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Local-Anze
General-Anzeiger für die rbeiniscbe Hauptstadt. 2 Kölner Fremdenblatt.
Nr. 175. 23. Jahrgang. Geschäftsstelle: Fernspr.=20. Köln, Montag, 28. Juni 1909. Redakt.: 523., 525=, 523, 525=. Heute 10 Seiten.
das Neueste vom Tage.
Das deutsche Derby und damit den Preis von 100000 M. gewann in Hamburg=Horn gestern das Pferd Arnfried des königlichen Hauptgestüts Graditz.
Der Chef der schwedischen Küstenartillerie, ein Generalmajor, wurde gestern Mitternacht in dem mitten in Stockholm gelegenen Königsgarten durch einen Revolverschuß in den Rücken getötet.
In St. Petersburg sind seit dem 29. Mai 744 Personen an der Cholera erkrankt und 211 gestorben.
Im Gefängnis zu Wilna(Rußland) er mordeten vorgestern vier Sträflinge einen Aufseher und befreiten dann sieben Arrestanten. Im Hofe des Gefängnisses entspaun sich darauf ein Kampf, bei dem drei Aufsehr und sieben Sträflinge getötet, vier Arrestanten, ein Schutzmann und ein Aufseher verwundet wurden.
s Ein abgelehntes Entlassungsgesuch des Reichskanzlers.
* Berlin, 26.Juni1909, 10.6 abends.
Bei seinem heutigen Vortrag über die politische Lage hat der Reichs
kanzler den Kaiser um sofortige Ent. lassung geveten Der Kaiser lehnte es jedoch im gegenwärtigen Augenblick ab, dem Wunsche des Fürsten Bülow zu entsprechen. Der Kaiser wies darauf hin, daß nach der einmütigen Ueberzeugung der verbündeten Regierungen das baldige Zustandekommen der Finanzreform für die innere Wohlfahrt wie für die Stellung des Reiches nach außen eine Lebensfrage sei; er könne unter diesen Umständen der Erfüllung des Wunsches des Fürsten auf Entbindung von seinen Aemtern nicht eher näher treten, als bis die Arbeiten für die Reichssinanzreform ein positives und für die verbündeten Regierungen annehmbares Ergebnis gezeitigt haben würden.
In den letzten Tagen war von verschiedenen Seiten, die durch
weg sich offenbar auf Regierungsstellen berufen konnten und
Feuilleton des Kölner Local=Anzeiger. 28. Juni 1909.
6 die Brieftasche.
[31) Roman von A. Groner.
„Davon sagte er nichts. Er meinte nur, Hedwig sehe geradezu vergrämt aus— und er fragte, ob ich nicht die Ursache davon wisse. Er sprach so eindringlich, daß es mir sofort auffiel; mir paßte das nicht, deshalb begann ich schnell von etwas anderem, er aber kam noch zweimal auf Hedwig zurück, und es war etwas Leidenschaftliches dabei in seinem Wesen.“
„Hast du dich auch nicht geirrt?“
„Nein, Vater, ich habe mich nicht geirrt. Herrgott, man ist doch selber ein Mann! Und ein Arzt sieht doch noch tiefer mit seinen an Beobachtung gewöhnten Augen, als andere Leute. Du kannst dich darauf verlassen: der adelsstolze Herr Baron, der Hedwig nie heiraten würde, ist gründlich in sie verliebt.“
„Wie der Herr Onkel in seine Carlotta Ariano," warf der alte Doktor ein.
„O, da ist doch ein gewaltiger Unterschied,“ erwiderte Ludwig. „Carlotta Ariano war für Christian Heun unerreichbar, und Baron Christian würde viel darum gegeben haben, wenn er sie zu seiner Frau hätte machen können.“
„Während Hedwig für Paul Heun nicht unerreichbar war, er aber gar nicht an Heiraten dachte,“ sagte der alte Herr bitter, gleich darauf aber setzte er sehr ruhig hinzu:„Es ist aber auch ganz gleich, ob er daran dachte oder nicht; Hedwig hat sich sicher weder Illusionen gemacht, noch sich Hoffnungen hingegeben. Sie hat für Heun sicher nicht wärmer empfunden, als es für sie gut ist. Sie hat z. B. immer ganz ruhig über seine Verheiratung mit Fifi Plan geredet. Das sicherste Zeichen, daß ihr der Baron in der einen Beziehung gleichgültig ist.“
„Das gebe Gott! Aber, Vater, ich irre mich nicht!“
„Warum Paul Heun da nicht beizeiten geredet hat, wenn er Hedwig liebt?“
„Vielleicht hat er es geran!“ Ludwig stand auf. Sein Gesicht war blaß, seine Augen blitzten zornig, als er leise sagte:„Viel
teilweise auch ausdrücklich beriefen(Berliner Lokalanzeiger, Frankfurter Zeitung, Kölnische Zeitung), übereinstimmend gemeldet worden, Fürst Bülow werde das Gesamtergebnis der dritten Beratung der Reichsfinanzreform abwarten und erst von diesem die von ihm zu ziehenden Folgerungen abhängen lassen. Daß diese Blätter trotz ihrer offiziösen Beziehungen schlecht unterrichtet gewesen seien, ist kaum anzunehmen; es ist also wahrscheinlich, daß Fürst Bülow selbst bis zu seiner Aussprache mit dem Kaiser in Kiel nichk an einen sofortigen Rücktritt dachte. Demnach müßte sein Entlassungsgesuch selbst ebenso wie dessen Ablehnung erst das Ergebnis der Unterredung mit dem Kaiser gewesen sein.
Doch ist dies schwerlich so zu verstehen, als ob sich in der Unterredung ein Gegensatz in den Auffassungen des Monarchen und des Reichskanzlers ergeben hätte, der den letzteren zur Bitte um Enthebung von seinem Amte veranlaßte. Zu einer solchen Annahme liegt unseres Erachtens kein zwingender Anlaß vor. Das Entlassungsgesuch und seine Ablehnung lassen sich auf einfachere Weise erklären. Man braucht sich ja nur zu erinnern, wie stürmisch die liberale Presse die Reichstagsauflösung gefordert und drohend behauptet hat, dem Kanzler bleibe nach Ablehnung der Erbschaftssteuer nur die Möglichkeit: Reichstagsauflösung oder Abdankung. Und als in den letzten Tagen offiziös betont wurde, die Finanzreform bestehe doch nicht aus der Erbschaftssteuer allein, etwaige Folgerungen seien daher erst nach der dritten Lesung zu ziehen, da wurden alsbald in linksliberalen Blättern unzufriedene und mißtrauische Stimmen laut.
Es ist ja nun wohl selbstverständlich, daß dieses Drängen nach „Konsequenzen“ in der Kieler Unterredung zur Sprache kommen mußte und daß dabei die sachliche und politische Berechtigung und Nützlichkeit entweder einer Reichstagsauflösung oder eines Kanzlerwechsels in diesem Augenblick sorgfältig erwogen wurde. Der Kaiser und Fürst Bülow werden zu dem Ergebnis gekommen sein, daß es zweckmäßig sei, dem einer sachlichen Förderung des Finanzreformwerkes nicht dienlichen Konsequenzgerede einen vorläufigen Abschluß zu geben durch die formelle Erledigung der Möglichkeit eines Rücktritts des Fürsten Bülow in diesem Augenblick. Offenbar soll auf diese Weise die Bahn frei gemacht werden zu neuen sachlichen Verhandlungen, bei denen auf ein Entgegenkommen der Reichstagsmehrheit bei den von der Regierung beanstandeten Steuervorschlägen gerechnet wird, wohingegen die Erbschaftssteuer für die gegenwärtige Finanzreform als erledigt zu betrachten wäre.
Das offenbar ist die Bedeutung des Kieler Vorganges und die Auffassung, die heute an den maßgebenden Stellen vorherrscht. Nun konnte man freilich in liberalen Blättern lesen, Fürst Bülow persönlich könne neue Verhandlungen mit„dieser" Mehrheit nicht mehr führen, das könne nur ein neuer Kanzler und mit diesem ein ganzer Stab von neuen Männern im Reiche und in Preußen. Auf seiten der Mehrheit ist aber nie etwas ähnliches ge
fordert oder erstrebt worden; im Gegenteil ist von ihr, insbesondere von den Rednern der Konservativen und den konservativen Preßorganen, gegen die sich die liberalen Angriffe vor allem richten, bis in die jüngsten Tage hinein stets betont worden, daß sie die Notwedigkeit eines Kanzlerwechsels nicht einsühen. Die„Rachepolitik“, die man ferner dem Zentrum andichtet, ist ein zu Hetzzwecken erfundenes Märchen; das hat der Abg. Spahn bei der Verhandlung über die Erbschaftssteuer mit vollem Recht so entschieden wie nur möglich betont. Die Person des Kanzlers ist dem Zentrum für seine sachlichen Entscheidungen durchaus nicht maßgebend. Ob Fürst Bülow geht oder bleibt, berührt uns kaum. Der Kanzler mochte heißen, wie er wollte, die Erbanfallsteuer wäre für das Zentrum unannehmbar gewesen.
Der Kaiser ist nun sichtlich der Auffassung, daß ein Kanzlerwechsel einem baldigen Zustandekommen der Reichsfinanzreform jedenfalls nicht förderlich wäre. Die neuen Männer wären doch nicht sofort in der Lage, dem Reichstage ein neues Reformprogramm vorzulegen. Deshalb ist der Kaiser der Ansicht, daß Fürst Bülow selbst zunächst den Versuch machen müsse, doch noch in dieser Tagung eine dem Bundesrat aunehmbare Finanzreform mit der gegenwärtigen Reichstagsmehrheit zustande zu bringen. Erst wenn dies nicht gelänge, würde also offenbar die von der liberalen Presse gestellte Wahl zwischen Reichstagsauflösung und Kanzlerwechsel wieder aktuell werden. Einstweilen darf man als feststehend annehmen: der Reichstag wird nicht aufgelöst, Fürst Bülow bleibt und es wird weiter verhandelt.
Für uns ist das wichtigste und erfreulichste Moment der Nachdruck, den der Kaiser auf ein baldiges Zustandekommen der Finanzreform legt; er nennt dieses baldige Zustandekommen der Reform geradezu eine Lebensfrage für das Reich. Bei einer so ernsten Auffassung muß es als ausgeschlossen gelten, daß der Kaiser und die verbündeten Regierungen Maßregeln ihre Zustimmung geben könnten, die praktisch nur auf eine Verschleppung, wenn nicht gar auf die Herbeiführung von Zuständen hinauslaufen könnten, die das Gelingen eines so schwierigen Werkes auf lange Zeit hinaus fast unmöglich machen würden. Die gegenwärtige Reichstagsmehrheit hat sich redlich bemüht, rasche und ganze Arbeit zu machen, im Gegensatz zu der unendlichen Verschleppung, die vorher unter dem Zeichen der Blockpolitik das Reformwerk nicht vom Flecke kommen ließ. Sie wird daher sicher auch jetzt nichts unversucht lassen, um den Erwartungen des Kaisers und des deutschen Volkes auf ein baldiges Zustandekommen der Reform zu entsprechen, sofern die verbündeten Regierungen ihr dies nur irgend ermöglichen.
Ein vernünftiges Wort.
Die„Kreuzzeitung", das führende Organ der Konservativen, veröffentlichte in Nr. 282 einen lehrreichen Artikel„Mittelstand und Liberalismus". Der Artikel knüpft an einen längeren Aufsatz des sächsischen Mittelstandsführers Fritsch in der
leicht hat er um ihre Liebe, nicht aber um ihre Hand bei ihr
geworben?“
„Ludwig!“
„Wäre es das erstemal, daß ein Kavalier—“
„Paul Heun ist kein Kavalier dieses Schlages!“
„Noch haben wir es nicht erprobt.“
„Du hast eine Abneigung gegen ihn.“
„Ich leugne es nicht, sein Hochmut ist mir zuwider.“
„Er ist doch aber stets liebenswürdig zu dir gewesen.“
„Hätte er mich beißen sollen?“
„Ludwig!“
„Seine Liebenswürdigkeit würde jedenfalls sofort verschwinden, wenn ich es mir einfallen ließe, ihm zu zeigen, daß ich mich vollkommen gleichwertig mit ihm fühle.“
„Er behandelt doch— uns alle drei— wie ihm gleichwertige Menschen.“
„Nun ja, weil er den nötigen Schliff hat!“
„Warum bist du nur so erbittert?“
„Sei still, Vater, Hedwig kommt.“
Sie trat tatsächlich, nachdem sie im Flur mit jemand gesprochen
hatte, ins Zimmer.
„Die Maltnerin schickt her, Vater,“ sagte sie.„Sie läßt mich bitten, zu ihr zu kommen.“
Der alte Bräuner wurde ärgerlich.
„Was sollst du denn bei ihr?“ fragte er.
Hedwig lächelte schmerzlich.
„Vater, du kannst dir doch denken, daß das arme Weib den Kopf verliert," sagte sie sanft.„Der kranke Sohn zu Hause, das verwaiste Enkelkind, das sie pflegen muß, dabei die viele Arbeit in ihrem verwüsteten Garten und—“
„Ja, ja, ich weiß schon— und du bist die einzige, die sich nm sie kümmert. Hast ihr ja auch deine schönste Ziege geschickt. Also wird der kleine Sepp schon nicht verhungern. Aber geh nur, geh. Ich seh' dir's ja an, daß du keine Ruhe mehr hast.“
„In zwei Stunden bin ich wieder zurück.“
„Schön.“
Hedwig war schon draußen.
Ihr Bruder nahm rasch seinen Hut und folgte ihr.
„Du gehst mit?“ sagte der alte Herr. „Hast du etwas dagegen, daß ich mit dir rede?“ gab Ludwig zurück.
„Gott behüte! Vielleicht kriegst du heraus, was ihr ist.“
„Ich will's versuchen...
Als Hedwig aus dem Hause trat, war auch Ludwig schon bei ihr.
„Du, ich und der Waldl gehen auch mit,“ sagte er heiter.
Sie schaute überrascht auf—„unangenehm überrascht“ mußte er sich sagen. Aber nun nahm er sich erst recht vor, bei ihr zu bleiben und ernst mit ihr zu sprechen. Er tat also ganz unbefangen und redete einstweilen über gleichgültige Dinge, worauf sie zerstreut und einsilbig antwortete. So waren sie aus dem Dorf heraus bis zum Wald gekommen. Eben wollte er auf das Thema, das ihm so am Herzen lag, übergehen, da blieb sie stehen, sah zu ihm auf und sagte:„Nimm mir's nicht übel, Ludwig— ich möchte allein sein. Ich— ich habe so heftiges Kopfweh.“
So traurig schaute sie ihn an, daß er nicht den Mut fand, ihr seine Gesellschaft aufzudrängen. Nach ein paar herzlichen Worten ließ er sie allein weitergehen. Sorgenvoll schaute er ihr nach, pfiff dann Waldl, der ihr nachgelaufen war, und schlug einen Waldweg ein, der zu einer Anhöhe führte. Er war sehr unzufrieden mit sich, weil er sein Vorhaben nicht ausgeführt hatte; aber ihre Augen, die so sehnsüchtig um das Alleinsein baten, denen hatte er nicht widerstehen können.
Mißmutig stieg er aufwärts. Gleichgültig schweiften seine Augen über die schöne Landschaft, die sich vor seinen Blicken ausbreitete. Etwa zehn Minuten war er so gegangen, als er plötzlich stehen blieb. Das Blut schoß ihm zu Kopfe und seine Zähne preßten sich aufeinander.
Was machte seine Augen so grimmig aufblitzen? Was ließ ihn so zornig auflachen? Auf der Straße, auf der er vorhin mit seiner Schwester gegangen war, ging jetzt wieder einer.
Es war Paul Heun. Er hatte sein Gewehr und seinen Hund bei sich. Und er ging den Weg, auf dem Hedwig geblieben war.