Jeite 10. Nr. 8072.
8. Oktober 1912
General- Anzeiger für bonn und Umgegend.
Deutschlands indirekte Interessen.
Ein Berliner Mitarbeiter, der Deutschlands Stellung zu den Balkanwirren vom Standpunkt unserer wirtschaft lchen Expansionsinteressen betrachtet, schreibt uns:
Eine französische affiziöse Meldung erklärt, Europa könne wieder ruhig seinem üblichen Gewerbe nachgehen. Eine glücklich herbeigeführte österreichisch=russische Verständigung habe den Balkanfrieden gesichert und jede Gefahr eines Konfliktes der Großmächte beseitigt.
Außerdem aber las man auch in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, nachdem Herr Poincaré sich als europäischer Sturmbeschwörer erwiesen, daß Deutschland an den Balkanwirren nur noch ein indirektes Interesse habe. Die Offenbarung hat einen besonderen Reiz schon rein formell, weil sie den österreichischen Andeutungen von weittragenden Konsequenzen Oesterreichs und Deutschlands ganz hervorragend sekundierte. Man wurde an Nibelungentreue und ähnliches erinnert, an die Tage von Buchlau, und mußte sich gegen den Argwohn wehren, es sei vielleicht ein übliches Omen gewesen, daß Bethmann und Berchtold sich zu verstehen suchten, wo Aehrenthal und Iswolski sich nicht verstanden.
In der Vergangenheit hat Deutschland ein nur„sehr indirektes Interesse" am Balkan keinesfalls gehabt. Ganz abgesehen davon, daß Deutschlands führende Teilnahme am Berliner Kongreß mindestens für jene Zeit sein sehr direktes Interesse am Balkan dokumentierte, braucht man sich nur die starke wirtschaftliche Investierung Deutschlands im nahen Orient zu vergegenwärtigen, um den Beweis für sein direktes Balkaninteresse in der Vergangenheit zu haben. Außerdem zeugt für dasselbe schließlich auch wohl die Aera Marschall von Bieberstein, und es ist doch kein Irrtum, daß diese Verknüpfung der deutschen wirtschaftlichen Energie mit dem nahen Orient in der Gegenwart fortwirkt. Einiges von den Plänen aus der früheren Zeit unserer Orientbegeisterung haben wir ja preisgegeben, kaum indessen freiwillig, sondern dem Druck anderer Konstellationen weichend. Geblieben ist jedoch immer noch genug, um die Träger unserer wirtschaftlichen Expansion an ein recht starkes direktes Interesse Deutschlands zu gemahnen.
§ König Carol über die Balkanfrage. Man schreibt der Tägl. Rundschau: König Carol von Rumänien hat vor längerer Zeit sich über die Balkanfrage in einigen Sätzen geäußert, für deren wörtliche Wiedergabe ich mich verbürgen kann:
„Die einzelnen Nationalitäten in Mazedonien sind unter türkischer Oberhoheit nicht so jämmerlich bedrückt als man glaubt. Die Bulgaren oder Serben als Herren würden ihren Widersachern, also allen anderen Nationalitäten, weniger freien Spielraum gewähren, als es heute die Türken tun. Das ist auch die Ansicht meiner Regierung, die wir in Konstantinopel lebhaft vertreten. Eine Autonomie Mazedoniens ist nur der erste Schritt zur Loslösung. Der Türke selbst, wenn ich von den Elementen der moralisch degenerierten Beamtenschaft absehe, ist mir immer sympathisch durch seine Männlichkeit, Ruhe und Ehrlichkeit gewesen.“
Sicherheitsmaßnahmen für die überseeische Personenbeförderung. Wie verlautet, findet am nächsten Dienstag, den 8. d. Monats zu Berlin im Reichsamt des Innern eine neue Konferenz über Fragen zur Sicherung der überseeischen Personenbeförderung statt. Die Betrachtungen werden in einem engeren Kreis stattfinden; und zwar werden im wesentlichen nur die Vertreter der beteiligten Bundesregierungen teilnehmen. Es handelt sich dabei um eine Aussprache über eine Reihe von Fragen, zum Teil furistischer Art, die im Laufe der Erörterungen der „Titanic"=Katastrophe und auch durch die amtliche englische Prüfung der Katastrophe aufgetaucht sind. Die Beratungen sind mithin als eine Vorkonferenz für die jedenfalls noch in diesem Herbst statfindenden Hauptkonferenz anzusehen, auf der die endgültige Stellungnahme der Reichsregierung für die internationale Konferenz, die ebenfalls noch in diesem Jahre in London abgehalten werden dürfte, festgestellt werden soll.
s Ueber den Aufenthalt fremder Milltärpersonen in Irankreich wird in Bestätigung einer schon vor einigen Tagen von elsaß=lothringischen Blättern gebrachten Meldung wonach deutschen Offizieren der Aufenthalt in Frankreich nur unter Beobachtung gewisser Bedingungen gestattet sein werde, aus Paris offiziös gemeldet, daß in einigen Tagen ein Erlaß erscheine, der die Schutzzone feststellt, die fremde Offiziere ohne vorherige Ermächtigung nicht betreten dürfen. Die Maßnahme wird übrigens, da sie allgemeiner Natur ist, auch auf die Offiziere der anderen Nachbarländer, Belgien, Luxemburg, die Schweiz und Italien angewendet werden. Sie wurde bereits auf diplomatischem Wege den beteiligten Regierungen angekündigt. Diese hätten keinerlei Einwendung erhoben.
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Der neue Telegrammtarif, der dieser Tage erschienen ist, bringt wieder eine Reihe von Gebührenermäßigungen. Diese erstrecken sich namentlich auf Stationen der afrikanischen Westküste und sind hier stellenweise recht erheblich. So ist die Worttaxe für Telegramme nach Togo und nach Dahomey um 1,35 Mk., nach fast allen Anstalten der Elfenbeinküste um 1,25 Mk., nach Kamerun um 70 Pfg. usw. herabgesetzt worden. Die Zahl der Länder, nach denen offene Uebersee=Telegramme zu halber Gebühr zugelassen werden, ist wiederum vermehrt worden; neu hinzugekommen sind u. a. Brasilien, die Argentinische Republik, die Kapverdischen Inseln, Madeira, Uruguay und verschiedene Plätze der afrikanischen Westküste.
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8 Wie die Aviatik zum„Flugwesen“ wird.... Der deutsche Luftfahrerverband, der offlziell die Rechte einer obersten Instanz in der deutschen Aviatik einnimmt, hat einen Ausschuß beauftragt, für alle Begriffe und Dinge, die im Flugwesen eine Rolle spielen, an Stelle der bis jetzt gebrauchten Fremdwörter deutsche Ausdrücke festzulegen, die zugleich einheitlich im ganzen Flugwesen, auf jedem Flugplatz, in jedem Flugzeugkatalog, bei jedem Wettbewerbungsausschreiben usw. gebraucht werden sollen. Der Ausschuß hat seine Tätigkeit jetzt beendet und die von ihm geprägten Ausdrucksformen haben nun sozusagen amtliche Gültigkeit für das ganze deutsche Flugwesen. Wir lassen im Nachfolgenden einen kleinen Auszug aus dem neuen Wortschaft des deutschen Luftfahrerverbandes folgen. Man muß jetzt sagen statt Aviatik— Flugwesen, Pllot— Flugzeugführer, Aeroplan— Flugzeug, Passagler— Fluggast, Propeller— Treiber, Chefpilot— Flugzeugmeister. Für den Ausdruck Motor hat man den fremdsprachlichen Ausdruck beibehalten, da er überall Bürgerrecht gewonnen hat. Es wird darauf hingewiesen, daß er in der Mehrzahl nicht die Motore, sondern die Motoren heißt. Sehr wesentlich ist es, daß mit diesen Verdeutschungsmaßnahmen der deutsche Luftfahrerverband auch Bestimmungen verknüpft, wonach die Dinge, die jetzt im Flugwesen gleichzeitig verschieden benannt wurden(z. B. Bestandteile eines Flugzeuges, die von jeder Flugzeugfabrik anders benannt wur
den). nunmehr nach den von ihm festgelegten Ausdrucksformen einheitlich zu benennen sind, sodaß in dieser Beziehung in Zukunft keine Mißverständnisse mehr unterlaufen können.
8 Zur Tuberkulosebekämpfung. Auf der 19. Generalver
sammlung der Freien Vereinigung Badischer Krankenkassen in Bruchsat gab Dr. Jarosch, der Oberarzt der beiden großen badischen Lungenheilstätten Friedrichsheim und Luisenheim, eine Darstellung von staunenswerten Erfolgen eines neuerfundenen Heilmittels, des„Prophylacticums Mallebrein“ Das Heilmittel ist, wie der Namenszusatz ausdrückt, eine Erfindung des derzeitigen zweiten Vorsitzenden der Landesversicherungsanstalt Baden in Karlsruhe, des Geh. Rats Dr. Mallebrein, der früher Amtmann in Eberbach und anderen Orten war. Es ist jedenfalls interessant, daß diese Erfindung von einem Juristen gemacht wurde, der allerdings von jeher nebenberuflich chemische Studien getrieden und sich auf diesem Gebiete auch den Doktortitel erworben hat.
Das neuerfundene Mittel zeigt vor allem vorbeugende und schützende Wirkungen, insbesondere gegen Krankheiten, deren Erreger durch Einatmen bezw. Eindringen in die Schleimhäute das Rachens usw. ausgenommen werden, wie dies gewöhnlich bei Influenza, Angina, Diphtherie, Keuchhusten, den verschiedenerlei Katarrhen und nicht zuletzt bei tuberkulösen Prozessen der Fall ist. Von größter Bedeutung ist die Wirkung des Mittels bei tuberkulösen Prozessen in der Lunge und im Kehlkopf. Je früher das Mittel zur Anwendung kommt, um so besser und sicherer ist der Erfolg. Bei doppelter Anwendung, Gurgeln und Inhalieren, zeigt sich bei nicht zu weit vorgeschrittenen Fällen oft schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit deutliche Besserung. Auch vorgeschrittene Fälle konnten zum Stillstand gebracht werden. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß das„Prophylacticum Mallebrein“, im Kampfe gegen Infektionskrankheiten, insbesondere der Tuberkulose, von großem Wert ist. Die Heilerfolge, so führt der Arzt aus, seien glänzend. Sowohl das indiniduelle Verhalten als auch der Krankheitserreger selbst würden beeinflußt.
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§ Wie König Ferdinand mit Hilfe der Bokanik den Balkanbund vorbereitete. Zar Ferdinand von Bulgarten hat
mohl als erster die Botanisiertrommel der Staatskunst dienstbar gemacht. Er leitete die Annäherung an Serbien mit einem„botanischen Ausflug“ in das südserbische Kapaonikgebirge ein, obwohl dort seltene Pflanzen weiter nicht zu holen sein sollen. Der beste Diplomat auf dem Balkan wollte dort sicher nicht die blaue Blume der Romantik brechen, und ebenso wußte er, daß dort keine Disteln für ihn wachsen. Er hielt diesen inoffiziellen Besuch auf serbischem Boden aber für die passendste Einleitung zu weiteren Schritten offizieller Natur. In der Sobranse äußerten sich bald darauf die bulgarischen Minister bei der Erläuterung der Thronrede in einer Weise, die erkennen ließ, daß man Serbiens Interessen fördern wolle, wenn dies auch Bulgarien nützen könne. Damit spann man den Faden weiter, der schon mehrfach angeknüpft war. So im Jahre 1897, wo eine Konvention zwischen beiden Staaten geschlossen wurde, und in den Jahren 1902 und 04, die gleichfalls zu Verhandlungen und zu einem Gehelmabkommen in Nisch führten. Bulgarien als die größte Militärmacht unter den kleineren Balkanstaaten erstrebte von jeher die Führung und ist jetzt auf dem besten Wege dazu, sie zu übernehmen. Nach dem dann erfolgten offiziellen Besuch beim König Peter, der der Dynastie Karageorgiewitsch endlich den heißersehnten Wunsch erfüllte, ein gekröntes Haupt im neuen Konak begrüßen zu können, konnte man mit einem bestimmte Ziele verfolgenden Abkommen zwischen beiden Ländern rechnen. Als Zar Ferdinand durch seinen Besuch den Bann, der auf König Peters„Besuchsfähigkeit“ lag, als anerkannter Souverän durchbrach und damit das Erstaunen Europas erregte, das den serbischen König bis dahin geschnitten hatte, wußte er genau, was er tat: er war sich der Sympathie Rußlands bewußt. Da ihm das Hemd näher sitzt als der Rock, handelte er im eigenen und russischen Interesse, wenn er sich als Protektor des Bundes aufspielt, und praktisch in dieser Hinsicht vorgeyt. Seine Politik segelt im russischen Fahrwasser, und er vergißt vor allem auch nicht für sein Land zu sor#en, das eine führende Stellung einnehmen soll. Von die sem Standpunkte aus muß man die Geschicklichkeit bewundern, mit der er operiert hat.
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§ Studenkenverbindungen in Amerika. Wenn auch die Korps, Burschenschaften und Landsmannschaften im deutschen Sinne in Amerika unbekannt sind, so gibt es doch an den Hochschulen der Vereinigten Staaten Verbindungen, die Im akademischen Leben eine ähnliche Rolle spielen wie sie. Es sind die sogenannten„Brüderschaften“, die sich gewöhnlich mit drei griechischen Buchstaben benennen. Darum heißen ihre Mitglieder auch die„Griechen“. Und die Studenten, die sich von den Verbindungen fernhalten, die„Wilden“ im deutschen Sprachgebrauch, werden als„Barbaren“ bezeichnet.
Die„Brüderschaften“ sind eine Art von Geheimbünden mit seltsamen Aufnahmegebräuchen, die auch sonst ein gewisses mystisches Element pflegen. Nun macht sich in letzter Zeit eine starke Bewegung gegen diese Brüderschaften geltend. Besonders stark ist diese Bewegung aus der YaleUniversität, wo es kürzlich zu erregten Auftritten zwischen den Griechen und Barbaren kam. Auch der Leiter dieser Hochschule, Präsiden: Hadley, hat sich entschieden gegen die geheimen Gesellschaften ausgesprochen. Er meint, daß die Mitglieder der Brüderschaften in ihren wissenschaftlichen Leistungen hinter dem Durchschnitt zurückbleiben. Und do ihre Angehörigen sicherlich den übrigen Studenten an geistigen Fähigkeiten nicht nachständen, müsse diese Tatsache damit erklärt werden, daß sie weniger Zeit auf ihre Studien verwenden.
Auf der Princeton=Universttät sind die geheimen Verdindungen schon seit längerer Zeit abgeschafft. Die ColumbiaUniversttät hat wenigstens versucht, den Gegensatz zwischen den einzelnen Bünden untereinander, und zwischen ihnen als Gesamtheit und den„Barbaren“, zu überbrücken. Man hat dort gewisse Zusammenkünfte eingerichtet, bei denen sich Angehörige der verschiedensten Brüderschaften treffen, und bei anderen Gelegenheiten speisen sogar„Griechen" und „Barbaren“ friedlich zusammen.
gich in den Frauenhochschulen ist übrigens das Verbin dungswesen eingedrungen, und bei ihnen fehlt es gleichfalle nicht an entschiedenen Gegnern und Gegnerinnen des Systems.
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8 Die gepanzerken Stimmrechtlerinnen. Wie sich setzt
herausstellte, hatten verschiedene der Frauenstimmrechtlerinnen, die kürzlich Mr. Llond Georges Versammlung in Llanystumdwy störten und dabei in rücksichtsloser Weise von der Menschenmenge behandelt wurden, sich mit einem gepanzerten Anzug ausgerüstet, der sie gegen die Ausschreitungen der Menge schützen sollte. Dieser Panzer war in sehr geschickter Weise angefertigt und hatte unter dem Oberstoff eine ganze Anzahl von scharfen Nadeln, deren Spitzen natürlich nach oben gekehrt waren. Man konnte sie von außen nicht sehen und nur fühlen, wenn man die Frauen etwas kräftig anpackte. Wie groß die Schwierigkeiten sind, um eine derartig gewappnote Frauenrechtlerin aus der Menge hinauszubugsieren, kann nur der erkennen, der diesen Versuch unternommen hatte. Die Anwendung dieses Panzers dürfte vielleicht auch zum Teil die Wut der Menge begrefflich machen, die sich an den scharfen Spitzen verletzte. Da der Panzer auch noch ziemlich dick war, so erlitten die Frauen am Körper wenig Verletzungen. Verschiedene im Maliser öffentlichen Leben
bekannte Persönlichkeiten erhielten per Post als Andenken an den Ueberfall der Suffragetten Kleidersetzen und Telle von Frauenkleidung, die den Suffragetten bei ihrer gewaltsamen Entfernung vom Leibe gerissen wurden.
Von Nah und Fern.
Dransdorf, 7. Okt. hier starb die Witwe des Schneidermeisters I. Wüllenweber im Alter von 86 Jahren. Sie war die älteste Person im Dorfe und bis zuletzt noch rüftig
im Haushalt tätig.
Godesberg, 7. Okt. An dem Delegiertentag der rheinischen Zentrumspartei, der am Sonntag und Montag unter dem Vorsitz des Herrn Justizrat Trimborn hier stattfindet, werden die Abgeordneten Schiffer, Dr. Heß und Marx teilnehmen.
Godesberg, 7. Okt. Am nächsten Freitag begeht Herr Direktor Prof. Otto Kühne sein 25jähriges Jubiläum als Inhaber des hiesigen Pädagogiums. Das Schulfest dürfte innerhalb der Bürgerschaft regem Interesse begegnen.
::: Godesberg, 7. Okt. In der Nacht zum Sonntag wurde in dem Roose'schen Landhause an der Bonnerstraße innerhalb kurzer Zeit der dritte Einbruchversuch gemacht, trotzdem das Anwesen von zwei Männern bewacht wird. Wie unsicher in letzter Zeit die Bonn=Godesberger Chaussee ist, sollte ein wackerer Zecher erfahren, der sich, um seinen Rausch auszuschlafen, im Straßengraben niedergelassen hatte. Zwei Strolche zogen dem bei„Mutter Grün“ so sanft Ruhenden die Schuhe aus, schnitten ihm die Hose auf und nahmen das noch nicht verkümmelte Geld nebst Schuhen mit auf die Wanderschaft. Dafür kam der biedere Friesdorfer diesesmal seines lautlosen Treppensteigens wegen ohne Gardinenpredigt davon. Einer der Straßenräuber sitzt bereits hinter Schloß und Riegel.
(:) Godesberg, 7. Okt. In der Sitzung der hiesigen Ortsgruppe des Frauenverbandes referierte am Samstag Fr. Hagen=Köln über„Das Versicherungsgesetz für die weiblichen Angestellten und die Stellungnahme der Frauen zu demselben mit Berücksichtigung der bevorstehenden Wahlen.“ Anstelle der langjährigen und rührigen Vorsitzenden Frau Berta Lehn, welche demnächst von hier verzieht, tritt die bisherige zweite Vorsitzende, Frau Bächer. Schriftführerin ist Fräulein von Grote, Kassiererin Frau Ringsdorf: ein weiteres Vorstandsmitglied wurde in Frau Masor Longard gesunden. Professor Dr. Hashagen=Vonn wird im Frauenverband(Vereinshaus) im November und Dezember populär=wissenschaftliche Vorträge halten.
):( Godesberg. 7. Okt. Die Frau, die am Donnerstag in Mehlem von einer Kribbe in die Fluten sprang und ertrank, war eine seit längerer Zeit an Schwermut leidende Diakonissin von hier.
:: Menden, 6. Okt. Der am 1. November zwischen den Stationen Beuel und Friedrich=Wishelmshütte zur Eröffnung kommende neue Bahnhof erhält mit Genemigung des Eisenbahnministers die Bezeichnung Menden(Bezirk Köln). Da das Dorf Meindorf der neuen Haltestelle ebenso nahe, wenn nicht näher wie Menden liegt, hatte man erwartet, daß der Bahnhof Menden=Meindorf bezeichnet worden wäre.
(:) Stein an der Sieg, 7. Okt. Die Pferdeställe des Steinbruchbesitzers Kirschbaum brannten gestern vollständig nieder. Mit ihnen verbrannten große, über den Ställen lagernde Heuvorräte.
Hennef, 6. Okt. Auf eine 25jährige Tätigkeit bei der hlesigen Maschinenfabrik Reisert u. Co. konnten dieser Tage die Herren Werkmeister Decker Bohrer Decker, Schmied Christian Becker, Schreiner Anton Krümer und Maschinist Neuhalfen zurückblicken. Aus diesem Anlasse veranstaltete die Firma am Samstag abend eine Festfeler.
Seelscheld. 7. Okt. Im benachbarten Oberdorf hat sich ein zwölfjähriger Junge durch Erhängen das Leben genommen.
Eitorf, 7. Okt. Von einem Automobil erfaßt und zur Seite geschleudert wurde gestern hier in der Siegstraße die Frau des Ackerers Bourauel aus Müllenacker. Die Frau trug schwere Verletzungen davon.
Honnef, 7. Okt. Die heutige Sitzung der Stadtverordneten zur Festsetzung der Weinlese war beschlußunfählg. Die anwesenden Stadtverordneten besichtigten unter Führung des Herrn Bürgermeisters Brenig, sowie unter Zuziehung verschiedener Weinbausachverständigen die Weinberge, in denen die Trauben durch die Kälte der letzten Nächte viel gelitten haben. Die Lese beginnt sofort. ::: Linz, 7. Okt. Viele Ausflügler benutzten gestern die neue Bahn nach Seifen und fuhren bis Wiedmühle oder Neustadt, von wo aus sie durch den in der buntesten Farbenpracht stehenden Wald zum Rhein hinabwanderten.
Rheinbrohl, 7. Okt. In den hiesigen Wäldern wurden in don letzten Tagen mehrere Kanitalhirsche erlegt, darunter ein Vierzehnender und ein Zwölfender.
::: Andernach, 7. Okt. Auf Veranlassung des hiesigen lottenvereins werden am kommenden Sonntag von den Gradewerken hier Ueberlandflüge veranstaltet.
:: Artenheller 4. Okt. Dem Gutsbesitzer Klein von hier wurden etwa 5 Zentner Forellen gestohlen.
•:: Ahrweiler, 8. Okt. Dem Postmeister Kleinsorgen von hier ist der Charakter als Rechnungsrat verliehen worden.
Köln, 7. Okt. Der Vorstand des Deutschen Städtetages trat heute im Rathause hierselbst zu einer Sitzung zusammen. Zum Vorsitzenden wurde der Oberbürgermeister von Berlin, Exzellenz Wermuth, gewählt. Der wesentlichste Punkt der Tagesordnung war die Fleischteuerungsfrage. Der Vorstand nahm zu den Maßnahmen der Regierung Stellung und faßte folgenden Beschluß: 1. Der Vorstand kann es nicht als die Aufgabe der deutschen Städte ansehen, dauernd in die Preisgestaltung der Nahrungsmittel einzugreifen und Mängel der Wirtschaftspolitik durch kommunale Maßregeln.1631. gleichen; 2. der Vorstand nimmt an, daß die deutschen Städte unter Wahrung des vorstehend ausgedrückten grundsätzlichen Standpunktes und in Würdigung der vielerorts herrschenden Notlage geneigt sein werden, auf dem Boden der inzwischen von der preußischen Staatsregierung beschlossenen und von den andern Bundesreglerungen voraussichtlich gleichartig zu treffenden Maßnahmen eine Abschwächung der zur Zeit herrschenden Fleischteuerung zu versuchen. Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen und Informationen glaubt der Vorstand allerdings, einen durchschlagenden Erfolg dieser Versuche bezweifeln zu müssen: 3. unter Hinweis auf diese Befürchtung beschließt der Vorstand, in einer erneuten Petition an den Herrn Reichskanzler darauf hinzuweisen, daß nach Ansicht des Vorstandes die notwendige dauernde Entlastung des Fleisch= marktes nur von der Einführung von gefrorenem Fleisch und damit von einer Aufhebung oder Milderung des§ 12 des Fleischbeschaugesetzes zu erhoffen steht: 4. der Vorstand wird in Kürze nochmals zusammentreten, um über den Ersolg der bisherigen Maßregeln und etwaige weitere Maßnahmen zu beraten.— Als Ort der Tagung für den nächsten deutschen Städtetag wurde wieder Köln gewählt.
* Köln, 6. Okt. Gestern schloß im Kolpinghaus der britte Soziale Kursus für Studlerende mit zahlreichem Besuche und wirkungsvollen Ausführungen des Leiters des Sekretariates sozialer Studentenarbeit. Es waren siebzig Studierende anwesend. Weitere Kurse sollen in mittleren und größeren Städten während der nächsten Ferien und versuchsweise in Universitätsstädten auch im Semester abgehalten werden.
* Köln, 7. Okt. Gestern vormittag fand man im Dam im südlichen Seitenschiff unter einer Bank die Leiche eines drei bis vier Wochen alten Kindes männlichen Geschlechtes.
Die heutige Nummer umfasst 12 Seiten.“
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5 Aus Bonn.
Vonn. 8. Oktober
= Universität. Wie wir bereits gestern melden konnten ist Professor Dr. med. Bernhard Schöndorfs, Privatdozent für Physiologie an der hiesigen Universität, zum Abteilungsvorsteher am phystologischen Institut ernannt wor. den Geboren 1865 zu Mülheim a. Rh, studierte Schöndorff in Bonn, München und Berlin, besonders als Schüler des Bonner Physiologen Pfliger, und erwarb 1890 die Doktotwürde mit der Dessertation:„Never den Einfluß des Wasiertrinkens auf die Ausscheldung der Harnsaure" Seit dem Herbst 1891 ist Schöndorss alsAssistent am Bonner phystologischen Instltut tätig. Am 7. August 1897 habilitierte er sich eben da für das Fach der Physioiog;e auf Grund der Sch.ift„Ueber den Einfluß der Schilddrüse auf den Stoffwechsel.“ Im Jahre 1903 erhielt Schöndirff das Prädikat Praseisor Sein Arbeitsgebiet ist physlologische Chemie und Stoffwechselphysiologte.
Die Fleischteuerungskommission hat auch für diese Woche wieder 32 Rinderviertel bestellt und den Kommissionär beauftragt, wenn möglich noch mehr zu liefern. Dei städtische Fleischverkauf auf dem Markt soll dann ebenfallbeginnen. In der vergangenen Woche war dies nicht möglich, weil kein Fleisch mehr vorhanden war. Holländisches Fleisch hat die Kommission nicht gekauft, weil der verlangte Preis, von 82 Pfg. zu hoch erschien.
Städtisches Orchester. Für das für heute abend im Bonner Bürger=Verein angesetzte philharmonische Konzert ist ein Opern=Programm vorgesehen. Das Programm enthält eine Reihe von Auszügen aus den schönsten und beliebtesten Opern. Die Mittwochs in der Beethovenhalle stattfindenden philharmonischen Konzerte werden für die Folge in der 1. Abteilung symphonische Werke enthalten, um den im Berufsleben stehenden Musikfreunden denen der Besuch der bereits um 63 Uhr beginnenden Abonnements=Konzerte nicht möglich ist, Gelegenheit zu geben, auch solche Meisterwerke zu hören, die sonst nur in den Abonnementskonzerten vorgetragen werden.
+ Verein für National-Stenographie. Am Sonntag fand die alljährliche Jahreshauptversammlung statt. Dem vom Herrn Wassenberg erstatteten Jahresbericht durfte man nur Günstiges entnehmen; namentlich auch in Bezug auf die Unterrichtstätigkeit. Bei der Vorstandswahl wurden gewählt die Herren Bezirksfeldwebel Paul Raumann als 1. Vorsitzender, Hubert Wassenberg als 2. Vorsitzender.
Der Verein ehem. Ulanen für Bonn und Umgegend eierte am Samstag abend im Hotel zum Stern sein 20. Stiftungsfest. Nach einer Begrüßungsansprache des Vorsitzenden, Herrn Fink und einem flott gespielten Bühnenstück brachte Herr v. Eynern das Kaiserhoch aus. Unter Leitung des Herrn Kölzer trugen Mitglieder des Bonner Gemischten Chors in trefflicher Weise eine Anzahl Volkslieder vor. Herr Eschbaum überreichte den noch lebenden Gründern des Vereins, den Herren Fink, Brodam, Heß, Klein, Wahl, Jakobi, M. Dreesen, Engel, Aßenmacher, Lemmer und Tharan je ein Vereinsabzelchen mit der Zahl 20. Herr Hauptmann v. Amelunxen=Godesberg hielt in seiner bekannt humorvollen Weise eine Damenrede. Das Fest wurde verschönt durch gemeinsame Lieder und humoristische Vorträge. Eine Sammlung für die Kriegerwaisenhäuser ergab 40 Mt. Die Feier schloß ein ausgedehnter Ball.
* Auf dem Athleten=Wettstreite des Bonner Stadt=Verbandes errang der Kraft=Sport=Verein 1910 Bonn=West folgende 20 Preise: Im Mittelgewicht Wilh. Hatterscheid 1. Preis im Ringen und 2. Preis im Stemmen. Im Leichtgewicht Heinr. Könings 1. Preis im Ringen, Christ. Müller 1. Preis im Stemmen, Heinr. Wiskoschil 2. Preis im Ringen, Ernst Hertel 5. Preis im Stemmen und 8. Preis im Ringen, Jos. Schüller Federgewicht 1. Preis im Ringen und 3. Preis im Stemmen, Peter Bubenheim, Peter Schmitz 1. Preis im Stemmen und 3. Preis im Ringen, Ferd. Gröll 2 Preis im Ringen, Joh. Krupp 5. Preis im Stemmen und 7. Preis im Ringen, Andr. Botchen 6. Preis im Stemmen. Leichtathletik 2. Klasse: Christ. Müller 1. Preis, Heinr. Könings 3. Preis, Ernst Hertei 4. Preis.
Die Wintersagl wird schon wieder der Erde anvertraut; einzelne Roggensaat ist schon aufgegangen. Zum Schutze gegen Krähenfraß wird der Saatweizen von den Landwirten mit Karbin angemengt, dessen Geruch die Vögel von den Feldern abhält; die Keimkraft wird durch die Mischung in keiner Weise beeinträchtigt.
::: Winker im Oktober. Mit seinen schönen sonnigen Tagen hat uns der Oktober nebenbei schlimme Gäste gebracht: Nachtfröste, die nicht allein auf den rauheren Höhen, sondern auch im milden Rheintale richtiges Eis brachten. Jede Nacht fast hat Temperaturen von 2 Grad Kälte gebracht; gerade genug, um großen Schaden anzustiften. Vor Allem haben die Weintrauben darunter gelitten; im Rheintale wie an der Uhr sind sie stellenweise erfroren. Unter der Frostperiode leidet auch die Kartoffelernte, die im Gange ist; bei den Kältegraden erfrieren auch die Spätäpfel und Spätbirnen, die noch auf den Bäumen sind. Die Bäume werfen infolge des Frostes ihr Laub ab; fast einen ganzen Monat zu früh. Die bunte so stimmungsvolle Herbstflora in den Anlagen läßt traurig ihre Köpfe hängen, stirbt ab oder kommt nicht zur Entfaltung.
In Ansehung zu erwartenden Schadens wird die Kartoffelernte nun von den Landleuten mit verstärkten Kräften und großem Eifer betrieben. Alle nur verfügbaren Leute. Groß und Klein, Jung und Alt, sind nun auf dem Lande hinter den Kartoffeln her, um die in diesem Jahre so reiche Ernte glücklich einzubringen.
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Eine betrübende Kunde kommt von der Ahr. Die Fröste der letzten Nächte haben die Weinernte nahezu vernichtet. In der Nacht zum Sonntag fiel das Thermometer auf 4 Grad, in der Nacht zum Montag auf 8 Grad Kälte. Ueber die Hälfte des Ertrages ist vernichtet. In Mayschoß wurde am Sonntag sofort mit der Lese begonnen. Der Schaden, den der dortige Winzerverein allein erleidet, wird auf weit über 150000 Mark geschätzt. An der ganzen Ahr dürfte der Schaden weit über eine Million Mark betragen. Bei dem starken Frost sind auch an der Uhr die Kartoffeln teilweise erfroren und selbstverständlich auch alle Gemüse usw., was noch im Jelde stand. Einen solchen starken Frost zu so früher Jahreszeit hat man an der Ahr noch nicht erlebt. Die Winzer sehen trüb in die Zukunft, da die Vernichtung der Traubenernte, die so reich zu werden versprach, für sie manche Entbehrungen mit sich bringen wird.
Auch von der Mosel kommen Nachrichten, daß die Weinernte durch die Kälte so gut wie vernichtet sei. Nur besonders bevorzugte Lagen können noch auf eine ziemliche Ernte hoffen. Die Lage sei geradezu trostlos und der Schaden belaufe sich auf Millionen, für einzelne Orte auf Hunderttausende. Auch die Gartenfrüchte sind Überall beschädigt worden.
Vom Rhein wird das gleiche gemeldet. Den Winzern drohe eine Katastrophe. Und dabei versprach die Ernte gerade in diesem Jahre sehr reich zu werden. Das trockene Wetter der letzten Wochen hatte vieles, was der September nicht erfüllt hatte, nachgeholt. Und nun ein sob ches Unglück.
Auch aus dem Rheingau wird berichtet, daß in der
Morgenfrühe am 6. und 7. Oktober die Weintrauben zum größten Teil erfroren sind und daß dadurch unberechen