Nr. 20. 23. Jahrgang. Geschäftsstelle: Fernspr. 420. Köln, Mittwoch, 20. Januar 1909. Redakt: 5231, 5232,5233,5234. Heute 12 Seiten.
Das Neueste vom Tage.
Für die Feierlichkeiten zum Empfange des Königs Eduard in Berlin beantragt der Berliner Magistrat die Bewilligung eines Kredits von 60000 M.
Im Befinden des Grafen Hompesch stellte sich eine Besserung ein. Sie macht weitere kleine Fortschritte.
Der Oberstaatsanwalt Preuß hat das Studium der umfangreichen Akten des Moltke=Hardenprozesses dieser Tage beendet. Die neue Verhandlung wird voraussichtlich Ende Februar stattfinden.
Der Kaiser von Rußland genehmigte das Gesuch des Allrussischen Aeroklubs für eine allrussische Kollekte zur Schaffung einer Luftschifflotte.
Eine schwere Hungersnot herrscht nicht nur in Anatolien, sondern auch in Tripolis; der türkische Finanzminister übermittelte dorthin fünftausend türkische Pfund als erste Hülfe.
Der Reichstag genehmigte gestern in dritter Lesung den Handelsvertrag mit der Republik Salvador und ebenso die Uebertragung der Rechnungskontrolle für das Reich an den preußischen Oberrechnungshof. Dann wurde die zweite Lesung des Justizetats fortgesetzt. Abgeordneter Kämpf(fr. Vp.) empfahl die Teilnahme an einem allgemeinen Handelskammerkongreß, der in Holland stattfinden soll. Staatssekretär Nieberding sagte dies zu. Abg. Junck(natl.) befürwortete die gesetzliche Regelung der Tarifvertragsfrage. Dann brachten noch zahlreiche Redner Wünsche vor für die Reform des Strafgesetzes und der Strafprozeßordnung. So erörterte Abg. Faßbender(Zentr.) einige Punkte des Kinderschutzes durch die Gerichte; Abg. Göring(Zentr.) besprach die Gefangenenarbeit, die dem Handwerk so große Konkurrenz mache, und Abg. Dr. Marcour(Zentr.) den Unfug, den gewisse Zeitungskorrespondenzbureaus mit dem § 18 des Urheberrechts treiben. Abg. v. Dziembowski(Pole) übte scharfe Kritik an der Politik der Nadelstiche gegen die Polen. Bei den Abstimmungen stimmte das Haus überall den Abstrichen der Budgetkommission zu. Nach Erledigung des Justizetats wurde in zweiter Lesung die Novelle zum Wechselstempelsteuergesetz angenommen. Sie tritt am 1. April 1909 in Kraft. Schließlich stimmte das Haus in dritter Lesung noch den Beschlüssen der zweiten Lesung zum Gesetz über die Preisfeststellung beim Markthandel mit Schlachtvieh zu.
Im Abgeordnetenhause
kam gestern bei der Etatsberatung zunächst der Freisinn zu Wort. Abgeordneter Wiemer(Frs. Vp.) hielt dem Finanzminister vor, er male die Finanzlage übermäßig schwarz, um das Haus bewilligungsfreudiger zu machen. Weiter verbreitete er sich über die Streitfrage, die schon in der Budgetkommission
Feuilleton des Kölner Local=Anzeiger. 20. Jan. 1909.
S Ein erbarmungsloser Zeind.
16] Frei nach dem Englischen bearbeitet von Klara Rheinau.
Mrs. Munro antwortete nicht auf diese Bemerkung. Nach einer Pause sagte sie:„Ich hoffe, Marie wird sich im besten Sinne des Wortes gut verheiraten. Wirklich, ich hätte fast Lust, ihr dabei behülflich zu sein, aber ich glaube, sie braucht meine Hülfe nicht. Wann werden Sie einmal daran denken, eine Gattin zu wählen, Philipp?“
„Ich? O niemals. Mrs. Munro!“ erwiderte er mit einem Seufzer.„Wer würde einen armen Kapitän heiraten wollen?“
„Manches hübsche Mädchen,“ erwiderte seine alte Freundin. „Denken Sie daran, ehe es zu spät ist. Auch Claude sollte sich beeilen, diese spröde, kokette kleine Amy, die ihn trotz allem Hinhalten innig liebt, heimzuführen.“
„Sie glauben also, daß zuletzt doch ein Paar aus ihnen wird?“ fragte Philipp in etwas hartem Tone.
„O ja! Ich war nie im Zweifel darüber. Er hat viel Geduld, und sie,— nun sie ist eben ein heiteres, lebensfrohes Mädchen, das sich fürchtet, seine Freiheit aufzugeben.“
Als Amy Deville an diesem Abend wie immer an Großmamas Bett saß und fröhlich noch ein wenig plauderte, sagte die Dame geheimnisvoll:„Weißt du, Amy, ich glaube, Philipp hat sich in deine Gesellschafterin verliebt.“
„Großmama!“ rief das Mädchen erschrocken.„Wie kommst du auf den Gedanken?“
„Durch die Art, in der er heute von ihr sprach.“
„Du setzest mich in Erstaunen mit deiner Idee, Großmama," sagte Amy mit plötzlichem Hochmut.„Marie ist reizend, aber niemand weiß, wer sie ist, und Kapitän de Brath hat gewiß zu viel Stolz, um daran zu denken, meine Gesellschafterin zu heiraten.“
Mrs. Munro sah sehr überrascht aus.
„Aber er ist ja selbst nur ein einfacher Kapitän,“ entgegnete sie.„Er kann auf keine viel bessere Partie rechnen.“
einen hitzigen Meinungsaustausch herbeiführte, ob der Landtag das Recht hat, gewisse Steuereinnahmen nur auf eine bestimmte Zeit zu bewilligen. Für seine Partei erklärte er, daß sie dies als das gute Recht des Hauses in Anspruch nehme. Für die Beiträge der einzelnen Bundesstaaten für die Kosten des Reichs machte er den Vorschlag, einen anderen Verteilungsmaßstab einzuführen, dagegen lehnte er es für den Freisinn bestimmt ab, die gestundeten Beiträge der Einzelstaaten für die Kosten des Reiches diesen abzunehmen. Aus der seit kurzem eingetretenen Erleichterung des Geldmarktes folgert er den Beginn einer Besserung der wirtschaftlichen Lage. Während der Redner dann Einzelfragen der schwebenden Politik erörterte und speziell den Fall Schücking besprach, betrat der Reichskanzler den Saal. Die Auslassungen Dr. Wiemers über die Bedeutung des Falles Schücking wurden von der Rechten mit höhnischem Gelächter aufgenommen. Energisch und wiederholt protestierte Dr. Wiemer gegen die Eingriffe der Regierung in die Rechte der Selbstverwaltung und die persönliche Freiheit des Einzelnen. Der freisinnige Redner schloß mit einem Appell an den Reichskanzler, dem Lande ein freiheitliches Wahlrecht zu geben.
Bülow nahm gleich danach das Wort. Er sprach zunächst über die konservativen Bedenken gegen die Nachlaßsteuer. Er hoffe, daß aus dem konservativen Saulus noch ein Paulus werde; auch er habe ebenso wie der preußische Finanzminister früher Bedenken gegen die Nachlaßsteuer gehabt, sei inzwischen aber zu der Ueberzeugung gekommen, daß unsere soziale Zeit Zugeständnisse notwendig mache. Die Nachlaßsteuer sei der geeignetste Weg, die leistungsfähigen Schultern zu einer gerechten Belastung heranzuziehen. Die Freisinnigen warnte er, auf ihrer Forderung einer Reichsvermögenssteuer zu beharren. Zum Fall Schücking übergehend, versicherte der Ministerpräsident, daß es als ausgeschlossen gelten könne, daß freisinnige Beamte wegen ihrer politischen Gesinnung gemaßregelt würden.
Von großer grundsätzlicher Bedeutung sind die Ausführungen, die Fürst Bülow in Anknüpfung an den Fall Schücking über die Stellung der Beamten zur Regierungspolitik machte. Fürst Bülow stellt sich in dieser Hinsicht durchaus und ausdrücklich auf den seinerzeit namentlich von freisinniger Seite heftig bekämpften Erlaß vom 4. Januar 1882, durch den Fürst Bismarck alle politischen Beamten zwingen wollte, die Politik der Regierung nicht nur nicht zu bekämpfen, sondern sie positiv zu unterstützen und zu fördern. Er drohte sogar, er werde dafür sorgen, daß dieser Erlaß überall und unbedingt zur Anwendung gebracht werde! Steht denn die gegenwärtige Blockpolitik der Regierung auf so schwachen Füßen, daß es der Androhung derartiger Zwangsmittel, daß es eines solchen Drucks auf die politische Ueberzeugung der Beamten bedarf, um sie aufrecht zu halten? Oder ist Bülow sicher, daß der Block ewig dauern werde? Vom Zentrum sprach er in diesem Zusammenhange kein Wort, während er klipp und klar erklärte, daß ein Beamter sich nicht zur Sozialdemokratie bekennen dürfe.
„Und warum denn nicht?“ fragte die Erbin fast ärgerlich.
„Uebrigens, wir werden sehen; ich für meinen Teil wünsche, die Heirat möchte zustande kommen,“ sagte Mrs. Munro.
„Und ich bete, daß es nicht geschieht,“ dachte die arme Amy, als sie die Großmama küßte und ihr eine gute Nacht wünschte. „Es wäre aber doch gar zu grausam, wenn meine beste Freundin mein Lebensglück zerstören sollte.“
Und sie verließ Mrs. Munros Zimmer mit dem Gefühle der bittersten Eifersucht gegen ihre Gesellschafterin.
15. Kapitel.
Am nächsten Tage bemerkte Marie eine kleine Veränderung in dem Benehmen ihrer Freundin. Amy war unruhig, verdrießlich, schalt Kapitän de Brath, wenn er sich bemühte, sie zu einer Ansicht zu bekehren, der sie widersprochen hatte, ja sie sprach selbst in scharfen Worten mit Marie.
Beim Frühstück machte Claude den Vorschlag, das Diner etwas früher einzunehmen und dann gemeinschaftlich einen Ausflug in den Wald zu machen. Mariens Augen strahlten bei dieser Aussicht, aber Amy wollte nichts davon wissen.
„Nach dem Ballspiel bei Hesseys werden wir sehr ermüdet sein und vielleicht auch spät nach Hause kommen,“ sagte sie. „Nein, heute können wir nicht ausfahren, Claude.“
„Dann müssen wir es auf morgen verschieben,“ entschied Claude.„Du wirst dann auch kräftiger sein, liebe Großmama nicht wahr?“
„O gewiß! Ich fühle mich heute schon sehr wohl und werde mit Marie heute Mittag allein in den Wald fahren, um ein Plätzchen auszusuchen.“
„Geht Miß Trouville nicht zu den Hesseys?“ fragte Claude „Ich meinte doch, sie sei ebenfalls eingeladen worden?“
„Ja, sagte Marie kühl,„ich wurde freundlich eingeladen, und ich bin sehr verbunden dafür, ziehe aber bei weitem vor. bei Mrs. Munro zu Hause zu bleiben.“
Claude schien verstimmt, sagte aber nichts. Etwa eine Stunde nach dem Frühstück wurde er zu seiner Großmutter beschieden.
„Komm her, Claude.“ Ich habe eben an Sir Robert Rieverg
Die Mitteilungen, die er über den Kultusminister Dr. Holle machte, lassen es ungewiß, ob Hr. Dr. Holle in sein Amt zurückkehren wird. Die Wahlrechtsfrage betreffend erklärte Fürst Bülow, die Vorarbeiten seien in flottem Gange, und sobald sich die ganze Frage übersehen lasse, werde eine Vorlage kommen. Schließlich kam der Reichkanzler auch auf sein Verhältnis zum Kaiser zu sprechen. Das war der interessanteste Teil der Rede: Eine bisweilen wehmütig
klingende Verteidigungsrede für sich selber, für seine Königstreue. So oft das Wort königstreu wiederkehrt, spricht Fürst Bülow es mit doppelter Betonung, mit erhöhter Stimme, um ihm deutlichen Nachdruck zu geben. Und er braucht das Wort mehr wie einmal. Kein Laut der Zustimmung oder des Widerspruchs unterbricht den Kanzler bei diesem langen Passus seiner Rede. Er zählt in resigniertem Tone auf, wie er den Träger der Krone in der Vergangenheit geschützt, und daß er auch im vember in voller Uebereinstimmung mit dem gesamten Staatsministerium, mit dem ganzen Bundesrate gehandelt habe. Es liegt wie peinliche Ueberraschang über dem Hause. Man fragt: Wozu das? Man rät, an welche Adresse diese Verteidigungsrede gerichtet ist. An den Kaiser? An die Umgebung des Kaisers? An die Konservativen? An eine Kamarilla?
Und schon gibt Fürst Bülow dem Hause ein zweites Rätsel auf. Er spricht von der Sozialdemokratie in Wendungen, als läge ein neues Sozialistengesetz in der Luft.
Sollte die Regierung, wovon bis jetzt noch nichts verlautete, sich bereits ernstlich mit dem Gedanken eines neuen Sozialistengesetzes beschäftigen? Diese Androhung wird die Sozialdemokratie zwar höchlichst überraschen, aber nicht tötlich erschrecken. Wir vermuten sogar, daß sie den Führern der Sozialdemokratie im Innern sehr willkommen ist, denn schon diese Drohung des Fürsten Bülow wird die Reihe der Sozialdemokratie wieder enger zusammenschließen, wie es das frühere Sozialistengesetz auch getan hat, und allen Zwist zwischen Revisionisten und Revolutionären in der Sozialdemokratie vergessen machen. Und glaubt Fürst Bülow, für ein neues Sozialistengesetz selbst in diesem Blockreichstage eine Mehrheit zu finden? Was wird die Blocklinke dazu sagen? Oder sollte Fürst Bülow dabei auf eine Auflösung des Reichstags im Falle einer Ablehnung des Sozialistengesetzes spekulieren, um dann unter verstärktem Wahldruck eine noch gefügigere Reichstagsmehrheit zu erhalten? Im Augenblick vermag wohl niemand alle diese Fragen zu beantworten. Und dabei fordert Fürst Bülow, daß die bürgerlichen Parteien ihre Uneinigkeit fahren lassen, daß die bürgerlichen Parteien Maß halten in ihrer Kritik, daß alle Gegner der Sozialdemokratie die Regierung in ihrem Kampfe gegen den Umsturz unterstützen!
Der seltsamen Rede des Reichskanzlers spendete die Rechte zum Schluß gewohnheitsmäßig Beifall, aber besonders warm und laut klang er nicht. Die Konservativen schienen verstimmt zu sein. Auf der Linken zischte man. Die beiden Blockhälften müssen sich darüber streiten, welche von beiden die Rede am
Kein Tieder, und
sobald er reisefähig ist. Du bist damit einverstanden?" fragte sie, ihren Enkel scharf bei diesen Worten anblickend.
„Natürlich," antwortete er.„Du hast ihm doch auch mitgeteilt, daß Philipp hier ist?“
„Gewiß: ich schrieb ihm, um unser Bedauern auszusprechen, daß er krankheitshalber verhindert sei, der gerichtlichen Untersuchung beizuwohnen, und riet ihm Luftveränderung an. Natürlich sagte ich auch, daß Philipp, der eben hier ist, uns von seiner Krankheit erzählt habe.— Ist das wahr?“ fragte sie daun: „Hat Philipp einen Geheimpolizisten als Diener engagiert? Das gleicht ihm gar nicht.“
:„Ich habe ihn dazu überredet, Großmama, ich erwarte tatsächlich den Mann heute Abend. Er ist ein alter Freund in der Gesindehalle— Clark, unser Polizist von ehemals.“
„ be Mann, der so sorgfältig das Maß der Fußtritte nahm?" rief Mrs. Munro aus.
„Ja, derselbe. Er hat sich erboten, Philipp überallhin zu begleiten, damit er bei dem nächsten Attentat auf Philipps Leben den Verbrecher erwischen kann.“
„Es trat eine Pause ein, und Mrs. Munro sagte langsam: „Glaubst du, daß Robert kommen wird?“
„hegi nicht,“ entaeanete Claude mit ironischem Lächeln,„später vielleicht, wenn er nicht so krank ist. Und, Großmama,“ fügte er mit tiefem Ernst bei,„noch ein einziger Versuch, Philipps Leben zu gefährden, und ich teile Clark meinem Verdacht mit.“
„Mein Lieber,“ sagte sie schaudernd,„seine Mutter lebt noch und er ist mein leiblicher Neffe!"...
„Aber wir werden Teilnehmer an seiner Schuld, wenn wir ihn schonen," versetzte er.„Du mußt zugeben, daß es auffallen“ ist, daß der alte Mr. Rivers Robert Elwyn den Reichtum soilte hinterlassen haben, der ihm durch den Tod des armen Johns und das Aussterben seiner Familie zugefallen war.
„Robert sagt, er habe um diese Zeit und auch noch lange nachher Mrs. Rivers gar nicht gerannt, sonst würde er sich nach diesem Mr. Smith erkundigt haben, und er habe doch nicht erwarten können, daß Mr. Rivers, der viele weibliche Verwandte