Gratis-Beilage zurHeinsberger Volkszeitung.

Wild. Moser, Heinsberg

Mittwoch den I1. Rezember 1905.

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9. W. Joppen, Heinsberg

In der Nacht.

Am Himmel blühen die Sterne,

Da wandert der Mond so sacht Ich lausche hinaus in die Feine.

Rings lagert die schweigende Nacht.

Die dunklen Bäume steden Wie träumend in der Rund Geschwäzig nur hör' ich gehen Das Bächlein im Wiesengrund.

Des Tages lärmende Stunden.

Sie haden mich müde gemucht

Vun will das Herze gesunden Im heiligen Frieden der Nocht.

Des Tages lärmende Stunden.

Sie wichen der Gottesruh

Da heilen die tiefsten Wunden Des Menschenherzens zu.

Aus dem Leden für das Leden.

Es will Abend werden.

Der Sommer mit all seiner Pracht ist längst dahin, die rauhen Herbsistilime haben das letzte welke Blatt von den Zweigen gerissen, und hat die Natur auch noch nicht ihr eigent­liches Winterkleid hierzulande angelegt, deckt auch noch nicht das weiße Linnen schützend die schlummernde Au, die kurzen sonnenarmen Tage und die langen kalten Nachte sie gemahnen an den Winter der kalendermäßig binnen 10 Tagen in unserer Zone seine Herr­schaft antreten soll. Auch in diesen Tagen des Ueberganges zur kalten Jahreszeit redet Mutter Natur für jeden, der ihre Sprache versteht, Worte der Mahnung und Belehrung. Sieselbst steht ja in so vielfältiger Beziehung zum menschlichen Leben, darum lerne von der Natus! Jedermann weiß, daß man sich bei seiner Lebensführung nach der Jahres­zeit richten muß; aber manche vergessen, daß man sich auch nach dem Lebensalter richten muß. Wer in seinen vorgerückten Jahren noch kindische Sprüoge macht, bricht leicht ein Bein oder wird wenigstens ausgelacht

Der Jahresansang liegt eigentlich nicht richtig. Der Wechsel der Jahre fält mitten in den Winter, wo noch kein Umschwung im Natur= und Menschenleben stattfindet. Erst mit dem Frühlingsanfang tritt der Umschwung ein; wir treten dann in das sommerliche Halbjahr ein. Und im Herbst kommt der entgegengesetzte Umschwung; dann kommen wir in die winterliche Periode. Diese zwei Perioden haben einen grundverschiedenen Cha­rakter: hier das frische Leben in der Na­tur, dort Absterben und Rube; hier freie Luft und Sonnenlicht für die Menschen, dort Stuben= und Lampenleben.

Für die Hauswirtschaft ist der Umschwung zur kalten Jahreszeit schwieriger, als der Früh­lings=Umschwung. Im Frühjahr wenn die bessere Jahreszeit anhebt, beaucht man nicht so viel anzuschaffen, als beim Beginn der rauhen Zeit Wenn die Lenzessonne steigt, legt man das warme Unterzeug ab; aber wenn die Sonne matter wird und ihre wärmende Kraft ver­loren zu haben scheint, muß man sich wie­der warme Hüllen zulegen. Die Hausfrau freut sich, wenn zu Ostern der gefrätzige Ofen ausgehen kann; aber jetzt muß sie für Feue­

rung stetig Sorge tragen und die Lampen nehmen immer noch an Gefräßigkeit zu. Und zu den Notwendigkeiten kommt noch der Luxus; manchmal kommt er auch noch vor dem Not­wendigen. Das billige Unterzeug machts nicht allein; die männlichen und die weib­lichen Herrschaften wollen auch winterliche Oberkleider haben, die nicht bloß warm, son­dern auch hübsch machen. Dazu noch die winterlichen Vergnügungen, die im allgemeinen kostspieliger sind, als die sommerlichen vertreibe in der freien Natur.

Auch in diesem Punkt haben wir eine Aehn­lichkeit zwischen Natut und Menschen­leben: das Alter lebt kostspieliger, als die Jugend, vorausgesetzt, daß die Jugend, nicht über die Stränge schlägt. Es kann nicht scha­den, wenn die jungen Leute sich rechtzeitig klar machen, daß sie in den höheren Jahr­gangen steigende Bedürfnisse haben werden und dann das Geld viel dringender brauchen. als jetzt. Sparsamkeit ist eine Tugend, die man früh lernen sollte, um später desto länger sich an ihren Früchten erfreuen zu können Wer klug ist, der wartet mit den Vorbe­reitungen auf den Winter nicht bis zu dem Tage, wo der Frost die Steine bis ins Mark packt, ebenso soll mon mit den Vorbereitun­gen auf das Alter nicht warten, bis die Glieder klapperig und der Mund zahnlos geworden ist, sondern rechtzeitig seine Ledensführung auf Schonung der Kräfte und der Gesund­heit einrichten. Also die Arbeitslast ermäßi­gen? Nun ja, auch das, aber nicht im Sinne der Faulhett, sondern im Sinne der ver­nünftigen Auswahl. Wer älter und steifer wird, soll das Hasten, Lausen und alle An­strengungen, die eine besondere Geschmeidig­keit und Frische des Körpers erfordern, mog­lichst jüngeren Gehülfen überlassen und nicht etwa durch Eitelkeit sich hinreißen lassen, noch jugendliche Kunst= und Kraftstücke mitzu­machen. Ebenso muß ein Mensch von 50 oder 60 Jahren sich strenger an die regel­mäßige Arbeitszeit halten und sorgfältiger sich für die nötigen Ruhepausen und un­gestörten Nachtschlummer sorgen, als Durch­

gänger von 2030 Jahren. Im Uebrigen ist die ahl der Leute, die an übermäßigem Fleiße sterden, längst nicht so groß, als die Opfer der Genußsucht. Die beste Vorbereitung auf das Alter ist die Mäßigkeit und Häus­lichkeit. Im allgemeinen kann man sagen: die Zeit, die im Wirtshause verbracht wird, kommt gleich den Kriegsjahren auf die Lebens­dauer dovvelt in Anrechnung, und die auf den Tanzböden oder in ähnlichenBergnü­

gungslokalen" verbrachte Zeit mindestens drei­

ach. Darum sagt man ja auch von den Bergnügungsjägern, sie lebten schnell. Frei­lich, wer schnell lebt, kommt schnell an das Ende, an das bittere Ende.

Die häusliche Lebensweise haben wir soeben als die gesundeste und langlebigste bezeichnet Schön; jetzt sind wir ja gerade in der Jahreszeit, die das Familienleden am warmen Ofen und bei der traulichen Hauslampe in Schwung bringen soll. Daraus ergibt sich die zettgemäße Mahnung: Macht es euch und den eurigen zu Hause so gemütlich, wie es nur eben möglich ist

Hörst du, Alte, das geht dich an, sagt da vielleicht ein Familienvater, indem er seine Pfeife in die andere Mundecke schiebt. Freilich, die Frauen spielen dabei die Hauptrolle, wie bei so vielen schönen Dingen. Aber das ge­ehrte Oberhaupt der Familie könnte sehr oft etwas mehr dabei mithels.n. Manche Männer glauben, wenn sie ihre Berufsarbeit für den Tag vollbracht hätten, dann d rauchten sie sich um die Wirtschaft im Hause und das Leben und Treiben ihrer Angehörigen nicht weiter zu bekümmern. Am Feierabend sind sie langweilig und gleichgiltig oder was noch schlimmer ist sie glänzen durch fort­gesetzte Abwesenheit und überlassen nicht bloß die ganze Hausarbeit, sondern auch die ganze Erziehungs= und Unterhaltungsckbeit der Frau allein. Das ist nicht männlich und nicht väterlich, auch nicht christlich und nicht vernünftig. Die braven Männer, die in allen häuslichen Aufgaben und Sorgen ihrer Frau mit Rat und Tat zur Seite stehen, finden in diesen Bestrebungen nicht etwa eine neue Last, sondern vielmehr Erquickung und Behagen

Damit, daß du dafür sorgst, was die Deinen zum Leben unbedingt benötigen, ist Deine Pflicht noch nicht getan. Eine Familie braucht nicht bloß Wärme und Nahrung für den Körper, sondern auch für Geist und Gemüt. Jetzt in diesen langen Abenden muß man die Langeweile verscheuchen vom häuslichen Herde. Die Langeweile ist kein gleichgiltiges Uebel, wie etwa Haarschwund oder gelegentliches Zahnreißen, sondern wenn sich dieses Gespenst am Familientische ein­nistet, so droht es das häusliche Glück zu zersetzen, die bösen Begierden zu wecken Und die Zeit, welche man in Langeweile

unter schwerem Schaden verbringt. könnte man bei einem biechen Umsicht und Geschick leicht in eine Quelle von Freude und Nutzen verwandeln.

Aber wie? Es gibt verschiedene Mittel für die verschiedenen Verhältnisse: aber auf ein allgemein wirksames möchte ich hin­weisen. Du sorgst rechtzeitig für Ofenfutter; nun, sorge auch rechtzeitig für Geistesfutter, für eine gute Lektüre am winterlichen Familientisch. Ein ungeheuer einfaches Rezept! Ein Hilfemittel für angenehmen und nützlichen Zeitvertreid, das eigentlich zu selbstverständlich ist, als daß man noch dar­über zu sprechen brauchte. Aber sonderbater Weise gibt es noch eine ganze Masse von Jamilien, we man an diesen vermeintlichen Lurus mit bedrucktem Papier gar nicht denkt Eher gibt man ein Zehnmarkstück für irgend einen Körperschmuck aus, ehe man ein paat Groschen für ein gutes Buch riskiert

Nun, wenn du in diesem Punkt noch sehr sparsam bist, so möchte ich dir mit einem doppelten Ratschlag entgegenkommen. Erstens tritt dem Borromäus=Verein bei, da kannst du für wenig Geld so viel Bücher ent­leihen, als du das ganze Jahr hindurch brauchst und bekommst obendrein noch ein Werk nach deiner Wahl geschenkt. Zweitens aber abon­niere auf ein gutes Blatt. Eine gute Zettung ist das billiaste, in regelmäßigen Lieferungen erscheinende Buch, das du kaufen kanns. Da hast du für ganz wenig Geld