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Nr. 147.
Dienstag, den 1. Juli 1913
8. Jahrgang
DieStruktur der Jeluitenverfolgung.
sich der Fall von Coesfeld nur in einerkur­zen Anfrage behandeln, so daß die Bespre­chung der Antwort ausfiel. Die Presse aber haben, um die Gefährdung unserer idealen. ter zu beleuchten. Wie in dem Pforzheimer Fall, so muß die Aber auf diesem Gebier, wo es sich um so Regierung auch zurRechtfertigung des Vor­gehens in Coesfeld einen Eiertanz ausführen. Der Regierungspräsident, der die Standes­exerzitien behindert hat, soll nicht ins Unrecht gesetzt werden; aber derReichskanzler, der feier­lich sich gegen Verschärfungen der bisherigen Praxis ausgesprochen hat, soll auch Recht be­halten. Zu dem Zweck wird die einfache Tat­sache, ob vor 6 Jahren in Coesfeld dasselbe, was jetzt behindert wurde, zugelassen worden ist, im unklaren gelassen. Als ob Coesfeld im Caprivizipfel läge, und zehn ganze Tage nicht hinreichten, um von dort eine amtliche Aus­kunst über ein paar einfache tatsächliche Fragen zu erhalten. Zur Beschönigung des schreien­den Widerspruchs zwischen den Worten de­Reichskanzlers und den Handlungen der Be­heitliche Handhabung des Gesetzes in allen Tei­len des Reiches sicherzustellen, nämlichbei derStruktur des Gesetzes vom 4. Juli 1872/wie wir jetzt erfahren, der preußische Kultus­und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Ausführungsverordnung. Festnageln muß man dieses amtliche Zuge­ständnis von der schlechtenStruktur, dieser greifen. Sie sind eingestandenermaßen so man­gelhaft abgefaßt, daß die Rechtssicherheit in die Brüche geht. In einem Kultur= und Rechts­staate kann man aber doch verlangen, daß allenparatur sehr mangelhaft unzulänglich, schlecht das ihnen bleibt, und über die Bedingungen, unter denen ein Eingreifen der Behörden zu­lässig und möglich ist. Wenn man durchaus die Jesuiten außerhalb des gemeinen Rechts stel=[Praxis wird sich aber nicht aus der Welt schaf­len wollte, so mußte man ihnen doch wenigstens
Bei der Geschäftslage im Reichstage ließlbestimmt und genau sagen, was sie tun dürfen und zu lassen haben. Und wenn man die deut­schen Katholiken durch ein Ausnahmegesetz in der Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse einschränken wollte, so mußte man ihnen doch muß trotz aller Steuerfragen Zeit und Raumsermöglichen, bei ihrem Verkehr mit den Je­suiten das gesetzlich Zulässige von dem gesetz­lich Verbotenen zu unterscheiden. empfindliche Interessen und Gefühle handelt, läßt man die Unsicherheit des Rechts bestehen. 41 Jahre nach dem Erlaß des Ausnahmege­setzes und ein Dutzend Jahre nach der Auf­hebung des§ 2 sind schon verflossen, und jetzt noch erklärt die Regierung: bei der Struk­tur des Verfolgungsapparätes sei eine einheit­liche Handhabungschwer. D. h. die Jesuiten und die Katholiken sind der Gnade und Ungna­de der örtlichen Behörden ausgeliefert. Beratungen beschloß er, eine neue Abgrenzung der verbotenen Ordenstätigkeit, und nach de­ren Wortlaut war eine arge Verschärfung der hörden wird des weiteren ausgeführt, daß bisherigen Anwendung des Gesetzes zu befürch­es überhaupt sehr schwer sei, eine völlig ein=lten. Da folgte nun auf die Bundesratserklär­ung bald eine Erklärung des Reichskanzlers, nach der jede Verschärfung der bisherigen Pra­xis ausgeschlossen sein sollte. Obendrein hat, minister am 12. Dezember 1912 eine Verfügung erlassen, die im Sinne des Reichskanzlers ge­halten sein soll. Die erforderliche Klarheit und Rechtssicherheit ist aber damit nicht geschaffen; Bestimmungen, die in die Rechte und die rell=lschlusses hat man in Coesfeld jetzt etwas ver­giösen Interessen der Staatsbürger so tief ein=hoten, was vor 6 Jahren zugelassen worden verzichten! Nieder mit dem Militarismus, hoch war. In der Tat, die Struktur ist trotz aller Re­Staatsbürgern Klarheit und Sicherheit gegeben Nun läßt der Reichskanzler sagen, er wolle mit denzen des Scheidemann'schen Redeproduktes wird über das Maß der Bewegungsfreiheit, dem Kultusminister nochmals über ein Flick= in's Gericht. Unverholen sagte er den Sozial­werk verhandeln. Der Widerspruch zwischen dem Bundesratsbeschluß und der früheren
läßt sich überhaupt nicht den Anforderungen eines Kultur= und Rechtsstaates anpassen. Die Struktur ist von Grund aus verfehlt, und das einzige wirksame Heil= und Hilfsmittel ist die Aufhebung des unseligen Ausnahmegesetzes. Das ist die Moral des Vorganges von Coes­feld!
Deutscher Reichstag Stimmungsbild.
saller bürgerlichen Parteien von dem großen Irrtum der Sozialdemokratie, als ob das deut­sche Volk gegen eine Erhöhung unserer Wehr­macht sei. Darüber entbrannte natürlich nochmals Herr Scheidemann vor Zorn.Wer gibt dem Reichskanzler das Recht, hier im Namen des Volkes zu sprechen? Er sitzt hier durch den Willen eines Einzigen, uns hat das Volk hierher geschickt. Die Begriffsverwirrung der Sozialdemo­kratie schien einen pathologischen Charakter an­zunehmen. Wenn Herr Scheidemann mit seiner Rede etwas erreicht hat, dann ist es das, daß Berlin, den 28. Juni. nach diesen unglaublichen sozialdemokrarischen Exzessen die bürgerlichen Parteien sich noch Im Reichstage kam es heute bei der dritten leuger zusammenschließen werden. Nach dieser
Stürmische Sitzung. Beratung der Wehrvorlage zu einem scharfen sehr dramatischen Auseinandersetzung zwischen Zusammenstoß zwischen den Sozialdemokraten dem verantwortlichen Leiter der deutchen Po­und dem Reichskanzler. litik und dem verantwortlichen Leiter der Ob­Abgeordneter Scheidemann, der noch struktionspartei leerte sich das Haus zusehends. vom vorigen Jahre her wegen seiner aufreizen­] Es ist heute Samstag und die Volksvertre­den Reden gegen jede Heeresvermehrung un= ter wollen womöglich über Sonntag nach Hause. rühmlich bekannt ist, ließ sich die Gelegenheit Der Aeltestenausschuß hatte am Freitag in nicht nehmen, die letzte Beratung der dies= kluger Voraussicht beschlossen, alle wichtigen jährigen Heeresvorlage zu einer tobenden Hetz=[Abstimmungen bis auf Montag zu verschieben. rede zu benutzen. Er ließ die schwersten Ge= Wie recht er damit hatte, zeigte sich bald an der Im vorigen Herbste hat der hohe Bundesrat schütze aus dem Requisitenkasten seiner dema= immer mehr verringernden Besetzung des sich mit der Struktur befaßt. Nach feierlichen gogischen Ueberredungsphrafen auffahren und Hauses. Nach einigen unwesentlchen Debatten schleuderte wahl= und ziehllos die unglaublich=wurden die kleineren Punkte sämtlich im Sin­sten und ungerechtfertigsten Anklagen ins ne der zweiten Lesung angenommen, während Haus. Bei jedem Schlag, den er gegen die die Entscheidung über die 6 Kavallerieregimen­bürgerliche Gesellschaft und vor allem gegen ter und über den Wehrbeitrag bis Montag ver­das Heer führte, brüllten die roten 110 mit schoben wurden. wahrem Indianergeheul ihren Beifall. Nach] Der Reichstag wird also noch zwei Tage Zeit Ansicht des Herrn Scheidemann sind die bür=haben, bis er sich endgültig über die großen gerlichen Parteien des Reichstages die man Fragen der Wehr und Deckungsvorlage ent­höre wahren Urheber der französischen Sol= scheidet und daß er sich seiner großen Aufgabe datenrevolten. bewußt sein und beide Vorlagen nach den Be­Ein Witz, den außer Herr Scheidemann selbst schlüssen der zweiten Lesung annehmen wird, sonst wohl niemand versteht.Rüsten Sie ab, darüber kann heute kaum noch ein Zweifel herr­lehnen Sie diese ungeheuerliche Vorlage ab, schen. denn auf Grund des scharfen Bundesratsbe= und binnen 24 Stunden wird Frankreich auf
die Zurückhaltung des zweiten. Jahrganges der Sozialismus! so rief er am Schlusse seiner [Rede emphatisch aus. Nun erhob sich Herr v. Bethmann­Hollweg und ging sehr scharf mit den Ten­demokraten, daß es ihnen mit allen ihren Hetz­reden nicht darum zu tun sei, zu bessern und vernünftige Kritik zu üben, sondern daß alle
sen lassen. Ein derartiges Verfolgungsgesetz seien. Der Kanzler sprach unter dem Beifall handlungsberich
Politische Uebersicht. Deutsches Reich. Berlin, 29 Juni 1913. Der Reichstag hat die Heeres= und Wehre vorlage in dritter Lesung angenommen. Der Kaiser und sein früherer Pächter. Eine weitere nachträgliche Rehabilitierung hat der Kaiser seinem früheren Pächter Sohst zuteil hre hochtönenden Worte bewußte Negation werden lassen. In dem jetzt erschienenen Ver­
Satzung
Ich lasse Dich nicht. Original=Roman von H. Courths=Mahler. (Nachdruck verboten.) Unbesorgt, Käthe, Sonja ist ein fester Cha­rakter, der sich selbst zu behüten weiß. Das wohl. Aber du glaubst nicht, wie hier schon jeder Mann den Kopf nach ihr drehte. Und nun gar Berlin. Sonja ist noch viel schö­ner, wie ihre Mutter, in jungen Jahren war. Und wie habe ich die schon bewundert. Ich ha­be es immer verstehen können, daß du neben Elisa keine andere beachten konntest. Er streichelte ihr Haar. Du kannst dich auch sehen lassen, Käthe, neckte er. Sie lachte. Ja doch. Aber noch mal auf Sonja zu kommen wenn ich sie hier zwischen andern stolzer Schwan unter Gänsen. Sie hat entschie­den etwas Aristokratisches in ihrer Erschei­nung. Du das Gleichnis ist nicht schmeichelhaft für die andern. Hast aber recht, Käthe, Sonja ist ein Ausnahmegeschöpf in jeder Beziehung. Hoffentlich findet sie ihr Glück in dieser neuen Stellung. Und nun erzähle mir, was haben unsere Rangen heute alles angestellt? Haben sie euch das Leben redlich sauer gemacht? Käthe seufzte auf. Ach unser Trio! die glücklichen Eltern unerschöpflich war. Die zurückkehrende Großmutter stimmte begeistert ungswürdiger Grazie zu tragen und zur Gel­mit ein. Sie fand immer die drolligsten Züge
san ihren Enkeln heraus und bewahrte sie voll!Ich freue mich sehr Mama, daß du dich end­
Humor, um sie immer wieder zu erzählen.(lich entschlossen hast, eine junge Dame zu deiner Gesellschaft zu engagieren. Es machte mich im= Tatjana umfaßte sie erschrocken. Die Fürstin Kalnoky war in Begleitung mer unruhig, dich nur von der DienerschaftMama liebe Mama nicht daran den­ihrer neuen Gesellschaftsdame in Paris einge= umgeben zu wissen, sagte Tatjana in ihrer troffen. Herzlich und innig begrüßt von ihren alten, lebhaften Art. Angehörigen, hatte sie ihren Einzug in das Maria Petrowna lächelte. Botschafterpalais gehalten. Nun saß sie mitJa, Kind es ist mir nun selbst sehr an­ihrer Tochter allein in deren Salon. genehm. Ob ich mich freilich so schnell ent­Tatjana Sogareff war noch eine blendend schlossen hätte, wenn ich nicht gerade dieser schöne Erscheinung, trotzdem sie fast das vier= junge Mädchen gefunden, fragt sich sehr. Du zigste Jahr erreicht hatte. Ihr lebhaftes Tem= glaubst gar nicht, wie außerordentlich ange­perament und vernünftig betriebener Sport nehm mir ihr Wesen und ihre Erscheinung ist. hatten ihr die mädchenhafte Schlankheit be­Du hast immer eine große Vorliebe für schöne Menschen gehabt, Mama, genau wie ich. wahrt. Man sah ihr nicht an, daß sie die Mut­ter ihrer Söhne, zweier kraftvoller, stattlicherein nein, das ist es nicht, erwiderte Ma= so schönes Geschöpf, wie dieses Fräulein Son­
Iünglinge, war. Diese waren soeben mit ihrem Vater zu ei­nem Spazierritt nach dem Bois de Boulogne aufgebrochen. Tatjana pflegte sonst ihren Gat=snach ist und zufällig Roschnow heißt. ten und ihre Söhne auf diesen Spazierritten zu jungen Mädchen sah, kam sie mir vor, wie ein begleiten. Diese vier schönen, kraftvollen Men=teresse schon erweckt war. Mir fiel irgend et­schen wurden von den lebhaften Parisern sehr prachtvollen Tieren dahinritten. Heute war Tatjana lieber bei der Mutter geblieben, um mit ihr zu plaudern. Mutter und Tochter saßen, zärtlich anein­sich bei den Händen.
ria Petrowna lebhaft.Ich weiß nicht, woran es liegt, daß sie mir vom ersten Augenblick an ein so warmes Interesse einflößte." Vielleicht weil sie Russin der Abstammung Das erfuhr ich erst später, als das In­was an ihr auf, und zwar sehr angenehm. Ir­bewundert, wenn sie, Seite an Seite, auf ihren gend eine Aehnlichkeit, über die ich immerfort grüble, ließ mich stutzen. Hauptsächlich, wenn sie lächelt, erinnert sie mich an jemand aber ich weiß nicht, an wen. Das geht einem zuweilen so, Mama. Uebri­ander geschmiegt auf einem Diwan und hielten gens ist es merkwürdig, daß ich dieselbe Emp­findung hatte, als ich die junge Dame vor mir
Tatjana trug ein entzückendes Kleid aus sah. Jedenfalls ähnelt sie also jemand, den wir feinen, fließenden Stoffen in ganz zartgrauer beide kennen. Die Hauptsache ist jedoch, daß Farbe über ein Unterkleid von fliederfarbiger sie dir gefällt und sympathisch ist, und daß es weicher Seide. Ihre Toiletten wurden selbst bleibt. Mir hat sie einen sehr guten Eindruck Und nun war ein Thema gegeben, das für von den Pariserinnen immer sehr bewundert. gemacht. Allerdings für eine Gesellschafte­
Sie verstand dieselben aber auch mit bewunder­tung zu bringen.
rin ist sie eine auffallende Schönheit. Maria Petrownas Gesicht wurde ernst, fast düster.
!Ich habe ja keinen Sohn mehr im Hause, dem sie gefährlich werden könnte. ken bat sie zärtlich. Maria Petrowna seufzte. Ach, Kind wenn ich nicht mehr leben werde dann erst werde ich aufhören, daran zu denken, was mir das Leben genommen hat. Das müßtest du doch verstehen, du, die Mutter zweier hoffnungsvoller Söhne. Tatjana nickte ernst. Nur zu gut kann ich dich verstehen, liebste Mama. Und ganz offen, wenn meine Söhne sechs bis acht Jahre älter wären, möchte ich ein ja, nicht im Hause haben. Daran tätest du recht" seufzte die alte Da­me.Wie oft habe ich bereut, daß ich dir da­mals in der jungen Deutschen eine so schöne Gesellschafterin gab. Ich bin heute noch fest da­von. überzeugt, wenn sie nicht ins Haus ge­kommen wäre, lebte mein Sascha heute noch. Tatjana sah sinnend vor sich hin. Vielleicht, Mama, wer kann es wissen. Aber wie es auch sein mag, die arme Elisa konnte auch nicht dafür daß sie Saschas Schick­sal wurde. Er ist ja auch das ihre geworden. Sie hatte übrigens ebenso schönes, goldenes Haar, wie deine neue Gesellschafterin. Es war kaum ein Wunder, daß sich Sascha so sehr in sie verliebte. Was mag aus ihr geworden sein? Maria Petrownas Gesicht nahm einen har­ten Ausdruck an. Wer weiß! An gebrochenem Herzen ist sie sicher nicht gestorben. Sie hat sich jedenfalls sehr schnell mit einem andern getröstet. Liebste Mama du bist sonst so gut aber über die arme Elisa hast du immer zu hart ge­