Nr. 125.
Dienstag, den 26. Oktober 1909.
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Armer Liberalismus.
In der nationalliberalen Parte sieht es wirklich nicht so glänzend aus, wie die Festansprachen ihrer Führer uns glauben machen wollten. Wo nationalliberale Kandidaten im Wahlkampfe stehen, gewahren wir überall eine massenhafte Fahnenflucht solcher Leute, die früher nationalliberal gewählt haben, das Mandat für Neustadt=Landau ist bereits verloren gegangen, das Mandat für Koburg ernstlich gefährdet. Wie es um die Einigkeit innerhalb der führenden Kreise der Partei bestellt ist, haben mit ziemlicher Deutlichkeit die Vorgänge gezeigt, welche an die Dissentierung.r Abgeordneten Lehmann, Freiherr von Heyl und Graf Ociola anknüpften. Es wird zwar mit Vorliebe abgestritten, daß die Schwierigkeiten, in die die nationalliberale Partei hineingeraten ist, durch den von den Jungliberalen angeführten Ruck nach links verursacht seien. Aber es ist zweifellos etwas und viel Wahres daran. Unbestreitbar ist, daß der Jungliberalismus innerhalb der nationalliberalen Partei zu einem ganz bedeutenden Einfluß gelangt ist. In den letzten Tagen fand nahezu gleichzeitig der jungliberale Parteitag und die von der nationalliberalen Partei begangene Feier der Gründung des National=Vereins statt. Während die Presse von der letzteren Veranstaltung ziemlich kurz Notiz nahm, beschäftigte sie sich desto eingehender mit den Verhandlungen und Beschlüssen der jungliberalen Tagung. Wie sehr die jungliberale Richtung für die Entschließungen der nationalliberalen Partei bereits maßgebend geworden ist, hat am klarsten der anfangs Juli in Berlin abgehaltene nationalliberale Parteitag erwiesen, den der Vorsitzende des jungliberalen Verbandes Dr. Fischer mit Recht als einen Triumph des Jungliberalismus feiern konnte, indem er betonte, daß alle die Forderungen, die die Jungliberalen an die alte Partei gestellt hätten, durch die jüngsten Vorgänge ihrer Erfüllung näher gerückt seien, und daß ohre die langjährige Vor= und Mitarbeit der Jungliberalen eine Tagung wie die vom 4. Juli in Berlin einfach unmöglich gewesen sei. Die Bestrebungen des Jungliberalismus gehen bekanntlich auf einen innigeren Anschluß an den sogenannten antschiedenen Liberalismus, und zwar ist die Seelenfreundschaft teilweise eine so innige, daß man einen Jungliberalen von einem Linksliberalen kaum noch unterscheiden kann. Der Vertretertag des Nationalverbandes der Vereine der nationalliberalen Jugend in Jena hat über die innere Herzensmeinung der Jungliberalen keinen Zweifel gelassen. Es wurden Entschließungen angenommen, welche die reinliche Scheidung zwischen dem Bunde der Landwirte und der nationalliberalen Partei und dagegen die natürliche Bundesgenossenschaft mit dem Linksliberalismus fordern. Besonders interessant war die rückhaltlose Offenhelt, mit der das Zusammengehen mit der Sozialdemokratie proklamiert wurde. Unter stürmischem Beifall verkündete der Mannheimer Delegierte das Großblockbündnis für die bevorstehenden badischen Wahlen, und der Düsseldorfer Delegierte machte aus seinem Herzen keine Mördergrube, indem er erklärte:„Wir müssen offen aussprechen, daß wir
Hedwig.
Kriminalroman von G. von Stramberg. 19)(Nachdruck verboten.)
Wiederum traf ihn, als er geendet, derselbe dankbare Blick aus den Augen Hedatigs, der ihm das Blut schneller durch die Adern trieb, und er wäre, um abermals einen solchen teilhaftig zu werden, wahrscheinlich noch weiter in seinem Thema fortgefahren, wenn nicht der Baron mit einem Male lachend ausgerufen hätte:
„Aber um des Himmels willen, mein lieber van der Loo, weshalb führen wir eigentlich diese furchtbar ernste Unterhaltung! Man sollte meinen, das größte Unglück, was sich denken ließe, wäre uns zugestoßen, und doch können wir alle froh sein, daß wir jenen Schurken so billigen Kaufes losgeworden sind. Ich glaube, der Tee trägt die Schuld an unserer weltschmerzlichen Stimmung, und daher erscheint es mir an der höchsten Zeit, daß derselbe durch ein animierenderes Getränk ersetzt werde.“
Doch auch, nachdem der Wein aufgetragen, wollte keine rechte Fröhlichkeit Platz greifen. Die letzten Ereignisse lagen wie ein drückender Alp auf den Gemütern, und mochte auch der Hausherr sich die größte Mühe geben, um die Anwesenden aufzuheitern, so blieb doch die Stimmuug eine ziemlich einsilbige. Von den Damen trank jede ein Gläschen Wein, um, wie die Baronin sagte, die in ihrem Vergnügen nicht zu stören.
Die letzteren blieben dann auch noch bei dem Weine und den Zigarren des Barons zurück, während jene nach ihren Gemächern sich zurückzogen.
„Wenn Du noch nicht zu schläfrig bist,“ sagte
in Rheinland=Westfalen uns mit den Sozialdemokraten zu verständigen haben, wegen der Mandate bei den nächsten Rlichstagswahlen. In RheinlandWestfalen fliegen wir bei den nächsten Wahlen totsicher aus allen Wahlkreisen hinaus, wenn wir uns nicht mit den Sozialdemokraten in die Mandate teilen. Die Sozialdemokraten stehen uns in diesem Falle viel näher als die Schwarzen.“ Das liberalsozialdemokratische Wahlbündnis für Rheinlaud=Westfalen ist zwar keine Enthüllung. Bereits bei den Gemeindewahlen ist es erfolgreich in die Erscheinung getreten, und jeder Politiker weiß, daß dies nur die Probe für die nächsten Reichstagswahlen gewesen ist. Aber anerkennenswert ist, daß dieses Wahlbündnis mit der Umsturzpartei deutlich als Produkt der Jungliberalen Bestrebungen gekennzeichnet wird. Daß solche Bestrebungen bei zahlreichen Mitgliedern der„alten“ Partei auf Widerspruch und Widerstand stoßen müssen, ist selbstverständlich. Die nationalliberale Partei besaß ihre Stärke als Mittelpartei, als Bindeglied zwischen Konservatismus und Liberalismus. Die jungliberale Richtung drängt sich aus der Stellung als Mittelpartei heraus. Die Haltung bei der Reichsfinanzreform beweist, wie weit die Linksentwicklung schon gediehen ist. Diese Livksentwickelung ist es, welche die Schwierigkeiten in die Partei hineingetragen hat. Und es bestehen geringe Anzeichen, daß die Partei sich auf ihre alte Aufgabe und ihren Vorzug als Mittelpartei zurückbesinnen wird.
Deutsches Reich.
□ Berlin, den 25. Oktober 1909.
Die Kaiserin nahm anläßlich ihres Geburtstages die Glückwünsche der Kaiserfamilie und des engeren Hofes entgegen. Später fand ein Familienfrühstück statt, woran auch die Großherzogin von Baden und Prinz Christian von Schleswig=Holstein teilnahmen.
Der Kaiser ernannte die Prinzessin Viktoria Luise zum Chef des zweiten Leibhusarenregimente. Der Regimentskommandeur, eine Abordnung der Offiziere, der Kommandeur der Leibhusarenbrigade, der kommandierende General Mackensen sind heute vormittag im neuen Palais eingetroffen und wurden der Prinzessin, die in der Uniform des Regiments, inen Schimmel reitend, an der Gartenseite des Neuen Palais erschien, durch den Kaiser in Gegenwart der Kaiserin mit einer Ansprache vorgestellt.
Fürst und Fürstin Bülow folgten der Einladung zur Festtafel anläßlich des Geburtstages der Kaiserin.„Fürst Bülow wird in der Gemeinde Klein=Flottbeck seinen ständigen Wohnsitz im Sinne des Einkommensteuer=Gesetzes nehmen. Dem Gemeindesäckel werden damit erhebliche Geldmittel zugeführt werden.
Königin Wilhelmina von Holland und Prinzgemahl Heinrich werden, wie der„Magdeb. gemeldet wird, im nächsten Frühjahr die Höfe Europas besuchen. Sie beginnen ihre Rundreise in London und fahren von dort zunächst nach Berlin.
Die Söhne des Prinzen Friedrich Leopold die nach der Tradition der Hohenzollern(ein Hand
Sophie, nachdem die Baronin den beiden Mädchen gute Nacht gewünscht, zu Hedwig,„so möchte ich Dich wohl nach Deinem Zimmer begleiten, um mit Dir ungestört noch ein wenig plaudern zu lonnen.“
„Es wird noch large währen, bis ich einschlafen kann,“ sagte diese etwas melancholisch lächelnd, „und außerdem ist mir Deine Gegenwart zu jeder Zeit sehr angenehm.“
So stlegen denn die beiden Freundinnen die Treppe hinauf zu Hedwigs Zimmer, welches recht behaglich durchwärmt war. Dort ließen sie sich nebeneinander auf dem Sofa nieder, und nun schlang Sophie den Aim um den Hals der andern und sprach:
„Den ganzen Abend schon ist es mir ungefähr zu Mute, als sei ich einer furchtbaren Gefahr nur mit knapper Not entronnen. Dieses Gefühl jedoch, anstatt mich froh und zuversichtlich zu machen, drückt mich darnieder und beängstigt mich in unbeschreiblicher Weise. Denn es schwebt mir beständig das Bewußtsein vor der Seele, als könne jene Gefahr von neuem und in noch weit schrecklicherer Weise über mich hereinbrechen. Ich gestehe es Dir, daß ich einmal eine Art Empfindung gehabt habe, als liebe ich jenen Menschen, doch jetzt fürchte und verobscheue ich ihn, und schon der Gedanke, daß er mir nochmals vor Augen treten könnte, flößt mir Eatsetzen ein. Wie recht hattest Du, als Du mich vor ihm warntest, und doch konnte ich damals mißtrauisch und selbst— eisersüchtig gegen Dich werden gegen Dich, meine teuere und einzige Hedwig! Auch dieser Gedanke schmerzt mich tief, und er wird nicht aufhören, mich zu peinigen, bis Du mir zugesichert hast, daß Du mir von ganzem Herzen verzeihen willst. Darum bitte ich Dich jetzt recht inständig, denn siehe, ich bin ja noch so unerfahren auf der
werk gelernt haben, werden demnächst ihre Gesellenprüfung ablegen. Der eine Prinz ist Tischler geworden, der andere Schlosser.
Interessante Geständnisse fördert eine Polemik zwischen der„Freisinnigen Zeitung“ und dem„Vorwärts“ anläßlich des Berliner Landtagswahlkampfes zutage. So plaudert die „Freisinnige Zeitung"(Nr. 244) in ihrem Eifer, sich gegen den sozialdemokratischen Vorwurf zu dem Huudert Millionen=Raubzüge bereit gewesen zu sein, aus, daß die Freisinnigen nie daran geldach hätten, alle indirekten Steuern zu bewilligen, daß sie schon vorher, unabhängig von der Frage der Erbanfallsteuer sich entschieden gegen einen Teil der präsentierten indirekten Steuern ausgesprochen hatten; und zwei Tage später klagt sie, der„Vorwärts“ operiere mit der bewußten Unwahrheit, daß die Freisinnigen im Reichstage bereit gewesen seien, für alle indirekten Steuern zu stimmen. Danach ist es also doch wohl richtig, daß der Block wirklich und wahrhaftig die Reichefinanzreform nicht fertig gebracht hat und daß die Konservativen eine Verständigung mit dem Zentrum suchen mußten, um die dringliche nationale Aufgabe lösen zu können.
Das sollte in Deutschland geschehen.
Die Jesuiten besitzen in Milwaukee seit einem Jahre eine höhere Lehranstalt, verbunden mit einer medizinischen und juristischen Fakultät, daher der Name Marquette Unirersity. Einem Berichte der New=Yorker Wochenzeitschrift„Amerika“, Nr. 24 vom 25. September 1909 ist zu entnehmen, daß an Präsident Taft von seiten der Ordensobern die Einladung erging, bei seiner Reise durch den Westen während des Aufenthaltes in Milwaukee auch die Studienanstalt der Gesellschaft Jesu zu besuchen. Er erschien am 17. September, und es wurde ihm von Schülern und Lehrkollegium ein herzlicher Empfang zuteil. Auf die Begrüßungsrede von P. Rektor James Mehall S. J. antwortete Taft wie folgt:„Es gereicht mir zu großer Freude, in der Marquette University zu sein, und ich habe durchaus nicht das Empfinden, an einem unpassenden Ort zu weilen, wenn ich mich in einer Lehranstalt der Jesuiten befinde. Während ich auf den Philippinen war, traf ich mit vielen Jesuiten zusammen und hatte die beste Gelegenheit, ihre Arbeit zu beobachten. Ich besuchte oft ihr Hauptkolleg auf den Inseln, und es machte mir Freude, die Tätigkeit des Ordens für die Erziehung der Philippinen aufmerksam zu studieren. Was mir ganz besondere Freude verursachte, war, daß die Mitglieder ihres Ordens die Eingeborenen Englisch lehrten, und ich versichere Sie, Ihre Arbeit auf den Philippinen und ihre Bemühungen, das dortige Volk zu heben, waren für die Regierung eine sichtliche Hilfe. Ich muß Ihnen, Hochwürden, gratulieren zu dem Namen Ihrer Universität. Ich habe oft die schöne Statue von P. Marquetta S. J. in Washington, das Geschenk des guten Volkes von Wieconsin, gesehen und bewundert, und ich habe eine große Hochachtung vor dem Andenken des Eatdeckers. Und wie P. Marquette ein Führer für Menschen war, so möge Marquette
Welt, und meine Verirrung Dir gegenüber entstand sicher nicht aus bösem Willen.“
Hedwig küßte das junge Mädchen liebreich auf die Stirn und erwiderte:
„Wie kannst Du nur devken, daß ich Dir einen einzigen Augeablick gezürnt hätte, kleine Schmeichlerin! Nichts als die schreckliche Angst hibe ich empfunden, daß der unheilvolle Mensch, Deine Unerfahrenheit mißbrauchend, Dich durch seine verlockenden Worte betören könne, und dieser Gedanke ließ ein anderes Gefühl gar nicht bei mir aufkommen. Was in meinen Kräften stand, habe ich getan, um über Dich zu wachen und wäre nicht der Fremde Herr zur rechten Zeit erschienen, so hätte ich den Elenden gezwungen, dieses Haus, dessen Frieden er stören trachtete, zu verlassen.“
„Besitzest Du denn einen solchen Einfluß auf ihn?“
„Erlasse mir die Beantwortung dieser Frage,“ versetzte Hedwig etwas verwirrt,„es genüge Dir zu wissen, daß meine Worte die volle Wahrheit enthalten, und daß er mir bereits versprochen hatte, spätestens morgen abzureisen. Das vertraue ich Dir alles an, liebe Sophie, weil ich weiß, daß Du meine Mitteilungen als ein strenges Geheimnis in Dir verschließen wirst.“
„Sei dessen versichert. Doch nunmehr bitte ich Dich auch, Deinem früheren Versprechen nachzukommen und mir zu erzählen, wie Du jenen Menschen seinerzeit kennen gelernt hast, und in welchem Verhältnisse Du eigentlich zu ihm stebst.“
Hedwig sah einen Augenblick unschlüssig vor sich hin und entgegnete dann:
„Ein anderes Mal, liebe Sophie, werde ich Deinen Wunsch erfüllen, nur heute bitte ich Dich, einige Nachsicht mit mir zu haben. Auch ich bin
University gedeihen und eine Führerin werden für andere.“
Welch ein Entsetzen wäre das, so bemerkt die „Köln. Vztg.“ hierzu, für den furor protestanticus im deutschen Vaterlande, wenn ein protestantischer Staatsminister es wagen würde, offiziell eine Anstalt der Jesuiten zu besuchen, um sich aus eigener Anschauung ein Urteil über deren Tätigkeit zu bilden! Und was erst gar, wenn er für den Orden Worte der Anerkennung und Bewunderung hätte! In Amerika drüben hat sich niemand darüber aufgeregt, daß der Präsident auch den Jesuiten Gerechtigkeit hat widerfahren lassen.
Die Landtagswahlen in Baden.
Der„Köln. Volksztg.“ wird als entgältiges Ergebnis der Landtagswahlen gemeldet: Es wurden gewählt vom Zentrum 23(28 im Jahre 1905), 9 Sozialdemokraten(), 4 Nationalliberale(14), 1 Demokrat(). 36 Stichwahlen sind erforderlich. An diesen ist das Zentrum 13mal beteiligt, die Konservativen 12mal, die Nationalliberalen 31mal, die Sozialdemokraten 29=, die Demokraten 11= und der Freisinn 6mal. Die Konservativen und Freisivnigen haben kein Mandat in der Hauptwahl retten können. Unter den Zentrumsabgeordneten, welche in die Stichwahl gedrängt wurden, befinden sich Reichstagsabgeordneter Fehrenbach, der bisherige Kammerpräsident in Freiburg. Einen Wahlkreis hat das Zentrum verloren, und zwar den Wahlkreis Ettlingen=Karlsruhe=Rastatt, wo der einzige Arbeitervertreter Belzer dem Sozialdemokraten unterlegen ist. Der Führer der badischen Nationalliberalen, Obkircher, ist ebenfalls in Lörrach(Land) in Stichwatl gekommen, und es besteht sehr wenig Aussicht für ihn, gewählt zu werden.— Es muß umumwunden zugestanden werden, so wird der„Köln. Volksztg.“ daß gegenüber dem Zentrum die Sozialdemokraten die Mißstimmung über die neuen Steuern, für die in erster Linie das Zentrum verantwortlich gemacht wurde, obwohl eine Finanzreform ohne das Zentrum noch erheblich drückender ausgefallen wäre, kräftig auszunutzen verstanden haben. Trotzdem ist die Einbuße an Stimmen, die das Zentrum deshalb in manchen Wahlkreisen erlitt, nicht sehr erheblich. Wenn man bedenkt, welchen Ansturm die Partei auszuhalten hatte, und daß die Liberalen, die mit den Sozialdemokraten in der Steuerhetze wetteiferten, nur vier Kandidaten (drei Nationalliberale, einen Demokraten) endgültig durchgebracht haben, gegen 23, die das Zentrum durchsetzte, so wird man das Ergebnis gewiß nicht als entmutigend bezeichnen dürfen. Gelang es auch jetzt noch fnicht, den rechtsstehenden Parteien allein die Mehrheit im Landtage zu sichern, so hat doch das gestrige Wahlergebnis bewiesen, daß nur eine starke Rechte auch in Baden das Bollwerk gegen die sozialdemokratische Sturmflut bilden kann. Die Konservativen haben allerdings kein Glück gehabt, sie werden aber trotzdem in Baden berufen sein, noch eine wichtige Rolle zu spielen, wenigstens dann, wenn die nationalliberale Partei sich in der bisherigen Weise weiter nach links entwickelt.
tief ergriffen von den letzten Ereignissen, und wollt ich Dir nun außerdem noch aus meinen früheren Erlebnissen berichten, so würde die hierdurch wieder lebhafter werdende Erinnerung an dieselben mich auf eine äußerst schmerzliche oder selbst gefährliche Weise aufregen. Wir sitzen so traulich hier beisammen, spechen wir daher lieber von den auderen und weniger peinlichen Dingen. Wie gefällt Dir . B. der rechte Herr Eichfeld? Findest Du nicht, daß er im Verhältnisse zu seinen Jahren ein ungewöhnlich ernster Mann und gesetzter Mann ist?“
„Das Letztere ist auch meine Ansicht,“ bemerkte Sophie,„wie er mir indessen im übrigen gefällt, darauf kann ich Dir schon deshalb keine Antwort erteilen, weil ich hierüber noch niemals nachgedacht habe. Wohl aber ist es mir aufgefallen, mit welcher außerordentlichen Achtung und Aufmerksamkeit Herr von der Loo Dir begeguet, sodaß ich fest überzeugt bin, daß derselbe ein tieferes Interesse an Dir nimmt. Er ist ein vortrefflicher Mensch, der Herr von der Loo, der eine Frau gewiß sehr glücklich smachen würhr!
„Also auch Dich,“ entgegnete Hedwig, auf deren weißer Stirn, eine heüs Röte sich zeigte,„und umsomehr würde er dies, als seine ganze Lebensstellung ihn als einen so passenden Gatten für das gnädige Fränlein von Duisdorf erscheinen läßt.“
„Herr von der Loo und ich Mann und Frau!“ rief Sophie heiter aus.„Der Gedanke kommt mir so komisch vor, daß ich laut auflachen möchte. Gewiß, ich habe Herrn von der Loo von Herzen gern, oder liebe ihn etwa wie einen älteren Bruder, der mich als Kind häufig genug auf den Armen getragen hat, und ich din überzeugt, daß auch Herr von der Loo hierüber ebenso denkt wie icht. Wären wir nicht zusammen aufgewachsen, so glaube ich al