Etwas von der Stadt Erkelenz.
Die Stadt Erkelenz liegt im nördlichen Teile des Regierungsbezirks Aachen in sehr fruchtbarer Ebene; es ist als Kreisstadt Sitz des Landrates des Kreises gleichen Namens Daß die Gegend bereits zur Römerherrschaft bewohnt und angebaut gewesen, macht die Fruchtbarkeit derselben wahrscheinlich; doch geben auch mehrfache historische Funde für diese Annahme allen Anhalt. Ueber die Herleitung des Namens Erkelenz sind die Geschichtsforscher sich nicht einig; während die einen ihn auf den Namen Herrules, will Professor Simrock in Bonn ihn auf jene rätselhafte Erka zurückführen, deren Bild sich auf dem Rathause befindet. Noch andere wollen wissen, daß der Name einfach römischer Herleitung ist und Herculanum gelautet habe, analog den Städtenamen römischen Ursprunges unserer Gegend Juliacum, Marcedurum, Tolbiacum usw. Stadt und Gebiet von Erkelenz gelangten zur Mitte des 10. Jahrhunderts an das Marienstift zu Aachen, welches die Gutsherrschaft bis 1794 ausübte. So lange es ein offener Ort war, lebte Erkelenz in großer Abhängigkeit vom Stifte, das auch den Schultheiß und die Scheffen ernannte; erst 1326 erhielt es unter der Schirmherrschaft der Grafen von Geldern städtische und Bürgerrechte: die Bürger wählten die zwei Bürgermeister, den Rat und die Scheffen selbst, welche nun gegenüber dem Stifte eine freiere Stellung einnahmen. Auch wurde die Stadt seit dieser Zeit allmählich immer mehr durch Mauern und Gräben umfestigt. Das Brücktor wurde 1355 aus den Steinen des 1353 zerstörten Raubschlosses Gripekoven erbaut; das innere Maartor 1414, 1459 die kleine Pforte am Brücktor und 1514 das Bellinghover Tor. Auch die Wehrhaftmachung der Bürger nahm seit dieser Zeit stetigen Fortgang, da ihnen die Aufgabe zugefallen war, ihre Stadt gegen den Feind zu verteidigen. Im Jahre 1543 kam Erkelenz an Kaiser Karl V., welcher ihm am 29. August desselben Jahres die Ehre seines Besuches schenkte und im Hause des damaligen katholischen Pfarrers Goswin von Woukeraid das Mittagsmahl einnahm. Im dreißigjährigen Kriege wurde es 1642 von den Truppen Bernhards von Weimar schrecklich verwüstet. Besonders viel zu leiden hatte Erkelenz in den Kriegen des Franzosenkönigs Ludwig XIV. gegen Holland, überhaupt war das Ende des 17. Jahrhunderts ungemein traurig; es häuften sich die Unglücksfälle in der bedauerlichsten Weise. Im Jahre 1674 am 9. Mai begann eine Belagerung der französischen Truppen im Verein mit denen des Kurfürsten von Köln, nachdem die Aufforderung zur Uebergabe zurückgewiesen worden. Trotz eines dreimaligen Abschlagens des Sturmes mußten die Bürger, der Uebermacht weichend, die Stadt übergeben. Diese wurde geplündert und zum großen Teile ihrer Festungswerke beraubt. Zehn Jahre später wurde sie dann wiederum von der Kriegsgeißel schwer getroffen. Am 18. Juli erschienen die Franzosen wieder vor den Wällen der Stadt, nachdem sie am 29. Juni das Dorf Kückhoven gebrandschatzt hatten, und zogen erst ab, nachdem sie die Bellinghover und Derather Mühle niedergebrannt und die Felder verwüstet hatten. Die erstere ist im Jahre 1698 und die letztere 1700 wieder neu und zwar in ihrem jetzigen Zustande in Stein aufgebaut worden. Die Stadt auch von häufigen anderen Katastrophen, wie Erdbeben(1554, 1556, 1559, 1569, 1690), Pest oder„schwarze Tod"(1580 zu 81 starben 458 und 1676 in nur 2 Monaten 200 Personen) heimgesucht worden. Zweimal wüteten große Feuersbrünste in Erkelenz, die erste am 21. Juni 1540, die von der Schülergasse ihren Ausgang während einer seltenen großen Dürre, die das Gras und Baumlaub verdorren und alle Wasserbehälter austrocknen gelassen, nahm und den größten Teil der Stadt in Asche legte. Bei dem zweiten Brande am 12. November 1686 wurden 70 Häuser und 34 Scheunen ein
gelschert.
Durch den Frieden zu Utrecht am 11. April 1710, der den spanischen Erbfolgekrieg beendigte, kam Erkelenz an Alich und Berg, blieb jodoch insofern selbständig au es
sein Gelderisches Landrecht beibehielt 1794 wurde es von den Horden der französischen Sansculotts eingenommen und kam so unter französische Herrschaft, bis es durch den Wiener Kongreß 1815 an Preußen fiel. Die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges der Stadt, deren Bürger bis dahin vorwiegend den Ackerbau betrieben, datiert seit den 60er Jahren.
An alten Baudenkmälern ist die Stadt trotz ihrer langen geschichtlichen Vergangenheit nicht besonders reich, eine Folge der häufigen Brände. Das gothische Rathaus stammt aus dem Jahre 1546. Die herrliche, im 13. Jahrhunder erbaute Pfarrkirche, ein Bauwerk reinster Gothik, bildet mit ihrem imposanten Turm ein Wahrzeichen der ganzen Gegend. Im Jahre 1418 wurde in dem Chore die erste Messe gelesen Wenn auch deren Innerm die malerische Dekoration nach fehlt, so zeigt sie reichen Skulpturschmuck an den Altären und der Kanzel, die zum großen Teile in den in der Stadt bestehenden Bildhauerwerkstätten hergestelit sind. Auch die St. Antoniuskirche, eine frühere Klosterkirche der Franziskaner, ist in ihrer innern Ausschmückung sehenswert. Die frühere alte Maar ist in einen schönen Schmuckplatz umgewandelt, während im Vordergrunde der Kirche und des Rathauses das Kreiskriegerdenkmal mit dem Standbilde Kaiser Wilhelms I. seinen Standort gefunden hat, das im Kriege 1914—1918 bei der Metallabgabe dem Vaterlande geopfert wurde.
Daß die alten Erkelenzer neben einem„drincklichen" Bier, das sie früher bekanntlich zu brauen verstanden und das weit und breit einen guten Klang hatte, auch keine Kostverachter waren, dafür geben die Speisezettel der Mahlzeiten, welche das Aachener Stifskapitel den Erkelenzer Scheffen mindestens jährlich fünfmal zu spenden verpflichtet war, sprechendes Zeugnis. Als Lieblingsspeise werden dabei er
wähnt vor allem„Speck und Ertzen“, ferner„Jonge vette Sponvercken",„Jonges vettes verweltes Kalff“,„ein vettes Lamp“, dann aber auch noch weitere Leckereien, als Kapaunen, Gänse und Hühner; sogar sind die Saucen dazu einzeln vorgeschrieben. Als Getränk war besonders beliebt„Erkelenzer stieke Alt", guter Rheinwein und alter Burgunder. Diese Zeiten sind nun vorbei: schwere Aufgaben und große Verantwortung lasten heute auf dem Amte des Stadtverordneten, voll einer nüchternen Prosa.
Heimatblätter
Beilage
zurt
1. Jahrgang.
Erscheint
am ersten Ponnerstag eines jeden Monats.
April 1921.
Nr. 1.
.
4 »
.
Heimatblätter.
(v. L. Hahn, Merbeck.)
Verweilest— Frühlingssonne so weit, rwärme, belebe und wirke! Gar kärglich stehet zum Frühlingskleid,
Die bräunliche Krone der Birke.
Geruhet hab' ich am Waldesrand Im Lenze— umwoben so linde Von lieblichem Raunen im Heimatland, Geborgen— am Schmucke der Rinde.
*
Wann rauschen Blätter in weitem Raum, Und wird erst die Heimat zur Wonne? Wenn Balsam wehet von Strauch und Baum Als Segen— der wirkenden Sonne
Veröffenklichungen des Erkelenzer Geschichts= und Alterkumsvereins.
Es sind erschienen:
Heft 1: Gründungsbericht. Geschichtliches.
Heft 2: Sagen des Erkelenzer Flachsgesildes von
Bürgermeister Leo Sels.
In diesem Monat wird erscheinen:
Hest 3: Hexenglaube und Hexenwahn in Erkelonz
von Kaplan Joseph Gaspers.
In Vorbereitung ist:
Heft 4: Erkelenzer Schöffenfamilien von General
leutnant a. D. Ernst v. Oidtmann
Fragekasten des Erkelenzer Geschichtsund Alterkumsvereins.
Wer ist noch im Besitze von Nummern des„Wegberger Grenzboten" und wer würde sie für kurze Zeit dem Geschichtsverein zur Verfügung stellen?
Besitzt noch Jemand Nummern des„Heinsberger Volksboten" aus dem Jahre 1899 und später? Könnten auch diese dem Verein für kurze Zeit zur Einsichtnahme übergeben werden?
Mitteilungen in Angelegenheiten des Fragekastens nimmt entgegen der Schriftführer des Vereins, Bürgermeister Sels=Cörrenzig.
Ans der Urzeit unserer
Von Hauptlehrer Albert, Kückhoven.
Rom, Athen und bei den Lappen Da späh'n wir jeden Winkel aus, Dieweil wir wie die Blinden tappen Umher im eignen Vaterhaus."
Dieser Tadel Simrocks soll also hinfort in unserm Kreis seine Berechtigung verlieren, wie der neu entstandens Erkelenzer Geschichts= und Altertumsverein uns verspricht, da giit es, eine Menge von Material zusammenzutragen, durchzuarbeiten und zu sichten.
Die geschichtliche Ueberlegung stellt uns zunächst die
Frage: Wer waren die ersten Bewohner unserer egend? Soviel wissen wir aus den Aufzeichnungen des römischen Feldherrn und Geschichtsschreibers Cäsar, daß in dem mit Wäldern und Sümpfen bedeckten Gebiet der Niers und der Maas die germanischen Menapier wohnten. Andere ungeschriebene Zeugen geben uns Kunde von Menschen und Tieren, die schon mehrere tausend Jahre vor den Germanen und Römern das Rheinland belebten.
Von ihnen seien nur folgende wichtige Funde angeführt: 1. Bei Andernach fand man unter dortigen Bimssteinmassen, also unter vulkanischer Ausschütung, Knochen, welche uns lehrten, daß schon vor Ausbruch der Vulkane im Rheinland Menschen lebten.
2. Der Kartstein, ein Fels bei Eiserfei in der Eifel, umschließt eine äußerst lehrreiche Höhle. Die Funde beweisen, daß viele Menschengenerationen dort gleichzeitig mit Höhlenhär, Mammut, Rhinozeros und Renntier lebten.(Die Fundbefinden sich im prähistorischen Museum in Köln.)
6. Als ein Muster solcher Höhlenbewonner gilt der „Neandertalmensch", dessen Schädel i. J. 1856 im Neandertal bei Düsseldorf gefunden wurde.(Provinzialmasan in Bonn.)
Ueber die Lebensweise dieser Urzeitmenschen können wir uns sehr genau unterrichten, wenn wir die Ausgrabungen betrachten, die im vorigen Jahre(1919) in Schussenried, einem Marktflecken Oberschwabens(Bahnstrecke: Ulm-Friedrichshafen) gemacht wurden. Im Torfmoore sind die Ueberreste sogenannter Pfahlbauten erhalten. Ganze Häuserreihen konnten nach Abtragung einer 2 Meter tiefen Torfschicht bloßgelegt werden. Beide Siedlungen, die ausgegraben wurden, haben eine Ausdehnung von ca 1½ Quadratkilometer. In dem Sumpf oder gar dem See fand man Pfähle in die Erde getrieben, worauf die Wohnstätten hergerichtet waren. Der Boden, eiwa 20 und mehr Quadratmeter umfassend, ist aus Balkenwerk, Brettern und gestampfer Erde(Estrich) hergestellt. Ueber dem Unterbau wurden die Seitenwände aus Brettern errichtet, die Wetterseite durch eine Lehmwand geschützt. Das Innere enthält zumeist einen Raum, doch kommt es auch nicht selten vor, daß dieser durch eine Holzwand wieder geteilt ist. Die Innenwände sind durch eine Birkenrinde verkleidet. Der Wohnraum umschließt in der Mitte, von Steinen eingefaßt, die offene Feuerstelle, um diese befindet sich die Lagerstätte. Eine Plattform aus Balkwerk bildete den offenen Vorraum des Hauses. An einem Hause ist sogar noch das eingesunkene Dach mit seinem Balkwert und der Rindenbedeckung erhalten. Die zweckmäßigen Bauten inmitten des Sumpses, feindlichen Menschen und Tieren unzugänglich, waren durch primitive Werkzeuge aus Steiz hergestellt.
Ihre Handwerksgeräte fertigten sie aus Kalk, Sandstein, besonders aber Feuerstein an. Mit einem harten Schlagstein wurden von einem größeren Knollen Späne geschagen, deren Kanten wurden mit einem beinernen oder hölzernen Gegenstande durch feinere Absprengungen zugespitzt und geschärft und auf diese Weise zur Steinaxt, dem Steinbeile, dem Steinmesser oder der Pfeilspitze hergerichtet. Holzgriffe wurden an einem Ende gespalten, die Axt in den Spalt geklemmt und mit einem getrockneten Darme festgeschnürt. Wie diese Leute mit solchen Werkzeugen Bäume fällten und bearbeiteten und das Holz zum Häuserbau verwerteten, so benutzten sie auch die Steinwerkzeuge, um aus Holz Keulen, Speere, Bogen und Pfeilschafte anzusertigen; sie höhlten sogar Bäume aus, die ihnen als Kähne dienten, um den Verkehr der Stammesgenossen untereinander zu ermöglichen. Ein mitten im Schussenrieder Torfmoor ausgegrabener Einbaum von 8,70 Meter Länge und 0,50 Meter Breite wurde in die Altertumssammlung nach Stuttgart überführt.