Geschäftsstelle und Anzeigen-Annahme

Marzellenstrasse 37.

Alle für die h. Ostertage bestimmten Anzeigen

bitten wir spätestens bis

Samstagnachmittag 3

in der Geschäftsstelle des Kölner Local­Anzeigers, Marzellenstraße 37, aufgeben zu wollen.

Am Ostermontag erscheint keine Nummer des Kölner Local=Anzeigers.

General-Anzeiger für die rheinische Hauptstadt. 2 Kölner Fremdenblatt.

Nr. 80. 24. Jahrgang. Geschäftsstelle: Fernspr. 420. Köln, Donnerstag. 24. März 19/0. Redakt.: 523., 525=, 523, 525. Heute 16 Seiten.

Das Neueste vom Tage.

Gräßliche Folgen eines Automobilunglücks in Köln.

e Köln, 24.März1910. Auf dem Eigelstein wurde gestern eine Frau von einem Automobil überfahren und so schwer verletzt, daß sie bald darauf starb. Zu dem Unfall wird uns von einem Augen­zeugen gemeldet: Der Führer des Automobils versuchte durch starkes Bremsen und Seitwärtslenken einem gerade vor seinem Fahrzeug laufenden Kinde auszuweichen. Hierbei geriet er mit seinem Fahrzeug auf den Bürgersteig, wo die Passanten entsetzt auseinanderstoben. Einer Frau vom Lande gelang es nicht, sich zu retten, sie wurde gegen die Mauer gedrückt und trug überaus schwere Verletzungen davon, denen sie im Bürgerhospital, wohin die Feuerwehr sie brachte, alsbald errag. Die Frau, die aus Fühlingen stammt, hat vor ihrem Tode ein totes Kind geboren.

Der Kaiser und Roosevelt.

Zum Berliner Besuch des Expräsidenten Roosevelt melden Berliner Blätter, daß Roosevelt am 10. Mai in Berlin an­kommen und voraussichtlich schon am Tage seiner Ankunft vom Kaiser empfangen werde. Für die Festsetzung dieses Zeitpunktes soll der Wunsch des Kaisers maßgebend gewesen sein, den ehe­maligen Präsidenten der Union vor Pfingsten bei sich zu sehen.

Ein gewaltiger Wald- und Heidebrand.

* Hamburg, 24.März1910.(Drahtber.) In der Gemarkung Boostedt bei Neumünster wütet ein gewaltiger Heide= und Waldbrand seit 24 Stunden. Es ist bisher noch nicht ge­lungen, des Feuers Herr zu werden.

Wieder ein Schülerselbstmord. Halle(Saale), 23.März1910.(Drahtber.) Heute hat sich im Abort der Realschule ein 14jähriger Untertertianer erschofsen, weil er nicht versetzt worden ist.

Feuer im Telegraphenamt.

Thorn, 23.März1910. Im Telegraphen= und Fernsprechamt ist Feuer ausgebrochen. Der Fernsprechverkehr ist einstweilen gänzlich unterbrochen. Telegramme von und nach Thorn werden wahr­scheinlich erhebliche Verzögerungen erleiden. Ein späteres Tele­gramm meldet: Das Feuer im Hauptpostgebäude entstand heute vormittag 11.30 Uhr in einer Dachkammer und entwickelte sich mit groter Schnelligkeit. Auch ein Telephonhelm mit etwa 600 Drähten geriet in große Gefahr. Die Feuerwehr vermochte nur wenig auszurichten. Mittags wurde das Telegraphen­amt von den Beamten geräumt. Der Brand konnte, nachdem das obere Geschoß völlig zerstört worden war, gelöscht werden. Der Telephon= und Telegraphenbetrieb ruht einstweilen ganz. Die Entstehungsursache des Brandes ist noch unbekannt.

Ein halbes Dorf durch Feuer zerstört.

Friedland(Mecklenburg=Strelitz), 23.März1910. Großfeuer wütete heute in dem nahe gelegenen Kirchdorf Sandhagen. Zehn Wohnhäuser sowie die Schule mit ihren Neben­gebäuden wurden vernichtet. Die Ursache des Brandes ist noch nicht aufgeklärt; einiges Vieh ist umgekommen.

Eine Frau als Ballonführerin.

Bitterfeld, 23.März1910.(Drahtber.) Gestern abend stieg Frau Generalmajor v. Quast, die Gattin des Kommandeurs der zweiten Gardeinfanteriebrigade, in einen Ballon unter Führung des Dr. Hennoch zu einer Nachtfahrt auf, um die Führerqualisika­tion zu erhalten.

Der geheimnisvolle Schatz.

Neustrelitz, 24.März1910.(Drahtber.) Beim Herausheben einer Tanne in der Nähe der Schießstände stieß ein Grenadier des Grenadierregiments Nr. 89 etwa zehn Zentimeter unter dem Wurzelwerk mit dem Spaten auf eine Bierflasche, die bis an den Hals mit Hundertmarkscheinen, die zusammengefalten waren, an­gefüllt war. Es besanden sich fünfundzwanzig echte Hundertmarkscheine in der Flasche. Wie die Flasche mit dem Geld unter den Baum gekommen ist, konnte noch nicht festge­stellt werden.

Ein schweres Brandunglück

ereignete sich, wie der Oberschl. Anz. meldet, im Grenzdorf Swicie. Von einem dort ausgebrochenen Feuer wurde auch das Wohnhaus des Besitzers Kocia ergriffen. Als sich die Familienangehörigen das Haus begaben, um ihre Habseligkeiten zu retten, stürzte das brennende Haus in sich zusammen, die ganze Familie, Vater, Mutter und vier Kinder, unter sich begrabend. Nachdem das Feuer gelöscht, fand man sechs verkohlte Leichen vor.

Reichskanzler v. Bethmann Hollweg beim Papst.

Rom, 23.März1910. Heute vormittag 11.30 Uhr traf Reichs­kanzler v. Bethmann Hollweg, begleitet vom preußischen Ge­sandten, Baron Mühlberg, und Hru. v. Flotow, in den Em­

pfangsgemächern des Vatikans ein. Der Reichskanzler trug Ministeruniform und den Schwarzen Adlerorden. Er wurde durch die päpstlichen Kämmerer Baron Schönberg, Baron Berck­heim und Commendatore Strack sofort in die Privatbibliothek des Papstes geführt. Die Unterhaltung beider dauerte zwanzig Minuten, darauf erfolgte die Vorstellung der anderen beiden Herren und alsdann ein viertelstündiger Besuch beim Kardinal= staatssekretär, den der Reichskanzler vom Gegenbesuch dispensierte, da er ihn ohnehin beim Galadiner am Ostersonntag wiedersehen werde. Schließlich besuchte der Reichskanzler die Peterskirche. Reichskanzler v. Bethmann Hollweg hat sich über den Emp­fang im Vatikan und besonders beim Papst selbst sehr befrie­digend geäußert. Irgendwelche besondere Abmachungen mit dem Heiligen Vater und seinem Staatssekretär wurden nicht getroffen.

DerDetter des Königs.

Hrn. v. Bethmann Hollweg ist=von dem Könige von Italien der Annunziaten-Orden verliehen worden. Der Orden, der etwa demSchwarzen Adler entspr icht, wird im all gemeinen nur au Souveräne oder an ganz besonders verdiente italienische Politiker, aber fast nie an auswärtige Staatsmänner vergeben. Der Inhaber des Annunziatenordens hat Anspruch auf den TitelVetter des Königs" und erhält Rang gleich nach den königlichen Prinzen. Die dem deutschen Reichskanzler verliehene Auszeichnung ist als ein besonderer Beweis für die Herzlichkeit der Beziehungen zwischen Deutschland und Italien anzusehen.

Zusammenstoß zweier französischer Torpedoboote.

* Lorient, 24.März1910.(Drahtber.) Bei einer Versuchsfahrt stießen die beiden Turbinen=Torpedoboote Voltigeur und Tirailleur zusammen und erlitten beträchtliche Beschädigungen.

Zwölf Gemälde zerstört.

Paris, 24.März1910.(Drahtber.) In der verflossenen Nacht wurden zwölf Bilder, welche für den diesjährigen Salon der Ge­sellschaft französischer Künstler eingesandt worden waren, von einem bisher unbekannten Uebeltäter gänzlich zerschnitten. Die Unter­suchung ergab, daß es sich nicht etwa um einen Racheakt handeln kann, denn die Bilder stammen von den verschiedensten Malern her, sondern um einen ganz sinnlosen Akt von Zerstörungswut.

Der Retna in Cätigkeit.

Wie aus Rom gemeldet wird, hat sich in der Volta San Giacomo am Aetna, 2300 Meter über dem Meere, eine Oeffnung gebildet, welcher Lava entströmte und aus welcher Asche hochge­schleudert wird. In Catania herrscht infolgedessen etwas Alarm­stimmung. Die folgende Drahtmeldung läßt die Lage als stark bedrohlich erscheinen:

Catania, 24.März1910. Der Aetna ist seit einigen Tagen in Tätigkeit. Aus etwa zehn Oeffnungen ergießen sich Lavastrome, welche schon bis in die Nähe der Ort­schaften San Leo und Rinazzi gelangt sind. Einige Wein­garten wurden zerstört und mehrere kleine Häuser von den Schuttmassen begraben.

Lagerhausbrand.

In Liverpool brannte ein Baumwollagerhaus nieder. Die Feuerwehr bemühte sich acht Stunden lang, des Feuers Herr zu werden. Ueber 12000 Ballen sind verbrannt. Der Schaden be­trägt 600000 M. Die Ursache des Brandes ist noch unbekannt.

Ein Stückchen Kulturkampf

hätten die Katholiken in Darmstadt erlebt, wenn es nach dem Sinn der dortigen Polizeibehörde gegangen wäre. Diese wollte nämlich den üblichen feierlichen Zug der Erstkommuni­kanten vom Pfarrhause St. Elisabeth nach der Kirche nebenbei bemerkt, eine Strecke von nur erwa 30 Meter nicht gestatten. Sie muß darin also etwas außerordentlichStaats­gefährliches" erblickt haben, denn sonst gestattet sie Umzüge von Tausenden, so z. B. von Kriegervereinen und auch von Sozial­demokraten ganz anstandslos. Die Erstkommunikanten müssen ihr also weit gefährlicher, als z B. letztere erschienen sein. Das Verbot rief, wie leicht begreiflich, unter den Katholiken Darm­stadts große Aufregung hervor, und auch protestantische Blätter gaben ihrem Befremden darüber Ausdruck. Das Ministerium des Innern hat sich nun glücklicherweise vernünftiger gezeigt, denn es hob das polizeiliche Verbot auf und gestattete den her­kömmlichen Zug der Erstkommunikanten nach der Kirche. Nun wird aber ein anderer noch schlimmerer Fall einer Verletzung der Gewissensfreiheit

berichtet: Der Kreisschulinspektor in Offenbach hat für die zu vier Fünfteln katholische Gemeinde Klein=Steinheim bei Hanau das strenge Verbot erlassen, in den Schulen das hl. Kreuzzeichen fernerhin zu machen. Dieses Vorkommnis erinnert an die Aufhebung der konfessionellen Schulen in Seligenstadt a.., die Entfernung der Kreuze aus Schulen in Mülheim a. M. und in Mainz. Das sindSegnungen desliberalen hessischen Schulgesetzes mit seinen Simultanschulen! Und dieseSegnungen mit ihrer Vergewaltigung der katholischen Gewissen möchte der Libera­lismus allgemein verbreiten, d. h. zwangsweise einführen.

G Ein

treiben dieGenossen in der Wahlrechtsfrage, indem sie heute so, morgen so urteilen, ja vor direkten Widersprüchen nicht zurückschrecken, wenn ihnen das nur so in die Agitation, in diesem Falle vornehmlich die Zentrumshetze hineinpaßt. In dem Dortmunder Zentrumsblatt, der Tremonia(Nr. 79), finden wir eine Reihe solcher Widersprüche sozialdemokratischer Führer wirkungsvoll zusammengestellt. So sagte z. B. der Sprecher der Sozialdemokratie im Landtage, der

Abg. Ströbel in einer Wahl­rechtsversammlung am 3. März in Bochum:

Ich bin ja kein Unmensch, um vom Zentrum zu ver­langen, auf einmal das ganze, gleiche Wahlrecht durchzusetzen, sondern es soll wenigstens eine Abschlagszahlung zu er­reichen suchen, die eine kleine Annäherung an das gleiche Wahlrecht be­deutet.

Derselbe Aba. Ströbel auf dem letzten preußischen Partei­tag der Sozialdemo­kratie(Berlin 1909):

Die Taktik der Freisinnigen, von vornherein zu erklären, daß man mit einer Abschlags­zahlung zufrieden sein müsse, muß als Taktik des Wahl­rechtsverrats mit aller Schärfe gebrandmarkt werden; jede Teilreform würde nur eine Fundamentierung, eine Ver­ankerung des Wahlrechts sein, unter dem die Arbeiterschaft leidet.

Man beachte: derselbe Abgeordnete Ströbel verlangt am 3. März 1910 von vornherein vom Zentrum nur die Durch­setzung einer Abschlagszahlung, während er selbst im Jahre 1909 eine solche Taktik als Wahlrechtsverrat bezeichnete. Wie man in sozialdemokratischen Versammlungen die Tätigkeit der Zentrumspartei für das allgemeine und gleiche Wahlrecht ver­schiedenartig beurteilt, ganz wie es eben paßt, zeigen folgende Redewendungen:

Zehngebote Hoffmann(Berlin) in einer Wahlrechtsversammlung am 6. März zu Bochum:

Windthorst war der einzige, der mit aller Energie für das allgemeine gleiche Wahlrecht eingetreten ist.

Genosse Hoffmann erkennt rückhaltlos an, während König

Mar König(Dortmund) in einer Wahlrechtsversammlung am 3. März zu Bochum:

Windthorst ist zwar für das Reichstagswahlrecht einge­treten, aber das geschah aus reaktionären Gründen. also die Tätigkeit Windthorsts ihmreaktionäre(!) Gründe

unterschiebt.

Wie kunterbunt unter denGenossen auch die Ansichten über Straßendemonstrationen sind, geht aus folgendem deutlich hervor.

Hoffmann(Berlin) in der Wahlrechtsversammlung am 6.

März zu Bochum:

Wenn die Zentrumspartei die Massen, die es hinter sich hat, mit der Sozialdemokratie vereinigte die Konservativen und die Regierung hätte ich sehen mögen, die sich dem gleichen Wahlrecht noch wider­setzt hätten.

Welcher Widerspruch besteht

Heine(Berlin) in einer Ber­liner Wahlrechtsversammlung:

Der Polititer muß Geduld haben. Mit Straßendemonstra­tionen ist nichts zu er­reichen, denn politisches Ge­wicht haben sie nicht.

also selbst bei denGenossen

über die Zweckmäßigkeit der Straßendemonstrationen!

Und eine solche Partei, die sich der Mittel des politischen Doppelspiels bedient, maßt sich an. dem Zentrum ein Falschspiel mit den Interessen des Volkes vorzuwerfen.

0 Der Hansabund und die Henne mit den goldenen

In Itzehoe fand kürzlich eine Versammlung der hiesigen Orts­gruppe des Hansabundes statt. In der Erörterung, die dem Vor­trage folgte, klagte ein Lehrer darüber, daß der Hansabund sich nicht für die geheime Wahl zum Abgeordnetenhause erklärt habe. Der Vortragende antwortete, daß der Bund sich nur für solche Wünsche verwenden könne, die von allen Mitgliedern gemeinsam gehegt würden, weil sonst die Gefahr einer größeren Absprengung von Mitgliedern vorliege. Das wollte der Lehrer nicht gelten lassen, er meinte vielmehr, es sei ein Vorteil, wenn die Feinde der geheimen Wahl vom Bunde abgesprengt würden, in den sie nicht hinein gehörten. Ihm wurde wiederum entgegnet, daß die Feinde der geheimen Wahl dieMagnaten der Großindustrie seien, die zwar klein an Zahl, aber sehr reich an Mitteln seien. Der Hansa­bund könne doch die Henne nicht schlachten, die ihm die goldenen Eier lege. Ob die Leitung des Hansabundes von dieser Offen­herzigkeit besonders entzückt sein wird, dürfte recht fraglich er­scheinen.

0 Für dieGleichheit

schwärmen bekanntlich die Genossen außerordentlich. Auf diese Liebe ist wohl auch folgendes Vorkommnis zurückzufüyren: Im Reichstagswahlkreise Nurnberg haben die Sozialdemokraten die Monatsbeiträge zur Partei von 25 auf 35 Pfennig erhöht. Eine Resolution, die den Vorstand beauftragte, beim Parteitag dahin zu wirken, daß die wirtschaftlich bessergestellten Genossen höhere Beiträge zu zahlen haben, wurde abgeleynt. Die Genossen können eigentlich froh sein, daß sie noch nicht im sozialdemokratischen Zukunftsstaat leben; denn was sollte wohl werden, wenn auch die verrotiete bürgerliche Gesellschaft den Grundsatz der Gleichheit in dieser Form statt der nach der Leistungsfähigkeit abgestuften Steuerordnung durchführen wollte.