2. Jahrgang.

nuaguug. Donn, Dinstag den 8. 4pril 1849. Nr. 97.

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Wdonnement: Vieneisähzrlic, prünim füir Vonn(einschtichlich 10 Sgr. Stempel und 3 Sgr. für den Träger) 1 Thlr. 6 Sgr.; bei den deutschen Postämtern und für Luxemburg 1 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf.

Grgan für das katholische deutsche Volk.

Die Deutsche Reichs=Zeitung erscheint täglich, an den Wochentagen Abends, an Somn= und Festagen Morgens. Insertionsgedähren für die Pettzelle oder deren Raum 1 Sgr.

Bestellungen auf das mit dem 1. April begonnene 2. Quartal wolle man auswärts bei der nächsten Post=Anstalt, für Bonn in der Expedition(Sürst Nr. 5) recht bald machen. Die

derDeutschen Reichs=Zeitung.

Deutschland.

* Berlin, 7. April. Wie bereits gemeldet wurde, ist bei der Ersatzwahl zum Reichstage für den 2. Coblenzer Wahlbezirk (Kreis Neuwied) an Stelle des verstorbenen Kreisrichters Böhmer (nationalliberal) der Kandidat der Katholiken, Graf Alfred Stol­berg auf Gimborn, mit 5748 von 10,838 abgegebenen Stimmen zum Reichstags=Abgeordneten gewählt worden. Der liberale Gegen­candidat, Kreisrichter v. Runkel, erhielt 4509 Stimmen. Diese Wahl hat wieder den Beweis geliefert, daß, wenn man in unserem Lager etwas will, man es auch kann. Die letzten Ersatzwahlen haben überhaupt gezeigt, daß die Katholiken auf dem Platze sind, und so haben sie auch überall, mit Ausnahme in Glatz(Schlesien), ihre Candidaten durchgebracht. So ist im Wahlbezirke Geilenkirchen­Heinsberg=Erkelenz an Stelle des freiconservativen Landraths Janßen der Candidat der Katholiken, Advocat=Anwalt Pelzer II., in das Abgeordnetenhaus gewählt. Auch der Gegencandidat, Gutsbesitzer Schlick, soll rückhaltslos auf dem Boden der Centrumspartei stehen, so daß man in jenem Kreise einen gegnerischen Candidaten nicht einmal aufzustellen gewagt hatte. Ferner sind in dem Wahlbezirk Düren=Jülich an Stelle des aus dem Abgeordnetenhause geschie­denen freiconservativen Landrathes Stürz und deswilden" Weyers die ultramontanen Graf Stolberg=Gimborn und Dr. Röckerath mit erdrückender Stimmenmehrheit gewählt. Herrn Röckerath stand mit einigen Stimmen Herr Cultusminister Dr. Falk gegen­über. Auch in Glatz(Schlesien) sind bei der am 27. März stattgehabten Nachwahl zum Abgeordnetenhause die Katholiken auf dem Platze gewesen und nur von einer geringen Majorität besiegt worden. Der nationalliberale Kreisgerichtsrath Mundt aus Mittel­walde kam nur dadurch obenau, daß im letzten entscheidenden Rennen die conservativen Protestanten aus Haß gegen Rom sich auf Seite der Liberalen schlugen. Der Candidat der Katholiken war der Rittergutsbesitzer Hauptmann v. Ludwig auf Neuwalters­dorf. Die Wahlmänner waren zahlreicher erschienen, als erwartet werden durfte: es wurden im ersten Wahlgange 415 Stimmen abgegeben. Davon fielen 169 auf v. Ludwig, 144 auf Mundt und 102 auf Frhr. v. Zedlitz, welcher der Candidat der conser­vativen, meist protestantischen Rittergutsbesitzer war. Da somit keine absolute Majorität erzielt war, so mußte zu einem zweiten Wahlgange geschritten werden, in welchem nach dem Wahlreglement wiederum für alle 3 Candidaten gestimmt werden durfte. Dies­mal wurden 405 Stimmen abgegeben, die sich mit 172, 146 und 87 Stimmen auf dieselben Candidaten vertheilten. v. Ludwig und Mundt kamen nun in die Entscheidungswahl und von den 385 nun Abgegebenen Stimmen erhielt v. Ludwig 183, Mundt 202. Der Wahlact dauerte ununterbrochen fast 6 Stunden. Die Katholiken der Grafschaft Glatz haben sich also gewiß brav gehalten. Leider ist die mit Ausnahme der von der Regierung dahin ge­schickten protestantischen Beamten ganz katholische Grafschaft Glatz noch immer die unbestrittene Domaine der kirchenfeindlichen Presse. Der in Neurode erscheinende und in tausenden von Exemplaren durch die Dörfer der Grasschaft verbreiteteHausfreund, ein ganz besonders giftiges Gewürm, verpestet schon seit Jahren die sonst so reine Gebirgsluft der lieblichen Grafschaft. Ein zweites Blatt, dieNeue Gebirgszeitung, früher noch etwas zurückhaltend, hat pflichtschuldigst gegen die Katholiken mobil gemacht, seit man in Berlin auf dem Feldzug gegen Rom begriffen ist. Solchen Geg­nern ist der kleine, katholisch redigirteGebirgsbote, der in letzter Zeit noch obendrein heftig verfolgt worden ist, nicht gewachsen.

Die katholischen Pfarrer der Grafschaft, die zum Theil recht gut

F. M. Aus der Legende der Charwoche.

I.

Den herrlichsten und mannigfaltigsten Farbenschmuck und den süßesten Wohlgeruch entwickelt die Blumenlegende der Leidensge­schichte Christi, die sich in ihrer Gesammtheit zunächst ausgeprägt hat in der prachtvollen Passionsblume(passiflora caerulea), welche zum Abbilde der bei Christi Tode gebrauchten Marterwerkzeuge ge­worden ist. Diese prächtige Blüthenpflanze, welche in den süd­amerikanischen Urwäldern sich lianenartig von Baum zu Baum zieht und als Schlingpflanze hoch in den Wipfeln ihre großen bunten Blüthen treibt, aber auch in unseren Gewächshäusern an der Decke sich hinschlingend, oder sich an manchem stillen Fenster­lein rankend, die Herrlichkeit tropischer Blumengewinde verkündet, habe sich, so hieß es im Munde des Volkes, am Kreuze auf Gol­gatha emporgerankt; und wie die Leiden des Menschensohnes al­lenthalben auf die Natur einen tiefen Eindruck machten, so präg­ten sie sich auch für immer dieser Blume ein.

A. Forsteneichner erzählt:Mühsam hat Jesus seinen Kreuzes­galgen auf die Schädelstätte geschleppt. Da haben denn die Henkers­knechte eine Grube gemacht, den Kreuzesbalken eingesenkt, befestigt und Leitern daran gestellt. Die Kleider waren dem Erlöser an die Wunden angeklebt vom getrockneten Blute; die Kleider wurden ihm nun ab= und die Wunden neuerdings aufgerissen. So aus vielen Wunden blutend führten sie ihn zum Kreuze. Gebleichte Schädel lagen umher, um die sich eine immergrüne Pflanze schlang. Als eine dem göttlichen Dulder den Weg versperrte, ganz nahe beim Kreuze, da biegt er, göttlich milde, wie stets, die Ranke weg, damit sie nicht zertreten werde; nur ihm allein sollte Golgatha, alles Wehe bringen, der ganzen Schöpfung aber Frieden und Freude.

situirt sind, haben einen großen Fehler begangen, daß sie jahrelang dem kirchenfeindlichen Treiben desHausfreundes gleichgiltig zu­sahen, und der kirchenfreundlichen Presse theils durch Unterstützung der vorhandenen(z. B. der Grenzzeitung), theils durch Gründung neuer Blätter nicht besser aufhalfen. Hoffentlich wird das in dem der Grafschaft benachbarten Neisse unter der Redaction des ehema­ligen Redacteurs derSchles. Volksztg., Herrn Dr. Bernard v. Florencourt demnächst erscheinende katholische Wochenblatt die vorhanden. Lücke etwas ausfüllen.

* Berlin, 7. April. Das Gesetz betreffend die Abänderung der Artikel 15 und 18 der Verfassungsurkunde ist vorgestern vom Kaiser genehmigt und heute früh durch die Gesetzsammlung ver­öffentlicht worden. Fürst Bismarck reist heute um 2 Uhr auf einige Tage in Begleitung seines jüngsten Sohnes nach Friedrichs­ruh und kehrt Freitag zum Geburtstag der Fürstin hierher zurück. Die europäische Conferenz wegen des gleichmäßigen Tonnen­typus im Suezcanal wird, laut derK. Ztg., bald in Constan­tinopel zusammentreten und sich wahrscheinlich auch mit der Schiff­fahrtstaxe beschäftigen, wie England und Oesterreich vorgeschlagen haben. Der türkische Gesandte, Aristarchi Bey, hat einen län­geren Urlaub genommen, sich bei Ihren Majestäten verabschiedet und war vorgestern vom Fürsten Bismarck zum Diner geladen. Er reist heute nach Konstantinopel ab. Die freie Commission für die Berathung des Münzgesetzes hat, wie dasD.. ver­sichert, in ihrer Mehrheit sich für das Zweimarkstück erklärt. Die hiesigeVolkszeitung eifert gegen das ganze Princip des neuen Münzgesetzes.Der Fehler der Regierungsvorlage, schreibt sie, besteht darin, daß man dem Großhandel eine Goldmünze schafft, die ihm vortheilhaft ist und die man ihm auch gönnen muß, da­für aber dem Kleinverkehr des Volkes eine neue Silbermünze dar­bietet, die um zehn Procent schlechter ist als die bisherige. Wäh­rend ein neues Goldstück wirklich in Metall so viel Werth in sich hat, wie es als Münze lautet, will man das neue silberne Reichs­geld, die Mark, verschlechtern und es an zehn Procent unter sei­nem wirklichen Metallwerth ausprägen. Man gibt dem schlechten Gelde einen Zwangscours, aber nur so lange es sich um kleine Summen bis zu 20 Mark handelt. Bei allen kleinen Summen, wie sie der Reiche dem Armen oder die Armen unter sich zu zah­len haben, da sagt man:Du muß das schlechte Geld für voll annehmen! Bei allen höheren Summen jedoch, wie z. B. bei der Miethe, welche der Arme dem Reichen zu bezahlen hat, da wird man mit einem Male gewissenhaft und sagt:Nein, Du brauchst kein so schlechtes Silbergeld anzunehmen! Du hast das Recht, gutes Geld zu fordern!: Da hört der Zwangscours mit einem Male auf! Ja, selbst für den Umtausch des schlechten Sil­bergeldes in Gold macht der Gesetzentwurf Clauseln, wonach die Reichskassen nur in Summen von 200 Mark den Umtausch be­werkstelligen, während der Arme, der geringere Summen zum Um­tausch bringt, abgewiesen wird!

Der Gesetzentwurf betreffend die bürgerliche Form der Eheschlie­ßung, ist jetzt von den Abgg. Dr. Völk und Dr. Hinschius ein­gebracht worden und gelangt heute zur Vertheilung. Der Ent­wurf umfaßt 25 Paragraphen und gliedert sich in 6 Theile von der Eheschließung, vom Aufgebot, vom Einspruch gegen eine beab­sichtigte Ehe, von den Ehehüchern, von den Ehestandsbeamten und Schlußbestimmungen(Ausschluß derjenigen Bundesstaaten von dem Gesetz, in denen die Civilehe bereits besteht, Uebertragung der Gesetzausführungen an die einzelnen Bundesregierungen, der Auf­sicht über die Ausführung des Gesetzes an den Bundesrath).§ 1 lautet:Eine rechtsgültige Ehe kann nur vor den in den einzel­nen Bundesstaaten zur Entgegennahme von Eheerklärungen bestell­ten Beamten(Ehestandsbeamten) geschlossen werden. Die Voll­ziehung der von den einzelnen Religionsgesellschaften für die Ein­gehung der Ehe vorgeschriebenen Förmlichkeiten darf erst nach der Abschließung der Ehe vor dem Ehestandsbeamten erfolgen.

dieM. Ztg. erfährt, hat der Kaiser gleichzeitig mit der

Unterzeichnung der Cabinetsordre wegen Aufhebung der katholischen Feldpropstei angeordnet, daß in den Fällen, wo die jetzt im Amte befindlichen katholischen Militärgeistlichen in Folge der Aufhebung der Feldpropstei ihr kirchliches Mandat als erloschen betrachten und ihre Functionen einstellen sollten, von der Wiederbesetzung der be­treffenden Stellen Abstand genommen werden solle.Es läge dann allerdings die Möglichkeit vor, daß die Militärbehörden, entspre­chend den Bestimmungen der Militär=Kirchenordnung vom Jahre 1832, den Versuch machten, einen der katholischen Civilgeistlichen in den betreffenden Garnisonorten mit der Militärseelsorge zu be­trauen. Die Regierung scheint sich indessen den zu erwartenden Ablehnungen nicht aussetzen zu wollen und würde also in den oben erwähnten Fällen seitens der Militärbehörden auf eine ander­weitere Regelung der katholischen Militärselsorge gänzlich verzichtet werden:

Das neue Verzeichniß von Petitionen, die bei dem Reichstage eingegangen sind, enthält wieder mehrere Petitionen, welche einschrän­kende Bestimmungen in Betreff der Arbeitseinstellungen beantragen; andere Petitionen beantragen Abänderung der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 durch Wiedereinführung der Prüfungspflicht für Lehrlinge nach beendeter Lehrzeit: neue Beispiele für den Satz, daß der Liberalismus, der jetzt bei uns herrscht, nicht die Gabe besitzt, vollkommene Gesetze zu machen. Daß es ganz sonderbare Menschen gibt, zeigt die Denkschrift, die Dr. iur. Goldrainer überreicht:Zur Ehre und zur Freude des göttlichen dreieinigen Vaterherzens auf dem Throne seiner ewigen Herrlichkeit, apologeti­scher Protest mit der Bitte, sein Gesuch um Ertheilung des deutschen prenßischen Staatsbürgerrechtes zu befürworten.

Franz Graf zu Stolberg=Wernigerode veröffentlicht folgende Er­klärung:Eigens hierher gekommen, um im Herrenhause gegen die Verfassungs=Veränderung bei der zweiten Lesung zu stimmen, ist ein Incidenz Veranlassung gewesen, daß ich in das Haus trat, als so eben die Abstimmung stattgefunden hatte. Ich sehe mich zu dieser Erklärung veranlaßt, damit es nicht den Anschein ge­winnt, als hätte ich meine Stimme abzugeben vermeiden wollen.

Heute Vormittag fand, wie wir hören, die zweite Vernehmung des Geh. Ober=Regierungsrath Wagener durch den Kammerge­richtsrath Steinhausen in der Disciplinar=Untersuchungsangele­genheit statt.

* Posen, 6. April. In Ostrowo, wo der geistliche Religions­lehrer am dortigen Gymnasium wegen der Weigerung, den An­

ordnungen der Regierung in Betreff der Unterrichtssprache Folge zu leisten, suspendirt ist, wird der Vikar Fürst Radziwill Privat­religionsunterricht für die Schüler des Gymnasiums ertheilen.

* Braunschweig, 4. April. In der gestrigen Sitzung der Landesversammlung wurde, wie dasBr.. mittheilt, die Prin­zipienfrage zum Austrage gebracht, ob die zwischen der Kirchen­regierung und der Landessynode vereinbarten Kirchengesetze zu ihrer gesetzlichen Gültigkeit auch noch der Zustimmung der Landesver­sammlung bedürfen, oder ob die Mitwirkung der Factoren der staatlichen Gesetzgebung nicht erforderlich sei. Nach vierstündiger Debatte entschied sich die Majorität der Versammlung dahin, daß die Zustimmung der Landesversammlung erforderlich sei.

dem neuen Reichslande, 6. April. Die Ausweisung des Herrn Generalvicars Rapp macht noch immer viel von sich reden. Die katholische Bevölkerung, besonders die ländliche, ist darüber äußerst bestürzt und auch aufgebracht. Es ist noch kein ganzes Jahr verflossen, als man, bei der Ausweisung der Jesuiten, zu ihr sagte:Fürchtet doch nichts; man will im Geringsten nicht der katholischen Kirche schaden; eure Religion wird frei und geehrt bleiben: euren Priestern wird nichts zu Leide ge­than werden.. nur die Jesuiten müssen fort, dieweil dieselben staatsgefährlich sind und den Thron unseres erlauchten Kaisers wackeln machen. So ungefähr auch sprach General v. Hartmann als der erste Stein zum Fort Hausbergen den 28. Septbr. 1872 gelegt worden. Doch das Volk bemerkt, daß es, wie es sich aus­

Nun wurde Jesus an das Kreuz hinaufgenommen, Arme und Beine wurden ihm ausgestreckt und mit Seilen festgebunden, und dann die großen Nägel durch Hände und Füße geschlagen. Das Blut spritzte wild heraus. Wo die Nägel haltbar eingeschlagen, wurden die Seile losgebunden, und die ganze schwere Last des heil. Leibes senkte sich und hing in den Nagelwunden. Und so hängt er nun da, und ist elender als ein sterbender Wurm. Der halbzertretene Wurm krümmt sich noch, aber er, in seinem unaussprechlichen Schmerze darf sich nicht krümmen, sonst reißen die Nägel noch tiefer ein. Im gluthheißen Fieberdurste hat er keinen Tropfen Wasser, aber dafür höllisches Spottgelächter und Schimpf von der rohen Soldatenrotte. Da in den Menschen alles Mitgefühl er­storben, erwachte der Trieb des Mitleids in jener Pflanze, die Jesus zur Seite gebogen hatte. Vom Boden strebt sie empor, schleicht zum Kreuze und schlingt sich um dessen Stamm. Sie er­faßt die Lanze des rauhen Kriegsknechtes, an die der Schwamm mit Essig geheftet ist, um Jesu Durst zu spotten, sie berührt küh­lend seine brennenden Lippen, durchflicht mit ihrem dunklen Grün den Dornenkranz, ihn zur Siegeslorbeerkrone bildend und legt die weichen Blätter, wie Freundeshand auf seine bleiche Stirn, die Wunden schließend, die die Dornenkrone ihm geritzt. Und als die Nacht sich senkt auf Golgatha, um das Verbrechen an dem Gott­menschen zu verhüllen, und Christus ruft:Es ist vollbracht", da schließt die treue Blume ihr müdes Auge, sie will keinen Tag mehr schauen und keinen Menschen. Der nächste Sommer gab ihr wieder Knospen, doch trägt sie an ihrer Blüthe die Spur jenes tiefempfundenen Wehes auf Golgatha. Und wenn die Stunde wiederkehrt, wo Jesus seinen Geist in die Hände seines himmlischen Vaters gab, da sinkt ihr bleiches Haupt in ewige Nacht und seit­dem will sie nie mehr als einen einzigen Tag sehen.

Die dreizackigen Blätter der Passifloren sprechen das Geheimniß

der heiligsten Dreieinigkeit aus, ihre scharlachenen, oder weißen, oder rosenfarbigen Blumen bieten in dem phantastischen Aufbau ihrer Innentheile in wahrhaft überraschender Weise das Bild des Kreuzes und der Leidensinstrumente. Die Spanier, welche die köst­liche Blume zuerst fanden, entdeckten alsbald alle Werkzeuge der Kreuzigung an ihr. Der tausendfädige, roth oder blau gesprenkelte Nektarienkranz im Blumengrunde wurde gedeutet als die blutige Dornenkrone, die fünf Staubfäden als die fünf Wunden, der Fruchtknoten als der Kelch des Leidens, die Griffel sollten das Kreuz darstellen und die Griffelnarben die Nägel derselben.

Wie die Legende dem Gesammtleiden, so hat sie auch jeder ein­zelnen Pein des Gottmenschen eine Blüthe gewidmet. Leopold Mormann erzählt imVaterland"(Jahrg. 1871):Es war in jener schweigsamen Nacht, wo der Heiland auf dem Oelberge wan­delte und gegen Gethsemane kam, als sein Herz plötzlich in den Tod betrübt wurde; denn er wußte, daß seine Stunde nunmehr gekommen sei. Er hieß die Jünger Petrus, Johannes und Ja­cobus zurückbleiben, er selbst aber kniete entfernt von ihnen nieder, fiel auf sein Antlitz, erhob dann die Hände zum dunklen Himmel und rief drei Mal: Vater, wenn es möglich ist, so laß den Kelch an mir vorübergehen! Und als er mit dem Seufzer demüthiger Ergebung hinzusetzte: Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! da rang sich im tiefsten Seelenschmerze aus seinem Auge eine Thräne und fiel zur Erde. Sofort sproßte aus dem Boden des geweihten Ortes ein zartes Pflänzlein, dessen Blüthe bestrebt war, im mil­den Farbenspiele ein Bild des gottmenschlichen Auges wiederzu­geben. Seitdem erfreut sich der fromme Glaube des heil. Andenkens an diese Nacht der Schmerzen und gab der sammetbraunen Blume, die nun häufig in unseren Gärten kultivirt wird, auf ewige Zeiten den Namen Christusauge.