N UMMER130 Montag, 22. Mai 1944
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Die Mission der Mütter
sam die Brücke des Bewußtseins zum Leben tastend wieder überschreiten, ihre erste Lebensäußerung nicht dem eigenen Schmerz gilt, sondern die Frage über ihre Lippen kommt: Wie ist der Kampf ausgegangen, haben wir die Stellung gehalten, was ist aus den Kameraden geworden...2, während zur selben Zeit in Hunderten von Stuben Mütter die gewaltigste Auseinandersetzung ihrer Kräfte an sich geschehen lassen, die ihren ganzen Lebenswillen und ihre Lebensbejahung auf den Plan ruft, um neues Leben zu schenken; und selbst bei der schwersten Geburt wird auch hier die erste Frage sein: Lebt mein Kind und ist es gesund?, und nicht unser Verstand ist es, der hier fragt, sondern unser Urinstinkt, der in die Zukunft schaut und sie allein durch unseren bedingungslosen Einsatz gesichert weiß; denn eine andere Sicherung der Ewigkeit als der Einsstz seiner Mütter und seiner Soldaten mit ihrem eigenen Blut gibt es für ein Volk nicht.
So stehen wir gerade am heutigen Tage im Geiste Hand in Hand, jeder wohl mitten in seinem Alltag mit all seiner Not, seinen Forderungen und seiner unerbittlichen Härte, die Füße fest auf dem Boden der Tatsachen, die es zu bestehen gilt, die Hände bereit, zuzugreifen oder auch zuzuschlagen, die Herzen. fest gepanzert gegen alle eigene oder fremde Furcht, weil unser Lebenswille und unser Lebensglaube größer ist als alles andere; unser stärkster Vertrauensbeweis dafür sind unsere Kinder.
Angriffe bei Pontecorvo zum Stehen gebracht
Aus dem Führerhauptquartier, 21. Mai. Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:
Nachdem der Feind am Vormittag des 20. Mai unsere neuen Stellungen am Westflügel der italienischen Südfront nur mit schwächeren Aufklärungsvorstößen abgetastet hatte, trat er in den Nachmittagsstunden erneut mit starken Infanterie- und Panzerkräften zum Großangriff an. Um den Ort Fondi entbrannten erbitterte Kämpfe. Im Abschnitt Pico-Pontecorvo erzielte der Gegner einen örtlichen Einbruch. Gegenmaßnahmen zur Abriegelung sind im Gange. Besonders heftige feindliche Angriffe wurden an den Stadträndern von Pontecorvo zum Stehen gebracht. Im Abschnitt von Piedtmonto wurden starke feindliche Angriffsgruppen im zusammengefaßten Artillerie- und Werferfeuer zerschlagen, ein Einbruch im Südostteil des Ortes nach hartem Kampf im Gegenangriff wieder beseitigt.
Bei den schweren Abwehrkämpfen der letzten Tage zeichnete sich der Führer einer Kampfgruppe, Oberst Nagel, durch besondere Tapferkeit aus.
Im Landekopf von Nettuno wurden stärkere feindliche Aufklärungsvorstöße südöstlich Aprilia und südlich Cisterna abgewiesen.
Im Osten fanden keine Kampfhandlungen von Bedeutung statt.
Starke deutsche Kampffliegerverbände griffen in der letzten Nacht die Eisenbahnknotenpunkte Schepetowka und Sdolbunowo mit zahlreichen Spreng- und Brandbomben an. Es entstanden Großbrände und Zerstörungen.
Marine-Küstenbatterien nahmen sowjetische Stellungen auf der Halbinsel Magerburg in der Narwa-Bucht mit guter Wirkung unter Feuer und versenkten ein feindliches Nachschubfahrzeug.
Wachfahrzeuge der Kriegsmarine schossen über dem Finnischen Meerbusen vier sowjetische Bomber ab.
Bei Einflügen in die besetzten Westgebiete und in das westdeutsche Grenzgebiet verlor der Feind sechs Flugzeuge..
In der letzten Nacht warfen einige britische Flugzeuge Bomben auf Orte im rheinisch-westfälischen Raum.
Das Eichenlaub verliehen
Führerhauptquartier, 20. Mai. Der Führer verlich am 14. Mai das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an
Oberfeldwebel Johann Schwerdfeger in einem württembergisch-badischen Jägerregiment als 474. und an Generalleutnant Emil Vogel, Kommandeur der württembergisch-badischen 101. Jägerdivision, als 475. Soldaten der deutschen Wehrmacht.
Generalleutnant Vogel hat beide Eisernen Kreuze im Polenfeldzug als erster Generalstabsoffizier eines Armeekorps, das Deutsche Kreuz in Gold im Frühjahr 1942 als Chef des Stabes eines Generalkommandos erhalten. In den schweren Abwehrkämpfen und Absetzkämpfen im Westkaukasus und im KubanBrückenkopf im Winter 1942/43 erwarb er sich das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Er wurde am 20. 7. 1894 in Zwickau geboren
Oberfeldwebel Schwerdfeger hat das Ritterkreuz vor genau einem Jahr erhalten für seinen Anteil an besonderen Kampferfolgen seiner Kompanie im Westkaukasus. Er wurde am 24. 11. 1914 in Plein(Kreis Wittlich) geboren
Eichenlaubträger gefallen
Rittmeister Andreas Thorey, am 3. November 1912 in Hitzacker geboren, der bereits im September 1942 für seinen entscheidenden Anteil an der Einnahme von Krasnodar das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes erhalten hatte, fand im April dieses Jahres bei den schweren Kämpfen im Osten den Heldentod.
Erbitterte Kämpfe in Süditalien
Englands Abstieg
Zwischen den Imperialismen des Westens und Ostens
bb Berlin, 21. Mai
Großbritannien in Zukunft in der internationalen Politik
ihre Kultur keineswegs der europäischen überlegen sei. Ubrigens, fährt die World Review fort, verfielen die Amerikaner gegenüber den Sowjets in den gleichen Fehler, würden doch
Ritterkreuz für Marineofliziere
Rumänischer Konteradmiral ausgezeichnet
Berlin, 21. Mai. In Anerkennung ihrer Verdienste um die unter schweren Kämpfen durchgeführten Abtransporte der Krimkämpfer verlieh der Führer das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an den Kommandierenden Admiral Schwarzes Meer, Vizeadmiral. Brinkmann, an den Kommandierenden der Seeverteidigung Krim, Konteradmiral Otto Schulz, und an den Oberbefehlshaber der rumänischen Seestreitkräfte, Konteradmiral Marcellario.
Bei der Uberreichung des Ritterkreuzes an Konteradmiral Macellario verlas Vizeadmiral Brinkmann in Anwesenheit der rumänischen Offiziere und Mannschaften ein Telegramm des Großadmirals Dönitz, das an den Minister und an das Staatssekretariat der rumänischen Marine gerichtet war und das das Zusammenwirken der rumänischen und der deutschen Marine bei der Rückführung der tapferen Krimkämpfer unter schwerster feindlicher Gegenwirkung als einen neuen Markstein im gemeinsamen Kampf der verbündeten Nationen bezeichnete. Weiter sprach dieses Telegramm den beteiligten Seeleuten der rumänischen Kriegs- und Handelsmarine Dank und besondere Anerkennung aus. An Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der rumänischen Kriegs- und Handelsmarine wurden Eiserne Kreuze verliehen. Konteradmiral Macellario ist der erste rumänische Marineoffizier, der mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet worden ist. Der Kommandierende Admiral Schwarzes Meer, Vizeadmiral Brinkmann, zeichnete ferner eine Anzahl ungarischer Seeleute der Handelsmarine durch die Uberreichung des Eisernen Kreuzes aus.
Neue Ritterkreuzträger
Oberfeldwebel Filius, Bordfunker in einem Schlachtgeschwader, geb. am 20. Juli 1916 in Loßlau, Kreis Rybnik(OS).
Obergefreiter Pirhofer, Richtkanonier in einem Flakrigiment, geb. am 12. Januar 1922 in Meran.
Rundtunkansprache der Reichstrauenführerin
Am Sonntag, dem Tag der deutschen Mutter, sprach die Reichsfrauenführerin Frau Scholtz-Klink über den Rundfunk. Sie führte aus:
Mit ganz besonderen Gefühlen begehen wir in diesem Jahr den Tag der deutschen Mutter. Eine große Scheu ist in uns, in dieser Zeit angespannter Anstrengungen der gesamten Front und Heimat, wenn auch nur für einen Tag, besonders herausgehoben zu werden und im Mittelpunkt zu stehen. Zugleich aber sind wir uns vielleicht noch niemals so eindringlich unserer Mission gerade als Mutter unseres Volkes bewußt geworden wie heute.
Unsere Heimat ist weitgehend Kriegsgebiet geworden durch die Luftangriffe, und dadurch ist zu den Sorgen und Belastungen, die jeder Krieg normalerweise für die Heimat mit sich bringt, eine zusätzliche große Kräfteanspannung gekommen.
So können wir gar nicht anders, selbst wenn wir es wollten, als diesen Tag in das Geschehen unserer Zeit hineinstellen und aus ihm und der Gemeinschaft, die uns heute ganz besonders aneinanderbindet, eine Stärkung unserer Unbeirrbarkeit und unserer Zuversicht mitnehmen.
Der diesjährige Muttertag steht unter dem Wort: Mütter, ihr tragt das Vaterland! Ein Wort, das alles in sich birgt, was eine Mutter für ihr Volk nur bedeuten kann, als leibliche Trägerin des Vaterlandes, da sie ihre Kinder manches Jahr ihres Lebens im wahrsten Sinne des Wortes in ihrem Schoß trägt und damit sein Bestehen überhaupt erst garantiert. Aber ebenso sehr als die Vertrauensträgerin und Nieverzagende ihres Volkes. Gerade die letztere Mission weist uns zuerst zu den Müttern, die in zwiefacher Form Leben gaben: einst, als sie es als junge Frau gebaren, und heute, wenn sie es laufend darbringen— beides für ihr Vaterland. Für das neue werdende Europa geben sie ihre Söhne, so wie sie einst für Deutschland ihre eigenen Schmerzen ertragen haben. Ungleich schwerer aber als die eigenen Geburtswehen seinerzeit ist das, was sie heute geben; denn damals stand am Ende allen Schmerzes das greifbare Leben, heute steht sie am Ende mit leèren Händen und muß sich halten an das Wissen, daß hinter den leeren Händen trotzdem Großes steht: das überpersönliche Leben ihres Volkes. Es ist das schwerste Opfer, das eine Mutter bringen kann; und es vollzieht sich nicht erst, wenn die Nachricht kommt, daß der, dem sie einst das Leben gab, vor dem Feind geblieben ist Sie gab ihn eigentlich von dem Augenblick an, als er zum erstenmal im feldgrauen Rock vor ihr stand und trat damit an ihr Volk bewußt ab, was sie bis dahin als ihr eigen betrachtet hatte. Durch Tage, Wochen, Monate, vielleicht durch Jahre ging sie als aufrechte und tapfere Frau, voll und ganz an ihr Tagewerk hingegeben, weiter ihren Weg, sei es daheim bei ihren anderen Kindern oder draußen an ihrem Arbeitsplats— oft noch dazu in den harten Bombennächten—, ununterbrochen aber im Unterbewußtsein die Sorge um den draußen und das Gefühl, daß jede Stunde es sein könnte, die ihr für immer von ihr fordert. So ist eigentlich der Augenblick, wenn die Nachricht kommt, daß dieses immer und immer wieder gebrachte Opfer nun unwiderruflich geworden ist, nur der Abschluß einer von Anfang an vorhandenen inneren Bereitschaft, aus der dann aber auch die tapfersten und die festesten Stützen unseres Volkes erwachsen.
Von diesen Müttern führt eine natürliche Brücke zu den Frauen, die in den Kriegsjahren unserem Volk Kinder geschenkt haben und es laufend tun, und die ebenfallg mehrfachen Belastungen ausgesetzt sind, wenn auch in anderer Art als die vorher genannten Mütter. Denn Kinder in normalen Friedenszeiten tragen, gebären ind aufziehen, bringt wohl auch manche Mühe und Sorge mit sich— aber das Glück, sich im Schutze einer geordneten Umgebung ihrer freuen zu können, überwiegt alles andere. Heute ist es in sehr vielen Fällen so, daß die Sorge um die äußeren Voraussetzungen, angefangen von der Wohnung, Kleidung, Ruhe und Geborgenheit bis zum Allein-auf-sich-gestellt-sein, schwer wiegt in der einen Waagschäle, auf deren anderen Seite der kleine Mensch mit all seinen tausendfältigen Wundern liegt; doch so sehr sich scheinbar im ersten Augenblick alle Unruhe unserer Zeit, so sehr sich vor allem Bombenterror und Kinderbringen widersprechen, so notwendig ist gerade mit zunehmender Schwere des Krieges der Ruf nach Kindern und nach bereiten, über sich hinausschauenden Müttern. Je härter der Krieg wird, das heißt, je mehr ein Gegner uns seinen Vernichtungswillen kundtut, desto fanatischer muß und kann nur unser Lebens- und Erhaltungswille sein. Und wenn wir schon in Friedenszeiten von der Frau als der Mutter der Nation gesprochen haben, wenn der Führer ihr als ehrende Anerkennung das Mutterkreuz verliehen hat, so lehrt die Härte des Krieges uns, daß wir mit Bewußtsein und in voller Verantwortung mit dem Blick in die Zukunft hier ebenbürtig dem Soldaten etwas ganz allein in unsere eigene Entscheidung gestellt sehen, was uns niemand anderes abnehmen kann: nämlich das starke Weiterbestehen unseres
Volkes und damit die letzte Sinngebung dieses Krieges und des heldenhaften Kampfes unserer Männer und Brüder überhaupt Sie werden, wenn sie endgültig eines Tages nach Hause kommen, die Trümmer unserer Städte vorfinden, aber als blühendstes, das alles sonnig überstrahlt, müssen sie unsere— ihre Kinder vorfinden! Und so wie der Soldat ja seinen Kampf heute unter unerhörten, für ihn aber ganz selbstverständlichen Erschwerungen und Bedingungen trägt, so muß er uns, seine Frau an seiner Seite wissen, und besonders die Frauen, die das Glück haben, ihre Männer nicht nur für kurze Zeit, sondern auf Grund ihrer heimatgebundenen Kriegsaufgaben bei sich zu wissen, haben hier eine doppelte Verpflichtung und einen Dank an ihr Volk abzustatten.
Wir wissen alle, daß gerade vielleicht die besorgte Mutter aus einem natürlichen, in erster Linie aber doch um die eigene Familie kreisenden Denken heraus, die Zahl ihrer Kinder gern abhängig macht von den äußeren mständen; sie will sich ordentlich um sie kümmern können, so wie sie das von zu Haus aus gewöhnt war, wie sie es sich vorgestellt hat und wie es in normalen Zeiten ja auch als Maßstab gut und richtig sein mag. Sie denkt vielleicht über dieser gutgemeinten persönlichen Sorge nur manchmal nicht daran, daß die heute zu Sebärenden die tragenden Säulen von morgen sein müssen, und daß die letzte Krönung des gigantischen Kampfes ihres eigenen Mannes vom Schicksal nicht vollzogen wird mit der äußeren Beendigung dieses Krieges, sondern, erst dann, wenn das heute Erkämpfte von der nächsten Generation übernommen und gehalten werden muß, daß heißt, das, was uns das Mutterwerden und Muttersein heute an äußeren Umständen erschwert, vergeht eines Tages und ist überwunden, was aber aus Furcht vor den Erschwerungen Jahr um Jahr nicht geboren wird, ist eines Tages nicht vorhanden, ohne daß die Belastungen dieses Krieges dadurch wesentlich verringert worden wären Denn immer wieder muß auch bei allem Erschwerenden das kleine Wunder: Mensch, das wir Mütter ja allern an uns geschehen lassen können, entscheidend als größtes persön lichstes Geschenk in die Waagschale geworfen werden.
Im Grunde genommen liegt dieses Uber-uns-hinaus-Denken instinktiv in jeder wirklichen Mutter, ohne allerdings meist in die Sphäre des Bewußtseins zu dringen, genau wie beim richtigen Soldaten; wie oft erleben und bewundern wir gerade bei unseren ganz jungen Schwerverwundeten, daß, wenn sie lang
nur noch eine mindere Rolle wird spielen können, dürfte heute jedem einsichtigen Engländer klar geworden sein Wenn er in der Erkentnis noch nicht so weit vorgeschritten sein sollte, so wird es ihm vor allem von amerikanischer Seite in stets ungenierter werdender Form deutlich gemacht, Wenn der amerikanische Staatssekretär des Auswärtigen, Hull, auf der alljährlich veranstalteten Außenhandelswoche sagte, die Führung bei der Entwicklung eines neuen internationalen Handelssystems und neuer wirtschaftlicher Beziehungen werde zum großen Teil den Vereinigten Staaten zufallen, weil sie über ein gewaltiges wirtschaftliches Potential verfügen und„diese Führungsaufgabe in erster Linie auch aus Gründen des puren Selbstinteresses übernehmen würden“, so heißt das eben, daß Großbritanniens Bedeutung und Mitwirkung bloß noch zweitrangig sein werde.
Es versteht sich von selbst, daß Hull den Führungsanspruch der Vereinigten Staaten altruistisch verbrämte, indem er hinzufügte, die USA könnten sich auf dem amerikanischen Kontinent nicht eines blühenden Wohlstandes und der Sicherheit im eigenen Lande erfreuen, wenn die Völker anderer Länder Not leiden und durch wirtschaftliche Härten zur Verzweiflung getrieben würden. Wenn die USA alle ihre Arbeiter unterbringen und für ihre Waren Märkte finden wollten, so müßten die Völker anderer Länder ebenfalls die Gelegenheit haben, eine Erzeugung entsprechend ihrer Höchstkapazität hervorzubtingen, damit sie den USA mit den Früchten ihrer Anstrengungen die Artikel und Güter bezahlen könnten, die sie ihnen verkaufen wollten. Diese Betonung der Selbstlosigkeit der USA einerseits, der wirtschaftlichen Interdependenz andererseits kann aber natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß Washington die Weltwirtschaftspolitik nach seinen eigenen selbstsüchtigen Interessen auszurichten bestrebt sein wird. Denn es ist Tatsache, daß, wie die britische Monatsschrift World Review feststellt, die USA „schon stark aus ihrem Isolationismus herausgehen“, so daß sie „nun damit die Gefühle der meisten Engländer verletzten“.
Hinzu kämen die alltäglichen Reibereien mit den Amerikanern in England sowie der Wettbewerbsneid. Es sei auch ein, ständiges Aufeinanderabschieben der Schuld für alle möglichen von beiden begangenen Fehler und heraufbeschworenen Mißstände zu beobachten. So z. B. machten die Engländer das Washingtoner Staatssekretariat des Auswärtigen für dit„reaktionären Tendenzen in der britisch-amerikanischen öffentlichen Politik verantwortlich, während die Amerikaner die Engländer als die hierfür Schuldigen bezeichneten. Die World Review muß eingestehen, es sei„unbestreitbar, daß die USA die stärkere von beiden Mächten ist“ und das Foreign Office zeige deshafb bei allen britisch-amerikanischen Ploblemen die Neigung, sich „von Washingion ins Schlepp nehmen zu lassen Was aber die Behandlung der Amerikaner in England angehe, so hätten die Engländer einige grundsätzliche Fehler gemacht Diese Amerikaner seien nämlich verwöhnt, da man anfänglich in ihnen übernatürliche Wesen erblickt hätte, die sich aber nachher als Menschen aus Fleisch und Blut herausgestellt hätten. Jetzt gingen sie deshalb wie verzogene Kinder den Engländern stark auf die Nerven, vor allem, nachdem die Engländer gemerkt hätten, daß
seigt in denen beiepieleneise das ganse Kochssenwesen überidealisiert“ werde. Die Kollektivfarmen würden wie komfortable nordamerikanische landwirtschaftliche Superbetriebe dargestellt.
Gegenüber dem anderen Bündnispartner, der Sowjetunion, ist die Lage Großbritanniens nicht minder unbehaglich und schwach. Die französisch-kanadische Zeitschrift Le Block, die für die völlige Loslösung Kanadas vom Empire eintritt und gegen die Teilnahme Kanadas in diesem Krieg war, also nicht gerade englandfreundlich ist, aber darum die Dinge wohl besonders klar sieht, zeigt gerade die Moskau-Hörigkeit Großbritanniens und seine Abhängigkeit vom Kreml auf. Warum hat die britische Politik diesen Weg eingeschlagen?, fragt der Verfasser, und antwortet, politischer Opportunismus fordere von den Engländern, daß sie den bolschewistischen Erpressermethoden in der Balkanfrage nachgäben, um freie Hand in Westeuropa und ihren Einfluß in Indien und Afghanistan und den, der ihnen in fran noch verblieben sei, zu behalten. Diese plötzliche Umstellung der englischen Politik auf eine Politik falscher Berechnung und des Opportunismus habe wie eine Dusche eiskalten Wassers auf die kleineren alliierten Regierungen gewirkt, die in London Schutz suchten, zumal England sie mit kühnen Worten vom Selbstbestimmungsrecht der Völker an sich heranlockte. Churchills Rede im Unterhaus am 22. Februar d. J. sei der Beweis dafür, daß die britische Regierung in ihren Händeln mit Moskau sich sämtlichen bolschewistischen Balkanforderungen unterwerfe. Angesichts dieser Lage sei nicht daran zu denken, daß das britisch-amerikanische Oberkommando größere Truppenlandungen an der jugoslawischen Küste durchführe. Denn dieses Wagnis einer Einmischung in eine Angelegenheit, die man Moskau überließ, nehme man nicht auf sich und stecke unterdessen jede Moskauer Ohrfeige untertänigst ein.
Für die USA stehe aber auf dem Balkan außerordentlich viel auf dem Spiel. England sei ohnehin schon verloren. Daran ändere auch nichts die Tatsache, daß es in letzter Minute sich auf seine alte imperialistische Politik besann und zum politischen Opportunismus zurückkehrte. Ich glaube, sagt der Verfasser, die Sowjetunion und die USA müssen als die beiden Großmächte der Nachkriegszeit aus diesem Krieg hervorgehen. Die übrige Welt blicke ihrem Ringen gespannt zu, vergesse darüber aber nicht„die schönen Versicherungen, feinen Worte und kühnen Phrasen“, die man früher aus Washington und London hörte, die aber jetzt unter einem unerhörten Druck aus dem Osten auf den Schutthaufen wandern. Die Diplomatie der Sowjetunion sei grausam, aber wirkungsvoll. Nach allem was sie sich in letzter Zeit leistete, dürfe man erwarten, daß sie bald noch grausamer wird, wenn sich nicht Washington schnell noch aufraffe, der Sowjetunion gegenüber eine scharfe Sprache anwende und entsprechend rigoros handele.
Das alles wird Washington und London nun freilich wenig mehr heifen, vor allem London nicht, das sich selbst verriet, als es das Bündnis mit dem Bolschewismus einging.
Ueber tausend Jahre hinweg
Der Kyrill- und Methoditag
Van unserem-Vertreter in Sofia
Sofia, im Mai.
Am 24. Mai feiert Bulgarien seinen Kyrill- und Methoditag. Es ist einer der höchsten Feiertage, der im ganzen Lande und besonders von der Schuljugend festlich begangen wird. Denn dieser Tag ist ein Kulturfeiertag, der zum Andenken der beiden Mönchsgelehrten gefeiert wird, die vor etwa tausend Jahren an ihrer Wirkungsstätte Saloniki als Mazedonier das bulgarische Alphabet erfanden, um ihren von alters her unter hellenischer Kultur und unter griechischem geistigen Einfluß lebenden Landsleuten die Möglichkeit einer schriftlichen Verständigung und kulturellen Eigenlebens zu geben. Daß sie damit weit mehr taten, daß sie dazu beitrugen, späterhin das bulgarische Volkstum und das bulgarische Volksbewußtsein zu erhalten, zu stärken und aus Erniedrigung wieder zu Ansehen und Blüte emporzutragen, war die weitere Folge. Jedenfalls verbreiteten sich die bulgarischen Schriftzeichen von Saloniki aus als das sogenannte kyrillische Alphabet über die ganze Slawenwelt, so daß Bulgarien mit Recht auf seinen Kulturfeiertag stolz sein kann.
Auch äußerlich bot dieser Feiertag von jeher ein reizvolles Bild. In früheren Jahren nahm der König selbst mit seinem gütigen Lächeln, später die Königin Joana mit den beiden Königskindern an der Feier teil. Wie alle bulgarischen Feiern, begann diese mit dem Gottesdienst unter grünem Baldachin und in der Pracht der orthodoxen Kirche, den kronenbehäupteten Geistlichen in ihren vielfarbenen metallschimmernden Gewändern, den goldenen Kreuzen und funkelnden Edelsteinen. Aber dennoch wurde dieses Bild an Farbenglanz und Buntheit übertroffen von dem Kranz der Schulkinder, die sich um sie reihen unter Fahnenmasten und Wimpeln und wippenden Girlanden. Mädchen in phantastisch malerischen Trachten, deren fein abgestimmte Farbenfreudigkeit dem Auge Genuß bereitet, andere wieder in strenger schwarzer Schuluniform, wieder andere in gleichartig, wirkungsvoll angebrachter stilisierter bulgarischer Stickerei, die Jungen meist in hochgeschlossenen, äußerst einfachen Uniformen, so stehen sie da, Sinnbild eines strebenden, kraftvollen Volkes, das sich mehr als einmal durch Nacht zum Licht, durch Ohnmacht zu Größe und durch Blut, Tränen und Opfer zu seiner Behauptung emporgerungen hat.
Das ist der äußere Rahmen, hinter dem sich für Bulgarien jedoch weit mehr verbirgt als nur ein Feiertag für die Jugend und der Gedanke an eine Geistestat, wenngleich sie von weittragender Bedeutung war und Bulgarien damit wie auch in anderen Fällen eine kulturelle Pionierstellung einräumte, die es späterhin auch durch seine Universität in Ochrid— die erste auf dem Balkan— und seine weithin berühmte Bibliothek gleichfalls in Ochrid behauptete.
Der Sinn des Festtages
In diesem Jahr nun, dem schwerwiegenden Kriegsjahr auch für Bulgarien, mag die Feier in manchen vom Kriege heimgesuchten Städten naturgemäß an äußerem Glanz einbüßen; sie wird dafür wie so vieles andere um so tiefer und innerlicher gefeiert. Denn man erinnert jetzt mehr als je daran, wie dieser Feiertag zustande kam, und welche Bedeutung er hatte in einer Zeit höchster Bewährung für Volk und Staat. Es war kurz nach der Wiedererstehung Bulgariens im Jahre 1878. Auf Englands Betreiben waren die Grenzen Bulgariens, die vorher bei dem Vertrag von San Stefano seinem Volkstum entsprechend festgelegt worden waren, durch die Berliner Konferenz beschnitten und das Land selbst in Nordbulgarien und in Ostrumelien aufgeteilt worden, von denen das letztere noch immer in Abhängigkeit von der Hohen Pforte blieb. Politisch eingeengt, militärisch schwach, diplomatisch ohnmächtig, wollte der junge Staat dennoch vor der Welt für seine Volkstumsgrenzen, für ein erweitertes Bulgarien, wie es ursprünglich geplant gewesen war, werben. Es blieb ihm damals nichts als der Kampf mit geistigen Waffen. Daß auch außerhalb der nunmehr gezogenen Grenzen Bulgariens noch Bulgaren lebten, war allzuoft in Schrift und Wort von Wissenschaftlern fast aller europäischen Völker, auch von Engländern selbst, bestätigt worden, ohne daß dies einen Einfluß auf die praktische Gestaltung hätte ausüben können. Es galt ein stärkeres Mittel zu finden, ein Mittel, das sich nicht nur auf das Urteil von Gelehrten, sondern auf die lebendig wirkende und drängende Volkskraft stützte. Dies war der bis dahin noch nicht allgemein gefeierte Festtag der Schriftgelehrten Kyrill und Methodi. Uberall, wo Bulgaren lebten, dachten und schrieben und die beiden Mazedonier als die Urheber ihrer Schrift anerkannten, sollte dieser Festtag gefeiert werden und zugleich ein Bekenntnis sein für bulgarisches Denken und Fühlen.
Bekenntnis zum Bulgarentum
Es wurde weit mehr. Denn so’ weit die bulgarische Sprache gesprochen wurde, von der Dobrudscha bis zum Agäischen Meer und vom Schwarzen Meer bis fast zur Adria, klang zugleich mit dem Abhalten dieses Feiertages weit über die enggezogenen territorialen Grenzen hinaus ein bulgarisches Treuegelöbnis auf, das keine Macht und keine Machtmittel der Welt verhindern konnte. Es war eine Volksabstimmung im wahrsten Sinne des Wortes. Sie bereitete die Vereinigung Nordbulgariens mit Ostrumelien und die— für den jungen neugeborenen Staat äußerst gefahrvolle— Unabhängigkeitserklärung und damit Bulgariens Aufstieg aus einem Vasallenstaat in ein freies Staatsgebilde vor.
Eben an diese Vorgänge erinnert man jetzt wieder in Bulgarien. Wieder wie einst ist von Freiheit und Unabhängigkeit die Rede, und wieder ist es England, dem die jetzigen bulgarischen Grenzen, die endlich Volkstum und Staat örtlich aufeinandergepaßt haben, zu groß erscheinen, während jedoch die Grenzen nur ein Vorwand sind, um seine machtpolitischen Ziele durchzudrücken die in einer Niederhaltung Bulgariens ihr Mittel zum Zweck sehen. Auch damals stand die Konstellation auf des Messers Schneide, ja es schien offensichtliche Vermessenheit für das kleine, eben aus der Taufe gehobene Bulgarien, einer Welt von Großmächten und Nachbarstaaten zu trotzen. Aber im Gefühl seines Rechtes verblieb es stolz und auf alles gefaßt bei seiner Haltung und kämpfte sich durch. Der Serbisch-Bulgarische Krieg von 1885, in dem Bulgarien nach nur siebenjährigem Staatsbestehen trotz aller gegenteiligen Erwartungen schnelle Siege erstritt, wurde in Bereitwilligkeit von Staat und Bevölkerung getragen, ein selbstverständliches Opfer unter vielen für das hohe Ziel.
Das Ziel, das Endziel, die Vereinigung der Bulgaren, wurde 1941 erreicht. Daß es jedoch nicht genügt für ein Land und einen Staat, das Ziel zu erreichen, sondern daß es darauf ankommt, wie auch die bulgarische Presse betont, das Ziel und das Erreichte nun zu behaupten und festzuhalten, das erlebt Bulgarien jetzt nicht zum erstenmal. Allein der Feiertag Kyrill