Samstag. 8. Juni 1929

62. Jahrgang Nr. 132

Volksblatt für das Vergische Land

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Franz Heider..=Gladbach. Geschäftsstelle Beusberg, Hauptstr 36. Geschäftszeit1 und6 Uhr 84482. Druck: Joh. Heider, Bergisch Gladbach. Bezugspreis pro Monat.30 Me. Die Enzeigen der Veusberger Volkszeitung erscheinen gleichteitig ohne Mehrberechnung in der Bergisch Gladbacher Volkszeitung, im Overather Echo und Lindlarer Echo

Der papst ist Wieder frei.

Mussolini überreicht im Vatikan die Ratifikationsurkunde der Tateranverträge. Alle Glocken Roms läuten die Freihen des Papsies ein.

Mussolini im Vatikan.

Rom, 7. Juni. Der Austausch der Na­kisikationsurkunden der Lateranverträge er­folgte heute vormittag programmäßig um 11.15 Uhr in den Privaträumen des Kardi­nalstaatssekretärs Gasparri im Vatikan zwi­schen Mussolini und Gasparri.

Mussolini begab sich im Auto zum Vati­kan und wurde unterwegs von der Menge mit Heilrusen begrüßt. Auf Mussolini folgte der Finanzminister Mosconi, dessen Auf­gabe in der Uebermittlung der Dokumente über die finanziellen Abmachungen bestand. Für den Heiligen Stuhl nahmen an der Fei­erlichkeit außer dem Kardinal Gasparri die Kardinalräte Borgonaiui und Piz­zaro sowie der Rechtsanwalt Pacelli teil. Im Augenblick des Austausches der Doku­mente begannen alle Kirchenglocken zu läu­ten.

Mussolini trug, um die Feierlichkeit des Aktes zu unterstreichen, diesmal nicht den Eu­taway, sondern die Ministerunisorm. Die ganze Zeremonie war in einer Biertelstunde vorüber. Mosconi überreichte im Vatikan ein Dokument, das dem Heiligen Stuhl einen Kredit in Höhe von 750 Millionen Lire bei der Italienischen Staatsbank einräumt sowie italienische Staatsbonds in Höhe von einer Milliarde Lire.

Der Papst hat anläßlich dieses Ereianis­ses dem Hause Savoyen zum ersten Male seit dem Jahre 1870 den apostolischen Segen übermittelt.

Der Osservatore Nomano, der bisher be­kanntlich die Verträge noch nicht im Wort­laut veröffentlicht hat, wird dies heute nach­holen. Nach dem Austausch der Ratifikations= urkunden hat der neue Gouverneur des Vati­kaus, Camillo Serasini, amtlich sein

Amt übernommen. Die Schweizer Sarde wird ihre neuen Wachen, die inzwischen an den neugeschaffenen Eingängen zurStadt des Vatikans errichtet worden sind, beziehen. Das berühmte bronzene Tor wird heute zum erstenmal nach 49 Jahren wieder geöffnet werden. Der Postverkehr in der vatikanischen Stadt wied heute nur für be­hördliche Zwecke zur Verfügung stehen, für! das Publikum erst in einigen Tagen zugäng­lich sein.

Der papft an den König von Italien

WTB Rom, 7. Juni.(Drahtb.) Nach dem bereits gemeldeten Austausch der Rati­fikationsurkunde zum Lateranvertrag zwi­schen Mussolini u. Kardinalstaatssekretär Gasparri wurde als erstes durch das neue vatikanische Telegraphenamt befördertes Te­legramm eine Depesche des Papstes an den König von Italien gesandt, in der der Heilige Vater dem König, der Königin, der königli­chen Familie, Italien und der ganzen Welt den Apostolischen Segen erteilt.

Die Antwort.

WTB Rom, 7. Juni. Der König hat an den Papst das folgende Tele­gramm gerichtet:

Ich bin tief bewegt von dem lie­benswürdigen Telegramm, das mir Eure Heiligkeit im Augenblick des Austausches der Natifikationsurkunden der Lateran­verträge gesandt hat. Ich teile den Wunsch Eurer Heiligkeit, und ich bitte zu Gott, daß mit dem heutigen Tag eine neue glückliche Aera in den Beziehungen zwi­schen der Kirche und dem Staat ihren An­fang nehmen möge. Ich danke mit Ihrer Majestät der Königin und mit meiner kö­niglichen Familie Eurer Heiligkeit für den Segen, die Sie uns gespendet haben.

Victor Emanuel.

Vier ist erreicht.

Die pariser Sachverständigen unterzeichnen den Schluß= bericht. Verzicht auf jede Zeierlichkeit.

Unterzeichnung in paris.

Paris, 7. Juni. Es war genau 18.10 Uhr, als die so ganz und gar nicht feierliche Unterzeichnung des Sachverständigengutach­tens im Verhandlungssaal im Hotel Georg 5. beendet war. Sie hatte genau eine Viertel­stunde gedauert. Am ein Haar wäre die Un­terzeichnung nicht erfolgt. Denn unmittelbar vor dem eigentlichen Unterzeichnungsakt brach in dem Verhandlungssaal selbst infolge Kurz­schluß einer der Starkstromleitungen für die Kinoapparate ein Brand aus. Der der Sitzung beiwohnende Parker Gilbert bemerkte das Feuer sofort und schickte sich so­gleich an, die gefährdeten Berichte zu retten. Die Sachverständigen selbst aber blieben ru­hig auf ihren Plätzen, bis es einem Direktorl. des Hotels gelang, mit zwei Feuerlöschern den Brand in wenigen Minuten zu löschen. Der Schaden war unerheblich: ein paar große zerbrochene Spiegelscheiben, einige verbrann­te Fenstervorhänge, eine angebrannte Saal­Über der Saal war stark mit Rauch an­man erst einmal ihn gründlich durchlüften mußte, um weiterarbeiten zu kön­nen.

In der nichtöffentlichen Sitzung dankte Young für die Mitarbeit der Delegierten. Hierauf erwiderte Morreau namens sämtlicher Delegierten mit einigen Dankes­

worten an den Vorsitzenden selbst. Um 17 Uhr 55 Minuten wurden die Journalisten, Photographen und Kinooperateure in den Saal gelassen. Young überprüfte noch einmal turz die beiden Berichte, den englischen und französischen, beide in Maschinenschrift ver­vielfältigt. Ein deutscher Text lag nicht vor. Dünne Gummibändchen hielten die Be­richte und die vielen Anhänge ganz primitiv zusammen.

Den französischen Text unterzeich­neten zuerst die Deutschen nach der fran­zösischen alphabetischen Reihenfolge der Länderbezeichnung, den englischen zu­nächst die Belgier. Der Reichsbankpräsi­dent zeichnete: Dr. Hialmar Schacht, der zweite deutsche Delegierte einfach: Kastl. Au­ßerdem unterzeichneten die Gläubiger­staaten unter sich ohne Deutschland noch einen Bericht über die Verteilung der deutschen Zahlungen.

Der Unterzeichnungsakt begann 17.50 Uhr und war um 18.10 beendet.

Nachdem die Unterzeichnung vollendet und überprüft worden war, hielt Owen Young eine Schlußrede.

parker Gilbert und ein vorläufiger Welchch.

Paris, 7. Juni. Der Excelsior will er­fahren haben, man habe gestern innerhalb der Reparationskonferenz beschlossen, einen vorläufigen Organisationsausschuß un­ter dem Vorsitz von Parker Gilbert ein­zusetzen, der dazu berufen sei, den Ueber­gang vom Dawesschen zum Youngschen Plan durchzuführen. Dieser Ausschuß werde drei Unterausschüsse erhalten, einen für die Reichsbank, einen zweiten für die Reichs­eisenbahn und einen dritten für die Sachlie­ferungen.

Dank der Reichsregierung.

WTB Berlin, 7. Juni. Reichs­kanzler Müller hat an Owen Young ein Telegramm gerichtet, in dem er dem Präsidenten und der amerikanischen Gruppe auf der Reparationskonferenz den wärmsten Dank der deutschen Reichs­regierung ausspricht.

Veröffentlichung des Berichts.

Paris, 8. Juni.(Drahtb.) Das Wolff­büro bringt heute den Textinhalt des Sach­verständigenberichtes, dessen wesentlichste Punkte ja im Laufe der Beratungen bereits bekannt geworden sind. Wegen des außeror­dentlichen Amfanges des Dokumentes stellen wir die Veröffentlichung bis zur nächsten Wo­che zurück.

Vorbereitungen der Räumung.

WTB London, 7. Juni.(Drahtb.) Daily Expreß wil erfahren haben, daß die Vorbereitungen für die Räumung des Rheinlandes durch die Alliierten gut fortgeschritten sind. Der Pariser Korrespondent des Blattes meldet, von be­sonders gut unterrichteter Seite verlautete gestern abend, daß die Räumung zweifellos dieses Jahr, wahrscheinlich im Or­

tober, durchgeführt werden würde.

Laut Daily Expreß sei in London gestern mitgeteilt worden, daß das Lager von Cat­terick für die Aufnahme der britischen Truppen vorbereitet worden sei.

protest der französischen Frantcinpsererenlong.

WTB Paris 8. Juni. Die Nationale Vereinigung der Frontkämpfer pro­testiert heute in Frankreich in Mauer­anschlägen gegen den Youngschen Plan. Es heißt in den Plakaten:Franzo­sen! Nachdem ihr den Blutzoll entrichtet habt, werdet ihr für euch und eure Kinder zugeben, daß ihr die Kriegskosten zahlt und so die Sklaven der deutsch=amerikanischen Finanz werdet? Die ehemaligen Front­kämpfer lehnten das ab.(Eine größere Be­griffsverwirrung kann man sich schon nicht mehr vorstellen.)

Das neue enaische Kabinet.

WTB London, 7. Juni.(Drahtb.) Wie samtlich gemeldet wird, ist die neue Regie­rung folgendermaßen zusammengesetzt:

Erster Minister: MacDonald: Schatz­kanzler: Snowden: Auswärtige Angele­genheit: Arthur Henderson: Dominien: Sydney Webb: Indien: Wedgewood [Benn; Lordgeheimsiegelbewahrer: I. H. Thomas; Inneres: J. R. Clynes; Luft­fahrtwesen: Thomson; Kriegswesen: Tom Shaw; Gesundheitswesen: Greenwood; Arbeit: Miß Bondfield(Der erste weib­liche Minister); Ackerbau: Noel Buxton; Unterrichtswesen: Sir C. Trevelhan; Handel: William Graham; Erster Lord der Admiralität: A. V. Alexander.

Von den Liberalen zur Arbeiter­bertel

London, 7. Juni. Großes Aufsehen erregt in der Presse die Meldung, wonach der Anwalt Jowitt, der bei den letzten Wahlen im Wahlkreis Preston für die Libe­

Ner ch uch uun unde

Neapel, 7. Juni. Die Ausbruchstätig­keit des Besuvs hatte bis Donnerstagnach­mittag erheblich abgenommen. Nach drei Ta­gen Beängstigung sind die Bewohner der betreffenden Vesuvgemeinden in ihre Häuser zurückgekehrt. Die Bittprozessionen werden fortgesetzt. Das Dorf Parziano scheint jetzt außer Gefahr zu sein. Der Post= und Tele­graphenverkehr wurde in Parzigno wieder aufgenommen. Donnerstagabend nahm jedoch der Vesuv plötzlich seine Tätigkeit wieder auf. Riesige Flam­men hüllten den Gipfel ein. Die abendliche Mitteilung des Leiters der Vesuvwarte be­sagt u.., daß sich den ganzen Tag über Explosionen mit reichlichem Auswurf glühender Lava ereigneten. Von Zeit zu Zeit seien am Kraterrand wahre Erdbeben zu verspüren. Am letzten Abend habe die Tätigkeit wieder ziemlich zugenommen. Zu den Explosionen trete der Ausbruch kleiner Brunnen flüssiger Lava.

Nachlassen am Freitag.

WTB Neapel, 8. Juni. Nach einem Be­richt des Besuvobservatoriums entfaltete der Besun gestern den ganzen Tag über eine ziem­liche starke Explosionstätigkeit, deren Heftig­keit jedoch im Abnehmen begriffen ist. Das Ausströmen von Lava hat aufgehört; man kann sich jetzt sogar schon dem Krater ohne besondere Gefahr nähern.

Schweres Bootszunglück.

WTB Neu=Ulm, 7. Juni. Heute nach­mittag ereignete sich bei der Illerbrücke bei Oker=Kirchberg ein schweres Bootsunglück, bei dem vier Personen ertranken. Drei Leichen wurden bisher geborgen, darunter die eines Oberbaurats.

ralen gewonnen hat, der Arbeiter­partei beigetreten ist. Ihm soll der Po­sten des Generalstaatsanwalts von Ramsay Mac Donald angeboten worden sein.

Die Sühne für den Mord im Weschn beiench.

Belgrad, 7. Juni. Im Prozeß ge­gen den Mörder in der Skupschtina, Ratschitsch und Genossen, wurde am Freitagmittag das Urteil gefällt. Rat­schitsch wird zu 20 Jahren Kerker ver­urteilt. Seine Mitangeklagten Popowitsch und Iwanowitsch wurden freigespro­chen.

Der Ansinn der Rüflungen.

Dieser Tage sprach im Reichstagssitzungs­saal auf Einladung des Komitees für inter­nationale Verständigung der englische Lord Robert Cecil über Abrüstung. Lord Robert Cecil ist konservativer Politiker und er hat seit Liquidierung des Weltkrieges den Gedanken der Friedenssicherung auf der Grundlage der Abrüstung vertreten. Er ist ja damals mit der englischen Regierung Baldwin in Konflikt geraten, weil die Seeabrüstungskonferenz durch Schuld Englands nicht zu einem Ergebnis führen konnte. Seither hat er sich immer wieder der Vertiefung der Abrüstungsidee gewidmet. Es mußte von Interesse sein, diese Persön­lichkeit ihre Auffassungen vertreten zu hören. Lord Cecil hält für die Verwirklichung der Abrüstung nur ein internationales Abkom­men für möglich. Nur auf der Grundlage eines internationalen Vertrags kann eine Ab­rüstung dauernd sein und nur die dauernde und allgemeine Herabsetzung der Rüstungen hat einen ernsthaften Wert für die Sache des Friedens.

Neben Vertragsverpflichtungen, die sich aus den Völkerbundsabmachungen ergeben, sind es vor allem wirtschaftliche Gründe, die eine Abrüftung notwendig erscheinen lassen. Nach Lord Cecils Angaben nehmen in Eng­land die Rüstungen allein ein Achtel der gesamten Staatsausgaben in Anspruch. In anderen Ländern ist der Prozentsatz viel­