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55. Jahrgang Nr. 228

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vonn, Samstag, 2. Oktober 1926

Montags: Sportnachrichten= Mittwochs: Für unsere Frauene Freitags: Familienblaut für das christliche Haus

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Zandel und Wierschaft: Toni Weinand, übtigen redaktionesten Teil. Hugo Rudolp#. don Anpeigentelt Fran, Kratz, 20s am Bork Bosliner Korrespondent: Idr. Witheln Kiesa.

Erscheint jäglsch außer Conn= und Feiertage

Ausblick.

Hindenburg wird heute 70 Jahre alt. Tag in der Stille, fern von Berlin, im Frieden seiner ländlichen Besitzung begehen. In der Stille wollen auch wir heute dieses Mannes gedenken, der wortkarg, aber eisern, in stummer Pfl erfüllung allen Deutschen das ideale Vorbild des wahrhaften Staatsbürgers vorlebt. In tieser Verbundenheit mit der Ge­schichte und der heutigen Lage des deutschen Volkes hilft Reichs­präsident von Hindenburg ohne große Geste dem Durchbruch einer neuen Zeit. Unter Hindenburgs Namen wurde der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund vollzogen und das deutsch­französische Verständigungswerk von Thoiry begonnen. Hin­denburgs Name steht über der großen innenpolitischen Forde­rung der Volksgemeinschaft. Niemand mehr drinnen und draußen zweiselt daran, daß der Kriegsheros ehrlich und aus tiefer Erfahrung dem deutschen Volk und der Welt Frieden und Versöhnung bereiten will. Der Gedanke der Volksge­meinschaft und des Völkerbundes, diese zwei Zentral­punkte aller Politik der Gegenwart und Zukunft, sind unter Hindenburgs Reichspräsidentschaft mehr denn je in allen Schich­ten des Volkes als die Grundlage der Neuordnung aus Zu­sammenbruch und Verwüstung erkannt worden. Was vor weni­gen Jahren noch als Traum heilloser Toren galt rückt immer näher. Vielleicht wäre unter einem anderen Reichspräsidenten, gleichviel wer er sei eine hemmungslose Entwicklung dieser Art nicht möglich gewesen. Hindenburgs Autorität schützt das Eini­gungswork gegen den Einspruch und die Störungsverluche der verstockten Anhänger des Ich= und Macht Gedankens. Gerade wir Friedenofreunde wollen darum heute zum 79. Geburtstag dem greisen Hindenburg einen Gruß tiesen Dankes senden und dabei wünschen, daß der 80. Geburtstag des Reichspräsidenten im nächsten Jahre uns als ein in seinen Ständen und Stämmen einigee Volk finden möge.

*

In Germersheim und Trier sind zwei Deutsche von Angehörigen der französischen Besatzung im Streit erschossen worden, in Koblenz wurde vorgestern ein deutscher Studien­assessor von Besatzungssoldaten mißhandelt, als er auf weibliche Hilferufe in einen dunklen Gassenwinkel eintrat. Die Feindseligkeiten, die diesen Gewalttaten zugrundellegen, sind nur aus der Atmosphäre der Besatzungoherrschaft zu erklären. Deutschland wird das Leben seiner Bürger gegen solche Vor­kommnisse schützen wollen und müssen. Darum ist es notwendig, daß restlose Aufklärung der Tatbestände und die gebührende Bestrafung der Täter erfolgt. Man wird aber nicht ganze Arbeit machen, wenn man nicht die tiefste Ursache solcher Zu­sammenstöße, nämlich die Besatzungeherrschaft selbst, die über­dies nach Genf und Thoiry sinnlos geworden ist, im ganzen Um­fang beseitigt. Darum ist nichts selbstverständlicher, als daß wir Rheinländer unermüdlich sordern: gebt den ganzen Rhein endlich frei, beseitigt bald und gründlich alles, war die in Thoiry begonnene deutsch=französische Annäherung mit Mißver­ständnissen belasten und was dem Geist des Völkerbundes zu­wider sein muß.

*

Poincare hat es für nötig gehalten, in zwei neuen Sonntagsreden, die Kriegsschuldfrage in seinem alten Sinne anzuschneiden. Wir wollen es hier einmal beiseite lassen, daß gerade Poincare, auf dessen Tätigkeit zusammen mit Iswolski ein großer Teil der Schuld am Kriegsausbruch fällt, kein geeigneter Zeuge für den Hergang der Katastrophe von 1914 sein kann. Wir wollen lieber anmerken, daß selbst Poin­care diesmal ein wenig Wasser in seinen alten Wein gegossen hat, und daß er erklärte, man wolle in Frankreich durchaus nicht das deutsche Volk als Ganzes für die Ereignisse von 1914 und auch nicht das deutsche Heer als Ganzes für die Schäden verantwortlich machen, die im Kriege entstanden sind. Ein wenig von versöhnlichem Geist, soweit Poincare diesen mit sich selbst und seiner politischen Vergangenheit zu vereinbaren ver­mag, war in diesen Kriegsschuldreden immerhin enthalten, und das Wesentlichste, was von ihr außenpolitisch zu sagen ist, wäre die Tatsache, daß Poincare selbst mit diesen Reden nicht die außenpolitische Linie des Versöhnungspolitikers Briand stören wollte und daß er sie auch tatsächlich nicht zu stören vermochte. Er mag bei dieser neuen Politik nicht mit dem Herzen be­

teiligt sein: mit dem Kopfe ist er es, wenigstens in dem nega­tiven Sinne, daß er die Aussichtslosigkeit von Störungsversuchen selbst erkennt. So haben sogar diese Reden, aus denen einige Sähe trotz ihrer merklichen Abschwächung unangenehm wirken, nur das Eine bewiesen, daß die neue Politik auf dem Marsche ist und selbst von ihren Antipoden halb widerwillig anerkannt wird.

*

Dr. Weismantel, der sich als katholischer Schriftsteller and Dramatiker einen Namen gemacht hat, hat, wie erinnerlich vor einiger Zeit Aufsehen erregt durch eine Rede im bayerischen Landtag, in der er über die Simulianschule sprach. Er hat sich ähnlich, wie Professor Ernst Michel es vor kurzem in der protestantisch=religlösen ZeitschriftDie christliche Welt(Nr. 13 vom 12. August 1926) tat, gegen die katholische Bekenntnisschule gewandt und sich für die simultane Schulform ausgesprochen. Michel und Weismantel glauben, die Zersetzung des Volkstums durch die simultane Schule überwinden zu können. Es ist hier nicht der Platz, um zu untersuchen, ob und inwieweit die von ihnen geäußerten Anschauungen, die subjektiv zweisellos katho­lisch gemeint sind, noch als objektiv katholisch gelten können. Hier kommt lediglich die Tatsache in betracht, daß Dr. Weis­mantel versichern kann, die verantwortlichen Stellen der Zen­

trumsartel hätten ihm wegen seiner Haltung in der Schulfrage keine Schwierigkeiten gemacht. Wenn diese Mittellung richtig ist, und wir haben keinen Anlaß, daran zu zweiseln, dann ist diese Haltung des bayerischen Zentrums nicht als Einver­

ständnis und Billigung aufzufassen; denn das bayerische Zen­trum wird es ablehnen, He

Interpreten der Schulartikel des Codex juris canoniei anzu­sehen, und das mit Recht.

Am Snderdergs Hoiterung.

A B C des Lebens.

Von

Josef Feiten.

Kolonien sind Länder, die von mächtigeren Völkern, und tüch­tigeren, wie sie selbst meinen, in Besitz genommen werden. Dabei finden sie es denn ganz in der Ordnung, die einge­vorenen Menschenbrüder zu unterdrücken und auszunutzen. Ja, sie scheuen sich oft nicht, sich zu diesem Zweck das fromme Mäntelchen der Mission, die an sich einem uneigennützigen religiösen Beweggrund entspringt, umzuhängen. Die Herrenvölker behaupten, den Wilden die Gesittung zu bringen; das müßten sie denn auch tun. Oft aber bringen sie ihnen nichts Besseres, als diese haben, und nahmen ihnen anderseits Wertvolles, nicht nur Elefantenzähne und Pfeffer­nüsse, sondern auch Tugenden weg. In Dingen der Kindlich­keit, Gutmütigkeit, Gafreundlichkeit Genügsamkeit, Fröm­migkeit könnten diefortschrittlichen Herrenländer oft von denrückständigen Heiden lernen. Ueber die Menschen­fresser in anderen Gegenden brauchten wir uns nicht mehr zu entrüsten, denn an offenen und heimlichen. Menschenmord leisten die Kulturländer auch Erstaunliches. Wir müßten bescheidener sein und mit den Inseln und Kontinenten zu­sammen rufen zu unser aller ewigem Vaterland: Zu uns komme dein Reich!

Libellen können noch flinker und sicherer fliegen als Luftschiffe und Flugmaschinen. Was die menschlichen Flugleistungen angehr, so ist das ja ein riesiger Erfolg, ebenso wie die Radio­kunst und andere Errungenschaften. Aber wir sollten uns doch nicht zuviel einbilden. Die Wunderwerke der Natur sind unendlich schöner und vollkommener, und die Menschenkraft kann sie nie erreichen. Wir könnten sie nicht einmal mit

Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Bekanntlich hatte der rheinische Großindustrielle Goneral= direktor Silverberg vom Braunkohlensyndikat jüngst auf der Dreodener Tagung des Reichsverbandes der deutschen In­dustrie die Forderung erhoben, es dürste im Staate nicht ohne und nicht gegen die Arbeiterschaft regiert werden, sondern nur mit der Arbeiterschaft. Diese Forderung aus dem Munde eines Industrieführers und an jener Stelle vor einer Versammlung deutscher Industrieller ausgesprochen, erweckte großes Aufsehen und in den Pressekommentaren nicht ungeteilten Beifall. Nun hat sich gestern in Düsseldorf der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westsalen in einer Mitglieder­versammlung neben anderen Fragen auch mit der Dresdener Rede Silverbergs besaßt. Der Vorsitzende,

Kommerzienrat Dr. Ing. h. c. Paul Neusch(Oberhausen), sagte zu diesem Punkt, er könne Silverbergs Ausführungen im wesentlichen voll und ganz zustimmen. Wört­lich sagte Paul Neusch:Ich stimme Herrn Silverberg darks zu, daß nicht gegen und nicht ohne die Arbeiterschaft regiert werden soll, glaube auch mit ihm darin einig zu gehen, daß von der Industrie im Interesse ihres geschlossenen Auf­tretens die Parteipolitik ferngehalten werden muß. Arbeiter, Kopf= und Handarbeiter, sind in allen Parteien vorhanden. Es ist nicht angängig, eine einzelne Partei als Ar­beiterpartei zu bezeichnen. In der Presse kehrt immer

die Behauptung wieder, daß der Wortlaut der Silverbergschen Rede einstimmig vom Präsidium des Reichsverbandes vorher gebilligt worden sei. Ich stelle hier ausdrücklich fest, daß die Rede des Herrn Silverberg dem Präsidium und Vorstand vor der Dresdener Tagung nicht vorgelegen hat. Es muß mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden, daß aber auch nicht gegen die Wirtschaft regiert werden dars. Wir haben berechtigten Grund zu der Klage, daß in den letzten Jahren vom Parlament und von der Regierung die Lage der Wirt­schaft nicht entsprechend berücksichtigt wurde. Sollte an Stell: der verschiedenen, mir undurchführbar erscheinenden Pläne nicht eine Reform der amtlichen Interessenvertretungen in der Rich­tung zweckmäßig sein, sich in besonderen Wirtschafts­kammern zusammenzuschließen? Dann kam die Sensation des Tages, nämlich eine Aussprache über die Rede von Dr. Silverberg in Dresdon. Eingeleitet wurde sie durch lange Ausführungen von Dr. Silverberg selbst. Ihm traten Dr.

Fritz Thyssen und ein Herr Ingberding entgegen, während schließlich Geheimrat Dr. Dusoberg Herrn Dr. Silverberg weithin deckte.

Heer Dr. Silverberg

kam auf obige Rede von Kommerzienrat Neusch zurück und bemerkte launig, zu einer Auseinandersetzung, wie man es stellenweise in der Presse und noch weit weniger liebenswürdig angekündigt habe, mit seinem Freunde Reusch komme es nicht. Kommerzienrat Neusch habe ja ihm(Silverberg) ausdrücklich darin zugestimmt, daß nicht gegen und nicht ohne die Arbeiterschaft regiert werden solle. Das sei ein bedeutungs­voller und bedeutungsschwerer Satz. Wenn mancher datont hat, dies sei im Grunde etwas ganz Selbstverständliches, so kann ich darauf erwidern, daß man auch einmal etwas Selbst­verständliches hier und da wiederholen und unterstreichen muß. Dr. Vögler hat vor nicht langer Zeit einmal hervor­gehoben: Wir sind auf dem besten Wege, unserer Arbeiter­schaft fremd zu werden. Aber das wollen wir nicht. Wenn die Ereignisse und die Entwicklung in Deutschland gegen unseren Willen uns vielleicht auf solche Wege geschoben haben, dann ist es allerhöchste Zeit, daß wir davon wieder zurückkommen. Ich sage ausdrücklich, die Arbeiterschaft und wir.

Herr Reusch hat er beanstandet, daß ich in Dresden mich auf das politische Gebiet begeben habe. Das kann ich nicht bestreiten und habe das in Dresden auch ausdrücklich er­klärt. Ich habe das politische Gebiet gestreift und war mir dessen durchaue bewußt. Wir wollen doch in der Wirklich­keit stehen und mit Bedauern aussprechen, daß es leider in Deutschland nicht möglich ist, eine radikal: Trennung vorzu­nehmen. Für das ganze wirtschaftliche und kulturelle Leben unseres Volkes werden die Entscheidungen im Zusammenhang mit politischen Dingen getroffen. Diese Entwicklung ist eine Folge der Revolution. Heute ist jeder Gemeinderat. Stadtrat und Kreistag politisch aufgezogen, wie man es früher in Deutschland gar nicht kannte. Wenn das so liegt, müssen wir auch klar sehen und erkennen, daß die das Unternehmertum betreffenden entscheidenden Fragen schließlich an einer Stelle entschieden werden, die getragen ist von rein politischen Gesichtspunkten. Früher hat Walther Rathenau einmal ge­sagt, die Wirtschaft sei das Schicksal, im Gegensatz zu den Aeußerungen Napoleons, daß die Politik das Schicksal sei. Aber beides ist richtig. In Deutschland werden alle wirt­schaftlichen und wirtschaftspolitischen Angelegenheiten am Ende politisch und in poliiischen Gremien entschieden.

allen Untersuchungen zu Ende durchschauen. Die Geheim­

nisse des Lebenskeimes und die Sternengeheimnisse bleiben unergründlich und ermahnen uns immerfort: erhebt nicht, ordnet euch Gottes Plänen unter, betet die Herrlichkeit Gottes an, fürchtet und liebt ihn. Mutterwitz ist die natürliche Klugheit, die viele Menschen von Geburt her mitbekommen haben. Sie sehen oft schneller und viel besser das Richtige ein, als die gelehrten und gebildeten Menschen mit aller Dressur. Solche natürlichen Talente wußten schon 1915, daß Deutschland den Krieg nicht nen konnte, sie lächeln auch darüber, wenn ein Politiker kommt und ihnen den Himmel auf Erden verspricht. Die zünftige Gelehrsamkeit schätzt diesen originellen Verstand nicht genügend ein. Ihr gelingt doch nicht die Weisheit und Schönheit der Volkspoesie, die wir diesen Menschen zu ver­danken haben. Man braucht auch nur auf die bildhafte Kraft der mundartlichen Sprache zu achten; so kann sich kein Gelehrter mehr ausdrücken.

Namenstag felern die einen und Geburtstag die anderen. Schulkinder und solche, die es ewig bleiben, zanken sich sogar, das eine wäre besser als das andere. Auf das Feiern kommt es nicht so sehr an als auf das Bedenken. Es ist schon der Mühe wert, jährlich einmal besonders daran zu denken, daß man das Leben erhielt und was man damit anstellen will. Ebenso wichtig ist es, nicht zu vergessen, daß man zu dem irdischen Leben die Wiedergeburt aus der Gnade des Er­lösers empfing. Beide Geschenke sind wichtig, und es ist kein Leben möglich, das nicht Menschenwerk mit Gotteskraft ver­bindet. Darin könnten sich alle Menschen einig sein und brauchten sich nicht um geschichtlicher Vorgänge willen in solchen Heerlagern gegenüber zu stehen. Oberhofkammerrat zu werden ist das edelste Bestreben aller untertänigster Untertanen. Od es aber menschenwürdig ist?

Darin liegt für das deutsche Unternehmertum und für die deutsche Wirtschaft aber eine ungehener große Gefahr. Diese wird um so schlimmer, wenn wir nicht den Mut haben, mit diesen Dingen uns zu befassen und immer glauben, Halt zu gebieten, wenn irgendwo die Politik angeblich anfängt. So­gar Kommerzienrat Neusch ist ja in seiner Rede nicht frei von politischen Anklängen geblieben.

Von dem, was ich nun in Dresden gesagt habe, habe ich nicht das Geringste zurückzunehmen, noch daran zu ändern. Es soll, wie auch Kommerzienrat Reusch betont, nicht gegen die Arbeiter regiert werden. Dann müssen wir aber auch den entsprechenden Entschluß fassen und es nicht grundsätzlich ablehnen, daß eine große Partei, in der ge­waltige Arbeitermassen vertreten sind, irgendwie mitregiere, weil sie dessen unfähig sei. Ich selbst habe In Dresden nicht erklärt, daß wir irgendwelche neuen politischen Kombinationen machen sollten. Davon habe ich absichtlich nicht gesprochen. Das ist Sache der politischen Parteien. Die mögen auf ihrem entsprechenden Acker pflügen und hoffentlich dabei Er­gebnisse erzielen, die dem Unternehmertum und der Industrie Heil versprechen. Vom Standpunkt des Unternehmeriums habe ich ausdrücklich die Voraussetzungen betont, die wir für unerläßlich halten. Nämlich erstens darf nicht erklärt werden, der sozialdemokratischen Partei fehle die Macht und die Kraft und die Fähigkeit, im Staate mitzuregieren, zweitens ist es unbedingt notwendig, daß man auf ererbie Lehr­meinungen verzichtet. Die mögen in den Lehr­büchern irgendwo bleiben, und drittens muß die Unterstützung der Politik durch die Straßen unbedingt aushören. Wenn das deutsche Unternehmertum sich in unserer Wirtschaft behaupten will, dann muß es unbedingt darauf halten, daß Entscheidun­gen gefällt werden, wie wir sie im Interesse unserer Wirtschaft verlangen. Zwar hat Herr Neusch betont, daß weder Vorstand noch Präsidium des Reichsverbandes der Deutschen Industrie mein: Rede genehmigt haben; selbstverständlich habe ich aber nicht ohne jede Fühlungnahme mit maßgebenden Herren des Reichsverbandes gehandelt und diese waren ein verstanden.

Bis an mein Lebensende werde ich den Satz vertreten: Das Wertvollste, was wir in Deutschland haben, ist die Ar­deiterschaft! In ihr steckt ein gewaltig guter Kern, viel besser, als es vielleicht unter der politischen Auf machung und politischen Agitation erscheinen mag.

Wir müssen der Hoffnung Ausdruck geben, daß Unter­nehmertum und Arbeiterschaft sich auf einer Linie wieder zu­sammenfinden, wo Entscheidungen sallen, wie sie unserer Wirtschaft zum Gedeih verheisen.

De. Fritz Thyssen

klang an an die Ausführungen des Herrn Neusch über Amerika und betonte:

Eines sei von den amerikanischen Verhältnissen sehr nach­ahmenswert, nämlich daß dort die Interessenvertretung der Arbeiterschaft nicht politisch eingestellt sei, sehr im Gegensatz zu der Lage der Dinge in Deutschland. Wenn nun Dr. Silver­berg es etwa so darstellen wolle, als ob er in Dresden poli tisch völlig neutral geblieben sei, so habe er(Thyssen) diesen Eindruck nicht. Vielmehr sei doch der Eindruck von jener Dresdener Nede gewesen: nur mit der Sozialdemokratie kann regiert werden. Das aber müssen wir ablehnen. Die Seele des Arbeiters ist weder sozial noch klerikal(!). son­dern deutsch. Diese Arbeiterseelen stehen uns alle gleich nahe. Wir können uns nicht einseitig aus eine Partei festlegen, die die größte Anzahl von Arbeitern zählt. Wir müssen unbe­dingt neutral bleiben, selbstverständlich mit der Arbeiterschaft uns zusammensetzen und über ihre Belange reden. Schließlich ging Dr. Thyssen noch auf den gestern geschlossenen Eisenpakt ein und endete seine Ausführungen damit, daß der Geist von Versailles verschwinden müßte, sonst sei eine wirtschaftliche Verständigung unmöglich.

Herr Ingberding

betont u..: Wenn die Sozialdemokratie sich so mausere. wie Silverberg es verlange, dann sei eine Koalition von Westarp bis zur Sozialdemokratie zu begrüßen.

Der Vorsitzende des Reichsverbandes der deutschen In­dustrie,

Geheimrat Dr. Duisberg.

erlkärte, weder das Präsidium noch der Vorstand noch irgend ein offizielles Gremium dieses Verbandes habe die Red: Silverbergs zuvor begutachtet. Jedweder, den der Reichsver­band zu einer Rede auffordere, müsse voll und ganz seine Mei­nung sagen können. Aber ein Präsidialrat, der mit der Rede des geschäftsführenden Vorstandomitgliedes, Geheimrat Kastl, pflichtgemäß sich vorher bofassen mußte, hätte auch von Dr. Silverberg dessen wichtigste Ideen erfahren, sowohl in sozial­politischer Hinsicht als auch nach der Richtung, daß eine Mehr­heitsregierung an die Stelle der Minderheitsregiirung treten müsse. Er(Duisberg) habe sogar die Rede Silverbergs

inen Tag vor ihrem Vorbringen gelesen und habe dann Silverberg gebeten, doch den früheren Reichskanzler Dr. Luther nicht bloß mit einem Tadel zu bedenken. Davon ei allerdings Silverberg nicht abzubringen gewesen. Dieser habe zweisellos, indem er gleichsam einen schweren Stein in einen Teich voller quakender Frösche warf, eine taktische Maß­nahme ergreisen wollen. Hoffentlich werde diese die richtig: Auswirkung finden, und hofsentlich werde Deutschland recht bald zu einer tragfähigen Regierung kommen.

Abg. Lammers,

der bekanntlich dem Zentrum angehört, trat für den Gedanken der Großen Koalition ein.

Ueberflüssige Ministerien?

Eine Antwort des Reichsarbeitoministers Dr. Brauns an den deutschnationalen Abg. v. Dryander.

.: Berlin 30. Sept. Ter deutschnationale Abg. Dr. von Dryander hatte am 23. September imTag einen Ar­tikel veröffentlicht, in dem sich folgende Sätze befanden:

Kein Verständiger wird einer Vereinsachung der Verwaltung, insbesondere einem umfassenden Abbau öffentlicher Ausgaben widersprechen. Ich glaube stärkste Zustimmung zu findon, wenn ich in erster Linie schleu­nige Beseitigung des Reichsarbeits= und des preußischen Wohljahrtsministeriums das Wort rede, beides Revo­lutionsschöpfungen, die durch die Zerreißung von Wirt­schaft und Sozialpolitik immer mehr als Verletzung alter Bismarckscher Ueberlieferungen gewirkt haben.

Zu diesen Auslassungen nimmt heute in derGermania Reichsarbeitsminister Dr. Brauns das Wort. Er weist zu­nächst an Hand der geschichtlichen Entwicklungen nach, daß die Redensart von derRevolutionsschöpfung" unhaltbar ist, weil die Anfänge des Reichsarbeitsministeriums auf einen kaiser­lichen Erlaß zurückgehen. Dr. Brauns fragt, ob denn das Reichsarbeitsministerium mit seinem großen Aufgabenkomplex heute weniger wichtig sei als früher. Dann fährt er fort:

Die oben wiedergegebenen Auslassungen imTag lassen es wahrscheinlich erscheinen, daß Herr Dr. v. Dryander auch auf dem Gebiete des Reichsarbeitsmin steriums einenAbbau öfsentlicher Aufgaben anstrebt, selbst wenn er sich dabei nur die Anschauung anderer Kreise zu eigen gemacht hat. Gehen wir die einzelnen Möglichkeiten einmal durch. Will Herr Dr.

v. Dryander etwa bei der Sozialversicherung ansangen, oder hält er etwa die Fürsorge für die Erwerbslosen, Arbeitsnachweis Arbeitebeschaffung für eine überflüssige Be­schäftigung der Neichoregierung? Auch den Arbeiterschutz wird er wohl kaum für überflüssig erklären wollen, da selbst Bie naick schließlich, ucht umhin konnte, ihn zu bejahen. Viel­leicht hält er mit einer großen Anzahr von Arbeitgebern die Regelung des Schlichtungswesens durch das Reich für entbehrlich und die Verbindlichkeitserklärung sogar für ver­werflich. Wir glauben aber kaum, daß ihm dabei der Arbeiter­flügel der Deutschnationalen Partei folgen wird. Oder glaubt er etwa die bescheidene Tätigkeit des Reiches aus dem Gebiete der Wohlfahrtspflege entbehren zu können? Er möge dieserhalb einmal bei Organisationen der inneren Mission und Kleinrentnerbünden anfragen, sie werden ihm für einen Abbau auf diesem Gebiete ebensowenig Dank wissen, wie der ihm nahe­stehende Kyffhäuserbund und die Offiziersverbände, wenn etwa das Reich die Sorge für die Kriegsbeschädigten und Kriegerhinterbliebenen den Finanzämtern übertragen sollte. Bliebe noch das Wohnungs= und

Siedlungswesen. Ich glaube, daß der Widerstand gegen einen Abbau auch auf diesem Gebiete ebensalls weit in die deutschnationalen Kreise hinemreichen würde. Hai man sich im Lager derjenigen, die für einen Abbau des Reichearbeitsministe­r ums schwärmen, überhaupt einmal vorgestellt, welche Erregung in den weitesten Kreisen des Volkes entstände, wenn

mit dem Abbau des Reichsarbeitsministeriums ernst gemacht würde? Eine solche Maßnahme würde von

der gesamten Arbeitnehmerschaft, gleich welcher Partei sie angehört, als beginnender Abbau der Sozialpolitik be­meriet merden Mill Heir Dr. v. Dryander mit leinen politischen Freunden die Verantwortung für die Folgen über­nehmen? Es ist kein Zufall, daß es heute keinen Kulturstaat von Bedeutung gibt, in dem nicht die sozialen Fragen von einer besonderen Zentralbehörde behandelt werden.

Wer Deutschland den inneren Frieden, den Wirt­schaftsfrieden sowohl wie den sozialen und politischen Frieden wiedergeben will, der muß dafür sorgen, daß der Ruf nach Abbau des Reichsarbeitsministeriums endlich verstummt.

Auch die Redner der Wirtschaftspartei behaupten immer wieder, so jüngst noch in Bonn, Wohlfahrts= und Arbeits­ministerien seien Luxus. Hoffentlich werden diese unbedachten Resormer durch die Worte Brauns eines Besseren belehrt.

Reise Dr. Velle in das besetzte Gebiet.

WTV. Berlin, 30. Sept. Der Minister für die besetzten Gebiete, Dr. Bell wird, wie von maßgebender Seite verlau­tet, am 8. Oktober, wie dies bereits seit langem geplant war, sich in das besetzte Gebiet begeben. Es ist ungewiß, ob der Minister auch Germersheim besuchen wird.

Es läßt sich auch ohne Orden leben, denn was nur die Ober­

fläche betrifft, ist ohnmächtiger

Rangordnung eine große Rolle; sie zerspaltet die Volksein­heit in lauter Fetzen. Die einen sind den andern zu vornehm und die andern den einen zu gering; die einen fühlen sich nobel und die andern proletarisch. Anstatt miteinander zu wachsen wie die Zellen eines Baumes, sondern sie sich von­einander ab und verfallen und verdorren zu Tode. Wenn man aber das hohle Streben nach gesellschaftlicher Ober­ordnung verurteilt, so ist damit noch nicht die öde Gleich­macherei befürwortet. Organisches Leben besitzt, immer Ueber= und Unterordnung.

Puritaner sind Leute, die für die Reinheit schwärmen. Sie gaben sich daran und säuberten das Kirchenlehen von allen Zutaten, die das Wesen des Glaubens verdunkelt hätten. Run ist es wirklich angebracht, Anhängsel zu entfernen, wenn das Beste ersticken soll. Man kann aber auch zuviel ab­streisen und abseifen; ein Baumstamm hat die Schale nötig und ein Gemälde muß noch Farbe auf der Leinwand haben. Das Menschenwesen hat für sein Seelenleben die Leibes­formen nötig, die natürlichsten und normalsten Wesen mehr als die übersteigerten Spekulanten. Wenn diese nun alles Bildhafte und Farbenfrohe abschaffen, bann steht die zarte schlichte Seele des Volkes hilflos da. Dann kann es ihr gehen wie dem kostbaren Wein, dem man die Faßbretter rundherum abnihm, wie der Knospe, die man von der engen

Hülle befreite.

Quelle müßte Gwelle und Kwelle geschrieben und gedruckt werden. Ursprünglich hieß es Gvelle, man las dann fälschlich ein u statt o und komplizierte dann auch diese so einfache Sache. Wie oft sind die Quellen so getrübt worden und werden es noch. Es ist z. B. nichts schöner, als wenn ein Dachdecker schlicht und recht an seine Haustüre Fritz Müller,

Dachdecker. schreibt. Statt dessen nennt er seine Haustüre Dachdeckungsgeschäft. Wenn ein Mann Weinberge bebaut, warum nennt er sich denn nicht Winzer, sondern Weinguts­besitzer? Warum nennt ein Krämer seinen Laden Kolonial= warengeschäft? Und legt der Fabrikarbeiter nicht Wert dar­auf. nach Feierabend mit einem Gentleman verwechselt zu werden. Und bemänteln Leute, die das Glück hatten, etwas mehr zu studieren, sich nicht mit Abzeichen wieakademisch gebildet! Sagt ein Gelehrter nicht, das was er in alten Schriften gelesen hat, das geht mit logischer Notwendigkeit aus der Quellenkritik hervor! Und wenn man noch die wirk­lichen Brunnquellen lustig springen ließe! Statt dessen ver­bringt man sie in unterirdischen Straßenkanälen(mit Aus­nahme in Freiburg im Breisgau), man sperrt sie in Brunnenstuben ein und lenkt sie auf restigen Umwegen wieder ans Licht. Wenn Nousseau schon vor 150 Jahren die Natur entdecken mußte, was wird das nach ein paar Jahr­hunderten für eine glorreiche Entdeckung werden! Ringkämpfer oder Boxer, Wettrennen, Rekordleistungen, das sind die Glanzpunkte einer Zeit desFortschritts". Ruhe des Gemüts und der Arbeit ist ein veraltetes Ding. Alles muß rasen und aufregen. Man ringt um die Palme, um den Ehrenpokal, versilberten Nickel, während jede Arbeit, das Wandern, Reiten, Schwimmen und Spielen, ihren Wert in sich trägt. Das Schwergewicht des Lebenswerkes wird her­ausgeholt und an die Außenseite gelegt, irgendwohin an eine unsinnige Kante gehängt, bis alles, was einmal im guten Gleichgewicht stand, sich überstürzt. Viele haben schon die Glieder zerbrochen oder verloren unterwegs ihr bißchen Gehirn. Andere suchen das Gleichmaß zu retten mit dem Rezept der Rhythmik. Sie wiegen und balancieren solange auf der Stelle, bis sie sich eines Tages verwundert ansehen: wir drehen uns ja um uns selber!

(Schluß folgt.)