Freitag, den 18. August 1911.
Mittag=Ausgabe.
Nr. 385.— 38. Jahrgang.
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* Wilhelmshöhe.
Von unserer Berliner Redaktion erhalten wir folgende Zeilen: Der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg und der Staatssekretär v. KiderlenWächter haben sich auf Einladung des Kaisers nach Wilhelnshöhe begeben, um an der Festfahrt zu Ehren des Kaisers Franz Josef teilzunehmen, der heute sein 81. Lebensjahr vollendet. Die nervöse Pariser Presse erwartet von der Unterredung des Kaisers mit seinen Ratgebern eine Beschleunigung der Marokkoverhandlungen, oder sogar das Signal zur Beendigung des diplomatischen Streites, ja sie versteigt sich sogar zu der Hofinung, der Kaiser werde sich mit den Auerbietungen Frankreichs zufrieden geben und Herrn v. Kiderlen des avouieren. Die Schwierigleit, zur Gewährleistung unse rer wirtschaftlichen Interessen in Marotko eine befriedigende Formel zu finden, erscheint uns doch, wie der Verlauf der Verhandlungen zwischen den Herren Camvon und v. Kiderlen bewiesen hat, zu groß, als daß in Wilhelmshöhe plötzlich der erlösende Gedanke auftauchen konnte. Wenn es Herrn v. Kiderlen bei seinem anerkannt ersinderischen Talent bisher nicht gelungen ist, den Ausweg aus den Verlegenheiten zu finden, in die uns die französische Eroberungspolitik in Marotto gefährt hat, so werden wir auf die Lösung des Rätsels auch nach dem Tag von Wilhelmshöhe noch einige Zeit warten müssen.##nne ir 8m
Herr Iswolski, der russische Botschafter in Paris, hert neuerdings die Pariser Presse gegen Herrn v. Kiderlen persönlich auf; er läßt ihm vorwersen, es sei ihm bei den Verhandlungen weniger um das Wohl der beiden Bölker, als um die Aufrechterhaltung seines eigenen Ruhmes zu tun. Dabei ist es gerade Herr v. Kiderlen gewesen, der durch die Absassung des Abkommens von 1909 der französischen Regierung die Hand sehr weit entgegengestreckt hat, in der Hoffnung, sie werde über den Rahmen der ihr in diesem Abkommen und in der Algecirasakte zugestandenen Grenzen nicht hinausgehen. Herr v. Kiderlen hatte das Recht, über Frankreichs schlechte Belohnung seines Eutgegenkommens sich verlept zu fühlen; aber er ist viel zu wenig Gefühlspolitiker, um sich von persönlichen Verstimmungen beeinflussen zu lassen. Die Verdächtigung Iswolskis fällt bei uns glatt zu Boden. In Deutschland bezweiselt niemand, daß Herr v. Kiderlen im Einverständnis mit dem Kaiser nichts als deutsche Realpolitik treibt, die ebenso weit entfernt ist von draufgängerischem Wesen wie von Augstmeierei.
Wenn deutsche Staatsangehörige in Süd=Marokko zu Schaden kommen oder andere deutsche Interessen dort verletzt werden sollten, so können sich die Franzosen darauf verlassen, daß vom Kreuzer„Berlin“ alsbald deutsche Truppen gelandet werden würden. Bisher ist dazu kein Anlaß gewesen. Die Nachricht von der Gesangennahme zweier Mannesmannscher Vertreter hat sich als unbegründet herausgestellt. Es ist auch eine nichtswürdige französische Erfindung, die Deutschen im Sus suchten Streitfälle herbeizuführen, um den Kommandanten des Kreuzers„Berlin“ zum militärischen Einschreiten zu veranlassen. Bei der französischen Preßhetze gegen Deutschland kann es nicht wunder nehmen, daß erhitzte französische Badegäste in dem savoyschen Kurort Aix=les-Bains sich an der deutschen Fahne, die neben den Fahnen anderer Nationen an einem dortigen Hotel hing, vergrissen.
Das Vorkommnis kennzeichnet die überreizte Stimzung in Frankreich, mag auch die französische Regierung sch beschwichtigend ins Mittel legen. Am Vorabend des Tages vor Wilhelmshöhe kommt die Mißhandlung der deutschen Fahne gerade recht, um unseren Staatsmännern das Rückgrat zu stärken für die weiteren Marokkoverhandlungen. Herr v. Kiderlen=Wächter wird dem Kaiser Vortrag halten und seine Zustimmung zu neuen Vorschlägen erbitten, die die Grundlage zu den weiteren Verhandlungen bilden sollen. Diese haben auch schon den Gegenstand der letzten Besprechungen mit dem französischen Botschafter Cambon gebildet— oder sagen wir besser: der letzten unverbindlichen Pourparlers. Die Grundlage soll insosern verbreitert wer
Wes eit eunr dir dgenste der ustentanre deren Staaten in dem abzuschließenden Marokko=Abkommen berücksichtigt werden sollen. Wir können uns auf keinen schnellen Abschluß der Verhandlungen, auch auf der neuen Richtlinie, die in Wilhelmshöhe gutgeheißen werden soll, gesaßt machen; aber wir vertrauen nach wie vor, daß die Ehre und das Ansehen Deutschlands aus dem Marookostreit unversehrt hervorgehen werde.
*„
* Berlin, 17. Aug. Reichskanzler v. Bethmann Hollweg hat heute um 11 Uhr 55 Min. vormittags die Reise nach Wilhelmshöhe an das kaiserliche Hoflage. angetreten. In seiner Begleitung befand sich der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Freiherr Marschall von Bieberstein, der zuvor noch den Besuch des hiesigen türtischen Botschafters empfangen hatte.
* Kassel, 17. Aug. Auf dem hiesigen Stadtbahnhof traf heute 6 Uhr 57 Minuten der Reichskanzler von Bethmann Hollweg in Begleitung des Botschaf ters Freiberrn Marschall von Bieberstein ein. Der Kanzler wurde von einer großen Menschenmenge lebhaft b.grüßt. Im Auftrage des Kaisers begrüßte ihn der Kaiserliche Gesandte von Jenisch, der ihn zu einem kaiserlichen Automobil begleitete, in dem der Kanzler sich zum Schloß begab.
* Wiiyelmshöhe, 17. Aug. Staatssekretär v. Kiderlen=Wächter trifft morgen früh gegen 6 Uhr hier ein.
Marokko.
Die„Kölnische Zeitung“ meldet aus Berlin: In der französischen Presse wird andauernd versucht, für eine neue Konserenz über Marotko Stimmung zu machen. Bei diesem Verlangen wird vollständig übersehen, daß von französischer Seite unzweiselhaft eine Verletzung der Algecirasakte begangen worden ist, und zwar mit der Wirkung, daß diese Verletzung sich auch gegen deutsche Interessen richtet. Es ist aber ein alter Rechtsgrundsatz im internationalen Leben, daß bei der Verletzung eines Vertrages, der mehrere Unterschriften trägt, jeder Unterzeichner, dessen Recht verletzt ist, selbständig die Wiedergutmachung des ihm daraus erwachsenden Schadens betreiben kann und nicht genötigt ist, sich wegen Schadloshaltung an die Gesamtheit der Unterzeichner zu wenden. Dieser Sach lage wird anscheinend in Frankreich nicht genügend Rechnung getragen.
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Der Gesamtvorstand des nationalliberalen deutschen Reichsvereins zu Dresden hat in einer Sitzung, an der sich auch der Reichstagsabgeordnete Dr. Heinze und die Landtagsabgeordneten Kettner und Dr. Kaiser, beteiligten, einstimmig nachstehende Resolution angenommen:
„Der Reichsregierung spricht der nationalliberale deutsche Reichsverein zu Dresden die vertrauensvolle Erwartung aus, daß sie bei Lösung der Marokkofrage mit Zähigkeit und Ausdauer den bedeutsamen wirtschaftlichen und kolonialen Interessen Deutschlands zu ihrem Rechte verhilft und weder auf eine Landerwerbung in Marokko verzichtet, noch gar aus eine Abtrennung deutscher Kolonien sich einlasse, daß sie aber gegenüber der Haltung der Westmächte das Ansehen des Reiches mit derjenigen Tatkraft und Sicherheit wahre, die Deutschlands starke Machtmittel und die Gewißheit freudiger Zustimmung der politisch denkenden Kreise des deutschen Volles rechtsertigen.“
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9 Berlin, 17. Aug. Staatssekretär v. KiderlenWächter hatte heute vormittag gegen 11 Uhr im Auswärtigen Amt wieder eine etwa halbstündige Un
sterterang aul dun bunteien Lasanter dunr von. Dieser soll übrigens, wie der Pariser Korrespondent des„Berl. Tagebl.“ erfährt, die Absicht haben, in nächster Zeit nach Paris zu fahren, um dem Minister des Aeußern de Selves über den Stand der Berliner Verhandlungen Bericht zu erstatten.
Ein Zwischenfall.
Paris, 17. Aug. Das Ministerium des Innern verossentlicht folgende Note: Ein Morgenblatt berichtete über einen Vorsall, der sich in Aix=les=Bains zugetragen habe, wonach zwei franzssische Offiziere eine deutsche Fahne heruntergerissen und zerbrochen hätten. Der Vorsall beschränkt sich auf folgende Tatsachen: Der Eigentumer des Restaurants Beau Rivage hißte am 15. August mit einem Bündel Fahnen verschiedener Rationalitaten auch eine deutsche Fahne. Ein Industrieller aus Nancy, der diese Fahne bemerkte, ließ sie einfach von Angestellten des Restauranis entsernen. An dem Vorsall warkein Offizier beteiligt.
Die„Kölnische Zeitung“ meldet aus Berlin: Durch die von der„Agence Havas“ verbreitete Erklärung des französischen Ministers des Junern wird der Zwischensall von Aixles Bains in einer ganz anderen Weise dargestelt, wie es der„Matin“ getan hat Wenn französische Ossiziere sich einer Beschimpfung der deutschen Flagge schuloig gemacht hätten, so wäre das allerdings für Deutschland schwer verletzeno gewesen, während jetzt, nach der Angabe des französischen Ministers, der ganze Fall aus eine bedauerliche, aber keine internationale Beveutung beanspruchende ungezogene Taktlosigkeit eines Privatmannes zurückzuführen wäre. Es ist schwer verständlich, wie der„Matin“ eine so irreführende Verössentlichung hat machen können, die, wenn sie sich bestätigt hütte, in erster Linie für das französische Offizierkorps schwer verletzend gewesen wäre.
* Wie wir hören, hatie die deutsche Regierung infolge der in Berlin einlausenden Berichte von dem Verfall in Air=les=Bains die deutsche Botschaft in Paris instruiert, von der französischen Regierung Aufklärung zu erbitten. Ede sich der deutsche Botschofter dieses Auftrages unterziehen konnte, langte eine Darstellung des Vorsalls durch das französische Ministerium an. Nach dieser Darstellung sind bekanntlich amtliche Personen nicht beteiligt. Stellt die deutsche Regierung sich auf den Boden des Berichts, so ist ihr keine Handhabe gevoten, ein Einschreiten der französischen Regierung gegen den Täter zu fordern, was zweisellos geschehen wäre im Falle der Beieiligung von Personen in amtlicher oder militärischer Stellung. Damit aber enthebt sie sich nicht der Pflicht, den Affront öffentlich zu mißbilligen.
* Die Deutschen im Susgebiet.
In der deutschen Presse wird die Frage des Schutzes der Deutschen im Susgebiet erörtert. Wie wir dazu an maßgebender Stelle erfahren, verdient die vom deutschen Kreuzer„Berlin“ gesandte Mitteilung, daß die Deutschen in Sicherheit seien, den Vorzug vor der Meldung der Agence Havas, der Stamm der Haura habe zwei Deutsche in Tarudani gefangen genommen. Die deutsche Meldung ist nämlich jüngeren Datums als die französische. Daß bei ernstlicher Gefahr von den deutschen Kriegsschissen Hilse gebracht werden müsse, kann wohl nicht bezweifelt werden. In der seinerzeit über die Entsendung des„Panthers“ den anderen Mächten zugestellten Erklärung der deutschen Regierung ist ausdrücklich als Zweck des Unternehmens bezeichnet worden,„nötigenfalls den deutschen Untertanen und Schutzgenossen sowie auch den beträchtlichen deutschen Interessen in jenen Gegenden Hilfe und Schutz zu gewähren.“
meinem geliebten Vater errichtet haben, eine hohe Ehre erwiesen, drängt es mich, Dir zu versichern, wie tief gerührt ich bin durch diesen Beweis Deiner Ehrung für sein teures Andenken und Deiner Sympathie mit der hochherzigen Tat der Bevölkerung Homburgs, welche dieses Monument errichtete zum Zeugnis dafür, wie sie seine Liebe zu ihrer Stadt und sein persönliches Interesse an der Wohlfahrt und dem Gedeihen hochzuschätzen weiß.“
Georg V.“
Hierauf hat der Kaiser, an den König von England folgendes Antworttelegramm gesandt:
„Ich danke Dir für Deine freundlichen Worte, die ich hoch zu würdigen weiß. Ich komme soeben von dem Gottesdienst, der sehr schlicht und schön war. In den Herzen unserer aller, Deutscher wie Engländer, sand die Anerkennung, welche der Bischos in seiner Rede dem Andenken Deines Vaters zollte, lebhaften Widerhall. Willi.“
Eine endgültige Lösung der Kretafrage?
* Konstautinopel, 17. Aug. In der Zirkularnote, welche die türkischen Botschafter den Kreitaschutzmächten übergeben haben, erklärt die Pforte, sie werde weder in eine Erneuerung des Mandats des Oberkommissars Zaimis einwilligen, noch in die Ernennung eines anderen Oberkommissars unter denselben Bedingungen, nämlich unter Bestimmung des Kandidaten durch den König von Griechenland. Der jetzige Augenblick sei zur endgaltigen Lösung der Kreiafrage am günstigsten.
Der Erschah ermordet?
* Teheran, 17. Aug. Hier verlautet, daß der fröhere Schahermordet worden fei. Es liegt noch keine Bestätigung des Gerüchtes vor.
König Georg V. an Kaiser Wilhelm.
Frankfurt a. M., 16. Aug. Der König von England hat an den Deutschen Kaiser folgendes Telegramm gerichtet:
„Da Du heute den städtischen Körperschaften in Homburg durch Enthüllung der Gedenktafel, welche sie
Politische Nachrichten.
Deutschland.
Berlin, 17. Aug.
— Im Auswärtigen Amte wurden vom Staatssekretär v. Kiderlen=Wächter und dem britischen Botschafter zwei Verträge unterzeichnet, von denen einer die Auslieferung zwischen Deutschland und britischen Protektoraten, der andere die Bekämpfung der Schlafkrankheit in Togo und den benachbarten britischen Gebieten betrifft.
— Zu der Anzeige gegen den Pfarter D. Fischer von der Markusgemeinde wegen Ierleh#re wird der„Täglichen Rundschau“ von unterrichteter Seite folgendes mitgeteilt: Bis zur Stunde ist dem Pfarrer D. Fischer irgendeine Aufforderung seitens des Konsistoriums zur verantwortlichen Aeußerung auf die Beschuldigung wegen vermeintlicher Irrlehre nicht zugegangen, wohl aber hat Herr Pfarrer D. Fischer wahrend seiner letzten Sonntagspredigten die peinliche Wahrnehmung machen müssen, daß unter den Andächtigen zerstreut verschiedene Personen saßen, die einige Stellen seiner Predigten stenographierten.— Der „Reichsbote“ schreibt:„D. Fischer ist bekanntlich durch seine negative Stellung zum Bekenntnis der Kirche längst, ebenso wie Jatho, reif für das Spruchkollegium.“
— Das„Verl. Tgbl.“ hatte vor einigen Tagen die Nomen von vier Mitgliedern des Spruchkollegiums angegeben, die zu Gunsten des Pfarrers Jatho ihre Stimme abgegeben haben sollen. Die„Norddeutsche Augemeine Zeitung" behauptet demgegenüber heute, zu der Feststellung ermächtigt zu sein, daß diese Angaben falsch seien. Da nach der Geschäftsordnung des Spruchkobegiums über den Hergang der Beratung und die Abstimmung Stillschweigen beobachtet wird, sollen weitere Berichtigungen nicht stattfinden.
— Eine Anzahl Kopenhagener Blätter brachte eine ofsiziöse Mitteilung, worin ausgesprochen wird, daß der vor einiger Zeit in den Preußischen Jahrbüchern
* Aus dämmernden Nächten.
Original=Roman von Anny Wothe.
Nachdruck verboten.
Copyright 1910 by Anny Wothe, Leipzig.
(41. Fortsetzung.)
Ingvelde schob die kleinen, sie umklammernden Hände gleichmütig zurück und fuhr in ihrer Rede zu dem Baron, der trotzig, mit sest auseinander gepreßten Lippen dastand, fort:
„Es darf wohl gar kein Zweisel darüber herrschen, daß es sich bei der ganzen Entführungsgeschichte meiner Schwesier um weiter nichts gehandelt hat, als um ein Geschäft von sehr zweiselhaster Sauberkeit. Ich bin bereit, den von Ihnen erhossten Gewinn zu zahlen, unter der Bedingung, daß meine Schwester mir sofort folgt,
daß Sie sich verpflichten, sich ihr nie wieder zu nähern und niemals wieder norwegischen Boden zu betreten. Wollen Sie für sich und Ihre Mutter auf die Bedingungen eingehen, so nennen Sie den Preis.“
Magna sah mit flirrenden Augen in ratloser Verzweiflung von einem zum andern.„„
„So rede doch, Roman“, jammerte sie aus.„Sage, daß er nicht wahr ist, daß Du nicht daran gedacht hast,
mich so zu erniedrigen. Sage doch nur, wie es ist. Daß Du in so großer Rot warst, und daß Deine Mutter dadurch auf die Idee gekommen ist, mein Erbteil von Ingbelde einzusordern.“
„Ich weiß wirklich nicht, Fräulein Skaare“, begann Roman, sich auf einen aufmuniernden Blick seiner Mutter langsam sammelnd, zu Iugvelde,„weshalb Sie mich
der Temütigung aussetzen, hier in Gegenwart dieser fremden Herren eine so delikate Angelegenheit, eine Familiensache, zu verhandeln.“
Ingvelde war bei dem Wort„Jamiliensache“ schaudernd zusammengezuckt.
„Diese Herren,“ erwiderte sie ablehnend,„find treue
und erprobte Freunde unseres Hauses und bereits seit
Monaten unterwegs, die Rechte meiner Schwester zu; wahren und sie zu schützen, wozu jetzt, wie Sie selber einsehen dürsten, gerade der geeigneiste Zeitpuntt gekommen ist. Ich frage Sie also zum letzten Male: Wollen Sie für eine bestimmte Absindungssumme meiner Schwester ihre Freiheit zurückgeben?“
Roman, der immer sicherer wurde, hob stolz den duntlen Kopf. Seine Augen sprühten förmlich im leuchtenden Glanz, als er voll Emphase rief:
„Nie, nie! Ich liebe Magna; und ich will sie behalien als meinen teuersten und höchsten Schatz. Unsere Kirche scheidet nicht.“
„Er liebt sie so sehr,“ bekräftigte die Baronin gefühlvoll, mit ihrem Spitzentaschentuch gegen die gesärbten Augenlider tupsend.„Er hat ein so herrliches Herz, mein Roman. Er würde ja den Schlag, die süße, kleine Magna zu verlieren, gar nicht überwinden.“
„Ruhe“, rief Illings dazwischen.„Das wird sich zeigen.“
„Sie weisen also meinen Vorschlag zurück!“ fragte Ingvelde noch einmal.„Ich biete Ihnen 800 000 Kronen. Entscheiden Sie sich. Ja oder nein!“
Die Baronin hielt die Augen in angstvollem Flehen jetzt sest auf Roman gerichtet. Magnas Augen zitterten in wahnsinniger Angst. Wenn er sie doch preisgab? Er brauchte das Geld so notwendig. Wenn er sie wirklich, wie Ingvelde meinte, verkaufen könnte! Sie wollte schreien, ihn warnen, ihn bitten, ihn anflehen:„Tu's nicht! Erniedrige mich nicht so grenzenlos, töte mich lieber!“ Aber sie biß die Lippen sest auseinander, daß sie bluteten; sie wollte und durfte ihn nicht beeinflussen.
Roman warf das dunkle Haar, das sch in seine Stirn drängte, energisch zurück.
„Mein Weib ist mir um keinen Preis der Welt seil.“ sagte er stolz und die Baronin nickte dazu, als hätte sie von ihrem Sohn niemals eine andere Erklärung erwartet.
Heiß stieg es Magna in die Augen. Rein, er war doch nicht ganz so schlecht, als de gedacht,— so schlacht
nicht!
Reseh ehe ece bemerkte Ingvelde trocken.„Ich ziehe also hierdurch mein Augebot zurück und überlasse es Mister Illings und Herrn Raßmussen, die weiteren Unterhandlungen mit Ihnen zu führen.“
Roman erbleichte. Irgend etwas war in Ingveldes Stimme, das ihn warnte. War es am Ende doch unklug gewesen, das glänzende Anerbieten abzulehnen! Die Augen seiner Mutter aber hatten ihn so deutlich gewarnt, bis aufs äußerste zu kämpfen. Nein, einen Rückzug gab es jetzt für ihn nicht mehr.
„Ich möchte die Herren dringend bitten,“ bemerkte Roman bochmütig,„sich möglichst kurz zu fassen, denn meine Zeit ist auf das Aeußerste beschränkt.“
„Sie werden uns wohl oder übel noch eine Weile dulden müssen, mein Herr,“ entgegenete Raßmussen, indem er Magna, die er noch immer stützte, in einen Sessel zwang und dann wie zum Schutze an ihrer Seite stehen blieb.
„Wollen die Herren mir nicht endlich erklären, was Ihr Eindringen hier überhaupt bedeuten soll?“ fragte Roman mit bochmütiger Miene.
„Das soll bedeuten,“ gab Illings gleichmütig zurück, „daß wir, da Sie die Vorschläge von Fräulein Skaare abgelehnt baben, uns in anderweitiger Weise unser Recht verschaffen werden und daß ich nur die Tür dort aufzumachen brauche, um den Mann herbeizurusen, der einen Hastbesehl gegen Sie und Ihre Frau Mutter in der Tasche hat. Baron Vonato, Graf Zwiedorsko, oder wie Sie sich sonst noch zu nennen beliebten, ist ein Schwindler, ein gewissenloser Glücksritter, ein Spieler und Frauenverführer“.
Wuchtig wie Keulenschläge sielen die Worte.
Ein Wimmern kam von Magnas Lippen.
„Ingvelde“,— flüsterte sie, die Hände nach der Schwester ausstreckend,„tnt ihm nichts. Roman ist nicht so schuldig, wie Ihr glaubt. Nur die Frau dort hat ihn verführt. Er in so schwach und haltlos.“ Und dann, wie ein Hauch, und nur für die Schwester bestiramt: „Seid doch gut und zwingt mich nicht, den Vater meines
Kindes zu verachten, ehe seine unschuldigen Augen das Licht der Welt erblickt haben.“
Einen Augenblick herrschte Todesschweigen im Gemach. Denn so leise Magna gesprochen hatte, war sie doch von allen verstanden worden. Roman war ganz blaß gegen die Wand getaumelt. Wie bittend streckte er die Hände nach Magna aus. Sie sah es nicht; das Um begreifliche war geschehen. Ingvelde hatte mit einem leisen Webelaut das junge, blonde Haupt der Schwester an ihre Brust gezogen. Wie süß es sich da ruhie, wie geborgen. Und der Mann da mit den ernsten, blauen Augen voll Güte, der hielt ihre Hand fest und treu, als wollte er sie führen wie ein Bruder die Schwester. Magne schloß die Augen, während heiße Tränen über ihre blatsen Wangen flossen.
Carlotta Bonato aber lachte höhnisch drein und rief:
„Es wird hier wirklich eine ganz allerlicbste Komsdie gespielt. Roman, glaube ihnen nicht. Sie wollen Dich nur schrecken.“
„Schweigen Sie gefälligst“, rief ihr Mister Illings zu und dann rief er rauh zu dem Paron hinüber:
„Sie wissen, daß Sie sich dadurch, daß Sie Magna Staare ihrem Vaterbause entführten, vor dem Gesetz strafbar gemacht haben. Magna Staare wird uns in ihre Heimat folgen; und wir werden sohort die nötigen Schritte tun, sie aus den unwürdigen Feiselk dieser Ehe zu lösen.“
„Unsere Kirche scheidet nicht,“ triumphie. Poman.
„Ich kann ja nicht,“ sammerte Magna anf,### kann, ich dars ihn nicht verlassen.“
„Es steht Ihnen natürlich frei, gesetzlich gegen mich vorzugehen, so viel es Ihnen beliebt,“ rief Baron Bonato ausgebracht den beiden Männern zu.„Aber ich kann Ihnen nicht nur die Erfolglosigkei Ihrer Bemühungen in sichere Aussicht stellen, sondern Eie werden mie auch jede Genugtnung gewähren müss n.“
(Fortsetzung folgt.)
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