47. Jahrgang

Bonn, Samstag den 18. Ma

Nr. 139 1918

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erscheint täal. nachmittaas. Preis monatlich.20 Mark frei in das Post: 14 Pig. Zustellgebühr. 318 Boten und Agenten in 488 Orten.

Verantwortl. für den redaktionellen Teit Andreas Müller, für den Reklame­und Anzeigenteil Hohannes Tinner, sämtlich in Vonn.

Geschüstsstelle: Vonn, Sürst Nr. 1

Postscheck=Konto Köln unter Nr. 1953 Verleger: C. Hauptmann. Bonn

Bouner Dolks=Zeitung Bonner Stadt

Salstag Kusgare

Fekusprecher Nr. 59 u. Nr. 60

Drahtadresse: Reichs=Zeitung Bonn

Druck:.Hauptmann'sche Buchdruckerei, Vonn

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36 mm breit, das mm 15 Pfg., örtliche Geschäfts=Anzeigen 8 Pfg. das mm. Re­klamen 72 mm breit das mm 40 Pfg. Stellengesuche 15 Pfg, das einfache Wort bei 5maliger Aufnahme. Zahlbar sofort. Bei gerichtlichem Verfahren und drei­monatigem Zahlungsrückstand fällt be­willigter Radatt fort.

Für unverlangt eingegangene Manustripte übernehmen wir keine Gewähr.

Die Daluta keben.

Von C. Hauptmann.

Das Kriegsernährungsamt begründet die Kür­zung der Brotration damit, daß weder die Zu­fuhren aus der Ukraine noch aus Rumänien sich so gestaltet hätten, wie erwartet wurde. Die April­lieferung von 6 Millionen Pud sei nicht erfüllt worden,zudem haben die österreichischen Truppen durch Ueberschreitung der Höchstpreise viel Getreide vorweg genommen.

Das ist sehr, sehr sonderbar. Wer hatte die Höchst­preise festgestellt? Doch nur wir selbst und wahr­scheinlich hatten wir sie so festgesetzt, um wieder einmal unsere Valuta zu heben. Diesesdie Va­luta heben war seit Beginn des Krieges der Grund der merkwürdigsten Geschichten. Hatte ein Privatmann etwas in Holland zu billigen Preisen gekauft, so erfolgte die Beschlagnahmung durch die 3. E.., um die Valuta zu heben, da nur sie selbst in Holland einkaufen und dabei die Preise drücken wollte. Das Endergebnis war, daß man aus Hol­land immer weniger erhielt, das Endergebnis in der Ukraine, daß die Oesterreicher uns das Getreide vor der Nase wegkaufen. Und trotzdem haben wir denselben Oesterreichern vor einigen Tagen noch aus Deutschland Lebensmittel geliefert und müssen jetzt unsere eigenen beschränken, daher stehen uns aber Dörrgemüse in guter und wohlschmeckender Qua­lität sowie auch getrocknete Kohlrüben zur Ver­fügung.

Wäre es da nicht besser gewesen, wir hätten, ebenso wie die Oesterreicher, die Höchstpreise, die wir uns doch nur selbst gesetzt haben, überschritten, um nicht wieder auf die wohlschmeckenden Dörrgemüse und die getrockneten Kohlrüben angewiesen zu sein? Sind wir denn tatsächlich so arm oder er­sticken wir im Reichtum? Eher das letztere, da im Jahre 1917 in Neugründungen und Kapital­erhöhungen 1194 431000 Mark gegen 616945 000 Mark im Jahre 1916 angelegt worden sind. Was unseren Goldbestand angeht, so besitzen wir einen solchen von 2406,6 Millionen Mark, der nahezu doppelt so groß ist, wie der vor Ausbruch der Krieges. Wir haben also Geld im Uebersluß, aber wir durften die Höchstpreise nicht überschreiten, da­mit unsere Valuta nicht geschädigt wird. Es ist nämlich sehr peinlich für unsere Finanzgroßen, Herrn Dr. Helfferich an der Spitze, daß unsere Va­luta noch immer so tief steht. Wir waren fort­während beschäftigt, dieselbe zu heben, aber sie sank immer mehr. Die Russen taten dagegen alles, was sie konnten, um ihre Valuta se inder­wertig wie möglich zu machen, sie zeichneten keine Anleihen, sie druckten einfach Papiergeld, ohne da­nach zu fragen, ob dieses durch Anleihen oder Gold gedeckt sei. Wir dagegen zeichneten Anleihen bis zur Bewußtlosigkeit, mehr wie jedes andere Land, so daß 67 Prozent unseres Papiergeldes gedeckt ist, während in Frankreich nur 24 Prozent. Und trotz­dem steht unsere Valuta tieser wie die französische, und, was noch viel betrüblicher ist, auch tiefer wie die russische, trotz der russischen Mißwirtschaft, die anscheinend weniger schädlich wie unsere Verorga­nisation ist. Es wird darüber mitgeteilt:

Die Preise für das ukrainische Getreide sind sehr hoch; sie betragen, in unsere Münze umgerech­net, 840 Mark für die Tonne Weizen, 650 Mark für die Tonne Roggen, Hafer, Gerste oder Mais. Dazu kommen noch die Transportkosten, so daß der Weizen nahezu 1000 Mark die Tonne kostet. Man mußte auf diese Preise eingehen, da einmal schon früher in der Ukraine hohe Preise bestanden und weiter das Geld sehr entwertet ist.

Dieentwertete", russische Valuta in unsere Münze umgerechnet, beträgt also 840 Mark für die Tonne Weizen. Weshalb verschweigt man den Preis pro Tonne in Rubel anzugeben? Man rech­net nämlich keine Tonne Weizen in unsere Münze um, sondern den Rubelpreis der Tonne Getreide. Es heißt ferner, man müßte auf diese hohen Preise eingehen, da das Geld sehr entwertet sei. Wenn das russische Geld sehr entwertet ist, so ist die Folge davon doch nur, daß wir mit deutschem Geld, dessen Valuta wir seit drei Jahren andauernd gehoben haben, doch sehr billig einkaufen können. Ver­nünftiger Weise müßte der Satz lauten:Man konnte mit Nutzen auf den hohen Preis eingehen, da das ukrainische Geld sehr entwertet ist, während das unsere in Folge der Anleihen und der Gold­deckung sehr hoch steht.

Es wird dann weiter mitgeteilt:

Bis zum 12. Mai waren aus der Ukraine ver­laden worden für das Getreidekartell(Deutschland

und Oesterreich=Ungarn) an Körnerfrüchten 30 229 Tonnen an Stelle von 100000, die wir hätten be­kommen sollen. Ueber die Grenzstellen sind von dieser Menge insgesamt gegangen 22696 Tonnen. Davon wurden zugeteilt: Deutschland 5846, Oester­reich=Ungarn 16.850. Der letztere höhere Betrag erklärt sich aus den österreichisch=ungarischen Requi­sitionen und dem vereinbarten Verteilungsschlüssel, wonach bis zum 31. Mai Oesterreich=Ungarn zwei Drittel, Deutschland ein Drittel der Menge erhalten sollen, während sich vom 1. Juni an das Verhältnis umkehrt. Angekommen in Deutschland sind bis jetzt 1852 Tonnen Getreide. Der Weg erfolgt über die trockene Grenze, auf der wegen der vorzuneh­menden Umladeumbauten heute täglich nur sechs Getreidezüge fahren können, sowie süber das Schwarze Meer, wo täglich 10.000 Tonnen befördert werden können. Bis jetzt sind 70000 Tonnen an­gekauft und auf die Bahn gesetzt, so daß man da­mit rechnen kann, daß bis Ende Mai rund 100 000 Tonnen aus der Ukraine abtransportiert werden. Diese Menge genügt aber nicht, um unseren Wirt­schaftsplan aufrecht zu erhalten, und wir müssen deshalb zu einer Kürzung unserer Brotration auf zwei Monate schreiten. Die Ukraine hat sich auch verpflichtet, bis zum 31. Juli etwa 160000 Rinder zu liefern. Auch stehen Schweine in Aussicht. Ferner hat sich die Ukraine verpflichtet, bis zum 31. Juli 400 bis 500 Millionen Eier zu liefern zu einem Preis von 27 bis 30 Pfg., so daß sie im Inland auf 40 bis 50 Pfg. zu stehen kommen würden. Die neue Regierung in der Ukraine bedeutet für uns eine Verbesserung des bisherigen Zustandes, da sie die Verhältnisse konsolidiert, und es ist anzu­nehmen, daß sie tatsächlich das Bestreben hat, mit den deutschen Stellen Hand in Hand zu gehen und den Warenaustausch auch für die Zukunft fortzu­setzen. Wir liefern der Ukraine namentlich land­wirtschaftliche Maschinen und Geräte, und es sind bereits davon 30 000 Tonnen bestellt. Dieser Tauschverkehr wird sich aufrechterhalten lassen, und wir hoffen, auch im nächsten Erntejahr wieder die Getreidemengen aus der Ukraine hereinzubekommen, welche wir benötigen. Die jetzigen schwierigen Ver­hältnisse liegen eben in den geschilderten Um­ständen.

Angekommen in Deutschlandz sind bis jetzt 1852 Tonnen Getreide! Das ist das klarste der ganzen Auseinandersetzung und das, weil wir die Höchst­preise nicht überschreiten wollten. Es geht uns schließlich wie dem König Midis, der verhungerte, weil alles, was er berührte, zu Gold wurde. Mit Stolz weisen wir darauf hin, daß unsere Gegner Amerika jetzt mit.764 Millionen Dollar werschul­det sind, während wir dem Ausland gegenüber schuldenfrei dastehen. Wir ersticken dagegen ge­radezu im Geld, da wir dem Staat, d. h. uns selbst so viel geliehen haben, daß er, d. h. wir uns selbst die Zinsen nicht mehr zahlen können, ohne uns durch Steuern zu ruinieren. Wäre es da nicht besser, wir hätten von diesem Ueberfluß an schnö­dem Mammon etwas dazu verwandt, um Getreide anzukaufen, auch unter Ueberschreitung der Höchst­preise, statt alles in Arleihen anzulegen?

Die Tätigkeit der-Boote.

WIB. Berlin 16. Mai. Amtlich. Unsere Mit­telmeer=Uboote haben über 25 000 BRT. feindlichen Schiffsraumes versenkt. Den Hauptanteil an diesen Erfolgen hatte das von Kapitänleutnant Marschall befehligte Uboot. Die englischen DampferKut Sang, 4895 BNT. undConway, 4003 BRT. wurden aus gesicherten Geleitzügen herausgeschossen und der ganz neue, mit zwei Hilfsmotoren ver­sehene amerikanische ViermastschoonerCity of Pensacola, 1705 BRT. durch Sprengpatrone ver­senkt.

Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Amtl. österreichisch=ungar. Bericht.

WTB. Wien 16. Mai. Amtlich wird verlautbart: Zwischen Brenta und Piave wurden mehrere Er­kundungsvorstöße der Italiener abgeschlagen.

Auf dem Monte Asolone und dem Monte Per­tiea kam es hierbei zu Nahkämpfen.

Der Chef des Generalstades.

Die Kämpfe im Westen.

WTB. Berlin 15. Mai. Mit der Beschietzung von Noye und Boiglier und erneutem Bombenabwurf auf Lille, worunter die Bevölkerung schwer zu lei­den hatte, setzte der Feind die sinnlose Zerstörung seines eigenen Landes fort. Durch die Schuld der

beiden Kriegsverlängerer Lloyd George und Cle­menceau wurden im Verlaufe der großen West­schlacht ausgedehnte, bisher vom Krieg verschonte Landstriche den Schrecken des Kampfes preisgege­den. Aber auch weit hinter der Kampfzone gelegene französische Ortschaften leiden in immer stärkerem Maße durch die eigenen Landsleute und Bundes­genossen.

WIB. Berlin 16. Mai. Deutsche Bombengeschwa­der entwickelten in der Nacht vom 15. zum 16. Mai rege Tätigkeit. Bei Dünkirchen, Calais und Poperinghe wurden Munitions= und Bahnanlagen mit großen Bombenmassen belegt. An allen Stellen wurden Treffer einwandfrei beobachtet. Auch der Westbahnhof und die Unterkünfte von Amiens wur­den von Geschwadern mit gutem Erfolg angegriffen. Explosionen und Brände waren die Erfolge.

WIB. Berlin 16. Mai. Nach Aussagen belgischer Gefangenen, die in der zweiten Matwoche in deut­sche Hände fielen, herscht unter den belgischen Trup­pen große Kriegsmüdigkeit, da sie immer mehr er­kennen, daß sie in englischem Interesse zum Schaden Belgiens kämpfen. Zur Aufrechterhaltung der Dis­ziplin wurden bei mehreren belgischen Divisionen sogenannte Strafkompagnien gebildet, deren über­aus harte Behandlung den Unwillen noch steigert. Allgemein sind Klagen der flämischen Soldaten über das parteiische und ungerechte Vorgehen ihrer wallonischen Vorgesetzten. Auch Franzosen machen sich neuerdings wieder des Verbrechens schuldig, daß sie die völkerrechtowidrigen Dumdumgeschosse ver­wenden. So erhielten am 26. April die deutschen Linien südlich von Ste. Marie==Py Feuer von französischen Infanteriegeschossen, deren Spitzen offenbar mit maschineller Vorrichtung abgeknisten waren. Der Typ dieser Patronen entspricht ganz dem schon früher besonders von den Engländern gebrauchten Geschoß. Das englische Vorbild scheint also auch hier wieder Schule, machen zu wollen.

Der erfolglose Augeiff auf Ostende.

WTB. Berlin 15. Mai. Unser Berichterstatter schreibt uns über seinen Besuch auf dem kürzlich bei Ostende gensunkenen englischen Kreuzer Vin­dictive:

Der Kreuzer Vindictive, der an der Hafenein­fahrt von Ostende liegt, ohne den Schiffsverkehr auch nur im, geringsten zu behindern oder zu be­engen, bietet auf seiner Oberfläche ein solches Bild der Zerstörung durch Artilleriewirkung, wie es selbst in diesem Kriege selten ist. Die Boote, die an ihn heranfahren, werden an den riesigen Rän­dern von Granatlöchern in seiner Panzerung fest­gemacht über eine zersplitterte Leiter klimmt man hinauf. an Deck liegt alles durch= und übereinan­der: Masten, Schornsteine. Strähne, Panzerplatten, Treppen, Taue und Trümmer aller Art, deren Herkunft und Bestimmung nicht mehr zu erkennen ist. Auf der einen Seite sieht man noch die Ueber­bleibsel von zwei Holzstegen, die seinerzeit beim ersten Besuch der Vindictive von Seebrügge zum Landen des Häufleins dienten, dem damals ein schnelles, dlutiges Ende bereitet wurde. Jetzt hän­gen die Ansätze der Brückenstege hilflos herab. Alles, was hier umherliegt, ist völlig zerschossen, von Volltreffern schwerer Kaliber umgestürzt und durch zahllose Splitter siebartig durchlöchert. Zwi­schen all diesen Trümmern trifft man noch auf die Blutspuren der fast restlos aufgeriebenen Besatzung. Die Toten der Vindictive, darunter der aus dem verwüsteten Kommandostand geborgene Kapitän. erhielten ein ehrenvolles Begräbnis. Die vergeb­liche Opferung dieser tapseren Seeleute erhöht noch den Eindruck der Ergebnislosigkeit des Unterneh­mens. Selbst jeder feindliche Flieger, der sich in den größten Höhen durch unsere Sperrzone wagt, müßte erkennen, daß die breite Einfahrt des Ha­fens freigeblieben ist. Während mehrere kleinere Schifse neben der Bindictive lagen, passierten größere die Einfahrt gleichzeitig, sie können aneinander vor­beifahren und einander ausweichen, ohne durch den an der Seite liegenden Kreuzer in ihrer Manöv­rierfähigkeit beeinträchtigt zu werden. Wenn jetzt der Friede geschlossen würde, könnten noch heute Ueberseedampfer beliebiger Größe in den Hasen von Ostende ein= und aus ihm ausfahren. Unsere durch den zweimaligen vergeblichen Ueberrumpelungsver­such der Engländer in ihren längst vorbereiteten Abwehrmaßnahmen vortrefflich eingespielten Ha­fenbesatzungen mit den Küstenbatterien, deren Feuerkraft und=wirkung die Vindictive beweist. werden jeden weiteren Anschlag dus Feindes zu vereiteln wissen.

Das Urteil im Prozeß des Vonnet Rouge.

WTB. Paris: Im Prozeß Bonnet Rouge wurde Duval zum Tode verurteilt. Marion erhielt 10 Jahre Zwangsarbeit, Landau acht Jahre, Goldsky acht Jahre Zwangsarbeit, verbunden mit militä­rischer Degredation, Joucla fünf Jahre Zwangs­arbeit. Leymarie wurde zu zwei Jahren Gefäng­nis und 1000 Frcs. Geldstrafe, Vercasson zu zwei Jahren Gefängnis und 5000 Frcs. unter gleichzei­tiger Bewilligung von Strafaufschub verurteilt.

Die Ernährüngsfrage in Frankreich.

WTB. Bern 15. Mai. Bei den gestrigen Kammer­erörterungen über die Konsumeinschränkungen er­klärte der französische Blockade=Minister, daß es unmöglich sei, die Vorräte in Frankreich durch die Einfuhr zu erhöhen, während der Verpflegungs­minister Borot nochmals betonte, daß er durch den Mangel an Schiffsraum in seiner Aufgabe sehr stark behindert sei. Die Kammer nahm schließlich eine Tagesordnung an, worin die Regierung zur regelrechten Beschlagnahme des Viehbestandes, mit Ausnahme der Lasttiere, aufgefordert wird.

Menscheuraub in Frankreich.

WIB. Berlin 16. Mai. Wie Frankreich die El­saß=Lothringer behandelt, zeigt an einem typischen Beispiel folgende eidliche Aussage:

Am vierten Mobilmachungstage meldete ich mich in Müllheim(Baden) und wurde als Landsturm ohne Waffe wieder zurückgeschickt. In meinem elter­lichen Hause zu Thann wurde ich am 8. September mit anderen Wehrpflichtigen von den Franzesen ergriffen und gewaltsam nach Frankreich trauspor­tiert. Man sagte uns, wir sollten bei der Ernte hel­fen; in Frankreich aber hieß es:Wir haben keine Arbeit für euch. Wer kein Geld hat, muß sofort Soldat werden. Trotz heftiger Weigerung wurden wir Elsaß=Lothringer zur Musterung geführt. Ich wies darauf hin, daß ich in Deutschland bei vier Musterungen als untauglich entlassen worden sei. Trotzdem wurde ich, wie auch fast sämtliche Elsaß­Lothringer, zu Soldaten gemacht. Wir kamen zur Ausbildung nach Constantine in Nordafrika und blieben dort bis März 1915. Als wir nach Frank­reich an die Kampffront sollten, erklärte ich erneut, daß ich Deutscher sei und unter keinen Umständen gegen das Vaterland kämpfen werde. Man antwor­tete, daß ganz Elsaß=Lothringen von den Franzosen erobert sei und wir nun wieder Franzosen seien. Wir kamen nach Satonay bei Lyyon, wo wir falsche Namen und dementsprechende salsche Mili­tärpapiere und Erkennungsmarken erhielten. Die Vorgesetzten redeten uns nur noch mit falchen Na­men an. Ich habe nichts unversucht gelassen, um den Kampf gegen meine Landsleute zu vermeiden, aber alles war vergeblich. Erst am 25. September 1915 gelang es mir, mich von meinen Landsleuten gefangennehmen zu lassen und so wieder in die Heimat zurückzukehren.

Jurückführung der flandrischen Eiamolaner.

Berlin: Seit durch die großen deutschen Schlacht­erfolge in Flandern die Räumunz' des Ypern­bogens erzwungen wurde, und dadurch das unmit­telbar hinter den Gefechtsfeldern liegende Gebiet dem Hauptfeuerbereich der seindlichen Artillerie entrückt worden ist, konnte deutscherseits planmäßig daran gegangen werden, die flandrischen Einwoh­ner in ihre Heimatstätten, soweit diese nicht zer­stört waren, wieder zurückzuführen. Allerdings ist dies zunächst nur in sehr beschränktem Maße mög­lich. Das englische Artilleriefeuer hat zu viele Dör­fer und Gehöfte, auch wenn sie nicht von deutschen Truppen besetzt waren, dem Erdboden gleichgemacht Da die Heftigkeit der englischen Beschießung die abziehenden Einwohner in der Regel an der Mit­nahme ihrer Habe verhindert hatte, und diese dann später durch englische Beschießungen und die da­durch verursachten Brände der Vernichtung anheim fiel, hat jetzt die deutsche Verwaltung bereitwilligst eingegriffen, um die Rückwanderer zunächst we­nigstens mit dem Nötigsten zu versehen.

Sranzösische Gewaltpolitik gegen die

WIB. Berlin 16. Mai. Die Verhandlungen der deutschen und schweizerischen Unterhändler für den Abschluß eines neuen Wirtschaftsabkommens hatten zu einer für beide Teile befriedigenden Lösung ge­

führt. Die Bedingungen und die Annahme des Vertrages waren vom schweizerischen Bundesrat Dienstag abend einstimmig genehmigt worden, so daß der Vertrag von den beiderseitigen Delegier­ten Mittwoch, 15. Mai, endgültig aufgesetzt werden konnte. Es war darin dem durch das französische Kohlenangebot verursachten Schwierigkeiten in der Weise Rechnung getrazen worden, daß deutscherseits auf die Kohlenverwendungskontrolle so lange ver­zichtet wurde, als Frankreich seine Zusage auch nur annähernd in demselben Verhältnis erfüllen würde, wie Deutschland. Auf das plötzliche Dazwischentreten des französischen Geschäftsträgers hin ist in letzter Stunde das schon genehmigte Abkommen zurückgezo­gen worden. Die französische Regierung hat der Schweiz die Forderung gestellt, den Vertrag nicht zu unterzeichnen, widrigenfalls das Kohlenangehot hinfällig werden würde. Für diesen Fall hat der französtsche Geschäftsträger der Schweiz den Wirt­schaftskrieg seitens der Entente in Aussicht gestellt. Gegenüber den unabsehbaren Folgen des von der französischen Regierung angedrohten Wirtschafts­krieges hat die Schweiz sich eine Ueberlegungsfrist bis zum 22. Mai erbeten. Damit ist vom heutigen Tage an der vertraglose Zustand zwischen Deutsch­land und der Schweiz eingetreten, für dessen Folgen Deutschland die Verantwortung ablehnt.

Englische Minen.

WIB. Berlin 16. Mai. Amtlich. In den letzten Tagen sind in der schwedischen Presse verschiedentlich Unfälle durch Minen im Katlegat gemeldet wor­den, denen auch neutrale Fischerfahrzeuge zum Opfer gefallen sind. Die englische Admiralität teilt dazu amtlich mit, daß von englischer Seite im Kattegat und Stagerrak keine für die Handels­schiffahrt gefährlichen Minen ausgelegt seien und schreibt diese den Deutschen und ihrer gewohnten Verachtung für die Interessen der Neutralen zu. Demgegenüber wird auf die zahlreichen schwedischen Mitteilunegn hingewiesen, daß die kürzlich im Kattegat gefundenen sogar innerhalb der schwedischen Hoheitsgewässer jestgestellten Minen unzweiselhaft englischen Ursprungs waren. Jede weitere Erklä­rung dieser englischen Heuchelei erübrigt sich.

Die englischen Arbeiterverbände gegen die irische Wehrpflicht.

Die Vereinigten Vollzugsausschüsse der englischen Arbeiterorganisationen richteten einen dringlichen Aufruf an die Regierungen Irlands, Englands und der alltierten Länder. um der Zukunft der Demokratie willen von der Durchführung des Wehr­pflichtgesetzes in Irland abzusehen, da jeder Ver­such nach dieser Richtung das Blut Tausender Iren Engländer und Schotten kosten, die Entsendung Hunderttausender in den Bürzerkrieg bedeuten würde, und das Gewissen der zivilisierten Welt schwer verletzen werde. Der Aufruf ersucht zum mindesten um eine unzweideutige Zusage, daß die diesbezügliche Ausführungsverordnung nicht er­lassen werde, bis das den wirklichen Willen des irischen Volkes ausdrückende irische Parlament kon­stituiert sei. Manchester Guardian spricht der Aktion der Arbeiterschaft seinen Beifall aus, hält sie aber für vollkommen nutzlos, sofern nicht die der Arbei­terpartei angehörenden Kabinettsmitglieder für den Fall des Attentats auf den Frieden Irlando den sofortigen Rückzug ankündigen.

Englische Zweckmeldnag.

WIB. Berlin: Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Nach einer Neutermeldung soll es in Moskau zu hartnäckigen Kämpfen zwischen den Bolschewiki und den Anarchisten gekommen sein. Wie wir von zuständiger Stelle aus Moskau hören, ist die Mel­dung gänzlich unzutreffend. In Moskau herrscht vollständige Ruhe.

Der=Bootangriff auf Carloforte.

WTE. Berlin 15. Mai. Ueber den Vorstoß des deutschen Unterseebootes in den befestigten Hafen von Carloforte auf Sardinien am 29. April unter Führung des Kapitänleutnants Steinbauer, der einer unserer bewährtesten Unterseebootskomman­danten und bereits mit dem Orden Pour le mérite ausgzeichnet ist, werden noch folgende Einzelheiten bekannt: Kapitänleutnant Steinbauer vermutete in dem Hafen von Carlosorte wervolle Dampfer. In schwieriger und besonders tatkräftig durchgeführter Aufklärung beobachtete er den englischen Dampfer Kingstonian, 6564 BRT., dort im Hasen zu Anker liegend, längsseits von ihm zwei große bewaffnete

Die Verhaftung des Herrn Bassel.

55 Berliner Roman von Friedrich Hey.

Nachdruck verboten.

Als Fritz Dassel als krasser Fuchs und gänzlicher Novize an Universität und Akademie antrat, hatte eru zufällig die Bekanntschaft des weit jüngeren, aber bereits erfährenen Baumeier gemacht. Ein armer Waisenknabe, ward Baumeier vom Vor­munde einem Anstreicher in die Lehre gegeben, denn für Farben und Pinsel hatte er von jeher eine große Neigung besessen. Als der Lehrling einmal aufs Land geschickt wurde, um die Kegelbahn im Dorfkruge zu tünchen, wartete der Meister vergeb­lich auf die Rückkehr und machte sich schließlich selbst auf die Beine, um nachzusehen, und er staunte nicht wenig, als er den Jungen, glücklich einmal sich allein überlassen zu sein und über eine Menge Farbtöp'e zu verfügen, in das Werk vertieft fand, die Wände der Kegelbahn mit einer Reihe schöner Gemälde zu zieren. Obgleich Giotto in der Kirche zu Assisi ein nämliches getan und dafür vom Bae­deker mit einem Sternchen ausgezeichnet ist, setzte es Ohrseigen, der Junge schrie, und der Wirt legte sich ins Mittel. Dem gefielen nämlich die Bilder ganz außerordentlich, und er erbot sich, pro Stück einen halben Taler zu zahlen, sofern sie fertig würden.

Gustav bekam vierzehn Tage Zeit, dazu gutes warmes Essen und schöne, dicke Wurststullen, um seine Reihe von eindrucksvollen Darstellungen zu vollenden, auf denen Ritter, Zigeuner, Banditen und sonstige Kolportageroman=Figuren Skat spiel­

ten, Kegel schoben und Bier tranken, in wunder­barster Landschaft mit Burgen und Springbrunnen und mit dem Meere, das von seltsamen Ungetümen dicht belebt war.

Da kam einmal zufällig der Lehrer des Dorfes dazu, und da er ein guter Zeichner war, erkannte er sein Talent, machte dem Pfarrer Mitteilung, und dieser, ein wohlmeinender Mann, empfahl den Knaben der Regierung. Gustav ward auf die Großherzogliche Kunstschule zum Probezeichnen be­stellt, der Direktor empfahl ihn dem Landesfürsten, und der Anstreicherlehrling erhielt erst einen Frei­platz und ein Stipendium auf der heimischen An­stalt, zuletzt eins zum Besuche der Münchner Aka­demie.

Da Gustav Baumeter einer ganz guten Bürger­familie entstammte, lag ihm der Sinn für gesell­schaftliche Formen im Blute, und er bestrebte sich, die Lücken seiner Schulbildung nach Kräften aus­zufüllen. Sein Talent eröffnete ihm die Lehre eines berühmten Meisters und schließlich die Mit­gliedschaft einer sehr angesehenen Gruppe der Mün­chner Künstlerschaft.

Konnte Baumeier dem jungen Dassel in allem, was die edle Kunst der Malerei betraf und was mit deren Studium mehr oder minder zusammenhing, ein vortrefflicher Mentor sein, so vermochte Fritz dagegen dem Freunde durch Gewährung der Teil­nahme an seinen Studien, Vorlesungen und Büchern wertvolle Hilfe zu gewähren. Als eskans Examen­panken ging, hörte Gustav das Eingelernte ge­wissenhaft ab, und Fritz erklärte den Stoff dem Freunde ausführlich, dabei um so rascher und besser

lernend, während Gustav begeistert und entzückt die Kunst der Antike Italiens und Deutschlands sich vertraut machte.

Freund Baumeier war überhaupt ein Mensch, der leicht zu begeistern war, ein Stimmungsmensch von reinstem Wasser, darin sehr unähnlich dem logischeren, klareren und kühleren Bankierssohne. In Fritz war mehr Verstand und Wille, in Gustav überwog ein leicht entzündliches, seelengutes Herz, himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt und senti­mental, je nachdem. Was beiden aber gemeinsam war, was den Untergrund oder die Brücke bildete, beider Wesen zu vereinigen, was ihre Freund­schaft schuf und erhielt, das war die gleiche, große Liebe zur Kunst, eine gleiche Anständigkeit des Charakters und ein guter Humor, ohne den nun einmal richtige, echte Malerbuben gar nicht gedacht werden können.

Du könntest dir eine Zigarre anstecken und mir eine mitbringen, sagte Fritz, der sehr eifrig malte, denn er war gerade schön in Stimmung.

Als sich Gustav mit dem dampfenden Tabak wie­der in den Sessel niederließ, seufzte er tief auf. Er hatte anscheinend wieder einen melancholischen Tag. Fritz Dassel war durch das reichliche Jahr­geld, das ihm sein Vater gab, von allen materiellen Sorgen frei, Baumeier, der nach beendetem Stu­dium vom Ertrage seiner Kunst leben mußte, we­niger. Wohl war es ihm geglückt, einige seiner Bilder zu verkaufen, aber ein standesgemäßes Ate­lier und dito Lebensführung kosteten reichlich Geld Und er war eben doch noch Anfänger. In München gibt es sehr viele Maler, die Tüchtiges können,

und an vielen andern Orten auch. Meister Busch spricht eine große Wahrheit aus:

Leicht kommt der Mensch ans Bildermalen,

Doch schwer an Leute, die's bezahlen.

In besagter Schwierigkeit befand sich Gustav Bau­meier gerade in diesem Sommer. Er behalf sich, so gut es ging, durch Erteilung von Malunterricht. Fritz sah die Lage des Freundes mit leichterem Herzen an, hielt er es doch für selbstverständlich, seinen Ueberfluß mit ihm zu teilen. Aber das mochte jener nicht, aus Stolz, um der Freundschaft willen. Ueber einen gelegentlichen, kameradschaft­lichen Pump sollte es nicht hinausgehen.

Als Gustav wiederum still vor sich hin seufzte, sagte Fritz, ohne im Malen aufzuhören:Du hast dich gestern wohl recht spät ins Etui gelegt?

Bewahre, ich bin gar nicht ausgewesen, sondern habe auf meiner Bude gesessen und gelesen!"

So? Das ist brav von dir. Warum stöhnst du denn da? Ist vielleicht wieder irgendeine vor­nehme Fchönheit in der Equipage an dir vorbei­gefahren und hat dir's angetan?

Unsinn, brummte Baumeier.

Na, deine Rosa wird dir doch nicht untreu ge­worden sein?

Du bist verrückt

Ja, dann sei doch vergnügt und jaule nicht so!

Eine Parta folgte, Fritz holte sich eine neue Tube. Gustav blies nachdenklich den Nauch gegen die Decke.

Fritz, weshalb ich eigentlich herübergekommen bin: Die hundert Mark kann ich dir jetzt leider nicht zurückgeben, sagte er endlich etwas dumpf.

Das weiß ich, mein Lieber, und deshalb brauch­test du dich nicht in Bewegung zu setzen.

Aber die Sache ist mir peinlich. Sobald ich mein Bild verkaufe..

Kriege ich sie, weiß ich ebenfalls. Verlangst du etwa, daß ich eine Hypothek auf deineVer­sinkende Bark eintragen lasse?

Ich könnte sie dir ja schließlich jetzt geben, aber zu meiner Reise da oben hinauf brauche ich auch einige Däuser.

Sehr wahr! hast du Antwort bekommen?

Ja, die Reederei in Swinemünde schreibk mir, ich könne mitfahren. Am 16. Juli zum Beispiel geht ein Frachtdampfer nach Rußland und Finnland, später einer nach der Nordsee bis Amsterdam. Aber den Weg kenne ich ja.

Sein Gesicht heiterte sich auf einmal auf:Fritz. wenn du doch einmal mit auf die See kämst! Diese Natur da, bei Tag wie bei Nacht, diese Ruhe und Schönheit diese Farben in der Abendstimmung und am Morgen die Luft da überm Wasser! Dieses Licht in der feuchten Morgenstimmung, oder der weiße Strand, die grünen glitzernden Wellen ich sage dir

I. fällt mir nicht ein!

Na, dann bummle mit mir erst so ein bißchen dort oben herum. Swinemünde ist iesig interes­

sant..

Tu' ich erst recht nicht!

arum!

Da wimmelt alles von Berlinern. Nee!

Schade", sagte Baumeier und machte wieder ein trauriges Gesicht.

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