Freitag, den 3. Dezember 1911.

Mittag=Ausgabe.

Nr. 573. 38. Jahrgang.

9555

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Die heutige Mittag=Ausgabe umfaßt 6 Seiten.

*) Der Wahlaufmarsch der Parteien.

Alle Parteien mit Ausnahme des Zentrums sind nun mit ihren ossiziellen Wahlaufrusen auf den Plan getre­ten. Ein ohrenbetäubendes Durcheinander von Stim­men, aus denen der Wähler nur mit Anstrengung und all­mäßlich das Wesentliche heraushören kann. Die wort­reichen Parteiaufruse aller bürgerlichen Parteien haben troßz scharser Gegensätze manches Gemeinsame. Da ist vor allem der Streit um die Reichssinanzre­form. Von ihr gehen einige Proklamationen genade zu, in anderen nimmt sie den breitesten Raum ein. Der alte Streit! Vom höchsten Lob auf die mutige nationale Tat bis zur schärssten Klage über die unsoziale, volksseind­liche Steuersabrikation alle Töne der Parteileidenschaft! Er hieße tausendmal Gesagtes wiederholen, wollte man auch nur die wichtigsten Sätze aus den Wahlaufrusen der Rechten und Linken hier wiederholen.

Nächst der Reichsfinanzreform wird der Kampf gegen die Sozialdemokratie von allen bürger­lichen Parteien gemeinsam proklamiert. Nur in Ruancen unterscheidet man sich hier. Aber das Bebelsche Wort vomTodseind der bürgerlichen Gesellschaft, das kürzlich erst von Roja Luxemburg wieder als Wahlparole neu ausgegeben ist, kehrt in allen Variationen wieder. Von Ausnahmegesetzen, die bei der Rechten empfohlen werden, bis zu positiver Ueberwindung durch vernünftige Sozial­resorm, die von den liberalen Parteien erstrebt wird, ein vielstimmiger Kampfesruf. Es dürfte umsomehr ange­bracht erscheinen, als diesmal die Sozialdemokratie mit unerhörten Ersolgen rechner und von den Sünden der ver­flossenen Mehrheitsparteien einen Riesenzuwachs an Benbeten ermanet.

Ferner steht im Vordergrund aller Kampferklärungen der bürgerlichen Parteien der Streit umunsere be­währte Wirtschaftspolitik. Sie soll nach den Bersicherungen der Agrarkonservativen im hochsten Maße gefährdet sein durch eine drohende freihändlerische Mehr­heit im neuen Reichstag. In Wirtlichkeit kann auch der Liberalismus kaum hossen, seinen programmatischen Abbau der Zölle auf Lebensmittel demnächst in Angriff zu nehmen; denn zur Schutzollmehrheit gehören nach wie vor auch die Nationalliberalen. Aber die alte Parole vomSchutz der nationalen Arbeit, die in verschiedenen Abwandlungen wiederkehrt, wird eine Auftollung der ganzen Zollpolitik bei den bevorstehenden Wahlkämpfen begünstigen.

Alle bürgerlichen Wahlaufruse auch die früher schon erschienenen liberalen sind weiterhin einheitlich auf Karke nationale Töne gestimmt. Kein Wun­der nach den peinlichen Ersahrungen der letzten Ma­rokkoverhandlungen und englischen Ministerreden. Wir müssen unser Heer stark, unsere Flotte schlagsertig erhal­ten; das ist der Kernsatz aller parteioffiziellen Erklärun­gen. Je nach Tradition und Agitationsbedürfnis und Temperament wird diese Forderung überschwenglich oder ruhig und nüchtern beiont. Nur über die Deckungsmög­lichkeiten herrschen starke Meinungsunterschiede zwischen der Rechten und der Linken. Neue indirekte Steuern oder ergibige direkte Reichssteuern, das ist die entscheidende Frage. Kann man zweiseln, welche von beiden Lastver­teilungen den Wählermassen am geeignetsten erscheinen wird!

Soweit die Uebereinstimmung der bürgerlichen Par­teien in den wichtigsten Grundfragen der Wahlagitation! Was an Einzelheiten von den verschiedenen Gruppen ge­lobt und getadelt, verheißen und bekämpft wird, macht den eigentlichen Parteistreit aus, von dem man in den nächsten Wochen noch manche wenig erfreuliche Probe erhalten wird.

Ganz anders ist Inhalt und Tonart des sozialde mokratischen Wahlaufrufs. Die Kritik der Gegner und die Lobpreisung der eigenen Taten geht hier oft ins Groteske. Das mag wohl auch dort als dringendes Agi­tationserfordernis empfunden werden. Dagegen erlebt man eine starke Enttäuschung, wenn man dem positiven Teil des soztaldemokratischen Pronunciamentos nach kristallklaren, marxistischen Forderungen Umschau hält. Die sind scheindar nicht recht zugkräftig für das Heer der Mitläuser, mit welchem die revolutionäre Arbeiterpartei rechnet. Deshald retouchigrt man hier nach Kräften und stellt lieber eine Auswahl alter liberaler Forderungen zusammen, mit denen man bessere Wahlgeschäfte zu ma­chen hofft. Ob's versangen wird! Der 12. Januar wird da lehren, ob wirklich die rote Flut alle Dämme über­strömen wird, wie man annimnt, oder ob das Bürgertum die Konsequenzen aus den zagtäglichen Verlästerungen sozialdemokratischer Blätter und Redner ziehen und den Klassenkampf in seinem bürgerlichen Interesse durch­sechten wird.

Die Wahlaufrufe sind da, die notwen­dige Ouvertüre zum Wahlkampfist ausge­spielt. Run kann das Ringen beginnen.

tei bekanntlich: Keine Ausgabe ohne Deckung, Entlastung des außerordentlichen Etats von allen nicht werbenden Anlagen, regelmäßige Schuldentilgung! Im außer­ordentlichen Etat stecken zurzeit noch 40 Millionen, die nach dem Programm Wermuths aus dem ordentlichen Etat übernommen, also mit den laufenden Mitteln ge­deckt werden müssen, nicht mit nleihen wie bisher. Um diesen Betrag werden sch also die Ueberschüsse dem­nächt vermindern. Einrogrammpunkt Wermuths ist vorläufig aber auf die Festhaltung des Matrikularbei­trags von 80 J auf den Kopf der Bevölkerung. Für 1912 sind es 51.9 Millionen, welche die Bundesstaaten an das Reich zu zahlen haven. um diesen Programm­punkt wird wahrscheinlich bei der Beratung des Etats im Bundesrat ernstlich gestritten werden. Bei der Be­willigung dieses Matrikularsatzes im Jahre 1906 haben die Bundesstaaten die jetzigen Ueberschüsse nicht voraus­sehen können, sonst hätten sie an dem ursprünglichen Satze von 40 S festgehalten. Versassungsmäßig stehen den Bundesstaaten die Ueberschüsse zur Begleichung ungedeckter Matrikularbeiträge zu, die Bundesstaaten haben aber in den beiden letzten Etatsgesetzen darauf verzichtet, mit Rücksicht auf die Finanzlage des Reiches. Wenn das Reich nun selbst hohe Ueberschüsse erzielt, so ist es begreiflich, daß die Bundesstaaten daran Teil haben wollen, zunal sie fast sämtlich in großer Finanznot sich besinden. Ueberhaupt ist der Bismarcksche Ausspruch. daß das Reich nicht Kostgänger bei den Einzelstaaten sein dürse, arg in Vergessenheit geraten. Einkräftiger Ruck im Inieresse der Bundesstaaten würde alse auch nichts schaden.

Ausdehnung der Erbschaftssteuer.

DieNationalzeitung glaubt versichern zu können. daß dem neuen Reichstag bald nach seinem Zusammen­trit eine neue Vorlage über die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf die Deszendenten vorgelegt werden wird, verbunden miteiner Aufhebung der Zündhölzchensteuer und

Blat schreidi, Erleichterungen und Ausnahmevenimm. gen für den ländlichen Besitz enthalten, die teils in der ersten Vorlage vorgesehen. teils von der Kommission be­antragt worden waren. Man rechnet damit, daß die neue Vorlage von dem künftigen Reichstag, wenn auch mit ge­ringer Masorität, verabschiedet werden dürfte, da nach Andeutungen von konservativen Parteiführern auch von dieser Seite ein prinzipieller Widerstand nicht mehr zu er­warten sei. Die Mehrerträgnisse der Deszendentensteuer sollen zum rascheren Ausbau unserer Flotte verwendet werden.

* Derkräftige Ruck.

In der programmatischen Finanzrede des Staats­sekretärs Wermuth im Reichstage vom 4. Dezember kam auch die Stelle vor:Roch einen kräftigen Ruck haben wir nötig und die große Arbett ist getan. Dar­anter hat man vielsach eine Ankündigung der Erb­

ase Aaer verhgighen Wi wir tades börer, misst ise Auslegung nicht zu. Der Staatssekretär, so wird uns versichert, habe damit nur sagen wollen, daß er in derselben zielbewutzten Art und mit seigenden Mitteln noch einige Jahre wirtschaften zu tönnen hoffe, um sein Iinanzprogramm zu vollenden Darauf lief auch der b#sioe Juhalt der Rede dinaus. Das Prognaum lau­

Der Dreibund doch gefährdet.

Wien, 7. Dez. Der römische Korrespondent der Reichspost versichert auf das bestimmteste, daß seine Meldung über den beabsichtigten Austritt Italiens aus dem Dreibund trotz aller Demen­tis auf Wahrheit beruhe, und daß tatsächlich diesbezüglich im Palais der französischen Botschaft in Rom Verhandlungen stattgefunden hätten.

Das englische Königspaar in Indien. Delhi, 7. Dez. Der König und die Königin von England trasen heute hier ein und hielten ihren feierlichen Einzug.

Der italienisch=türkische Krieg.

Rom, 8. Dez. DemMezsaggero zufolge sind die Araber und Türken bei Benghasi von den Italienern angegriffen worden und zwischen zwei Feuer geraten. Ihre Verluste sollen sehr bedeutend sein.

Tripolis, 7. Dez. Gestern ist zum ersten Mal den ganzen Tag über kein Flinienschuß auf die Befestigungs­linie vor Tripolis abgegeben worden. Ein Bataillon Insanterie übersiel ein großes Beduinen­lager und steckte es in Brand.

Der Aufstand in China.

Schanghai, 7. Dez. Aus zuverlässiger Quelle ver­lautet, daß der deutsche Postdirektor Heune, der in Sianfuermordet sein sollte, nur verwun­det ist und sich auf dem Wege der Besserung besindet. Auch der Engländer Mannes, der ebenfalls ermordet sein solle, ist wohlauf. Die Revolutionäre haben eine vor­läusige Regierung eingesetzt. Es schweben Verhandlun­gen über die Abhaltung einer Friedenskonserenz in Schanghat. Die Finanzlage der Revolutionäre ist sehr schwierig. Auch Generalposimeister Petri in Peling iele­graphiert unterm 26. November, die Familie Henne sei wohlauf.

Charbin, 8. Dez. Bei einem neuen Zusammenstoß bei Liaosang schlugen die Regierungstruppen, 300 Mann stark mit einem Geschütz, die Truppen der Revolutto­näre, die sich nach Lueserpu zurückzogen.

Peking, 7. Dez. Der Minister des Aeußern der Re­volutionäre, Wutingfang, hat dem französischen und ame­rikanischen Konsul mitgeteilt, daß, falls die Anleihe des Barons Cottu und andere Anleihen der Mandschus von den fremden Mächten bewilligt würden, die Revolu­tionäre gegen die Nächte eine seindliche Haltung(P annehmen würden. Dem deutschen Konsul gegenüber hat Wutingsang erklärt, daß ein Boy­kott der deutschen Waren nicht beabsich­tigt sei und daß die Revolutionäre einen solchen Boy­kott auch niemals gestatten würden. Deutschland möge jedoch verhindern, daß den Mandschus weiterbin durch deutsche Firmen Wafsen und Munition geliesert werde, da sonst Unannehmlichkeiten für Deutschland hieraus ent­stiehen könnten.

Peking, 8. Dez. Hsihsü hat die Vormundschaft des Kaisers angenommen, die ihm zugleich mit Hfü­sdichang angeboten wurde. Der levtere hat es abgelehnt,

diese Ernennung anzunehmen, aber der Thron hat sich geweigert, diese Ablehnung anzunehmen.

Gestern ist ein Edikt erlassen worden, durch das das Abschneiden der Zöpse gestattet wird. Die Frage der Annahme des Kalenders der Ausländer ist den: Kabinett unterbreitet worden, das darüber be­raten wird, wie die Reform durchzuführen ist.

Politische Nachrichten.

Deutschland.

Berlin, 7. Dez

(Hof= und Personal=Nachrichten.)

Die Verschiebung der Abreise der Kaiserin nach Primkenau zum Besuche ihres Bruders, des Her­zogs Ernst Günther von Schleswig=Holstein, ist weniger auf eine Indisposition der Kaiserin zurückzuführen, als auf eine Erkrankung der Prinzessin Vir­toria Luise. Das Befinden der Kaiserin ist befriedi­gend, aber eine starke Erkältung zwingt die Prinzessin, das Zimmer zu hüten.

*

Der Bundesrat hat dem vom Reichstage an­genommenen Entwurf eines Gesetzes betr. den Ausbau der deutschen Wasserstraßen und die Erhebung von Schiffahrtsabgaben, den Vorlagen beir, das Abkommen über den Verkehr mit Branntwein zwischen dem Gebiete der deutschen Branntweinsteuergemeinschaft und des Großherzogtums Luxemburg betr. die Ausfüh­rungsbestimmungen zum Viehseuchengesetz, dem Entwurf einer Bekanntmachung betr. das Verfahren vor dem Auf­sichtsamte für die Privatversicherung im Falle des§ 1321 Aos. 3, Satz 2 der Reichsversicherungsordnung und der Vorlage betr. die Festsetzung von Tagegeldern und Fuhr­tosten für die nicht zu den unmittelbaren Reichsbeamten gehörigen Personen zugestimmt.

DieNorddeutsche Allgemeine Zeitung schreibt:

der Fahrkartensteuer. Die Vorlage soll, wie das In der Presse werden vielsach Erörterungen an den Ur:

Platz schreibt. Erleichierungen und Ausnahmebestimmun 1 3u8gektsiste, werden vielsach Erörterungen an den Um­

stimmen würden, ha sich als unbegründet erwiesen. Der Schatzkanzler hat einen vollen Erfelg seiner Sozialpolt tik zu verzeichnen.

Amerika.

Newyork. 7. Dez. In seiner Botschaft erwähnt Präsident Taft auch die Steubenseier in Pois­dam und bemerkt, der Kaiser habe ihm telegraphisch in seinem Namen und im Namen des deutschen Volkes den Ausdruck der Wertschätzung und des Dankes für das vom Kongreß geschenkte Steudendenkmal über­mittelt.

stand getnüpft, daß der Reichstag am 5. ds. Mis. geschlossen und nicht ausgelöst ist, obschon eine Auf­lösung im Hinblick auf die bevorstehen­den Neuwahlen gesetzlich geboten sei. Der Grund für dieses im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Reichstages gewählte Vorgehen liegt einsach darin, daß bei der großen Zahl wichtiger Gesetze, die am letzten Sitzungstage des Reichstages noch zur Annahme gelang­ten, dem Präsidium Zeit gelassen werden mußte, die Be­glaubiglungen der Beschlüsse vorzunehmen und die son­ntigen Geschäfte des Reichstages ordnungsmäßig abzu­wickeln. Der Erlaß einer kaiserlichen Ver­ordnung über die Auflösung des Reichs­tags und über den Zeitpunkt der Neuwahlen steht unmittelbar bevor.

Die Einberufung des neugewählten Reichstages ist, wie dieN. P. C. mitteilt, für Mitte Februar k. J. vorgesehen.

Gegenüber den Pressenachrichten, nach denen der Präsident des Hansabundes, Geheimrat Rießer, im Zusammenhang mit dem Hansabund von einer neuen politischen Gründung gesprochen haben soll, stellt der Hansabund fest, daß diese Behaup­tung nach jeder Richtung hin unwahr ist. Der Hansa­bund ist nach seinen Richtlinien von 1909 eine wirtschaft­liche Vereinigung. An diesem Grundsatz etwas zu än­dern, liegt nicht der geringste Anlaß vor.

Der Berliner Lokal=Anzeiger teilt offiziös mit, daß die deutsche Regierung sich mit der Dar­danellenfrage überhaupt noch nicht beschäf­tigt habe. Rußland habe bisher noch keinerlei Schritte in Konstantinopel unternommen.

Schweiz.

* Basel, 7. Dez. Der Große Rat hat heute mit 49 gegen 42 Stimmen einen Antrag, wonach in Basel im allgemeinen die Feuerbestattung und nur auf Verlangen die Erdbestattung stattfinden soll, dem Regie­gungsrat zur Prüfung und Berichterstattung überwiesen.

Frankreich.

Paris, 8. Dez. Der Ministerpräsident Caillaux und der Minister des Aeußern de Selves empfingen gestern den russischen Rinister des Aeußern Sasa­now. De Selves gab ihm zu Ehren abends ein Diner, an welchem die Mutglieder des diplomatischen Korps teilnahmen. Sasanow wurde das Großkreuz der Ehren­legion verliehen.

Großbritannien.

London, 7. Dez. Unterhaus. Dillon (irischer Nationalist) fragte Sir Edward Grey, ob Groß­britannien ersucht worden sei, Frankreich in seinen Ver­handlungen mit Spanien zu unterstützen, die den Zweck hätten, Spanien zum Aufgeben aller Rechte in Marokko zu bewegen, die ihm durch den Geheimvertrag von 1904 oder irgendeinen anderen Vertrag mit Großbritannten garantiert worden seien, und wenn dies der Fall sei, was Großbritannien cuf dies Ersuchen geantwortet habe? Grey erwioerte: Ich kann über gegenwärtige oder künftige Verhandlungen zwischen Frankreich und Spanien keine Erklärungen abgeben. Die britische Re­gierung wird stets gebühr nde Rücksicht auf das Abkom­men von 1904 nehmen, an dem alle drei Länder detei­ligt sind. Premierminister Asquith kündigte an. daß die Debatte über die auswärtige Polttik am 14. Dez. wieder ausgenommen werden soll. Im Unterhause wurde die Versicherungsvorlage Lloyd Georges in drit­ter Lesung mit 321 gegen 21 Stimmen angenommen Ein großer Teil der Unionisten hatte vorher unter dem Spott der Ministeriellen den Saal verlassen. Diese jubelten das Resultat der Abstimmung. Ein Amende­ment der Konservativen, die Bill auszuschieben, wurde mit 97 Stimmen Majortiät abgelehnt. Die Befürchtung, daß ein Teil der Liberalen, die mit einzelnen Bestim­mungen der Bil nicht zufrieden waren, gegen die Bill

Provinz und Nachbargebiete.

Oberhausen, 7. Dez.[Vorbildliche Einrich­tungen zur Beschaffung von Erfrischungs­getränken] besitzt die Gutehoffnungshütte. In den Hütten= und Walzwerksbetrieben sowie auf eint­gen Zechen wird den Arbeitern Tee kostenlos verabjolgt. Es sind vier Teekessel mit je 450 Liter Inhalt im Betriev. Der Tee wird mit Zucker verabreicht. Die Anlagen sind in besondere Räumen untergebracht und mit Schalterde­trieb versehen. Der Tee wird den Arbeitern teils in eige­nen Gesäßzen gegeben, teils in großen Kannen auf die Betriebsstäten gebracht, wo dann die Verteilung stait­findet. Ausgeschenkt werden 16.000 Liter Tee täglich. Die Kosten des Teeausschantes betrugen im letzten Jayre 25 000 A. Auf allen Betriebsstätten und Zechen unterhält die Gutehoffnungshütte weiter Ausschankstellen für Milch. Der Milchausschank erfolgt in besonderen Häuschen, die an geeigneten Plätzen der einzelnen Betriebsstätten auf­gestellt sind. Der Milchverbrauch betrug im letzten Jahre rund 200000 Liter. Den Arbeitern wird gleichzeitig zur Milch Kuchen zu billigen Preisen verabfolgt. Die Kosten des Milchausschankes beliefen sich auf rund 5000 M. Außerdem besitzen die Zechen der Hütte Anlagen zur Herstellung von Selterswasser. Das Wasser wird in Fio­schen von ¾ Liter zum Preise von 5 Pig. abgegeben. Der Verbrauch im verflossenen Jahre belief sich auf rund 50000 Flaschen. Seit 1. Mai 1910 ist jeglicher Bieraus­schank auf den Betriebsstätten der Gutehosinungshürte eingestellt. Auch durch die Arbeitsordnung ist der Kampf gegen den Alkoholismus ausgenommen. Das Einbringen von geistigen Getränken in die Betriebsstätten is bei Strafe der Einziehung strengstens untersagt. Betrunkene sind von der Arbeit auf Zeit ausgeschlossen bezw. ver­fallen der sofortigen Kündigung im Wiederholungsfalle. Die Pförtner und Meister sind angewiesen, scharf darauf zu achten, daß die Bestimmungen der Arbeitsordnung eingehalten werden.

* Mülheim(Ruhr), 7. Dez.[Leichenfund.] Heute morgen wurde im Walde die Leiche des seit zwei Monaten vermißten früheren Eisenbahnschaffners Hu­bert Frank, unter Laub und Farrenkräutern versteckt, auf­gesunden. Es ist noch unbekannt, od Selbstmord oder Verbrechen vorliegt.

* Kettwig, 7. Dez.[Selbstmord.] Am Sonn­tag sprang hier eine 70jährige Witwe in die Ruhr. Es gelang nur, sie als Leiche zu bergen. Die Frau hat sich in einem Anfall von Schwermut das Leben genommen.

* Rees, 7. Dez.[Voneinem Pferde schwer verletzt] wurde das vierjährige Söhnchen des Tage­löhners van Büren in Bergswick. Während das Kind aus der Weide am Hause spielte, kam es einem jungen Pferde zu nahe und wurde von diesem mit dem Huse ge­gen den Kopf geschlagen. Die Eltern sanden ihr Kind blutüberströmt vor.

* Elberfeld, 7. Dez. Leichenfund.] Der We­ber Richard Lindehosen wurde in dem Teiche neben dem RestaurantMirker Flora als Leiche gefunden. Die Leiche wurde in die Leichenhalle des städtischen Kranken­hauses übergeführt. Ob Selbstmord vorliegt, kann nicht angegeben werden.

* Dahlerbrück, 7. Dez.[Feuer.] In der Fabrik der Firma Binse& Sessinghaus brach plötzlich Feuer aus. Im Ru standen mehrere Lacksässer in Brand und man be­fürchtete eine Explosion der Fässer. Die herbeigeeilte

Feuerwehr hatte vier Stunden zu tun, ehe sie des Feuers Herr wurde.

* Siegen, 7. Dez.[Grubenunglück.] Durch herabfallende Gesteinsmassen wurden auf der Herdorfer Eisengrube mehrere Bergleute verschüttet. Ein Berg­mann konnte nur mit schweren Verletzungen geborgen werden, die seinen Tod herbeiführten. Außerdem erlitt ein anderer Arbeiter noch lebensgefährliche Verletzungen.

* Werne a. d. Lippe, 7. Dez.[Mit Arsenik ver­gistet) hat sich hier die Ehefrau des Arbeiters Sch.

Eitorf a. d. Sieg, 8. Dez.[Totschlag.] Gestern morgen wurde auf einem Abort der Arbetter Jungbluth durch einen Stich in die Lunge getötet vorgefunden. Der Mord soll im Anschluß an eine in der Nacht stattgehabte Schlägerei geschehen sein, an der beide, der Getbteie und ein der Tat verdächtiger Metzger, beteiligt gewesen waren. Der Mörder, der mit Frau und Kindern geflüchtet war, wurde in Köln=Rippes bei seinem Stiefoater verhaftet. Er gestand die Tat ein.

Sportnachrichten.

* Vonn, I. Dez. Die Mitglieder des Bouner Giskluds haben die Auflösung des seit dem Dezem­der 1879 destehenden Vereins beschlossen, um damit den Uebergang des deträchtlichen Vereinsvermögens an die Stadt Bonn herbeizuführen und das Fortbestehen des Vereinszweckes für alle Zeiten zu sichern. Der Stadt wird als Haupibedingung die Verpflichtung auserlegt. das Vereinsvermögen lediglich zur Förderung des Schlittschuhlausens und anderer Urperlicher Uebungen zu verwenden

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