6. Jahrgang.

Bonn, Freitag den 26. Januar 1877.

Nr. 23.

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Organ für das katholische deutsche

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Aus Ungarn.

In der ganzen Weltenordnung gibt es keinen Stillstand. Alle menschlichen Dinge, seien sie nun geistiger, physischer oder ma­terieller Natur, haben ihren Anfang, entwickeln sich, wachsen und finden ihre Reife, dann geht die Zeit auch über sie hinweg zur Tagesordnung über; sie waren, sind aber nicht mehr. Nur Gottes Werke, insbesondere seine heilige Kirche überdauern alle Geschlechter; ihr irdisches Ende ist der letzte Act der gött­lichen Allmacht. Diese Wahrheit findet ihre Bestätigung durch alle Jahrtausende und haben dieselbe auch die größten Empörungen der mächtigsten Völker nicht einen Augenblick stö­ren können.

Verzeihen Sie diese etwas philosophische Einleitung, aber un­willkürlich drängten sich mir diese Gedanken auf, als ich die großen Erfolge las, welche in Deutschland von den Socialdemo­kraten bei den letzten Wahlen errungen wurden und so den ver­logenenLiberalismus" belehrten, daß die von ihm gezeitigten Früchte ein ganz anderes Aussehen, einen gewaltig anderen Ge­schmack haben, als er erwartete und der Welt vorzudemonstriren bemüht war. Leicht begreiflich muß jeder ehrliche Beobachter den Schrecken der liberalen, gottentfremdeten Parlamentarier und Geldprotzen finden, denn eine millionenköpfige Hydra erhebt sich und streckt ihre kralligen Hände nach jenem Himmel aus, wel­chen die moderne Aufklärung einzig in dieses Leben verlegte und ausschließlich für den oft nur zu unredlich erworbenen Reich­thum reservirte. So hat derLiberalismus ohne Gott sein Reich begründen wollen und siehe da, aus seinem eigenen Schooße geht der Freund hervor, der ihn die Vergänglichkeit aller Menschenwerke lehrt.

Ueber die Tragweite dieses Sieges der Socialdemokratie in Deutschland scheint man aber noch gar nicht nachgedacht zu haben; und sie ist riefig. Ein wahrer Jubel durchdringt alle Staaten Europas und darüber hinaus über diesen uner­warteten Erfolg, denn dieInternationale" umfaßt sie alle und steht wohl organisirt fertig da, alle Ordnung, die der Libera­lismus geschaffen oder aus der Vergangenheit noch bestehen ge­lassen hat, über den Haufen zu rennen, d. h. gründlich zu zer­stören. Auch Ungarn erfreut sich eines erschreckenden Heeres derrothen Internationale, die hier, so wie überall von dem wilden Geiste der teuflischen Rache amCapital und am Pfaffenthum" durchdrungen ist. Möge aber ja Niemand glauben, daß dieser böse Geist im Verborgenen spukt; nein, offen, frei und unverkürzt wird er sowohl in öffentlichen Arbei­terversammlungen als in den Zeitungsorganen dieser grimmigen Feinde aller Religionen und alles Besitzes zum vollen Ausdruck gebracht. Eine Probe, der in Budapest wöchentlich einmal erscheinendenArbeiter=Wochen=Chronik Nro. 1 entnommen, möge dies bestätigen:

Zu Essek(Slavonien) ward vom Vororte derInternationale mit an­deren Vereinen eineChristbaumfeier abgehalten, bei welcher folgende Reden gehalten wurden: Ein gewisser Nicolajevic sprach vom gesellschaftlichen Character des ursprünglichen Christenthums, vom Kampfe der unverfälschten. kosmopolitischen chrinlichen Ideen gegen das ausbeu­terische römische Staatswesen, von dem unsühnbaren Verbrechen des ver­fälschten, volksverdummenden Christenthums und erklärte das heutzutage amtlich protocollirte Christenthum für impotent, künftighin noch irgend eine Rolle in der Geschichte der Menschheit spielen zu können. Ein anderer Redner Namens Wohlfarth knüpfte ebenfalls an das socialistisch geartete, nicht officielle Christenthum an, zeichnete mit markanten Zügen die Unthaten der=Pfaffen= und ging in seinen Auseinandersetzungen um einen guten Schritt weiter als der Vorredner, indem er die Entwicklung des socialistischen Gedankens von der Zeit Jesu,- dem er das egött­lichee benommen bis auf den heutigen Tag sehr treffend darstellte. Am gelungensten war seine Parallele zwischen dem reactionären Pfaffen­thum des Mittelalters und dem an seine Stelle getretenen Nationalitä­tenschwindel der Neuzeit, den er für die Nichtverwirklichung des sociali­stischen Gedankens verantwortlich macht.

So das eben citirte Blatt. Solche Reden und Grundsätze wer­den vor allem Volke und in einem Lande verbreitet, das katho­lisch, das christlich ist. Kümmert sich aber irgend Jemand da­rum? onein! Katholische Gesellen= und andere Vereine können nicht gedeihen, denn weder unser Episcopat noch der ungarische Cle­rus(leider ist die ehrenwerthe Ausnahme nicht groß) bringen ihnen Sympathieen und Unterstützung entgegen; sie werden ihrem Schicksale überlassen und verschwinden einer um den anderen, während sich das socialdemokratische Element gleichsam unter den Augen der Bischöfe und Seelsorger frech und frei ausbreitet,

I Die Tochter des Spielers.

Roman von M. Ludolff.

(Fortsetzung.)

VI.

Ueber'm Meer.

Die Fehler früher Jahre, physische wie sittliche

wirken auf die spätere Lebenszeit hinaus.

Feuchtersleben.

Etwa um dieselbe Zeit, da drüben über dem weiten, unermeßlichen Ocean Lady Arlingford sich um ihren durling ängstigte, saß in dem äußerst comfortabeln Gemache eines stattlichen Hauses zu New=York gleichfalls eine junge Mutter, ihr Kind, ein Töchterchen auf den Knieen wiegend. Das Zimmer, das die junge Frau bewohnte, war kaum weniger reich ausgestattet als das hohe Gemach in dem stolzen Schlosse zu Old=England; denn was dies an dem Glanze alterthüm­licher Pracht voraus hatte, wurde hier aufgewogen durch luxuriöse und zwar mit Geschmack verwendete Errungenschaften einer neuen

Zeit.

Nur die junge Dame selbst, die von all' diesen Herrlichkeiten um­geben wurde, war in ihrer äußern Erscheinung, wie in ihrem ganzen Wesen, von hoher Einfachheit, welche indeß ihrer Lieblichkeit nicht den mindesten Abbruch that, dieselbe eher erhöhte. Sie war jung und hübsch, und ohne Mühe ließen ihre unverändert freundlichen, gewin­nenden Gesichtszüge Mary Brenner wiedererkennen, die nunmehr in Mrs. Burko umgewandelt, eine gar glückliche Gattin und Mutter zu sein schien.

Sie schien dies nicht nur, sie war es in der That, vor einigen Jah­ren, alsbald nach Perey Grahams Abreise, hatte sie und Burko sich vermählt und lebten seitdem in reich gesegneten Verhältnissen. Entschieden lächelte Burko das Glück, denn aus ihm, dem heimath­losen, zur wilden Verzweiflung getriebenen Knaben, der Erlösung von seinem Elend in den Fluthen suchen gewollt, war nunmehr ein rei­cher, angesehener Mann geworden, der großes Vertrauen genoß, den die Welt ob seiner Intelligenz, seiner Thätigkeit, seiner Erfolge rühmte. Und mit stolzer Genugthuung blickte er selber auf jene Er­folge, auf den errungenen Reichthum, nur über die Art und Weise,

wie er denselben erworben, vermied er, sich Rechenschaft zu geben. Ihm war genug, daß er die reichen Mittel besaß, daß sie vorhanden waren, um vor allem Mary, seine traute Mary, mit allen Annehm­

vereinigt, organisirt und wie oben gezeigt sein teuflisches Unwesen mit geballter Faust weiter treibt; denn jede Versamm­lung dieser krächzenden Sturmvögel, jede Nummer ihrer Organe speit Feuer und Flammen gegen Staat, Kirche und Capital. Die beste Illustration der unbegreiflich blinden Gleichgültigkeit unserer katholischen Elemente liefert das in Preßburg jetzt als Wochenschrift erscheinendeRecht; es konnte sich als Tagblatt wegen Mangel an Theilnahme nicht erhalten. Das ein­zige katholisch=conservative Blatt in ganz Ungarn in deutscher Sprache fand trotz seiner ausgezeichneten Redaction und seines muthigen Einstehens für die heiligsten Interessen der Mensch­heit keinen Boden; dagegen sind manche Pfarrhäuser bekannt, wo der liberale Judenschund zur Schande für die treuen Ka­tholiken aufliegt.

Deutschland.

:: Berlin, 24. Jan. Daß die Katholiken im Wahlkreise Solingen für den socialdemokratischen Candidaten gestimmt und durch ihre Stimme diesem zum Siege verholfen haben, will un­seren Nationalliberalen gar nicht gefallen.Nun kommt Klar­heit über die ultramontane Partei, ruft die hiesigeTribüne: die geborenen Streiter für Thren und Alter unterstützen offen die Feinde aller Ordnung und Sitte, unterstützen die Vertheidi­ger der Pariser Commune, um eine Partei zu schädigen, welche an die Kirche keine andere Ahforderung stellt, als daß ihre Diener die Gesetze des Staates beobachten. Nicht weit von Solingen liegen die Schwesterstädte Elberfeld und Barmen, die gleichfalls eine engere Wahl zwischen einem Socialdemokraten und einem Herrn hatter, der wohl als Candidat der National­liberalen betrachtet werden darf. Haben da die Katholiken für den socialdemokratischen Candidaten Partei ergriffen? Es ist bekannt, daß die Katholiken als Partei bei der engeren Wahl sich gar nicht betheiligt haben) da sie ihre Gesinnung genügsam bei der Hauptwahl kundgegeben hatten; einzelne mögen auch in der engeren Wahl für Herrn Hasselmann gestimmt haben; die Mehrzahl aber von denen, die sich überhaupt an der engeren Wahl betheiligt haben, hat für den Gegencandidaten Hasselmanns, Herrn Prell, gestimmt und für diesen eben den Ausschlag gege­ben. Es ist das ein sprechender Beweis, daß es den Mitgliedern der Centrumspartei nicht darum zu thun ist, das Anwachsen der Socialdemokratie zu fordern, wie dieTribüne behauptet: es kommt eben darauf an, was für eine Persönlichkeit dem Socialdemokraten im Wahlkampfe gegenüber steht, ein Mann, von dem auch die Katholiken eine billige Beurtheilung ihrer Angelegenheiten glauben erwarten zu dürfen, oder ein Mann, der ihnen oft und längst schon gezeigt hat, daß er ihren Wün­schen nicht gerecht zu werden vermag. Hung die Stimme zu

geben, war für einen Katholiken geradezu unmöglich. Was sollten nun die Katholiken thun? Sich der Stimmabgabe ent­halten? In diesem Falle würde Jung gesiegt haben. Einem Jung aber einen Sitz im Reichstage zu verschaffen, dazu konnte ein Katholik in keiner Weise mitwirken, weder durch Ab­

gabe der Stimme noch durch Enthaltung von der Abstimmung.

Es lag somit eine moralische Nöthigung für die Katholiken des Kreises Solingen vor, dem socialdemokratischen Candidaten ihre Stimme zu geben, eben weil Jung ihm gegenüberstand. Wie wenig die Katholiken als Partei diejenigen zu unterstützen ge­sonnen sind, welche den Umsturz der socialen und politischen Ordnung auf ihre Fahne geschrieben hat, das haben die Katho­liken in Elberfeld und Barmen gezeigt. Liberale Blätter und liberale Herren haben gleich, als die Candidatur Jungs für Solingen bekannt wurde, seine Aufstellung als einen Fehler be­zeichnet. Was schließlich Herrn Rittinghaus betrifft, so wird er dadurch, daß er einen Sitz im Reichstage einnimmt, Thron und Altar nicht mehr gefährden, als wenn er daheim bleibt, und ebenso wenig wird er als Reichstagsmitglied die Katholiken mit Koth bewerfen.

* Berlin, 24. Jan. Noch immer können unsere National­miserabelen die Solinger Niederlage ihres getreuen Knappen Jung nicht verwinden.Da habt ihr das Bündniß zwischen Ultramontanismus und Socialismus rufen sie aus und zwar aus Aerger darüber, daß katholische Wähler des Wahlbezirks Solingen bei der Stichwahl dem Socialisten Rittinghaus ihre Stimme gegeben und dadurch den durch seine Gehässigkeiten gegen die katholische Kirche allbekannten Jung zum Falle ge­bracht haben. In Bezug darauf schreibt die N..:

lichkeiten des Lebens zu umgeben. Und die junge Frau, sie freute sich ihres Wohlstandes, dankbar nahm sie Alles aus der Hand des gelieb­ten Gatten an, auf dessen thätiges Schaffen sie mit Stolz schaute. Denselben trübte auch nicht die geringste Ahnung, daß ihr Eugen sein prächtiges Gebäude von Wohlstand und Reichthum auf Sand erbaute, daß er die Mittel zur Begründung seines Geschäfts dem Glücke am grünen Tisch verdanke, daß er, mit einem Wort, ein leidenschaftlicher Spieler sei; denn sie vertraute ihm in kindlicher Einfalt vollständig.

So vollständig, daß seit jenem Tage, an dem sie ihm noch als Braut Vorstellungen über jene, wie sie wähnte, ihm nur zum Zeitvertreib dienende Unterhaltung gemacht und darauf sein Wort, das Spiel auf­zugeben, erhalten hatte, nicht der geringste Zweifel bei ihr aufkam, den nicht zu wecken, er sorglich alle Gelegenheit vermied, die ihr Ver­tranen zu erschüttern vermocht hätte. Ihr zeigte er nur die Licht­seiten seines Charakters; denn zu was immerhin derselbe sich durch den Mangel an richtiger Leitung in der Kindheit wie durch die ver­derbte Umgebung, in welche seine verwahrloste Jugend, seine selbst genommene Freiheit ihn getrieben, entwickelt hatte, welcher Leidenschaft auch sein ungeschultes Herz, sein ungezügelter Sinn sich ergeben, für Mary blieb er stets ein aufmerksamer, liebender Gatte. Bei ihr, deren unschuldige, reine Liebe der hell glänzende Stern gewesen, der ihm, dem Verlassenen, in seine verfehlte Existenz geschienen, und dessen mildes Licht ihn vor dem gänzlichen Sturz in Verkommenheit, vor dem völligen Versinken in Leidenschaft und Laster gerettet hatte, bei ihr, dem geliebten Weibe, fühlte er sich selbst als besseren Menschen, derernstlich den Willen faßte, seine guten Vorsätze in Thaten umzuwandeln.

Leider war dieser gute Wille nur gar zu schwach, fern von Mary, erschien ihm, den keine in's Herz geimpfte gute Grundsätze stählten, die Versuchung zu mächtig. Dies hatte er bereits damals empfunden, als er sein Wort das Hazardspiel zu meiden gab und bald darauf es brach. Es däuchte ihm eben unmöglich, seine Leidenschaft zu bezwingen, darum richtete er alsbald sein Augenmerk darauf, Mary in glücklicher Unkenntniß seines Treibens zu erhalten, ein Be­streben, welches um so leichter gelang, da bei ihm, nachdem er selb­ständiger Geschäftsmann geworden, seine Spielleidenschaft in eine andere Phase trat. Der grüne Tisch blieb nun nicht mehr der ihn anziehende Magnet. Eugen Burko spielte nicht mehr mit Dollars, nicht mehr mit Goldrollen, er spielte nunmehr mit Tausend und aber Tausenden, die er zu Speculationen verwandte, welche nichts besseres als Hazardspiele waren, und in denen er immer kühner, immer waghalsiger wurde, je fabelhaster das Glück sich erwies, wel­ches bisher jene Speculationen begleitete.

Wir bedauern, daß der Socialdemokratie ein weiterer Reichstagssitz zugefallen ist; aber auf der anderen Seite scheint uns die Klarheit, welche dadurch über den Character der ultramontanen Politik verbreitet wird, ein nicht zu unterschätzender Gewinn. Gar wohl sind noch in Er­innerung die entrüftungsvollen Phrasen, mit welchen man früher von ultramontaner Seite bestritt, daß man sich bei den Wahlen irgend welcher Connivenz gegen die Socialdemokraten schuldig gemacht hätte. Die eigenthümlichen Verhandlungen, welche seiner Zeit in München bei Gelegenheit der baierischen Landtagswahlen zwischen ultramontanen und socialistischen Parteigrößen geführt worden waren, bemühte man sich noch, möglichst zu vertuschen, ja zu desavouiren. Jetzt nimmt man keine Rück­sicht mehr. Offen unterstützt man die Feinde aller heute bestehenden Ordnung und Sitte, die Vertheidiger der Pariser Commune, jener auf­rührischen Banden, die ihre Culturmission mit der Hinschlachtung der Priester begannen man unterstützt sie, um einer Partei zu schaden, welche an die Kirche keine andere Aufforderung stellt, als daß ihre Die­ner die Gesetze des Staats beachten. Mögen die ultramontanen Organe die Thatsache drehen und deuteln, wie sie wollen, ihre Partei erscheint fortan als die Bundesgenosfin der socialistischen Revolution. Daß ihre Ziele nicht dieselben sind, ist gleichgültig. Es genügt, daß das Anwachsen der Socialdemokratie von den Ultramontanen direct gefördert wird. Wir wissen jetzt, welcher Mittel der Ultramontanismus sich zu bedienen bereit ist, um seine Zwecke zu erreichen. Um diesen Preis ist die Niederlage von Solingen zu verschmerzen.

In ähnlicher Weise rief heute im Abgeordnetenhause der Cultusminister Dr. Falk aus:Das Centrum führt den Frie­den auf den Lippen, ruft aber draußen die Socialisten zur Bundesgenossenschaft auf. Der Abg. v. Schorlemer=Alst wies die cultusministerielle Anschuldigung nach Gebühr zurück:Von uns(dem Centrum] ist das sage ich dem Herrn Minister niemals eine Aufforderung an die Socialdemokraten, bei den Stichwahlen für uns zu stimmen, ergangen. In dem Augenblicke aber, wo man nationalliberalerseits im Kreise Ha­gen die Socialdemokraten officiell auffordert, bei der Wahl mit ihnen zu gehen(Widerspruch links), wundert es mich doch sehr, daß uns ein derartiger Vorwurf ganz unbegründeter Weise ge­macht wird. Das läßt sich allerdings nicht verkennen: Wenn sich Jemand in der Lage befindet, bei engerer Wahl wählen zu müssen zwischen einem Socialdemokraten und Nationalliberalen, so kann ich es dem Manne nicht so sehr verdenken, wenn er lieber den Socialdemokraten wählt(Hört! hört! links) und zwar einfach deßhalb, weil er von den Nationalliberalen bereits alle die Uebelthaten erfahren hat, mit denen er sich von den Socialdemokraten etwa bedroht sehen könnte. Die Socialdemo­kraten sind Kinder des Liberalismus; man kann ihnen höchstens den Vorwurf machen, daß sie in der Wahl ihres Vaters nicht vorsichtig genug gewesen sind. Dieser Abwehr des Freiherrn v. Schorlemrr=Aist wöllen wir noch hinzufügen, duß die Libe­ralen besser thäten, nicht so unvorsichtig mit Steinen um sich zu werfen, denn sie wohnen in einem recht zerbrechlichen Glas­hause. So befördern sie im Kreise Reichenbach=Neurode, wo eine Stichwahl zwischen einem Katholiken und Socialisten aus­steht, ganz offen und ungescheut die Agitation für letzteren. Selbst die protestantischen Fabrikanten in Peterswaldau und Langenbielau lächeln dem Socialdemokraten freundlich zu, während sie im Geheimen gegen den katholischen Candidaten, ihren all­gemein geachteten Mitbürger und Zunftgenossen, den Fabrikan­ten Franz hetzen. Und wie haben es denn die Liberalen bei den Stichwahlen in Aachen und Essen gemacht? Sind sie dort nicht Schulter an Schulter mit den Socialdemokraten gegen die Centrumscandidaten in's Feld gerückt? Aber das ist so recht liberale Art: Anderen als großes Verbrechen anzurechnen und dashic niger est mit der obligatensittlichen Entrüstung" in die Welt hinauszuschreien und selbst hundertfach mit dem beladen zu sein, dessetwegen man den Nebenmenschen in Bann und Acht oder zumReichsfeinde" erklärt.

24. Jan. Wie dieKöln. Ztg. erfahren haben

will, habe man in Folge des socialdemokratischen Anschwellens in competenten Kreisen die Frage in Erwägung gezogen, ob es nicht Zeit sei, um den Gefahren des allgemeinen Stimmrechtes vorzubeugen, für den Reichstag das Zweikammersystem einzu­führen. Unserer Ansicht nach wird das das Anschwellen der Socialdemokratie nicht im Mndesten hemmen.Religion ins Land", das ist das einzige Rettungsmittel. DieNordd. Allg. Ztg. setzt den Federkrieg gegen die französischen Blätter, beson­ders gegen dieDebats, hinter denen sie Herrn K aczko vermu­thet, eifrig fort. Die Blätter erinnern daran, daß Chaudordy, dem man die Urheberschaft der Havas=Nachrichten zuschreibt,

Von jenem gefährlichen Bereicherungssystem ahnte, wie bereits ge­sagt, seine Gattin nichts; sie genoß dankbar die Früchte davon in Be­wunderung seiner Thätigkeit und war eifrigst darauf bedacht, dem theuren mit vielen Arbeiten belasteten Manne eine traute, glückliche Häuslichkeit zu schaffen.

Dies gelang ihr vortrefflich, so daß der Becher des Glückes überzu­strömen schien, als die kleine Helene das Licht der Welt erblickte. Die junge Mutter war selig mit ihrem Kinde. Ungleich der stolzen, schuldbewußten Lady Arlingford, begrüßte sie ihr kleines Müdchen mit derselben warmen Mutterliebe, wie sie nur für einen Knaben hätte schlagen können. Ebenso empfand Eugen Burko nicht die mindeste Enttäuschung darüber, daß sein erstgebornes Kind ein Töchterchen war, vielmehr rief das holde, zarte Wesen, welches seine geliebte Mary ihm geboren, alle die schlummernde Zärtlichkeit seiner Kindheit wach und eine längst überwunden geglaubte Weichheit trieb dem abgehärteten, in und durch den Kampf mit dem Leben gesunkenen Manne Thränen in die Augen, als er in dem weichen, holden Kin­dergesichtchen die Züge der leidenschaftlich geliebten Mutter wiederfand, von der er in wildem Knabentrotz entflohen.

Alles was nur Mutter und Kind zum Behagen des Lebens dienen konnte, blieb Burko's Streben, ihnen zu beschaffen, dabei lag für ihn selber etwas so Hohes, Heiliges in seinem Familienglück, daß er es möglichst von seinem Geschäfte zu trennen suchte. Während er daher sein Comptoir auf dem Broadway ließ, richtete er an dem Ufer des Eastriver ein reizendes Haus für seine Familie ein, und dort ist es denn nun auch, wo wir, wie zu Anfang des Kapitels gesagt ist, die Pasge Aia. Barte Kaide... a Apziäh gragz Kr

Blühend in Gesundheit und Frische bietet sie einen lieblichen An­blick, wie sie da, das spielende Kind zu ihren Füßen, ihre Aufmerk­

samkeit halb diesem, halb dem Fenster zuwendend, durch das sie auf die Heimkehr ihres Gatten spähend ausschaut. Jetzt gewahrt sie ihn. Der glänzende Blick ihres Auges, das erhöhte Roth ihrer blühenden Wangen verräth dies, ehe sie nur die jauchzende Kleine vom Boden heben kann, um mit ihr dem geliebten Manne entgegenzueilen. Einen Augenblick später hält derselbe sie umschlungen, und der Strahl seines auf Mutter und Kind ruhenden Auges bekundet eine Freude, die alle Schatten verscheucht, welche wenige Minuten früher noch seine Stirne umwölkten.

Doch nicht allzu lange dürfen wir weilen bei dem Bilde dieses Familienglücks. Die Jahre rauschen darüber hin.

(Fortsetzung folgt.)