55. Jahrgang Nr. 253

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Bonn, Dienstag, 2. Rovember 1926

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Eine bedeutsame Kanzlerrede.

Reichskanzler Dr. Marx' große Rede auf dem Ersurter

Zentrumsparteitag.

Die Erfurter Reichsparteiausschußtagung der Zentrums­partei, die den diesjährigen Reichsparteitag ersetzen sollte, ##bertrifft in ihrer politischen Bedeutung vielleicht alle Parteitage, die die Zentrumspartei in der Nachkriegs­geit abgehalten hat. Wir müssen uns heute darauf beschränken, die Kanzlerrede, einige wichtige Entschließungen und die bedeutsame Kontroverse von Papen Dr. Wirth hier wiederzugeben. Die übrigen Referate, das außenpolitische von Prälat Dr. Kaas, das innenpolitische von Joos, die Aus­führungen über Mittelstand und Landwirtschaft von Fachpolitikern, sowie weitere Entschließungen werden wir noch nachtragen.

Die Beteiligung an der Erfurter Tagung war außerordent­lich stark. Sämtliche dem Zentrum angehörigen Reichsminister, an der Spitze Reichskanzler Dr. Marx, sowie einzelne Landes­minister waren anwesend. Alle Gegenden des Reiches hatten Vertreter entsandt. Schon Donnerstag und Freitag hatte der Bildungsausschuß der Zentrumspartei zu ernster Ar­beit in Erfurt getagt, am Samstag fanden bei stärkstem An­drang zwei öffentliche Versammlungen statt, in welchen Stegerwald, Haslinde, Kaas, Marx und Wirth sprachen. Sonntag vormittag begann die eigentliche Reichs­parteiausschußtagung, die der Führer der Gesamtpartei, Reichs­kanzler Dr. Marx eröffnete und begrüßte. Dann übernahm der Vorsitzende der rheinischen Zentrumspartei, Justizrat Mön­nigmeyer die Leitung der Tagung. Er erteilte sofort das Wort dem Reichskanzler, der sich in umfassenden Ausführungen über die gesamte politische Lage verbreitete.

Reichskanzler Dr. Marx:

Die von der Zentrumspartei innegehaltene Politik war ge­

gründet auf der Erkenntnis, daß das deutsche Volk, jeglicher vassenrüstung beraubt, zum Wiederaufstieg und zur Genesung geführt werden kann nur durch Verständigung mit den ihm bis dahin feindlich gegenüberstehenden Nationen. Diese Verständigungspolitik hat zu Ergebnissen geführt, mit denen sich auch die bisherigen Gegner dieser Politik, wenn auch wider­willig, abgefunden haben. Mit vollster Ueberzeugung hat die Zentrumspartei auch die Bestrebungen unterstützt, die auf Ein­tritt Deutschlands in den Völkerbund gerichtet waren. Sie verkennt nicht, daß mit dem Eintritt in den Völkerbund nur die Art des politischen Verteidigungszustandes Deutschlands geändert ist. Nach wie vor werden wir uns mit den übrigen Rationen auseinandersetzen müssen über die Mittel, wie die Veltgeltung Deutschlands zu fördern und zu sichern ist. Der Eintritt in den Völkerbund mußte aber als der beste und sicherste Weg dazu betrachtet werden.

Die Zentrumspartei hat damals und ununterbrochen bis gam heutigen Tag sich wie seit ihrer Gründung als emi­gente Schützerin und Förderin des Staates bewiesen. Sie hat, wie sie mit Stolz immer wieder feststellen kann, seit 1919 noch niemals ihre Pflicht, für das Volk auch an verantwortlicher Stelle politische Arbeit zu leisten, verleugnet oder vernach­Ussigt. Sie hat immer wieder die schwere Last der Verant­wortung auch in der Uebernahme von Regierungsstellen auf sch genommen, wenn auch das Parteiinteresse es als viel ver­lockender hingestellt hätte, sich von der Regierung zurückzu­zehen und bequemem Agitationeinteresse Vorschub zu leisten. Diese Versuchung hat die Partei stets mit Entschiedenheit zu­rückgewiesen. Mit Fug und Recht kann sie die Vorwürse als durchaus unbegründet zurückweisen, die

der frühere Kaiser

in seinen soeben erschienenen Jugenderinnerungen gegen ihre Vaterlondstreue zu erheben sich untersängt. Wenn der Kaiser behauptet, daß die Zentrumsparteinach Beendigung des Kul­turkampfes, für den ihre. Existenz berechtigt gewesen wäre, zum Schaden des Vaterlandes fortbestanden hätte, dann bildet die politische Entwicklung demgegenüber für jeden ruhig und ob­##tir Urteilenden die beste Widerlegung dieser haltlosen Be­hauptung. Wie oft ist bereits aus gegnerischem Munde dem Zentrum das Zeugnis ausgestellt worden, daß gerade sein Be­kehen bei der geschichtlichen Entwicklung unseres inneren Par­leiwesens von außerordentlich segensreicher Bedeutung sei, daß das politische Leben in Deutschland geradezu verdevbliche Aus­wirkungen gehabt haben würde, wenn die Zentrumspartei als wahre Mittelpartei nicht den Ausgleich zwischen rechts und Uinks vermittelt hätte. Der Vorwurf, daßdie Führer des Zen­krums geistig abhängig von einer auswärtigen Macht, dem Papsttum seien, daß sie ihre natürliche Abneigung gegen das protestantische Herrscherhaus niemals verleugnet, noch sich zu einem vorbehaltlos freudigen Bekenntnis zum Reichsgedan­ien aufgeschwungen hätten, daß dem Zentrum jedes konsequente ! Grogramm für eine nationale Polivik gefehlt und es in allen grundlegenden politischen Fragen, in allem für das nationale Leben Wesentlichen eine Selbstzucht an den Tag gelegt habe, die die Partei bis auf den heutigen Tag gehalten habe.

läßt eine unglaubliche Unkenntnis der wahren Sach­lage erkennen, seine Haltlosigkit ist durch zahlreiche unbestreit­

hare politische Ereignisse für jeden politisch und gerecht­denkenden unzweiselhaft längst entschieden. Die Zentrums­partei kann mit Stolz darauf hinweisen, daß schon seit Jahren kein namhafter Politiker er mehr gewagt hat, sol­che Vorwürse, die in der Hitze des Kulturkampfes auf katho­litenfeindlicher Seite entschuldbar erscheinen mochten, gegen die Zentrumspartei zu erheben. Die Partei weiß, daß ihre für dus Vaterland wertvolle und unentbehrliche Arbeit von der Geltgeschichte eine gerechtere und zutreffende Beurteilung erfahren wird.

Die Verhandlungen von Thoiry.

die der Reichsaußenminister mit dem französischen Minister eingeleitet hat, liegen durchaus in der Richtung der Zentrums­politik und finden die volle Billigung der Partei. Sie erkennt,

daß noch langwierige Auseinandersetzungen notwendig sein werden, ehe bei der Einstellung Frankreichs und der Schwierig­leit des zu entwirrenden Fragenkomplexes der erhoffte Erfolg eintvitt. Sie erkennt mit Dankbarkett die Tätigkeit Dr. Stresemanns bei der Behondlung dieser Frage an, und stellt von neuem die Tatsache fest, daß eine wirkliche Befrie­

dung zwischen Deutschland und Frankreich erst dann eintreten kann, wenn die völlige Befreiung des besetzten Gebietes zur Tatsache geworden ist. Wer auf die Dauer die Wohlfahrt der beiden Nachborländer begründen und sichern will, muß das Fortbestehen friedlicher Verhältnisse zwischen ihnen mit aller Macht betreiben. Deutschland ist dazu bereit, göchten seine Bemühungen das verständnisvolle Entgegenkom­

cen der anderen Seite finden.

Es ist inrichtig, wenn von der rechten Seite der Vor­gurf erhoben wird, die Verhandlungen von Thoiry hätten

schlechthin einen falschen Weg zur Förderung der Interessen Deutschlands eingeschlagen. Der große Vorteil des Tages von Thoiry und der im Anschluß daran erforderlichen Verhand­lungen ist der, daß fürderhin nicht mehr die starre Einstellung Frankreichs bezüglich der Besetzung des in Betracht kommen­den Gebietes aufrechterhalten werden kann. Es steht nun ein­mal fest, daß Deutschland die Befreiung des besetzten Gebiet­von fremder Besatzung vorlangen kann, wonn nur der richtige finanzielle Weg gefunden wird. Aber gerade diese Re­gelung bietet so große Schwierigkeiten, daß sie nicht von heute auf morgen zu erledigen sind. Die in Thoiry vorgesehene Mo­bilisierung der Reichsbahnobligationen setzt auf jeden Fall die Mitwirkung Amerikas voraus. Diese ist aber zu erreichen, wenn das Schuldenabkommen zwischen Amerika und Frankreich endlich von Frankreich ratifiziert wird. Diese Ratifizierung stößt auf ungemein große Schwie­rigkeiten in Frankreich selbst. Ehe aber die Ratifizierung er­folgt ist, ist an eine Förderung der Mobilisierungsfrage nicht zu denken.

Andere Wege der Finanzierung einzuschlagen, etwa die Aufnahme einer gemeinsamen Anleihe durch Deutschland und Frankreich, stoßen ebenfalls auf große Bedenken. Es muß eben in gemeinsamer Arbeit noch sehr sorgfältig geprüft werden, auf welche Weise diese von Frankreich benötigten finanziellen Gegenleistungen Deutschlands herbeigeführt wer­den können. Daß zur Erledigung einer so außerordentlich schwierigen Frage ein längerer Zeitraum in Anspruch genommen werden muß, ergibt sich ohne weiteres. Daraus der Regierung einen Vorwurf zu machen, ist ebenso ungerechtfertigt, wie die Behauptung, daß die Verhandlungen von Thoiry er­gebnislos geblieben oder gescheitert seien. Die Tatsache dieser Verhandlungen und ihr Inhalt werden nicht mehr aus der Welt geschafft werden; die Frage wird nicht eher zur Ruhe kommen, bis die Befreiung des besetzten Gebiets erreicht ist.

Was die innere Politik anlangt, so wird zunächst die Frage der Regierungsbildung im Reich wie in Preußen im Vordergrund des Interesses ste­hen. Die Zentrumspartei hat wiederholt ihre Einstellung zu dieser Frage grundsätzlich festgelegt. Wir sind bereit, mit jeder Partei eine Regierung zu bilden, die gewillt ist, auf dem Bo­den der bestehonden Verfassung die Politik weiter zu treiben, die bisher von der Zentrumspartei als richtig anerkannt wor­den ist. Die zur Zeit im Vordergrund stehenden Bemühungen, die große Koalition sowohl in Preußen wie im Reich herzustellen, werden von der Zentrumspartei in ruhiger, kühl abwägender Beurteilung der bestehenden politischen Verhält­niste, unterstützt werden. Was die Lage im Reiche angeht, so wird von der

Sozialdemokratie

verlangt werden müssen, daß sie sich endlich klar darüber ent­scheidet, ob sie lieber parteitaktischen Interessen Rechnung trägt. oder eine Politik, die im allgemeinen von ihr als richtig an­erkannt wird, dadurch tatkräftig unterstützt, daß sie sich bereit erklärt, auch ihrerseits die Verantwortung durch Beitritt zur Regierung zu übernehmen. Wiederholte und sehr beacht­liche Stimmen im sozialdemokratischen Lager geben der Be­fürchtung Raum, daß in weiten Kreisen der Sozialdemokra­tischen Partei die Erkenntnis, welche Pflicht in der Zeit des demokratischen Parlamentarismus einer großen, auf dem Bo­ben der Verfassung stehenden Partei obliegt, noch nicht Ge­meingut geworden ist. Wenn zum Beispiel der Abgeord­nete Sollmann jüngst in einer Versammlung zu Köln ausgeführt hat, daß die Parteium kleiner Augenblickserfolge willen ihre große Zukunft, die ein wesentliches Stück der künf­tigen Deutschlands ist, nicht gefährden dürfe," und ferner, daß die Stärke ihrer Parlei ihr Anhang im Lande sei und bleibe, so lassen diese Ausführungen nicht allzu große Hoffnung für die kommenden Dinge zu. Die Zentrumspartei hat ihre Kraft dem notleidenden Staat und Vol: zur Verfügung gestellt, ob­wohl ihre Stärle und ihr Anhang draußen im Lande infolge­dessen gemindert zu werden drohte. Solange die Sozialdemo­kratie auf die Schwäche der Republik und die Bedrohung ihrer Sicherheit hinweist, aber die Uebernahme einer verantwort­lichen Tätigkeit bei der Regierung ablehnt, ist von einem fieg­reichen Durchdringen des wahren Staatsgedankens bei ihr noch nicht die Rede. Man spricht viel von der Notwendigkeit demo­kratischer Gestaltung underes Staatswesens, übersieht aber, daß die Demokratie im wahren Sinne des Wortes nicht nur in Betonung von Rechten besteht, sondern daß gerade die Her­vorhebung der Pflichten dem Volk und dem Staat gegen­über und die Bereitschaft zu deren Erfüllung den Hauptinhalt des wahren demokratischen Gedankens darstellen Auf der anderen Seite sehen wir

die Deutschnationale Partei nicht nur bereit, in die Regierung einzutreten, sie stellt es sogar als ein Recht hin, in die Regierung ausgenommen zu werden und erhebt wenigstens auf ihrem Parteitag aus­drücklich einen dahingehenden Anspruch. Wie sich die Frage der Regierungsbildung weiter entwickeln wird, läßt sich zur Zeit auch nicht annähernd übersehen. Die Entscheidung wird erst nach Wiederzusammentvitt des Reichstages von den in Betracht kommenden Parteien zu treffen sein, da auch die Er­ledigung in Preußen bis zu diesem Zeitpunkt hinausge­schoben worden ist. Das Verlangen der Deutschnationa­len, in die Negierung einzutreten, wird die Zentrumspartei wie stets sachlich und durchaus objektiv bewerten und dar­nach handeln. Mit der Betonung einiger Redner des Partei­tages, daß man sich auf den Boden der Weimarer Verfassung stelle, daß man als Tatsache anerkenne, daß Deutschland nun­mehr dem Völkerbunde angehöre, und daß man infolgedessen berett sei, die Außenpolitik auf dem Boden des Völkerbunder weiter zu betreiben, wird man sich allein nicht begnügen können. Dafür hat doch das Verhalten der Deutschnationalen Partei in der ganzen Zeit seit 1919 ein allzu großes und nur zu sehr begründetes Mißtrauen bei all den Parteien er­weckt, die sich nicht nur formell auf den Boden der neuen Ver­fassung stellen, sondern auch aus innerer Ueberzeugung ent­schlossen sind, die durch die Versassung von Weimar begründete Staatsform weiter auszugestalten und zur Rachhaltigen Auswirkung zu bringen, weil nur so das Wiederaufblühen des deutschen Volkes und seine Wohlfahrt gesichert ist. Wir haben schöne Worte auf dem Parteitag der Deutschnationalen gehört. Die Presse derselben Partei und die Reden einer An­zahl von Abgeordneten derselben Richtung nach dem Partei­tag lassen das bestehende Mißtrauen durchaus als gerechtser­tigt erkennen. Die Parteien, die den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund erstrebt und als richtig begrüßt haben, werden eine Politik niemals mitmachen, die in dem Ausdruck einer

angesehenen deutschnationalen Zeitung gipfelt:Wir müssen im Völkerbunde als die Störenfriede erscheinen.

Zu einer der bedeutendsten Fragen wird sich in den näch­sten Monaten

das Verhältnis des Reichs zu den Ländern

gestalten, einmal auf dem Boden der Finanzen. Hier wird der Finanzausgleich außerordentliche Schwierigkeiten der parlomentarischen Behandlung darbieten. Die in Aussicht genommene Regelung zum 1. April 1927 ist aller Voraussicht nach wicht mehr möglich. Umso mehr wird Gelegenheit gegeben sein, durch eingehende Besprechungen zwischen Reich und Län­dern zu einem möglichst befriedigenden Ergebnis zu kommen. Die Frage ist außerordentlich schwierig und bedeutungsvoll. Sie muß in verständnisvollem Zusammenarbeiten aller in Betracht kommenden Faktoren entschieden werden. Das Zentrum ist seit je eine söderalistische Partei gewesen. Es hat stets die Rechte der Länder in möglichst weitem Umfange zu schützen unternom­men. Die geschichtliche Entwicklung Deutschlands darf in ihrer Bedeutung in keiner Weise gering geachtet werden, so sehr auch das Nebeneinanderarbeiten der Regierungen der Länder und des Reiches die Erledigung notwendiger polisischer Aufga­ben erschweren mag. Auf der anderen Seite hat die Verfassung von 1919 nun einmal das Reich in den Vordergrund gestellt, so daß bei widerstreitenden Interessen in erster Linie das In­veresse des Reiches zu berücksichtigen und zu schützen ist. Man wird auch nicht leugnen können, daß die politische Entwicklung die Mannigfaltigkeit der Länder innerhalb des Reiches mehr und mehr als schwer erträglich erkennen läßt und unaufhaltsam auf allmähliche Aenderung drängt und hinweist. Manche Länder, die noch 1919 ihre Selbständigkeit betonten, haben sich mit an­deren vereinigt. Bei anderen sind die finanziellen und wirt­schaftlichen Verhältnisse derart schwierig geworden, daß die Bei­behaltung der Selbständigkeit in hohem Maße bedroht erscheint. Die Notwendigkeit einer Lösung der überaus schwierigen, aus dieser unverkennbaren Entwicklung sich ergebenden Fragen. wird immer deutlicher in den Vordergrund treten.

Die innere Politik Deutschlands liefert zur Zeit eine so außerordentlich große Zahl von schwer zu lösenden Problemen, daß die Zeit heute zu sehr in Anspruch genom­men werden würde, wenn ich auf einzelne, so wichtig sie an sich auch sein mögen, hier näher eingehen würde. Ich darf aber nicht unterlassen, wenigstens eine Frage ganz besonders in den Vordergrund zu stellen, das ist die Erledigung des

Reicheschulgesetzer.

Wie wir schon so oft stolz und freudig feststellen konnten, ist in keiner Frage wohl die Zentrumspartei so einig und geschlossen wie gerade in dieser Frage. Wir sind seit jeher, und zwar in voller Uebereinstimmung aller Parteiangehörigen, für die För­derung und Verteidigung der konsessionellen Schule eingerre­ten. In ihr sehen wir die Ziele der Erziehung, die wir von onserem christlichen Standpunkte aus niemals aus den Augen verloren haben und zu verlieren entschlossen sind, am sichersten gewährleistet. Daneben sind wir bereit, die Grundsätze, die die Weimarer Verfassung für das Schul= und Erziehungswesen an­erkannt und garantiert hat, durch Schaffung gesetzlicher Formen zu verwirklichen, Grundsätze, die von uns stets als hochbedeut sam und unbestreitbar anerkannt worden sind. Es sind Grund­sätze der Wahrung des Elternrechts und der Gewis­sensfreiheit. Das Zentrum will in dem kommenden Reichs­schulgesetz die Bestimmungen der Artikel 146 und ff der Ver fassung ihrem wahren Sinne nach ausgeführt sehen. Es will all denen, die die Simultanschule oder die religionslose Schule als das zu erstrebende Ziel erachten, das Recht geben. Schulen der von ihnen gewünschten Art einzurichten. Demgegenüber beansprucht die Zentrumspartei und sie weiß sich damit eins mit dem größten Teil des gesamten christlichen Volkes daß der konfessionellen Schule volle Gleichberechtigung, freie Betä­tigung und Entwicklung eingeräumt wird Ein Entwurf des Reichsschulgesetzes wird aller Wahrscheinlichkeit nach den Reichs­tag im nächsten Winter beschäftigen. Die Schwierigkeit der Auf­gabe wird von uns in keiner Weise verlannt. Das Zentrum hat seine Grundsätze bereits bei der Beratung des früheren Ent­wurfs im Jahre 1921 und 1922 in die Tat umzusetzen versucht. Sein Standpunkt ist heutzutage unverrückbar derselbe wie da­mals. Die Partei weiß, ich wiederhole das, daß sie in keiner Angelegenheit auf eine solche einmütige Zustimmung ihrer An­hänger rechnen darf, wie in der Schulfrage.

Sehr zu bedauern. aber recht charakteristisch ist die Einstel­lung der deutschnationalen Partei, die doch grund­sätzlich auf demselben christlichen Standpunkt steht wie das Zen­trum und von diesem Standpunkt aus mit ebensolcher Entschie­denheit die Gleichberechtigung und Förderung der Konfessions­schule erstreben müßte. Ich bin überzeugt davon, daß die Reichs­tagsfraktien der Deutschnationalen durchaus auf dem hier von mir vertretenen Boden steht. Unverständlich ist, daß gewisse Kreise der Deutschnationalen, nämlich ihre Presse und ins­besondere die WochenschriftDas deutsche Volk, die Sicherung der christlichen Schule und Erziehung in einer möglichst scharfen und dabei durchaus ungerechtsertigten Verdächtigung des Zen trums sieht. Man unterfängt sich in dieser Presse, den Lesern es so darzustellen, als hinge das Zustandekommen eines christ­lichen Schulgesetzes lediglich vom Willen des Zentrums ab. Das Zentrum sei aber in dieser Richtung durch seine Koalition und durch sein Hinneigen zur sozialdemokratischen Politik nicht aus­reichend zuverlässig. Es ist nicht zu verstehen, wie Leute, die doch die Parteiverhältnisse des Reichstages kennen müßten, die Behauptung aufstellen können, als wenn das Zentrum und ich verstehe darunter bei der Schulfrage stets die Bayerische Volkspartei mit einbegriffen nur mit den Deutschnationalen Hand in Hand zu gehen brauche, um ein christliches Schulgesetz zustandezudringen. Tatsache ist doch, daß, wenn auch die genannten drei Parteien zusammengehen, den­noch eine Mehrheit für ein Schulgesetz damit nicht zu­standegekommen ist. Man täuscht die Leser, wenn man anderes in der deutschnationalen Presse ausführt. Darin liegt eben die Schwierigkeit eines Reichsschulgesetzes, daß bei der gegenwärti­gen Zusammensetzung des Reichstages diejenigen Parteien die auf dem Boden der konfessionellen Schule stehen, für sich allein die Mehrheit im Reichstag nicht besitzen. Sie müssen also, um ihre Wünsche Gesetz werden zu lassen, die Unterstützung anderer Parteien für ihre Ziele erhalten. Es wird sich also zur Schaffung eines den christlichen Ansprüchen genügenden Schulgesetzes in erster Linie darum handeln welche Stellung die Deutsche Volkspartei und die Demokratische Partei einnimmt. Die Deutsche Volkspartei hat bei dem Entwurf vom Jahre 1921 die Anträge des Zentrums auf För­derung des konfessionellen Schulgedantens mit gestellt und un­terstützt. Am Widerspruch der Demokraten ist damals der dem Reichstag vorgelegte Entwurf gescheitert. Wir werden also ab­zuwarten haben, wie diese Parteien sich im kommenden Winter dem neu vorzulegenden Schulgesetzentwurf gegenüber verhal­ten werden. Ohne sie das muß der Haltung der deutsch­nationalen Presse gegenüber mit alber Deutlichkeit gesagt wer­

den wird ein den Wünschon der christlichen Eltern genügen­des Schulgesetz nicht zustandekommen!

Die Verdächtigungen und Angrisse der deutschnationalen Presse verbitten wir uns auf das Entschiedenste. Wir wollen nicht die politische Lage vergiften, sonst könnten wir die Gegen­frage aufwersen, ob denn die Deutschnationale Partei so ge­schlossen und einmütig für die konfessionelle Schule einzutreten gewillt ist, wie das bei der Zentrumspartei unbestreitbare Tat­sache ist. Es könnten bei Bespretzung dieser Frage sehr un­liebsame Tatsachen betont werden müssen, so u. a. die eigentümliche Haltung der Deutschnationalen Partei in Ba­den, das Bestreben der Deutschnationalen Partei in Hessen­Nassau, für diese Landesteile die dort bestehende Simul= tanschule auch für die Zukunft festzuhalten, und eine Reihe anderer urkundlich festgelegter Tatsachen. Es scheint mir im Interesse der Sache nicht wünschenswert, auf diese Dinge näher einzugehen. Ebenso müssen wir aber die Forderung er­heben, daß die Deutschnationale Partei auf ihre Presse nach­haltig einwirkt, um sie von weiteren Verdächtigungen des Zen­trums abzuhalten.

Besonders bemerkonswert unter den Ereignissen der letzten Monate ist

das Hervortreten der Wirtschaft

im öffentlichen Leben. Die wirtschaftlich und finanziell be­brängte Lage, in der sich nicht nur das besiegte Deutschland. sondern auch die Siegerstaaten Belgien und Frankreich infolge der Inflation und der Schwächung ihrer Währung. England in­folge des großen Vergarbeiterstreiks befinden, hat es bewirkt, als sonst jemals Wirtschaftskreise ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen in der Erkenntnis, daß vielfach politische Faktoren in Versteifung auf einseitige poli­tische Ziele, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu beseitigen

nicht imstande seien. Besonders bedeutungsvoll waren die Ver­handlungen des Zentralverbandes der Industrie in Dresden und die bekannte Rede Silverbergs, die zwar nicht allge meine Anerkennung gefunden hat, von der aber doch

offen, ist, daß sie für die Entwicklung auf wirtschaftlichem und politischem Boden von dauern­der Bedeutung bleiben wird. Das Verhältniz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer muß ein vertrauensvolleres und besserers werden, als es leider vielsach bis jetzt gewesen ist. Erst dann, wenn beide für die Erstarkung der Wirtschaft onent­behrliche Faktoren Hand in Hand miteinander arbeiten, wird unsere WirsPaft die wünschenswerte Stärkung und Siche­rung erfahren. Mutig sind die Wirtschaftskreise über die Grenze vorgedrungen, haben die Schran­ken nicht geachtet, sind in wertvollen Abkommen eine Ver­bindung eingegangen, die aller Wahrscheinlichkeit nach von se­gensreichen außenpolitischen Folgen für alle beteiligten Nationen begleitet sein wird. Das Verhältnis von Wirt­

schaft und Politik ist so oft schon erörtert worden. Ich

glaube, daß die politischen Kreise aus der Entwicklung der letz­ten Monate die Lehre entnehmen müssen, daß ein allzu eigen­sinniges und starres Festhalten der von ihnen als richtig ver­tretenen Ideen dazu führen kann, und bei einsetzendem Not­stand führen muß, daß die Wirtschaftskreise politische Bedenken und Schwierigkeiten gering achten und einfach beiseite schieben, so daß schließlich das wirtschaftliche Wohl über politische Eng­herzigkeit tviumphiert. Möchten die für die Politik verantwort­lichen Kreise die hieraus sich ergebenden Mahnungen ziehen und befolgen.

Eine Reihe weiterer wichtiger Fragen, die innerpolitisch im nächsten Winter der parlamentarischen Erörterung unterzogen werden müssen, kann ich hier übergehen, weil mehrere Ent­schließungen, die wir dem Reichsparteiausschuß zur Be­schlußfassung durch besondere Redner vorlegen lassen wollen, un­fere Meinung zu diesen Dingen erkennen lassen werden. Die heutige Sitzung des Reichsparteiausschusses wird sich in erster Linie mit der Frage der Organisation und der inneren Ausgestaltung der Zentrumspartei beschäftigen.

(Fortsetzung des Berichtes über den Reichsparteitag siehe erste Seite der zweiten Beilage.)

Locarno und die Dominien

Seit der Eröffnungssitzung der britischen Reichskonferenz.

in der der Südafrikaner Hertzog so deutlich wurde, hört man nur noch wenig aus den ununterbrochenen Beratungen der Konfe­renz. Es ist die Methode der Konferenz von 1923, also die völlige Geheimhaltung, eingetreten, da man eine Wiederkehr der peinlich=öffentlichen Auseinandersetzungen von 1921 befürchtete. Runmehr hört man aber, daß die Zentrale einen starken mora­lischen Erfolg davongetragen hat. Die Dominien, auch der so scharf oppositionelle südafrikanische Premierminister, haben an­erkannt, daß die Unterzeichnung der Locarno=Verträge durch die Dominien wünschenswert sei. Bekanntlich haben die Dominien bisher die Unterzeichnung verweigert, und wenn sie jetzt, wie berichtet wird, zugeben, daß ein Großbritannien zum Eingreifen verpflichtender Garantiefall der Sicherheitsverträge doch auto­matisch die Dominien mitziehen würde, dann ist, ohne juristische Festlegung, in bemerkenswerter Weise die Einheit der Reichs­politik gewährleistet und sogar verstärkt.

Wie die Greuellügen entstanden.

London, 29. Okt. Der sozialistische Sohn und Erbe der Bischofs von Bedford, Marquis Tapistock, hielt gestern in der St. Martinskirche in Birmingham vor einer zahlreichen Versamm­lung eine Aussprache, in der er sich gegen die englischen Propa­ganda=Falschmeldungen während des Krieges wandte, wie z. B. der angeblichen Prägung einer Denkmünze in Deutschland zur Erinnerung an der Versenkung der Lusitania, dieKadaver­fabrik und andere derartige Berichte. Daily Expreß zufolge er­klärte er, die englische Propaganda im Kriege war skrupellos. Die Behauptung z.., die Deutschen hätten Leichen von Kriegsgefallenen zur Fettgewinnung verarbeitet, war freie Er­findung. Ich habe vor kurzem einen Mann getroffen, der mir sagte, daß diese Idee von ihm stammte. Er wurde in der Pro­paganda verwandt und seine Worte zu mir waren: Ich wurde bezahlt, um solche Ideen hervorzubringen und ich brachte sie hervor.

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