Nr. 272
6. Jahrgang.
Bonn, Freitag den 5. October 1877.
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Organ für das Katholische deutsche
Die Deutsche Reichs=Zeitung erscheint täglich, an den Wochentagen Abends, an Sonn= und Festtagen Morgens. Insertionsgebühren für die Petitzeile oder deren Raum 15 RPfennig.
* Das katholische Volk und der Culturkampf.
Eine oft gehörte Frage unter den gegenwärtigen Verhältnissen g es bei den Katholiken, ob der Culturtampf bald aufhören, wie der gewöhnliche Mann sich auszudrücken pflegt, obs hald besser wird. Es ist das ein Zeichen, daß man Sehnsucht hat nach dem Frieden, und gewiß mit großer Freude würde van Bischöfe in die Dome und Pfarrer in die verwaiseten Kir
den wieder einziehen sehen; aber eben so gewiß ist es, daß die atholische Bevölkerung die Herstellung geordneter kirchlicher Zu
nände nicht um den Preis katholischer Grundsätze erkaufen will: se ist entschlossen lieber noch länger und noch stärker zu leiden, als auch nur einen katholischen Grundsatz, nur ein katholisches Recht daran zu geben.
as ist das eine bewundernswerthe Haltung des katholischen Volkes, ein Haltung, wie unsere Gegner weder in der Regierung, noch in den Parlamenten, noch im Lande sie erwartet haben. Man hat durch ein Gesetz den Gemeinden das Recht gegeben, sich einen Geistlichen zu wählen, und die Gemeinden wollen lieber auch ferner des Geistlichen entbehren und unter großen Beschwerden die Kirche eines Nachbarortes aufsuchen, als einen Geistlichen haben, der ohne die kirchliche Sendung ist.
es ist interessant, was bald nach Eröffnung des Cultur#kampfs die„Nordd. Allgem. Ztg.“ schrieb, von der man damals wohl noch mehr als heute annehmen durfte, daß sie die in den Regierungskreisen herrschenden Ansichten aussprach. Sie schrieb #im August des Jahres 1873 also:„In nicht vielen Jahren #werden in Folge des Ungehorsams der Bischöfe und des energilschen Vorgehens der Regierung zahlreiche katholische Gemeinden Pohne Seelsorge sein. Das Volk muß Priester haben nund wird sie schließlich vom Bischof Reinkens #rbitten, und der sendet mit Genehmigung des Staates Känner seines Geistes, die in dem bestehenden Leinberge der deutschen Kirche nach seinem Einne wirken und arbeiten, mit einem Worte geformiren werden.“
Man kann unserer Regierung das Zeugniß nicht versagen, daß e recht energisch vorgegangen ist. Auch ist in der That die Vormssage erfüllt, daß zahlreiche katholische Gemeinden ohne Pfar
zum Theil ohne Geistlichen sind. Die Gemeinden empfinnes schwer, daß sie der Seelsorge entbehren müssen; aber as man nach der„Nordd. Allg. Ztg. in Regierungskreisen von n Gemeinden erwartet hat, ist bis jetzt auch nicht bei einer inzigen wahr geworden: das katholische Volk will keine Priester von Reinkens, keine Männer seines Geistes, die nach seinem Einne in der katholischen Kirche arbeiten und wirken, es will berhaupt in seiner Kirche keine Reformen.
Es ist von Wichtigkeit, immer und immer wieder sich zu verreenwärtigen, was man auf Seiten unserer Gegner von den such Keinkens gesandten Priestern sich versprochen und erwar# hit.„Nach langer mühevoller Arbeit, so schrieb damals as officiöse Blatt, werden alle religiösen Fanatiker, alle varlandslosen und vaterlandsfeindlichen Römlinge verdrängt und surch deutsche Priester ersetzt sein, und dann werden unsere kinder und Enkel ihren evangelischen Brüdern die Hand zum Fruderbunde, zur deutschen Kirche ohne Dogmenwang und ohne Formelkram reichen, das weise Wal
#n der Vorsehung erkennen und in stiller Anbetung loben und reisen.“ Das heißt mit anderen Worten: Los von Rom! leutsche Nationalkirche! Kirche ohne GlaubenLsätze, ohne Ceresonien! eine Kirche ohne Meßopfer und sonstigen Gottesdienst, welcher Katholiken und Protestanten, brüderlich vereint, die kersehung in lautlosem Gebete loben und preisen! Dahin sollte Reinkens mit den Priestern seines Geistes bringen, nicht aar in rascher Arbeit; aber unsere Kinder und unsere Enkel #nigstens sollten des Glückes theilhaftig werden, in einer sol
#in deutschen Kirche sich brüderlich die Hand zu reichen. Daß ser Volk solche Reformen nicht will, das hat es in den vier Fahren hinlänglich gezeigt, und wohl Niemand in dem Lager Aserer Feinde macht sich noch die Illusion, daß man mit den Rännern vom Geiste des altkatholischen Reinkens ein solches kiel erreichen wird. Der große Kampf ist damit entschieden zu Bunsten der Katholiken, und mag er noch einige Jahre sich inziehen: der schließliche Ausgang steht jetzt schon fest, und dichts mehr läßt sich daran ändern. Der Dank aber und der Ruhm dafür gebührt dem treuen katholischen Volke unserer rss, welches seinem Glauben so bewundernswerthe Treue
Man hat den Versuch gemacht, dem katholischen Volke diesen # zu schmälern: namentlich haben die Männer aus dem eige des Herrn v. Sybel behaupten wollen, das kathol. Volk
folge blindlings seinen Geistlichen, lasse durch die Kapläne sich leiten. Wenn das so wäre, warum hat es dann sofort in den ersten Jahren sich von den Geistlichen abgewandt, die altkathol. Sympathien verdächtigt waren? warum waren diese Geistlichen nicht im Stande, das Volk in solcher Weise zu leiten? Näher als die altkatholischen Geistlichen stehen dem Volke jedenfalls die sogen. Staatspfarrer: sie unterwerfen sich den Gesetzen, die der preußische Staat in den letzteren Jahren gegen die kathol. Kirche gegeben hat, und treten in ein kirchliches Amt ein ohne die Sendung des Bischofs, bekennen sich aber zu den Lehrentscheidungen des Vatikanischen Concils: dennoch sind sie ohne Einfluß auf das Volk, welches ihren Gottesdienst meidet und kirchliche Handlungen sich durch sie nicht verrichten läßt. Ja, selbst Geistliche in einem kirchlich übertragenen Amte verlieren ihren Einfluß auf ihre Gemeinde, wenn von ihnen bekannt wird, daß sie, auch ohne ausdrücklich die Maigesetze anerkannt zu haben, das Staatsgehalt fortbeziehen: warum läßt sich das Volk durch diese nicht leiten, wenn es überhaupt so unselbständig ist, wie die liberalen Herren sagen wollen? Das Volk weiß zwischen Geistlichen und Geistlichen zu unterscheiden, es folgt denen, welche treu zu den Bischöfen und zum Papste halten, und kehrt denen den Rücken, die anders thun, und läßt selbst durch allerlei polizeiliche Maßregeln sich nicht bestimmen, in irgend welcher Weise ein Anerkenntniß des Staatspfarrers zu geben.
Man hat in Betreff des katholischen Volkes sich ganz gewaltig verrechnet. Döllinger in München behauptete, Tausende unter den katholischen Geistlichen dächten wie er: die Zahl derer, die in Wirklichkeit so dachten, war eine verschwindend geringe. Schulte in Bonn, welcher in auffallender Weise weder im Frühling an den Synodalverhandlungen in Bonn, noch jetzt an dem Congreß in Mainz theilgenommen, gab dem Cultusminister Falk die Versicherung, Bischöfe und Geistliche würden sich schon fügen, wenn man ihnen ihr Staatsgehalt sperrte: die Sperrung ist durch ein besonderes Gesetz über Bischöfe und Geistliche verhängt worden, und sehr wenige Priester haben sich durch dasselbe von der rechten Linie abdrängen lassen. In Betreff des katholischen Volkes glaubte man, ganze Gemeinden würden sich den Neuerungen zuwenden, wenn man ihren Geistlichen gewänne: keine Gemeinde, auch nicht mal bei irgend einer Gemeinde die Mehrheit oder irgend eine bedeutendere Anzahl von Gemeindegliedern hat sich durch ihren dem Staate sich zuwendenden Geistlichen verleiten lassen. So haben sich Döllinger und Schulte getäuscht, so haben sich unsere Liberalen getäuscht, getäuscht in den Bischöfen, in den Priestern, in dem Volke.
Das kath. Volk hat erkannt, daß die Liberalen es abgesehen hatten auf eine Losreißung von Rom, auf eine deutsche Nationalkirche, in die zunächst die preußischen Katholiken hineingetrieben werden sollten, auf eine Verprotestantirung der kathol. Kirche. Daher sein fester und entschiedener Widerstand, der bis jetzt siegreich gewesen ist und ohne Zweifel auch siegreich bleiben wird.
Teutschland.
* Berlin, 3. October. Der königliche Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten erkannte heute nach dreistündiger Verhandlung auf Amtsentlassung des Succursalpfarrers Classen zu Trier.
In Bezug auf den Culturkampf schrieb, wie wir bereits kurz erwähnten, dieser Tage die„Nordd. Allg. Ztg.“:
„Die zweideutigen Elemente, welche sich bei der dem Staate aufgedrängten Aufgabe, sein Grenzgebiet gegenüber den hierarchischen Anmaßungen durch die Gesetzgebung sicher zu stellen, betheiligten, um unter der Firma„Culturkampf“ die Religiofität selbst anzugreifen, haben jetzt selbst auf liberaler Seite ernstliche Bedenken nicht bloß hervorgerufen, sondern auch zum Ausdruck gebracht, nachdem von conservativer Seite schon längst gegen die Culturpauker entschieden Protest eingelegt worden ist.“
Wer sind nun die„Culturpauker“? Sind es die Wehrenpfennig, Jung, Lasker, Blum? Sind„Nationallib. Correspondenz', „Nationalztg.“ u. s. w. die„zweideutigen Elemente"? Es wäre gut, wenn die„Nordd. Allg. Ztg. dies beantworten wollte. Was uns anbetrifft, so haben wir im Laufe des Culturkampfes keinen größeren Culturpauker kennen gelernt, als grade die „Nordd. Allg. Ztg.. Das muß ihr selbst der Neid lassen. Dasselbe Blatt schreibt in demnselben Artikel:
„Aber es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen dem Bedauern über die Opfer, welche der kirchen=politische, wie jeder andere Kampf erfordert, und der Verdammung dieses Kampfes selbst. Wir haben die Nothwendigkeit desselben stets anerkannt und die Wirkungen bedauert, aber wegen derselben die Hierarchie verantwortlich gemacht, in deren Hand es gegeben ist, den confessionellen Frieden herzustellen, indem sie durch Unterwerfung unter die Obrigkeit und unter das Gesetz der katholischen Bevölkerung die volle Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse wiedergiebt. Nur unter dieser Voraussetzung der Unterwersung unter das Gesetz ist auf conservativer Seite das Wort„Revision“ ausgesprochen
7 Herr und Reitknecht.
Novelle von z. 2.
(Fortsetzung.)
kun, dem könnte man schon abhelfen, ich würde aus der Stadt is6z, 5a 13lechrer holen, der wohl im Stande sein könnte, Sie das eie saa drei Wochen noch zu lehren.“
##e lachelte.
* roch will mir's überlegen,“ sagte sie nachdenklich,„doch was soll ich
Darz sch Sconen.. u ich mag nicht gehen!“
Ja sprich; einen Vorschlag machen, Gräsin““
rsisen Sie uns unser Spiel wieder aufnehmen und unsere Partie Eimen.,"ere Figuren stehen ziemlich gleich. Gewinne ich, so ##.# di die Einladung an, gewinnen Sie, so bleiben Sie zu
# lächelte wieder.„Gut, ich gehe darauf ein, doch ich setze noch k birg gzung Ich gehe nur auf den Ball, wenn Du mich beglei
geht doch nicht, was würde Frau von Wesse
und traß zuin rsetzte er, während seine Wangen sich leise röthe
# ausenchteten:u ablehnenden Worte seine schonen blauen Augen
Uird,„wicd sch brein g. eusegnete die funge Gröfin, die Achseln hun ist, mich bei g sugen müssen, wenn es ihr wirklich darum über ich fr— dei sich zu sehen.
„Run, sa kseipt sie wird auf diese Bedingung nicht eingehen.“
sieden, laß ung i0 auch hier. Uebrigens ist ja noch nichts entAlso geminng zunse Partie beenden und das Resultat abwarten. Piunst Du, so much ch a u... die Einladung nicht anzunehmen, Arfsinn aufbieten“; gehen. Wohl, ich werde meinen ganzen Sie Gröfin.: 2ich matt zu setzen. Wer ist im Zugek“
uig Schach: ne me ich Deinen schwarzen Läufer und biete Deinem
nichts! Hien“,Du deckst ihn mit der Königin, aber das hilft #ie.: rut ziehe ich den Springer, hüte Deine Königin—
fishn, Jchre Ei.g Die haben die Gefahr übersehen, die Ihnen droht, Siegesgewißheit war zu früh. Der weiße Läufer ist
mir noch geblieben, schaun Sie her, Gräfin, Schach und gardez zugleich.— Sie wollen den Thurm vorschieben, es geht nicht— es bleibt Ihnen nur noch ein
„Ja, dieser Bauer wird mir aushelfen, da sieht man, wie die kleinen Leuten den Großen oft von Nutzen sein können.“
„Ganz recht, aber dieß war auch die letzte Hülfe— noch einmal, Schach— Schach und— matt.— Sie haben die Partie verloren. Ich bin Sieger geblieben und Sie werden den Ball der Frau von Wesselenyi besuchen.“
„Du kennst die Bedingung, die ich stellte, und ich werde unerschütterlich daran festhalten.— Gib mir Papier und Tinte, ich werde der Gräfin schreiben— packe die Figuren noch nicht zusammen, ich behalte mir vor, nachher noch Revanche an Dir zu nehmen.“
Frau von Wesselenyi war über Irma's Brief und dem darin ausgesprochenen Entschluß, daß sie die Einladung nur annehmen werde, wenn ihr gestattet sein würde, in Franzen's Begleitung zu erscheinen, nicht wenig aufgebracht. Sie machte sich nichtsdestoweniger am nächsten Tage selbst auf, um nach Szent=Disda zu fahren und dem naiven Kind auseinanderzusetzen, daß ihre Forderung eine ganz unerfüllbare sei. Es war gerade jetzt ein abscheulicher Weg, denn ein warmer Südwind hatte die in den letzten Wochen gefallenen Schneemassen geschmolzen und die Landstraßen waren in einem bodenlosen, fast unpassirbaren Zustand. Trotzdem ließ Frau von Wesselenyi anspannen, um nach der abgelegenen Pußta zu fahren.
Doch alle Bitten und alles Zureden der alten Dame blieben an dem starren Sinn der jungen Gräfin wirkungslos, und endlich gab sogar Frau von Wesselenyi nach, denn sie hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, Irma in die Gesellschaft einzuführen und sich ihrer mütterlich anzunehmen. Vielleicht daß es ihren Bemühungen zuletzt doch noch gelang, die kleine Wilde zu civilisiren und zu einer umgänglichen, geselligen, jungen Dame umzuwandeln.
„Aber,“ sagte die alte Gräfin nachdenklich und noch immer ein wenig schmollend,„wie soll ich denn Deinen sonderbaren Cavalier meinen übrigen Gästen vorstellen? Ich kann ihn doch unmöglich als Deinen Reitknecht, den Franzl, bezeichnen!“
„Er wird wohl noch einen zweiten Namen haben," versetzte Irma lächelnd.
„Lieber Himmel, Kind, Du wirst doch nicht verlangen, daß ich ihn unter seinem bürgerlichen Namen in meinen exquisiten Zirkel einführe. Wir müssen dem Mann einen Namen von gutem Klang und Adel
worden, und wir meinen, gleichzeitig im Interesse des Staates wie der Kirche.“
Dazu gibt der„Reichsbote“ einen langen Commentar. Voraus ; schicken wir, daß der„Reichsbote protestantisch=conservativ, fana;<space> t i s c h e r<space> F e i n d<space> d e r<space> k a t h o l i s c h e n<space> K i r c h e<space> i s t<space> u n d<space> e i n e<space> R e v i s i o n<space> o d e r<space>
gen Purgation der Maigsetze nur von alen senen Besimmung#n fordert, die der protestantischen Kirche nachtheilig sind. Las Blatt schreibt:
„Man hat auf conservativer Seite sich nie einer neuen Grenzregulirung zwischen Staat und Kirche widersetzt, aber an dem jetzigen sogenannten„Culturkampfe“ hat man nicht bloß die„Opfer“ des Kampfes bedauert, sondern auch die Waffen, d. h. Gesetze, mit welchen derselbe eingeleitet und weitergeführt wurde, insbesondere daß dieselben immer auch zugleich über die evangelische Kirche verhängt wurden, die dem Staate doch keinen Widerstand entgegensetzte und deshalb auch von diesen„Waffen“ schwerer betroffen werden mußte, als der mit Schwert und Panzer bewaffnete Gegner. Man hat ferner bedauert und mißbilligt, daß die katholischen Bischöfe ihre Widersprüche gegen alle Kirchengesetze gleicher Weise richteten und dadurch viel dazu beitrugen, daß die Sache zu einer Machtfrage zwischen dem Staate und der katholischen Kirche wurde, wodurch die Sache immer verbitterter wurde. Allein auf deutschrconservativer Seite ist das Wort„Revision der Kirchengesetze“ immer so aufgefaßt worden, daß die Kirchengesetze wirklich in gar manchen Punkten die Selbstständigkeit der Kirche auch in ihren berechtigten und zur Erfüllung ihrer Aufgaben nothwendigen Grenzen, und dadurch auch das kirchliche Leben selbst zu schädigen geeignet seien, und daß deshalb aus rein sachlichen Gründen, um der schädlichen und falschen liberalen Grundsätze willen, welche in diesen Gesetzen vielfach zum Ausdruck gekommen sind, eine„Revision" nothwendig sei. Man hat dabei gar nicht bloß an die katholische, sondern vorzugsweise an die evangelische Kirche gedacht. Man hat die Revision der Maigesetze nicht anders angesehen, als die Revision z. B. der Wirth= schaftsgesetze. Davon, daß die Bischöfe vorher ausnahmslos den Maigesetzen unterworfen haben müßten, ehe von Revision der Kirchengesetze die Rede sein könne, ist in dem Programm der Deutsch=Conservativen nichts gesagt. Wenn der Staat von seinem erhabenen Standpunkt des Rechts und der Wahrheit die Revision der Kirchengesetze vornähme, so würde das auch praktisch das wirksamste Mittel zur Bekämpfung der Gegner sein. Eine gute Revisionsvorlage der Kirchengesetze würde sicherlich mit einem Schlage die Einheitlichkeit des Wider standes im ultramontanen Lager, namentlich im Centrum des Land= und Reichstages, zerbrechen und die starren Römlinge isoliren.“
So der schlaue protestantische„Reichsbote“. Er vergißt nur, daß es unter uns, nachdem auch der hochw. Bischof Conrad sein Urtheil in dieser Sache bestimmt abgegeben hat, zu einem Zwiespalt über unsere Stellung zu den Maigesetzen nicht mehr kommen kann. Denn selbst abgesehen von der principiellen Frage im Culturkampf, die nie und nimmer durch Ausgleich und Compromiß gelöst werden kann, sondern die eine völlige Vernichtung der gegnerischen Ansicht verlangt, werden wir, nachdem wir schon so viel erduldet und so große materielle Verluste erlitten haben, auch in solchen Punkten keine Concessionen mehr machen, wozu vielleicht die Bischöfe bei Beginn des Culturkampfes, um Schlimmeres zu verhüten, geneigt gewesen wären. Uebrigens zeigen die Erfahrungen, die die katholische Kirche in Baiern neuerdings macht, daß die Katholiken nur gut thun, wenn sie darauf bestehen, daß die Staatsbureaukratie ihre Finger vollständig von der Kirche fern halte. Wir können also auf den Artikel der„Nordd. Allg. Ztg. nur antworten: Lassen wir die Karre einfach laufen wenn man noch immer keine Umkehr will. Haben wir soviel verschmerzen müssen, da werden wir auch das Kommende noch ertragen können. Nur keine Inconsequenz!
Die„Allg. Ev.=Luth. Kirchenztg.“ sagt in einem Leitartikel über die Canossafeier:
„Angesichts der Canossafeier selbst und der an sie angeschlossenen Betrachtungen der„Nordd. Allg. Ztg.“, welche ja doch mehr oder weniger nur ein Symptom für die in maßgebenden Kreisen herrschenden Anschauungen find, kommt man immer wieder zu dem Resultat, daß man zwar nach einem Wege sucht, wie man mit Ehren aus dem Culturkampf herauskommen könnte, aber, weil man einen solchen Weg bisher noch nicht sieht, dem Liberalismus in seinen Bestrebungen noch fort und fort freie Hand läßt. Auch ist unserer Meinung nach, so lange das Cultusministerium in den jetzigen Händen bleibt, eine Hoffnung auf Beendigung des Culturkampfs ungerechtfertigt, wie das auch der Liberalismus ganz richtig erkannt hat. Hat man mit Recht die Culturkampfaera als die Aera Falk bezeichnet, so folgt ganz consequent, daß erst, wenn dieser Name aus den leitenden Kreisen verschwindet, eine Beendigung des Culturkampfes zu hoffen steht. Bleibt dieser Name, so mag wohl wie jüngst nach des Kaisers Worten einmal eine Pause in der Hetzerei der vulgären Tagespresse eintreten, aber bei dem geringsten Anlaß, wie jetzt bei der Canossafeier, bricht dieselbe mit unverminderter Stärke wieder hervor. Eine bedeutsame Illustration zu dem Culturkampfpunkt in der Canossafeier und den wahren Erfolgen in diesem Kampfe bietet übrigens die Thatsache, daß unterhalb desselben Burgberges, auf welchem die Canossasäule steht, ein Missionshaus der Katholiken sich befindet, das erst
beilegen, um ihn salonfähig zu machen. Apropos, hast Du nicht einen Csokonai zum Vetter?“
„Allerdings, Imre von Csokonai ist der Sohn von meines Vaters einziger Schwester. Ich erinnere mich, ihn als ein kleines Kind gesehen zu haben, doch ich glaube, er lebt schon seit vielen Jahren im Ausland und läßt nur selten etwas von sich hören.“
„Vortrefflich,“ rief Frau von Wesselenyi, über ihren eigenen, glücklichen Einfall erfreut,„so wird der Jokey als Herr von Csokonai auftreten und die Rolle Deines Cousins übernehmen. Ich hoffe doch, er wird sich anständig zu benehmen wissen und seiner Stellung keine Schande bereiten.“
„Darüber können Sie ruhig sein, Frau Gräfin, Franz versteht es, überall tactvoll aufzutreten und—“
„Schon gut, schon gut— hoffen wir das Beste. Aber nun eine zweite, nicht minder wichtige Frage, wie steht es mit Deiner Toilette?
— Wahrlich nicht zum Besten!— Es scheint mir, Du legst auf dergleichen Aeußerlichkeiten, die nun aber doch einmal zum Leben gehören, keinen großen Werth, sonst würdest Du den Riß am Ellbogen, den ich schon das letzte Mal bei meinem Hiersein bemerkte, wohl zusammengenäht haben und kein Kleid tragen, das—“
„Ach, das habe ich gar nicht gesehen,“ fiel ihr das junge Mädchen ein wenig beschämt in's Wort.
„Schlimm genug, wenn Du für solche Dinge keine Augen hast, nun, man muß eben Nachsicht mit Dir haben; ein wilder Baum veredelt sich nicht so schnell, und ich gebe die Hoffnung darum noch nicht auf.
— Ich glaube indessen, es wird das Beste sein, wenn ich Dir meine französische Kammerjungfer auf einige Tage schicke. Die versteht es aus dem Fundament, eine elegante Toilette graziös, kleidsam fashionabel herzurichten, ohne viel Stoff unnütz zu verschwenden. Sie ist dabei so flink bei der Arbeit, daß sie in überraschend kurzer Zeit einen Anzug anzufertigen vermag, der an reicher und schöner Ausstattung seines Gleichen nicht findet.“
„Sie sind sehr gütig, Frau Gräfin," erwiderte Irma,„aber ich denke, daß ich auch ohne Mademoiselle Ernestine fertig werden kann. Sie brauchen sie gewiß selbst jetzt sehr nöthig, und ich möchte nicht—“
„Unsinn, Kind, Unsinn, ich kann sie ganz gut auf kurze Zeit entbehren. Mach' Dir darüber keine Sorgen. Also, nun ist alles in Ordnung— wenn Du meiner sonst noch bedürfen solltest, so komme nur zu mir oder schicke mir ein paar Zeilen durch Michel. Und nun lebe wohl— ich bin heute etwas eilig."(Forts. folgt.)