4. Jahrgang.

Boun, Mittwoch den 1. December 1875.

Nr. 331.

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R. Die Errichtung gegenseitiger Hülfskassen.

Durch das Erscheinen des Fürsten Bismarck haben die letzten Debatten im Reichstage über die mit dem Reichshaushalts=Etat pro 1876 verbundenen neuen Steuervorlagen auch in weiteren Kreisen die Aufmerksamkeit wieder auf sich gezogen. Darüber ist eine frühere Vorlage, welche die sociale Frage auch auf die Tagesordnung des Reichstages gebracht hatte, mehr in den Hintergrund getreten. Unter dem 27. Octbr. legte der Reichs­kanzler zwei Gesetzentwürfe vor, den einen, die Abänderung des Titels VIII der Gewerbeordnung betreffend; den andern, der eines Gesetzes über die Organisation der gegenseitigen Hülfs­kassen. In Folge des Beschlusses vom 5. Novbr. d. J. wurde die ganze Vorlage einer Commission von 21 Mitgliedern über­

nationalliberale Presse hat anscheinend diesem Gegen­stande weniger Aufmerksamkeit geschenkt, sie scheut es, die sociale Frage eingehend zu besprechen, da sie sich auf die Dauer der Erkenntniß nicht verschließen kann, daß auf diesem Felde die gesetzgeberische Weisheit ihrer Partei sehr bedenkliche Resultate herbeigeführt hat. Gerade das durchgreifende Gesetz der Frei­zügigkeit und die Reichsgewerbeordnung fangen jetzt an, sich in ihren nachtheiligen Folgen fühlbar zu machen. Viele Städte müssen jährlich ihre Gemeindesteuer erhöhen, nur um die enormen Leistungen, welche die Armenpflege der unverhältnißmäßig schnell anwachsenden Bevölkerung erfordert, bestreiten zu können. In den großen Industrieplätzen unserer Provinz verschlingen die Armenbudgets fast die Hälfte der Einnahmen der Gemeinde. Wenn es für die Führer der nationalliberalen Partei unange­nehm ist, an diese Dinge erinnert zu werden, so gebietet es gerade die Pflicht der unabhängigen Presse, für diese Frage das öffentliche Interesse in erhöhtem Maße zu wecken und dem Volke immer mehr die Augen zu öffnen, das im Großen und Ganzen noch nicht annähernd genügend über die Wichtigkeit und weit­tragende Bedeutung der socialen Frage unterrichtet ist. Wir halten daher eine kurze Besprechung der angegebenen Gesetzes­vorlage für geboten.

Der erste Gesetzentwurfbeabsichtigt eine Abänderung des Titels VIII der Gewerbeordnung von 1869. Bei der Vorlage der jetzigen Reichsgewerbeordnung, die ursprünglich nur für das Gebiet des norddeutschen Bundes gegeben worden, war auch die Entwicklung des gewerblichen Hülfskassenwesens als eine Auf­gabe der Staats- und Gemeindeverwaltung aufgefaßt worden. Ihren Organen sollte die Einrichtung dieser Kassen vorbehalten werden, und zwar mit der Befugniß, die Arbeiter zum Eintritt in die von ihnen errichteten oder anerkannten Kassen anzuhalten. Bei der Erörterung im Reichstage traf diese Anschauung auf vielfachen Widerspruch. Um den Abschluß der Gewerbegesetz­gebung nicht länger aufzuhalten, wurde die grundsätzliche Regelung der Sache ausgesetzt, und in der Gewerbeordnung selbst nur eine vorläufige Bestimmung getroffen. Der Au­schauung des Entwurfs wurde dadurch Rechnung getragen, daß es in den einzelnen Bundesstaaten bei dem gelienden Landes­rechte verblieb, welches vieljach einen Versicherungszwang im Sinne des Entwurfes bereits eingeführt hatte.

Die abweichenden im Reichstage hervorgetretenenMeinungen fanden insofern Berücksichtigung, als die auf der Beitrittspflicht der Arbeiter begründeten und die auf freie Betheiligung ange­wiesenen Kassen gleichberechtigt neben einander gestellt wurden. Im§ 141 der Cewerbeordnung hat dieser Compromiß seinen Ausdruck gefunden.

Durch die gegenwärtige Vorlage soll nun die Errichtung der Zwangskafse auch in den Staaten herbeigeführt werden, wo sie bisheran nicht bestand, indem durch Orts=Statut der Gemeinde und durch die höhere Verwaltungsbehörde die Bildung der gegenseitigen Hülfsquellen angeordnet werden kann. Die Gleich­berechtigung der auf freier Vereinigung beruhenden Kassen soll nur in dem Falle zugelassen werden, wenn die Normativ=Be­stimmungen, welche den Inhalt des zweiten Gesetzes bilden, dabei berücksichtigt worden sind.

Für die einzelnen Bundesstaaten ist die Vorlage von sehr verschiedener Tragweite. In Preußen kann nach dem Gesetz vom 3. April 1854 Gesellen, Gehülfen, in Lohn stehenden Lehr­lingen und Fabrikarbeitern die Pflicht auferlegt werden, einer

00 Zwei Freunde.

Erzählung von M. Ludolff.

(Fortsetzung.)

Gewiß war es, daß die jugendliche Baronin wenig von den Tugenden besaß, die eine einfache deutsche Hausfrau zieren sollen; jedoch sie war auch niemals darauf hingewiesen worden, sich dieselben zu eigen zu machen. Ganz im großen Styl erzogen, gewöhni an eine Menge von Ansprüchen und Bedürfnissen, deren Befriedigung ausreichend in ihren Verhältnissen gelegen, fehlte ihr sowohl Begriff, wie Verständniß für die kleinen Fragen des täglichen Lebens, welche doch mit Geschick und Freude erledigt ein so wohlthuendes Behagen im häuslichen Kreis zu gestalten vermögen. Wie gesagt, jenes Geschick ging Johanna ab, indeß fehlte es ihr in den ersten Monden ihrer jungen Ehe nicht an gutem Willen, sich das Fehlende anzueignen, und hätte ihres Gatten Auge in und mit Liebe auf ihren Bemühungen und Versuchen, sein Heim angenehm zu machen, geruht, gar bald würde auch die Liebe als treue Lehrmeisterin die junge Frau Beständigkeit und Ausdauer gelehrt haben.

Dem aber war nicht so. Treuenberg sah bei all ihren Be­strebungen nur ihr Ungeschick, ihre gänzliche Unkenntniß für das Leben in kleinern Verhältnissen. Dies erfüllte ihn mit Unge­duld, die keineswegs gemildert wurde durch die immerwährenden Vergleiche, welche er in seinem Innern zog, indem er bedachte, wie Alles das sein würde, wenn eine Andere Johanna's Stelle einnehme.

Die junge Frau empfand schnell genug sein Mißbehagen, und nur allzubald warf sie sich mit dem Eifer ihrer achtzehn Jahre auf die geselligen Freuden; froh, dort wenigstens sicher zu sein, ihrem Felix einige Bewunderung abringen zu können. War dies nun auch Anfangs ihr leitendesMotiv, so gesellten sich doch rasch genug selbstsüchtigere dazu, Luxus, Vergnügen, Klei­Lerpracht und Huldigungen waren bald die Dinge, welche ihr Sinn und Herz erfüllten.

Ihr Gatte ließ sie vollständig darin gewähren, machte vor der Welt den galanten Ehemann und nahm nebenbei seine knglückliche Liebhaberei, des Hazardspiel, wieder auf, dem er in seiner Junggesellenzeit schon vielfach gehuldigt hatte.

Kranken=, Hülfs= oder Sterbekasse beizutreten, oder, wo eine solche nicht besteht, zu ihrer Errichtung sich zu vereinigen; außerdem können die Arbeitgeber zu Beiträgen herangezogen werden. Der Zweck der Kassen ist grundsätzlich auf die Ver­sicherung auf den Krankheits= oder Sterbefall nicht beschränkt. Thatsächlich ist indessen der Versicherungszwang nur zu Gunsten solcher Kassen geübt worden, welche die Bestreitung der mit der Krankenpflege und Beerdigung verbundenen Kosten ver­mitteln.

In Süddeutschland dagegen besteht kein Kassenzwang. In Bayern, wo den außerhalb ihrer Heimath in ständiger Arbeit stehenden Gesellen, Lehrlingen und Fabrikarbeitern die nöthige Krankenunterstützung von den Gemeinden gewährt werden muß, können letztere von den Arbeitern für die Dauer der Arbeit im Gemeindebezirke einen regelmäßigen Krankenkassenbeitrag erheben, Unternehmer von bedeutenden gewerblichen Anlagen können ver­pflichtet werden, an Stelle der Gemeinden ihren Arbeitern Krankenunterstützung zu gewähren und sind dann befugt, eine Krankenkasse zu bilden und für diese Beiträge von den Arbeitern zu erheben.

Die Zahl der auf den verschiedenen Grundlagen in's Leben gerufenen Hülfskassen ist eine sehr bedeutende, in Preußen waren am Schlusse des Jahres 1872 4690 Kranken= und Sterbekassen vorhanden, die Zahl ihrer Mitglieder betrug 724,898, die der Jahres=Ausgaben für Unterstützungszwecke mehr wie 5,593,300., der Kassenbestand wurde auf mehr als 8,461,300 M. ermittelt. Zu diesen Kassen, deren ganz überwiegender Theil dem Versicherungszwange die Entstehung und Fortent­wicklung verdankt, treten dann noch die Kassen des Verbandes der deutschen Gewerkvereine, deren Zahl im Jahre 1873 auf 315 mit 20,000 Mitgliedern, einer Jahres=Ausgabe von 138,000 M. und einen Kassenbestand von 90,000 M. geschätzt wurde.

Die Entwicklung der Hülfskassen läßt sich in Preußen un­zweifelhaft auf die Gesetzgebung von 1854 zurückführen, wäh­rend die Gewerbeordnung von 1845 und die Novelle vom Jahre 1849, welche den Versicherungszwang nur im beschränkten Um­fange kannte, von sehr geringem Erfolge begleitet worden sind. Obwohl die Kassen des Verbandes der deutschen Gewerkvereine mit besonderer Energie den Grundsatz der Selbsthülfe auf die­sem Gebiete vertreten, ist es ihnen bisheran doch nicht gelungen, eine im Verhältniß zu der Größe der betheiligten Arbeiterkreise ansehnliche Verbreitung zu erreichen.

Wenn trotz der großen Entwicklung des Hülfskassenwesens in Preußen, jetzt für das Reich eine Abänderung des Compro­misses des§ 141 der Gewerbeordnung und damit das Princip der Zwangskasse in Vorschlag gebracht wird, so wird die Haupt­anregung dazu wohl von den anderen verbündeten Regierungen ausgegangen sein. Für Preußen dürfte bei der neuen Vorlage wohl darin ein Interesse zu finden sein, daß die Durchführung der Normativbedingungen auch bei den aus freier Selbstbestim­mung gebildeten Kassen, die Gefahr, dadurch fremdartige und sogar gefährliche Zwecke zu verbinden, zu beseitigen im Stande sein wird. In den Motiven der Vorlage heißt es in dieser Be­

SseDung: 3. Ligher Li. Warhinbung uam Gaffekasfen mit

In wie weit bisher die Verbindung von Hülfskassen mit anderweitigen Organisationen zu übeln Folgen thatsächlich ge­führt hat, mag hier dahingestellt bleiben. Zweifellos ist es, daß die Verbindung Folgen nach sich ziehen kann, deren möglichen Eintritt die Gesetzgebung nicht außer Betracht lassen darf. Ver­eine, deren politische, religiöse oder wirthschaftliche Tendenzen der Staat zu bekämpfen Veranlassung hat, würde dadurch auch der Weg geebnet, eine kräftige Organisation zu gewinnen und mittels dieser gegen die staatliche Ordnung erfolgreicher vorzu­gehen.

Es ist nicht schwer, hier zwischen den Zeilen zu lesen, daß die Entwicklung der socialdemokratischen Vereine auch die Aufmerk­samkeit der verbündeten Regierungen auf sich gelenkt hat. Wir constatiren dieses mit Befriedigung, weil wir schon vor längerer Zeit die Gefährlichkeit dieser Vereine erkannt haben.

Von diesem Gesichtspunkte aus hat die Gesetzesvorlage ein näheres und besonderes Interesse. Wichtig ist sie aber auch be­sonders deßhalb, weil die Berathung in der Commission und die darauf folgenden Discussionen im Reichstage selbst die sociale

So flossen ein und ein halbes Jahr hin, bis der Rittmeister sich plötzlich der Erkenntniß nicht mehr verschließen konnte, daß er auf demselben Punkte angelangt sei, als damals, wo ihm nur mehr eine reiche Braut den Ausweg aus seinen Verlegen­heiten zu bahnen vermochte. Mit trostloser Klarheit sah er nun die Richtigkeit der Sprüchwörter ein: daß auch der tiefste Brunnen auszuschöpfen ist, und daß eine an zwei Enden ange­zündete Kerze schnell vergeht; denn die reiche Mitgift seiner Frau, von der nach Abziehung seiner Schulden immerhin ein ansehnlicher Rest geblieben war, war nicht nur bereits ver­geudet, sondern er selbst fand sich noch dazu auf's Neue voll­ständig in des gefälligen Aron's Händen.

Von dieser Lage der Dinge erhielt Baron Windegg Wind, in Folge dessen es zwischen ihm und seinem Schwiegersohne zu hef­tigen Scenen kam, die damit endigten, daß der alte Baron sich erbot, die jungen Leute wieder flott zu machen und ihnen einen jährlichen Zuschuß zu geben, dafür aber die bestimmte Bedingung stellte, Treuenberg müsse nicht nur das Versprechen geben, das Spiel zu meiden, sondern habe auch sofort seine Versetzung nach einer kleinen Garnison zu betreiben, woselbst die Gatten das Leben in bescheidenem Style beginnen sollten.

Treuenberg war gerne auf dies Arrangement eingegangen, war ihm doch selbst im Grunde seines Herzens das Treiben der letzten Zeit zuwider. Zudem hatte die Aussicht auf ein anspruchloses Leben nichts Befremdliches für ihn, da seine erste Jugendzeit in höchst einfachen Verhältnissen verflossen war, die aber, um der sorglichen Liebe willen, mit welcher seine verständige Mutter sie auszuschmücken verstanden, ihm einen gar wohlthuenden Eindruck hinterlassen hatten. Dieser machte auch jetzt, nach Jahren, noch seine Rechte geltend und ließ dem Rittmeister den Wechsel nicht

so unangenehm erscheinen.

Anders war es mit der Baronin; innerlich widerstrebend, fügte sie sich nur in das Unabänderliche, ihr gänzlich Neue, das für ihren verwöhnten Sinn wenig Verlockendes bot, denn der gute Wille aus der ersten Zeit ihrer Ehe, der jetzt, wäre er anerkannt und ermuntert worden, goldene Früchte zu tragen vermocht hätte, war nun vollständig in dem Verlangen nach zerstreuender Unterhaltung untergegangen. Sich solche auch in ihrem neuen Wohnort möglichst viel zu verschaffen, erwies sich

Frage zum Gegenstande der Debatten machen und dabei die Gegensätze der verschiedenen Parteien in ein helles Licht stellen können. Schon bei der ersten Besprechung der in Vorschlag gebrachten neuen Reichssteuern hat Windthorst Gelegenheit ge­nommen, die gegenwärtige traurige Lage des Gewerbes und der Industrie im deutschen Reiche mit den gesetzgeberischen Schöpfun­gen der nationalliberalen Partei in Zusammenhang zu bringen. Wir haben schon bei der Lehrlingsfrage unsere Ansicht über die Reichsgewerbeordnung ausgesprochen.

Wir halten sie für vollständig verfehlt und dürften von dieser Anschauung aus auch die gegenwärtige Vorlage, welche einen theilweisen Ausbau der Gewerbeordnung intendirt, für nicht ge­boten erachten. Allein wir können uns noch nicht der Hoffnung hingeben, daß die bisheran maßgebenden Führer der national­liberalen Partei sich soweit in ihren Ansichten selbst zu corri­giren im Stande sein werden, um einzusehen, daß auf dem bis­herigen Wege keine Gewerbeordnung, sondern nur Unordnung in allen gewerblichen Verhältnissen, ganz besonders aber Schwä­chung und Auflösung des Handwerkerstandes herbeigeführt wer­den. Einen Umschwung der systematisch irregeleiteten öffentlichen Meinung halten wir noch für zu schwierig, um von der nahen Zukunft eine lebensfähige schöpferische Gesetzesvorlage einer im ächten Sinne conservativen Gewerbeordnung zu erwarten. Wir werden daher noch eine geraume Zeit an den nachtheiligen Fol­gen der neuen Gesetze zu lernen haben, wenn sich das öffentliche Leben, Gesetzgebung und Regierung eines Landes nur innerhalb des Wirkungskreises des absoluten und liberalen Staaten­spstems bewegen..2 Li, uri,.=Jags in B.

Wir sehen daher die durch die neue Vorlage in Vorschlag ge­brachten Einrichtungen nur als etwas Vorübergehendes an, und können uns nur mit dieser Reserve und nur in Berücksichtigung der bestehenden Verhältnisse dafür aussprechen. Die Wichtigkeit und der große Nutzen der Hülfskassen für die Gemeinde ist wohl nicht zu bestreiten, auch sind wir der Ansicht, daß deren Ent­wicklung und Förderung wesentlich nur durch Kassenzwang her­beigeführt werden kann. Ist es ja nahe liegend, daß die jugend­lichen Handwerker und Fabrikarbeiter, denen ihr Recht auf Armenunterstützung gegenüber den Gemeinden wohl bekannt ist, der Regel nach nur gezwungen dazu übergehen werden, den größeren Theil der Armenlast auf sich zu nehmen. In Folge der neuen Gesetzgebung existirt in dieser wichtigen Schichte der bürgerlichen Gesellschaft zu wenig corperatives Leben, um von einer Initiative viel hoffen zu dürfen. Minder empfehlenswerth erscheint die Befugniß der höheren Verwaltungsbehörden, im Falle des Nichtvorgehens der Gemeinden Hülfskassen errichten zu dürfen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß diese Bestimmung fallen wird; ebenso sind die von dem Reichstagsabgeordneten Bebel erhobenen Bedenken wegen möglicher Verluste der Arbei­ter bei unfreiwilligem Austritte in so fern nicht, als die Carenz von 13 Wochen die Moglichkeit nicht ausschließt, daß ein Arbeiter vieles bezahlt habe und doch vorübergehend der Unterstützung verlustig gehe. 8iuut Musastrache

Ob der Reichskanzler selbst eine bestimmt ausgesprochene Stellung zu der neuen Vorlage nehmen wird, müssen wir er­leben, wir wünschen aber, daß er dieser schwierigen Frage eine noch größere Vertiefung schenken möge, als den von ihm em­pfohlenen Steuervorlagen, für deren Vertretung der Fürst Bis­marck nicht mit dem gewohnten Nachdrucke und durchschlagendem Erfolge, vielleicht nicht ohne Absicht, das Wort genommen hat. Auch von dieser neuen gesetzgeberischen Schöpfung können wir uns für die Hebung der gewerblichen Verhältnisse und nament­lich des Handwerkerstandes keine durchgreifenden Erfolge ver­sprechen. Die socialen Uebel sind unserer Meinung nach gründ­lich nur durch den lebendigen stets fruchtbaren Geist des Chri­stenthums zu heilen, so lange dieser nicht wieder das deutsche Volk und seine Vertreter belebt und mit neuen Anschauungen erfüllt, glauben wir an keine Besserung. Wir halten auch heute noch an dem Worte fest, das vor 20 Jahren dieRhein. Volks­blätter gesprochei# isch mohr 1. m. k.

Nun bleibt das unumstößlich wahr, je mehr Christenthum, um so weniger Elend, denn das Elend ist nur da, weil die Menschen nicht bessere Christen sind.

als Johanna's eifrigstes Bestreben, welches nun oft genug mit demjenigen ihres Gatten, der es entschieden ernster mit Aenderung ihrer Lebensweise meinte, in Collision geriet,h was dann gar bald zu Scenen, wie die geschilderte führte. Daß diese nicht beitrugen, das Einvernehmen zwischen den Gatten zu erhöhen, ergibt sich von selbst; dennoch war es bis zu so rücksichtslosen Worten, wie heute gesprochen worden, noch nicht gekommen.

Die junge Frau in dem stillen Gemach war sich dessen auch bewußt, sie fühlte es, zu weit gegangen zu sein, und eine unbe­stimmte Furcht vor den Folgen beängstigte sie, während sie still vor sich hin schluchzte. Sie hörte es kaum, daß sich vorsichtig die Thür öffnete, und das Kammermädchen eintrat, ein so eben gekommenes Billet meldend.

Erschreckt fuhr Johanna aus den Kissen in die Höhe, sich hastig mit dem feinen Batisttuche über die Augen fahrend, ehe sie sich der Eingetretenen zuwandte, um deren weitere Frage: ob die gnädige Frau sofort Licht wünsche, zu bejahen.

Das duftende Billet enthielt nur wenige Zeilen, eine freund­liche Aufforderung von der Gräfin Valery, welche die Baronin ersuchte, falls dieselbe für den Abend keine bessere Verwendung habe, diesen bei ihr ganz en famille zuzubringen.Nur Nahe­stehende, darunter auch Dein Spielgefährte aus der Kindheit, mein Nefse Edmund, wirst Du finden, und Dich mit uns an dessen trefflichen Schilderungen erfreuen, die er von seinen interessanten Reisen zu geben weiß. Vielleich reizt diese Aussicht auch Deinen Gatten, und sollte es mich freuen, wenn er seinen Club opfern will, um Dich zu uns zu begleiten. Mit jenen Worten schloß der Brief, und Johanna hatte ihn kaum gelesen, als auch sofort ihre Gedanken von den soeben gepflogenen Be­trachtungen abgezogen, einen neuen Ideengang verfolgten. Nicht ohne Lebhaftigkeit wandte sie sich an die Dienerin mit der Frage, ob Treuenberg bereits zu dem Officier=Club gegangen sei? und als ihr darauf eine bejahende Antwort geworden, fügte sie nach kurzem Befinnen hinzu:Schnell Lisette, ordne meine blaue Toilette, nebst dem Perlenschmuck, und sage Johann, daß er für um Sieben einen Wagen besorge. Ich werde zur Frau Gräfin v. Valery fahren.

(Fortsetzung folgt.)