Betreff desKulturkampfs. Ein wahrer Eifer verzehrt die Anführer: Als der Abgeordnete Cremer in der bekannten Sitzung des Abgeordnetenhauses den Gedanken aussprach, es könne die Zeit kommen, wo in Preußen für die Katholiken kein Raum mehr sei, machte ein Mitglied des Hauses eine Handbewegung, welche als einHinaus mit ihnen! ge­deutet wurde. Daß dieser Herr mit seiner Ansicht nicht allein steht, zeigen die Auslassungen der liberalen Presse klar und deutlich und wollen wir dieselben zum Nutzen und Frommen hierhersetzen. Zuerst kommt dasNationale Wochenblatt, welches in einem Artikel über das Verhältniß des Staates zu denNeu= und Altkatholiken" unter Anderem meint, daß eine solche, nämlich die römisch=katholische Religions­gesellschaft eine staatsgefährliche ist, liegt auf der Hand und kann nicht bezweifelt werden, ebenso, daß es ein Akt der Großmuth ist, wenn der Staat solche Religionsgesellschaften in seinem Gebiete duldet. Noch deutlicher wird dieDeutsche Vereinskorrespondenz des Herrn von Sybel, die ausdrücklich erklärt, bei einer Fortsetzung des Kampfes müßten die Katholiken wirklich aus dem Lande heraus und überhaupt als schönsten Siegespreis dieses Kampfes die Herstellung einer höheren religiösen Einigung an Stelle des bisherigen traurigen confessionellen Zwiespaltes, also die Herstellung der erträumten deutschen Nationalkirche, hofft. Damit wäre denn vorläufig ein Stillstand indicirt, insofern das Weitere sich von selbst machen würde.

Was der Wuth jener Männer neue Nahrung gibt, ist die verzweifelte Thatsache, daß alle ihre so wohl gemeinten Bemühungen die Intensität des Katholizismus potenzirt haben. Auf der anderen Seite hat die Resultatlosigkeit des Kulturkampfes in seiner beabsichtigten Wirkung zu andern Erwägungen geführt.In Regierungskreisen, schreibt man demHamburger Correspondenten von Berlin aus, wird schon seit geraumer Zeit über denKulturkampf anders ge­dacht, als vor drei und vor zwei Jahren; je deutlicher die Nothwendigkeit zur Rüstung auf andere und noch gefähr­lichere Kämpfe an uns herantritt, desto stärker bricht sich die Ueberzeugung Bahn, daß der gegenwärtige kirchen=politische Kriegszustand beendet werden muß, auch wenn es dabei nicht ohne Opfer abgeht. Wie die Regierungsmänner denken Conservative der verschiedensten Schattirungen, unter diesen auch Leute, die mit den maßgebenden Kreisen direkte Füh­lung halten und gelegentlich auf dieselben einzuwirken wissen. Wenn die Liberalen sich irgend auf ihren Vortheil verstehen, werden sie mit diesen Stimmungen rechnen und, ehe es zu spät ist, aus dem zur Zeit nur als Verlegenheit empfundenenen Umstande Kapital schlagen, daß es einer der Ihrigen gewesen ist, der die Nothwendigkeit und Dringlich­keit einer Revision der Maigesetze zuerst öffentlich anerkannt und dadurch den Anstoß zu einer neuen Bewegung der Geister gegeben hat. Abgesehen von Männern, wie Herr von Sybel, bei denen der Haß gegen den Katholizismus den Charakter einer Monomanie angenommen hat und die darum höchstens nur insofern ein Interesse verdienen, als sie uns Beispiele einer längst überwunden geglaubten Intoleranz in aller Urfrische wieder vorführen, dürfte man im Geheimen beinahe zu der Ueberzeugung gekommen sein, daß ein Unglücksstern der schlimmsten Art über dem neuen Deutschland aufgegan­gen war, als es sich in denKulturkampf hineintreiben ließ. Wie kömmt man hinaus?

Das ist die große Frage! DieDresdener Nachrichten bestätigen, daß die Kulturkampf=Debatten im Landtage eine fast allseitige Uebereinstimmung in dem Gedanken ergeben, daß Polizisten, Exekutoren, Gefängnisse, Ausweisungen und Sondergerichtssprüche nicht den Erfolg gehabt haben, den gerade vor Allem die Nationalliberalen erwartet hitten, nämlich die Katholiken Preußens von ihren Priestern los­zutrennen.Im Gegentheil haben die Falk'schen Maigesetze die katholischen Gemeinden in eine festere Abhängigkeit von

den Priestern gebracht. Wo in einer Gemeinde ein Sperrling nistete, d. h. wo ein Priester von Polizeiwegen gesperrt wurde, da stand die Gemeinde wie Ein Mann zu ihrem gemaßregelten Seelsorger. Daß es in dieser Weise nicht weiter gehen kann, ohne den Staat in seinen Fundamenten zu erschüttern, das fühlt alle Welt. Selbst ein so stramm aufgebauter Staatsorganismus, wie der preußische, erträgt es nicht auf die Dauer, daß sich acht Millionen seiner Bürger wie fremd und feindlich fühlen und sich der unversöhnlichen Opposition anschließen. Revision der Maigesetze ist daher das naheliegende Auskunftsmittel. Auch Minister Falk gibt zu, daß seine legislatorischen Kinder einige Fehler besitzen, und ist zu einer Revision bereit. Nur über das Wie? noch mehr aber über das Wie weit? und zum nicht geringsten Theile über das Um welchen Preis? gehen die Ansichten weit auseinander. Natürlich ist es die oben erwähnte Alternative, vor deren Beantwortung man gestellt ist. Der Liberalismus hat einen Krieg begonnen, den er nur dadurch beendigen kann, wenn er dem angegriffenen Theile den Sieg zuerkennt. Je mehr er sich dagegen sträubt, desto unabweis. licher macht sich die Nothwendigkeit des Friedens geltend.

Deutsches Reich.

X Berlin, 12. März. Man ist darin ziemlich ein­verstanden, daß der Fürst Bismarck keinen glücklichen Tag hatte, als er es unternahm, in der Budgetdebatte gegen den Budgetmeister Eugen Richter zu sprechen. Der Herr Reichs­kanzler mochte wohl einsehen, daß eine sachliche Debatte ihn nicht zum Ziele führen würde, und so wählte er die Form derCauserie, die einmal, wenigstens in gewisser Richtung, ihm die gewünschte Unterstützung gebracht hatte. Der Reiz der Neuheit ist aber geschwunden; man ist nicht mehr über­rascht, den Herrn Reichskanzler über äußerst wichtige wirth­schafliche Dingedilettiren zu hören. Ueberdies war man nicht gerade angenehm berührt, zu vernehmen, daß jeder geäußerte Dissens den Ansichten des Reichskanzlers gegen­über in Bezug auf den letzteren den moralischen Werth des temperirten Meuchelmordes" habe.

Von der in Aussicht stehenden Steuerreform ist gar zu oft die Rede gewesen, als daß man nicht das Recht hätte, den Anfang einer Ausführung derselben sehen zu wollen, ehe man sich überhaupt zu weiteren Concessionen herbeiläßt. Alle diejenigen, welche sich noch des Anfangs des Verfassungs­Konflikts erinnern, werden wissen, wie sehr diesfalls das Principiis obsta der leitende Grundsatz sein und bleiben muß. Wird in der Kasernirungs=Angelegenheit der Regierung gegenüber der erste entgegenkömmliche Schritt gethan, so wird sich das schon oft Dagewesene wiederholen. Die Kom­promißmänner mögen diese Wahrheit ihrem Geiste nur recht lebendig einprägen.

Herr von Kleist=Retzow fängt an, eine hervorragende Rolle zu spielen und dinirte jüngst bei dem Fürsten Bis­marck. Ein Correspondent derFrankfurter Zeitung" hebt hergax, daß unsere Chronisten viele Dinge nicht aufzeichneten, weil sie dieselben als gleichgültig ansähen.Hätten sie verzeichnet, wann Herr von Kleist=Retzow zum letzten Male beim Fürsten Bismarck zu Tisch war, so würde vermuthlich dieses Ereigniß, mit der jetzt abermals bewiesenen Gast­freundschaft in Verbindung gebracht, genau die Zeitgeschichte wie in einem Spiegel wiedergeben. Herr von Kleist=Retzow ist wieder beim Kanzler zu Tische, d. h. mit andern Worten: die innere Entwickelung des deutschen Reiches ist in ein neues Stadium getreten. Das letzte Stadium traf mit dem Glanze und der Herrlichkeit der nationalliberalen Epoche zusammen. Das neue Stadium wird von der wohlbesetzten Tafel des Kanzlers nur noch Brosamen für die National­liberalen abfallen lassen. Der Umschwung wird schnell genug zu Tage treten. Herr von Kleist=Retzow, der Gast bei Bismarck, führt auch schon das große Wort in der deutsch-konservativen Partei, ohne dem ersten Ausruf der­selben seinen Namen geliehen zu haben; ja, man hat ihn auch schon in die Patent=Kommission gewählt.

Berlin, 11. März. Man schreibt derAugsb. Post­zeitung:Der Besuch des Generals Ignatieff am hiesigen Hofe hat mehr in finanziellen als politischen Kreisen Auf­regung hervorgebracht. Die Finanzgrößen waren gerade im Begriffe, russische Papiere unter ihre Fittige zu nehmen und auf der olympischen Leiter der Börse einge Stufen empor­

steigen zu lassen. Dieser schöne Vorsatz ist nun durchkrenzt. Denn da Rußland von Neuem auf die Entdeckungsfahrt nach Bundesgenossen geht, so ist es einleuchtend, daß der Czar noch nicht gewagt hat, den Gedanken an einen Krieg voll­ständig zu verabschieden. Betritt aber Rußland wirklich die Kriegsbahn, dann steht ein Krach bevor, gegen welchen der türkische Bankerott nur eine Idylle war. Es ist ja hauptsäch­lich Deutschland, in welchem die russischen Papiere seit anderthalb Jahrzehnten eine Heimathstätte gefunden haben.

Seit dem schleswig=holsteinischen Feldzuge betrachtete man Rußland als eine Macht, welche den Verwickelungen fern bleiben werde. Die Zurückhaltung, die das Petersburger Kabinet im Kriegsjahre 1866 und auch noch im Jahre 1870 beobachtete, schien diese Auffassung zu bestätigen. Der fried­liche Vortheil, den Fürst Gortschakoff aus dem deutsch=fran­zösischen Feldzuge zu ernten wußte, bestärkte das finanzielle Publikum in der Meinung, daß Rußland auch in Zukunft stillsitzen werde. Der Czar, sagte man, hat ohne einen Schwertstreich errungen, was er wünschte; er hat die Strei­chung der lästigsten Bestimmung aus dem Pariser Friedens­traktat vom März 1856 ohne Schwertstreich durchgesetzt und darf daher mit gutem Gewissen der Ruhe pflegen. Daher wurden nach den Kriegsjahren 1870 und 71 die russischen Papiere beliebter als je. Bodenkredit drängte sich in jede Dachkammer, zumal da der Zins von sechs Prozent, den dies Papier bei einem sich um 80 herum haltende. Course trug, den einfachen Bürgersmann und Gewerbetreibenden verlockte. Unter solchen Umständen würde ein russischer Bankerott tief in das Loos vieler deutschen kleinbürgerlichen Familien einschneiden. Nun braucht man eben nicht zu den Eingeweihten zu gehören, um zu erkennen, daß die Börse während der letzten Monate den hauptsächlichsten Druck auf die Entschließungen Rußlands ausgeübt hat. Die Börse mahnte nicht blos in St. Petersburg vom Kriege ab, son­dern sie bemächtigte sich auch in Berlin eines starken Ein­flusses auf die Entschließungen des Kabinets. Wenn hier­selbst in leitenden Kreisen die Redensart um sich griff, daß Deutschland bei den orientalischen Dingen weit vom Schusse stehe, und daß deutsche Interessen nur in geringem Maße betheiligt seien, so war dieser Satz schon in politischer Hin­sicht schief genug, aber in finanziellem Sinne war er voll­kommen unrichtig. Es würde nur noch ein russischer Banke­rott fehlen, um die Noth und die Verluste in deutschen Familien auf die Spitze zu treiben. Nun darf man fragen, ob denn die Ermahnung der Finanzwelt, während sie das Berliner Kabinet verhinderten, die russischen Kriegspläne zu ermuthigen, in St. Petersburg ohne Eindruck geblieben seien. Die Antwort hierauf lautet, daß der Russe mit Freuden den Faden erkannte, durch welchen er die deutschen Gesinnungen leiten konnte. Dieser Faden ist ein finanzieller. Mit desselben kann Rußland das deutsche Gemüth vor Freude springen, oder vor Angst zusammensinken lassen. Und so erscheint denn General Ignatieff in Berlin, um zu sehen, ob er aus demNothstande" nicht Kapital schlagen könne. Kurz, die finanziellen Gemüther sind auf die Folter gespannt, und von dem Hausse=Feldzuge, der bereits große Profite hatte ahnen lassen, ist keine Rede mehr.

Berlin, 12. März. Im Justiz=Ausschuß des Bundes­raths sind die Berathungen über die Streitfrage zwischen der preußischen und sächsischen Regierung wegen der Berlin­Dresdener Eisenbahn auch gestern fortgesetzt worden. Aller anderweiten Angaben ungeachtet, ist man zu der Annahme berechtigt, daß bei dem Bundesrath die Besetzung einer Austrägal=Instanz zur Feststellung der juristischen Seite der Frage beschlossen werden wird.

* Der vormalige Legationssekretär Frhr. v. Les in Paris wurde heute vom Stadtgericht wegen dreier Artikel in der Reichsglocke, deren Autorschaft ihm nachgewiesen wurde, zu einjährigem Gefängniß verurtheilt. In dem näm­lichen Preßbeleidigungsprozeß, worin Lo# verurtheilt wurde, erkannte das Gericht auf fünfjähriges Gefängniß gegen den Redakteur Gehlsen und dreimonatliches Gefängniß gegen den früheren Legationsrath Grafen Hermann Arnim.

* Eine Berliner Correspondenz derHamburger Nach­richten berichtet:Fürst Bismarck erklärte schon vor der Abstimmung im Bundesrath Jedem, der es hören wollte, daß er sich als deutscher Reichskanzler in der Frage des Sitzes des Reichsgerichtes neutral halte und keinerlei Drr

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Einer Nacht Geheimniß.

Dem amerikanischen Originale der Mrs. Agnes Fleming nacherzählt von Lina Freifrau von Berlepsch. (Fortsetzung.)

Also dort bringst Du Deine Zeit hin? weißt Du wohl, daß mir Dein öfteres Verschwinden bedeutsam schien und mich ernstlich bennruhigte?

Wie unnöthig! warum fragtest Du nicht, ich hätte Dir's mit Bergnügen gesagt.

1 Sie schwiegen. Bella fuhr fort, die Haarfrisuren zu fiudiren. iRicht wahr, Onkel Grif drachte Dich mit Deiner zerrisse­nen Spitze zu ihnen?

Iich wußte, daß sie für Geld arbeiteten, aber ich vermu­thete, sie seien Kleidermacherinnen. Was sind es für Leute? Wenn ich je Damen gesehen, sind sie eo. Leute von Bildung?

(Zrseht sch

Sie wohnen aber in höchst unangenehmer Nachbarschaft. Die Straße ist von undemittelten Leuten bewohnt, wenn Du diesen Umstand für unangenehm hältst, hast Du Recht.

Ludwig ist natürlich immer zu Hause, wenn Du kommst.

Irene blickte von ihrer Arbeit auf.

Nr. Rolan begleitete mich am Abend meines ersten Ge­

suches nach Hause, weil Onkel Grif mich im Stiche ließ. Seit­dem traf ich ihn nie wieder im Hause seiner Mutter.

Nun, ich kenne nur Ludwig, er besuchte, durch Onkel Grif's Güte, dieselbe Schule wie Eugen, und wir spielten als Kinder öfter zusammen. In späteren Jahren schieden sich unsere Wege. Ich bezweisle nicht, daß Mr. Rolan sich mit der Zeit zu einem bedeutenden Mann entwickelt.

Irene zählte ihre Maschen.

Morgen beginnen die Verhandlungen in Sachen Herland, fuhr Bella fort,ich möchte gerne dabei sein.

So, Du möchtest gerne dabei sein? drummt Eugen und erhebt sich von seinem Sitz in einer entfernten Fensterecke,ihr Mädchen geht überall gern hin, wo ihr nichts zu thun habt. Bitte, dehalte Deine weisen Ansichten für Dich, dis ich Dich um dieselben ersuche. Ich möchte Mrs. Harland sehen und Nr. Roian hören. Es gehen viele Damen hin, warum nicht wir? Du solltest als artiger Bruder und Beiter und Karten besorgen.

Möchtes Du gehen, Irene?: frägt Engen.

Nein.

Aha! des jungen Mannes Stirn erhellt sich,dacht' ich's doch. Du magst gehen, Bella, Du dist groß und alt genug dazu, übrigens macht so etwas auf Männer keinen guten Eindruck und verdirdt Deine Aussichten.

Nr. Banderdonk würde sich nicht daran stoßen, wenn ich einer Schwurgerichtsverhandlung beiwohnte.

Nein, aber Mr. van Cudler, und in letzter Zeit schien Dir an seinem Wohlgefallen viel gelegen.

Welch' liebenswürdiges Wesen mein Bruder hat! rief Bella, als die Thüre sich hinter ihm schloß.

Bella ging nicht zu den Verhandlungen. Durch die Zeitun­gen erfuhr sie deren Verlauf und versolgte mit Interesse die Anklage des Staateanwaltes und das Plaidoyer des Beriheidi­gers. Mr. Nolau trat zum ersten Mal vor die Schranken der Oeffentlichkeit. Seine Rede war tief empfunden, haarscharf in der Beweisführung, ein Ausbruch leidenschaftlicher Beredisam­keit, der allen Anwesenden Sympathie für die Angeklagte ab­zwang. Man demitleidete das arme gekränkte Weid, das im Wahnsinn der Erregtheit eine That begangen, vor der sie bebend zurückschauderte. Dennoch lautete das Verdikt:Schuldig, und Mre. Harland wurde zu vier Jahren Gefängniß verurtheilt.

Die Angeklagte hörte das Urtheil mit steinerner Ruhe," erzählte Mre. Graham halbschluchzend, erfaßte Mr. Rolan'e Hand und küßte sie.Ich werde Sie nicht wieder sehen, sagte sie,denn ich werde die Zeit meiner Freilassung nicht erleben. So lange ich athme aber werde ich für Sie beten! Ich weinte zum Herzbrechen, fuhr Mrs. Graham fort und trocknete ause Neue die Augen,der Tod schaute der Aermsten aus den Augen, und Mr. Nolan's Aussehen war nicht viel besser als das ihre.

Am gleichen Abend erhielt Irene ein

Komme morgen Liede, ich bin an Leid und Seele krank. Laß mich Dein sonniges Gesichtchen sehen und Dir meinen Kummer klagen.

Clotilde.

Es war etwas Ungewöhnliches, Clotilde klagen zu hören, und den ganzen Abend, die ganze Nacht umschwebte Irene das bleiche Duldergesicht ihrer unglücklichen Freundin.

Unmitteldar nach dem Frühftück machte Irene sich auf den Weg und hatte balid das Haus der Wittwe erreicht. Die Haus­thüre war nur angelehnt, sie trat ein und gelangte undemerkt ins Besuchzimmer, dessen Laden geschlossen waren. Dämmer­dunkel erfüllte den Raum. Auf dem Sophe lag eine Gestalt.

Schlasen Sie, Nr. Rolan? fragte des junge Mädchen, ich bin's

Die Gestalt raffte sich auf, es war Ladwig.

Nr. Nolan! rief Irene erschrocken.

Sie hatte ihn etra vierzehn Tage lang nicht gesehen, und die Veränderung seiner Züge entsetzte sie förmlich. Hohläugig, dleich und ermüdet stand er vor ihr. Das konnte Mrs. Harlands Prozeß nicht verursacht haben.

Sind Sie krauk? fragte sie überrascht.

Das wohl nicht, entgeguete er mit matter Stimme,nur ein wenig aus dem Geleise.

Sie seden übel aus, und ich bedaure sehr, daß Ihre ge­wandte Vertheidigung nicht den gewünschten Erfolg fand.

Die Gerechtigkeit gehr ihren Wez. sprach er in derselben apatdischen Weise,Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben! Warum nicht ebenso gut in unseren Tagen, als zur Zeit des Moses? Sie haben ihr das Leben nicht minder genommen, als hätten sie die Arme zum Tode verurtheilt, es bleidt fortan nur eine Frage der Zeit. Doch gehen Sie hinauf zu Clotilde, liebes Fräulein, die Geschichte ist auch auf sie nicht ohne Ein­fluß geblieden.

Irene sand die Freundin im Krankenstuhle mit einem Er­banungsduch in der Hand.

Was fehlt Dir, Clotilde? fragte sie weich,hast Du mehr Schmerzen als gewöhnlich?

O wenn es nur das wäre! körperliche Pein ist leichter zu trager

Du hast geweint, Clotilde; warum?

Weil weil Ludwig uns verläßt.

Mit schlecht urterdrücktem Schluchzen lehnte Clotilde das Haupt an die Brust der Freundin.

Einen Augenblick herrschte tiefes Schweigen.

Der Entschluß kam rasch. sprach Irene kalt,hat das Verdikt seine Eigenliebe so gründlich verleye?

Das war es nicht allein, obgleich es dazu beigetragen ha­den mag. Er denkt schon seit einem Jahre daran.

Aber als Mr. Grahams Kollege scheinen mir seine Aus­sichten brillant; ist es nicht unklug, sie aufzugeben?

Er dält es nicht dafür, Mr. Graham auch nicht, und Ludwig wäre schon voriges Jahr gegangen, wäre ich nicht krank gewesen.

Und hält er Dich jetzt für gesund?

Rein; ader wenn er gehen muß, will ich ihn nicht auf­halten, so schwer mir auch der Abschied fakt.

Wohin gedenkt er zu gehen?

Nach Kalisornien. In Sakramento lebt einer seiner Freu## der als Advokat seiner Praxis nicht mehr nachkommen kann. hat oft und dringend an Ludwiz geschrieben, und diesem sei nichte, als Gelegenheit sich hervorzuthun.

Und wann wird er geben?

Anfangs März; er will dieser Tage seinem Freund schr bev. O Irene! Irene!

Sie legte den Arm um Irenens Hals und schluchzte## Schweigend hielt die Freundin sie umschlungen. Es bedur keiner Worte, um Clotilde zu versichern, daß ihr Schme Echo fand.

Irene blieb länger als gewöhnlich, ihre Gegenwart schie der Kranken wohl zu thun. Sie plauderten von Verschiedenen und Irene schilderte der Freundin die Neujahrebesuche, weld in Tante Helenens Hause bei verdunkelten Feustern und flau mendem Eas stattgefunden, die Karrikaturen der Modewelt, de Effekt des Champagner auf manchen Gast.

Clotilde lachte, und Ludwig, der mit Akten beschäfti war, fühlte seltsamen Schmerz, als Irenens Heiterkeit zu in drang

Zum zweiten Male begleitete Mr. Rolan Irene nach Hauf Es war eine feierliche Nacht. Das Mondlicht übergoß Erde mit Opalschimmer, die Luft war mild, die Straßen beleb die Magazine voll Glanz und Licht.

's ist wie ein Feeutraum, bemerkte Irene.

Eine Nacht, an die ich denken werde, entgeguete M Rolan,wenn mein Leben in Kalisornien im Schatten d# Vergangenheit verschwindet. Es kommt mir schwer an, mei Zelt niederzureißen und Mutter und Clotilde zu verlassen, abe abgesehen von anderen Beweggründen, hobe ich dert mei Aussicht.

Ihre Freunde werden Sie vermissen.

Alle? Ist das Ihr Ernst oder nur eine Schicklichkeit phries.... ehr Sepichg

Es ist mein Ernst, Mr. Nolan, wir werden Sie alle der missen.

Leises Beben in der Stimme.

Und ich die Lieben, die ich hier zurücklasse. Für den aber ist es kein Lehewohl, es ist nur gute Nachtl:

Gute Nacht!

Kreue eilt die Stufen des Hauses ihrer Tante hinaus u# die Thhre schließt sich hinter ihr. Ohne das Wohnzimmer beireten, begidt sie sich in ihr Schlafgemach. Ihr Herz is v#