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unterhaltende Sonntagsbeilage
Colonia
General-Anzeiger für die rheinische Hauptstadt. 2 Kölner Fremdenblatt.
Nr. 2. 23. Jahrgang. Geschäftsstelle: Fernspr.###. Köln, Samstag, 2. Januar 1909.
Redakt.: 5231, 5232, 5233, 5234. Hellte 16 Seiten.
Erdbeben in Süditalien.
* Rom, 31.Dez.1908.(Drahtber.) Ein Telegramm des Direktors des Observatoriums in Catania Ricco besagt, die Docks
des Hafens in Messina hälten sich bis zum Meeresspiegel gesenkt, die Flutwelle sei von Messina bis Syrakus und Termini Imerese gegangen. Die Zahl der Opfer betrage insgesamt 200000. — Das Observatorium in Catania verzeichnete nach den ersten heftigen Erdstößen noch 42 Erschütterungen. Seit den letzten 13 Stunden sind die Instrumente des Observatoriums fast in völliger Ruhe.— Da der Aetna und der Stromboli nicht in Tätigkeit sind, ist ein vulkanischer Ursprung des Naturereignisses ausgeschlossen. Die Erscheinungen sind denen vom 6. Februar 1783 ähnlich.
* Palermo,.Jan.1909.(Drahtber.) Heute früh traf hier der Dampfer Quirinal mit 47 Geretteten aus Messina ein. Außer in den Krankenhäusern sind die Ueberlebenden zu Hunderten im Universitätsgebäude, in Schulen, den Hotels und in anberen Gebäuden untergebracht. Da jedoch noch mehrere tausend Verwundete und Flüchtlinge erwartet werden, hat die Stadtverwaltung angeordnet, daß alle Schulen als Hospitäler benutzt werden sollen, und eine Kundgebung erlassen, in der die Bürger aufgefordert werden, die Geretteten bei sich aufzunehmen.
* Rom,.Jan.1909.(Drahrber.) Der Messaggero meldet aus Messina noch folgende Einzelheiten.
Der verhältnismäßig am wenigsten beschädigte Teil der Stadt ist derjenige in der Nähe der früheren Militärschule bis zum Geminar. Von den Seminaristen wurden sechs getötet und viele verletzt. Major Cagni gelang es am 30. Dezember, 80 Sträflinge, welche Posten und Ueberlebende angriffen und plündern wollten, zum Gehorsam zurückzubringen. Entgegen anderslautenden Gerüchten ist die Meerenge von Messina von Schutt und schwimmenden Leichen frei.
&a Messina,.Jan.1909.(Drahtber.) Um die Reliungsarbeiten sicherzustellen, ist Messina in Zonen eingeteilt, denen je eine Truppenabteilung überwiesen wurde. Das Rote Kreuz errichtete in der Stadt zahlreiche Baracken. Auf dem Platz San Martino, wo sich die Wirkung des Bebens besenders zeigt, reichen die Baracken jedoch nicht aus. Die Aerzte verbinden die Verwundeten deshalb bei Regen unter freiem Himmel. Allein gestern wurden etwa 800 Verletzte behandelt, Die Geflüchteten kehren, von Hunger und
Feuilleton des Kölner Local=Anzeiger. 2. Jan. 1909.
# Wenn die Glocken läuten.
15] Erzählung von A. von Hahn.
Was dann kam, darauf konnte sie sich später gar nicht mehr besinnen.
Miezl war dazu gekommen, und es war viel und laut gesprochen worden, sie, Christl, hatte aber von allem nur das eine begriffen, daß er fortan zu Haus bleiben und alle Tage wieder im Forsthaus einkehren würde. Bald darauf war auch der Förster aus dem Walde zurückgekommen und nochmals war maßlose Freude von allen Seiten losgebrochen. Nicht genug onnte sich der Alte über den schmucken Burschen freuen.
Von Stund an bahnte sich ein fast ununterbrochener Verkehr zwischen dem Forsthaus und dem benachbarten Hof an. Wenn der Förster nicht dort war, Franz unternahm nichts in der Wirtschaft, wenn er seinen alten Freund nicht vorber um Rat gegefragt hatte, dann war er selbst im Forsthaus, um bald dies, bald jenes zu fragen oder auszurichten.
Auch Miezl und Bärbe,— der Franz wußt's einmal so einzurichten,— hatten sich jetzt so vielerlei auszurichten, woran sie früher gar nicht gedacht hatten. Jetzt wußte jede von der andern ganz genau, was sie kochte und backte und welche Leckereien sie fürs Fest in Aussicht genommen hatte.
Es war eine eigene lebendige Freudigkeit in Franz. Der alte Förster, dem dies auch auffiel, meinte einmal zu Miezl, es sei wohl jedem jungen Blut zu Anfang. so zu Mute, wenn es nach langer Abwesenheit von der Heimat, von allem Zwang befreit, nach Haus zurückkehre.
Christl aber dachte still bei sich, es müßte doch etwas Anderes sein, das Franz so froh und glücklich erscheinen lasse, daß er förmlich Glück ausstrahlte und der Umgebung mitteilte. Denn wo er war, da hörte das frohe Lachen und Geschwätz gar nicht auf. Ihr war ja selbst zumute, als seien ihr plötzlich Schwingen gewachsen, so leicht und frei erschien ihr das Leben. Was es aber war, das wußte sie sich nicht zu erklären, obgleich sie Tag
Durst getrieben, wieder sin die Stadt zurück. Ergreifende Szenen spielen sich am Zollamt ab, wo die Lebensmittel verteilt werden. Die Rettungsarbeiten werden mit der größten Beschleunigung betrieben. Alle an ihr Beteiligten vollbringen Heldentaten. Man begegnet Bahren mit Verunglückten, die aus den Trümmerhaufen hervorgezogen worden sind, nachdem sie drei Tage darunter gelegen haben. Die Messina und Reggio benachbarten Gegenden wurden unter dem Oberbefehl des Generals Mazza gestellt, dem vier Generale des Generalstabs beigegeben sind. Fortwährend werden Truppen an Land gesetzt, da Hülfe überall erforderlich ist. In der vorletzten Nacht wurden um 10.45 Uhr und um.35 Uhr gestern früh wieder Erdstöße wahrgenommen.
* Meffina,.Jan.1909.(Drahtbericht.) Der König begab sich sofort nach seiner Ankunft um 11 Uhr vormittags nach der Piazza Cairoli, um die Baracke des Roten Kreuzes zu besuchen. Er war tief bewegt. Leute aus dem Volke streckten ihm die Hände entgegen. Ein Kind, das am Kopfe verletzt war, warf sich ihm zu Füßen und bat um Brot und Wasser. Der König rief aus: die Hülfe naht! Wir werden tun, was in unseren Kräften steht, um das große Unglück zu mildern! Der König ordnete an, daß die Kriegsschiffe alle verfügbaren Lebensmittel verteilen sollen. Soldaten sind damit beschäftigt, auf den Plätzen weitere Holzbaracken zu errichten, in denen ein Teil der Geretteten Unte kunft findet; die meisten werden jedoch in Wagen, Schuppen oder Zelten untergebracht.
* Neapel, 31.Dez.1908.(Drahtbericht.) Der Dampfer Simeto, welcher sich zur Zeit der Katastrophe in Messina befand, ist mit 400 Verwundeten, darunter 100 Soldaten der Garnison Messina, hier eingetroffen. Die Herzogin von Aosta besuchte am Vormittag die Spitäler, tröstete die Verwundeten und führte drei Waisenkinder ins königliche Palais. Auch andere adelige Damen bemühten sich um die Verwundeten, insbesondere um die verwaisten Kinder.— Der russische Panzer Slava ist hier mit 500 Schwerverletzten eingetroffen.
Reggio in Trümmern.
* Palermo, 31.Dez.1908.(Draht.) Der Dampfer Umberto ist mit 500 Ueberlebenden aus Reggio angekommen. Unter diesen Flüchtlingen sind 95 verwundet. Der Kapitän erzählt, er habe in Reggio gesehen, wie die Geretteten vor Hunger ihre Hunde löteten, um sie zu verzehren.
* Rom,.Jan.1909.(Drahtber.) Ein Korrespondent der Tribuna telegraphiert aus Reggio, daß zweitausend Tote und dreitausend Verwundete geborgen worden seien; die Gesamtzahl der Opfer betrage ungefähr zwanzigtausend. In zwanzig in der Provinz zerstörten Ortschaften beziffere sich die Zahl der Verunglückten auf siebentausend.
Die Piazza Garibaldi und die Straße Marina in Reggio sind in Hospitäler umgewandelt. Das Volk und die Soldaten bitten die Behörden flehentlich um Brol. Die Ueberlebenden sind beinahe ohne Kleidung und erzählen nur von ihren Leiden. Der Herzog von Aosta besuchte gestern Palmi und leitete dort die Rettungsarbeiten.
Die Verwüstungen in Kalabrien.
Catanzara, 31.Dez.1908.(Drahtber.) Nachrichten aus
und Nacht darüber nachsann. Denn was nie vordem geschehen, jetzt lag sie noch lange abends wach auf ihrem Lager, an dies und das denkend, Franz immer als Mittelpunkt ihrer Gedanken.
Wenn sie doch ihr Herz gegen jemanden hätte ausschütten können. Aber sie hätte es ja gar nicht in Worten zu fassen vermocht, was sie vor ihrem eigenen Herzen noch gar nicht klar zu deuten wußte, selbst wenn sie den Mut gefunden hätte, es der Miezl oder dem Förster zu gestehen, wie ihr ums Herz war, seit jener Stunde, wo Franz sie in den Armen gehalten hatte. Sie sahen ja wohl alle ebenso kopfschüttelnd darauf hin, wie sie selbst, und konnten: gewiß ebenso wenig begreifen, daß ihr früherer Widerstand gegen Franz mit einem Schlage, wie durch einen Zauber verweht war.
Die einzige, der sie's vielleicht anzuvertrauen vermocht hätte, das war Maria. Die aber gerade war die einzige, die sich gegen Franz ablehnend verhielt. Immer nur wußte sie von Haus zu reden und wie dieser lieb und brav wäre, und wenn Christl das Gespräch auf Franz brachte, dann war sie stumm. Sie konnte das nicht begreifen, denn auch gegen Maria war Franz freundlich und entgegenkommend, wie er alle Welt mit einem Reichtum von Herzlichkeit überschüttete.
Täglich kam sie jetzt nach dem Forsthaus hinunter, seitdem Christl nicht mehr hinaufkam, und immer wollte sie Christl mit zur Mühle hinaufnehmen, bald war's die Mutter, die arg nach ihr verlangte, bald der Hans. Christl aber hatte täglich einen anderen Vorwand, zurückzubleiben. Was es war, das sie wie ein Bann im Haus zurückhielt, das mochte sie ihr nicht gestehen, denn Marie hätte sie gewiß ausgelacht, wenn sie ihr's gestanden hätte, sie könne nicht fort vom Haus, weil der Franz gerade in der Zeit vorsprach.
Immer bekümmerter ging Marie allein zurück. Was mit Christl vorging, sie, Marie, wußte es ganz gut, und das Herz tat ihr darüber weh, wenn sie an Hans dachte. Wußte sie doch, daß er Christl gern hatte und daß Christl ihm zur Frau bestimmt war, das hatte sie einmal aus einem Gespräch zwischen der Mutter und dem Förster verstanden. Es war ihr damals eigentlich wie ein Schreck dabei durchs Herz gegangen, aber da Hans die Christl doch gewiß auch namenlos gern hatte, gerade
Palmi besagen, daß dort heute abend etwa 700 Tote geborgen sind. Kein Haus ist bewohnbar. Die Deputierten Vovi und Alessio sind wohlbehalten. Nach Meldungen aus Reggio ist der Deputierte Demetrio Tripepi schwer verletzt aus den Trümmern geborgen worden. Der Deputierte Valentino ist gestorben.
* Rom,.Jan.1909.(Drahtber.) Aus dem Erdbebengebiet wird weiter gemeldet: Die Behörden lassen Lebensmittel verteilen. Die Menge bemächtigte sich derselben in blinder Wut. Die sozialen Unterschiede haben aufgehört, da alles unter Hunger zu leiden hat. Die Erdstößze, von unterirdischem Donner begleitet, dauern fort. Es regnet fast ununterbrochen.
*
&* Sonderberichte geben folgende Einzelheiten: Die Tatsache,
daß man sterbende Menschen von Messina bis nach Neapel brachte, zeigt, wie groß das Unglück gewesen sein muß. Die Verletzten, die der Dampfer Colomvo brachte, waren zum Teil verbunden, zum Teil aber wegen Mangels an Aerzten ohne ärztliche Behandlung geblieben. Der Dampfer kam bei Nacht in Neapel an, und die Stimmung bei Eintreffen des Schiffes wurde noch gedrückter durch das ängstliche Rufen und Suchen einiger Sizilianer vom Kai aus, die unter den Schiffsinsassen Familienmitglieder zu finden hofften. Als in der Dunkelheit vom Lande aus wieder ein Name in fragender Weise gerufen wurde, kam die Antwort:„Ich bin hier!“ Es drücktesich jedoch in der Antwort keine Freude aus, das Erlebte war zu grausig gewesen, um Freude über eine Rettung zum Ausdruck kommen zu lassen. Man gestattete nur wenigen Personen an Bord zu kommen. Die Geretteten saßen in einzelnen Gruppen und machten den Eindruck vollständig gebrochener Leute. Ein alter Mann hielt ein mir Blut bedecktes kleines Kind auf dem Arme. Auf die Frage:„Ist das ihr Kind?" lautete die Antwort:„Nein! Ich fand die Kleine gestern auf dem Pflaster liegen und blieb den halben Tag bei ihr. Es fragte keiner nach ihr und ich konnte sie nicht im Stiche lassen. Seitdem habe ich sie mit mir getragen.“ Ein junges Mädchen trug einen Kanarienvogel im Käfig mit sich; es war das Einzige, was sie gerettet hatte; der Vogel zwitscherte lustig, er schien das einzige Wesen an Bord des Schiffes zu sein, welches nicht unter dem Banne des Entsetzens stand.
Ein Karabiniere erzählte, er sei am Tage vor dem Unglück krank in das Garnisonlazarett aufgenommen worden, am frühen Morgen habe ihn ein furchtbares Brüllen aufgeweckt. Er have anfangs
geglaubt, er träume, er sei dann in die Tiefe gestürzt, ohne daß er verletzt worden wäre.— Ein Reisender, der im Augenblick der Katastrophe auf einer Fähre von Messina nach Reggio abfuhr, berichtet, es sei plötzlich ein Sturm entstanden, der eine gewaltige
Woge vor sich hergetrieben habe. Das Schiff sei gegen das Land
geschleudert und wieder zurückgerissen worden, als wenn es aus Papier gewesen wäre. Die meisten Personen an Vord des Schiffes ertranken(2, aber das Schiff selbst blieb merkwürdigerweise nahezu unbeschädigt. Das Militär hat in den verwüsteten Gegenden die Funktionen der Zivilbehörden übernommen und erhält seine Befehle von dem Kriegsminister. Als dieser von dem Umfange des Unglücks hörte, rief er aus:„Dieses Unglück hat uns mehr Menschenleben gekostet, als irgendeiner unserer Unabhängigkeitskriege. Die Lage ist heute sehr viel schlimmer, als sie im Kriege sein würde, denn einem Kriege geht stets eine Vorbereitungszeit
wie alle anderen, so hatte sie sich in den Gedanken hineingekämpft, daß Hans einst ganz und gar und ausschließlich Christl angehören sollte. Darum war sie jetzt so traurig und fühlte fast ein Schuldbewußtsein gegen Hans, daß auch sie nur für kurze Augenblicke noch zu ihm ging und dann schen und befangen war, weil Christl einen solchen Verrat gegen ihn begeben konnte. Noch ahnte Hans anscheinend nichts, denn er war froh und unbefangen wie immer, auch wenn sie das Gespräch vorsichtig auf Christl brachte. Anders war's mit der Mutter. Die schien aufgeregt und bekümmert über Christls Fortbleiben, sprach stündlich von ihr und war sichtlich betrübt, wenn sie immer wieder allein, ohne Christl zurückkam. Tausenderlei hatte sie dann zu fragen, was unten vorging, und es schien Marie fast, als ahne sie den Grund von Christls Fernbleiben, weil sie immer wieder dies und das über Franz hören wollte. Gewiß machte sie sich auch allerlei schwere Gedanken, was daraus ententstehen sollte. Denn daß Christl nicht die Frau von Franz werden konnte, das mußten doch alle begreifen, die das schreckliche Verhängnis kannten, das ewig trennend zwischen den beiden stand. Die Mutter mochte wohl denselben schweren Gedanken nachhängen. Auch sie mochte in ihrer Seele davor erzittern, was daraus entstehen konnte, wenn Christl ihr Herz gerade an diesen Mann hing, dem sie nach göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit niemals angehören durfte. Wenn sie auch unschuldig war, auf ihrem Blute lag doch die vererbte Schuld, die ihr Vater an Friedebert begangen.
Solchen quälerischen Gedanken hing Marie nach. Auch sie liebte Christl mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit und es war ihr immer wie ein brennendes Herzweh gewesen, daß deren Vater ein Mörder sein sollte, wie die Kinder in der Schule es hinter Christls Rücken ihr zugerannt hatten, und nun sollte gar ein dauerndes Unglück für Christl daraus entstehen. Denn wenn sie ihr Herz wirklich an Franz hing, dann ging ein Unstern ihrer Wahl voran, angehören dürfte sie ihm doch nie.
Es war am Vorabend von Weihnachten. Miezl war im Dorf gewesen, um allerlei Kleinkram für die Festtage einzuholen und war im Vorübergehen, um sich ein bissel zu ruhen— sie war auch schon wacklig, die alte Miezl— bei der Bärbe eingekehrt.
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