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Ruhrort und Moers d# Petuzeile 10 Pfg., Reclames die Borgiszelle 40 Pfg.
Amtliches Kreisblatt für den Kreis Ruhrort.
Verlag: Joh. Brendow u. Sohn, Ruhrort. Thum, in Meiderich bei Joh. Meerkamp,
Nr. 293.
teur Otto Btendow, Kabrort. Verbunden mit der Sseit. Gratisbeilage„Illustrirtes Sonntagsblatt“.
cumon ucdmen an aue Beciankate. die Landeruestrigr und Zetungsboten, Voou, undop, Ar Teugen, im Homberg bei Beter Schmis. in Moers der J. M. Lechner, mn Orsoy bei H. Münster,
Shtftate Annatue Stelen für Juserate: die Aauouen Crpeotionn Rudeif Mosse m Kols Haasensteis u. Vogle in Köla, G. E. Daube u. Co. in Frauifurt a. W.
15. Jahrgang.
Rudolf Mosse in Köln
Samstag, den 8. December 1888.
Erstes Blatt.
Geschichts=Kalender.
S. December 1870. Siegreiche Schlacht zwischen Marchenois und Beaugency Besetzung von Beaugency durch die Preußen. 9. December 1870.
die 2. Armee.—
4.
deut
Besetzung von Dierve durch die 1. Armee, von Vierzan durch Sturm von zwei Bataillonen des großberzogl. bessischen
Regiments auf Schloß Chamdord. schen Armeecorps dei Montlisault
in der
Siegreiches Gesecht
Nähe von Blois.
bes
Gerian.
Der.
Präsident v. Leoczow eröffnete die Sitzung um 11½ Uhr.
Vertreter der verbundeten Regierungen: v. Bötticher.
Haus und Tribünen sind gut besetzt.
Die erste Berathung des Entwurses detr. die Alters= und Juvaliden= versorgung der Ardeiter wird fortgesetzt.
Adg. Buhl(natlid.): Wir sehen in dieser Vorlage keine Behand lung oder Erledigung principieller poluischer Fragen, sondern eine Aufgade, an welcher jede Partei mitarbeiten kann. Die Aussührungen des Abg. Grillenberger waren gestern inconsequent: Erst verlangte er Ablehnung der ganzen Vorlage, später wollte er zum Zustandekommen mithelfen. Uns scheint besonders die Frage der Heradsetzung der Altersgrenze einer näheren Eroiterung werth. Stellt man die Miaimalgrenze auf 60 Jahre fest, so dürften die Beiträge sich um 80 pCt. erhohen. Es würde das auch eine colossale Belastung der Landwirthschaft herbeiführen, da etwa 200000 landwirth= schaftliche, aber nur etwa 27000 industrielle Arbeiter in diese Altersarenze fallen. Die Versorgung der Haldinvaliden würde sehr bedenkliche Folgen für solche Arbeitgeder haben, welche haldinvalide Personen beschäftigen. Vorübergehende Javalidität gehört nicht in dies Gesetz, wird aber in der Commission erörtert werden können. Leistet das Reich einen größeren Zuschuß, so muß auch der Kreis der Versicherten weiter gegriffen werden. Bei weidlichen Arbeitern zeigt sich, daß die Lohnarbeit vielfach ein Uebergang zur Selbstständigkeit ist. Es empfiehlt sich die Erorterung der Frage, ob man Frauen überhaupt der Versicherung unterwerfen will; will man dies, so muß eine eventuelle Rückzahlung der Beiträge für den Fall der Huirath ins Auge gefaßt werden. Ueberhaupt wird es sich fragen, ob man die durch die Prämienzahlung erwordenen Rechte nicht weiter ausdehnen soll, als es im Entwurfe geschehen, namentlich auch zu freiwilligen Versicherungen anregen soll. Die Beitrage haben wohl Aussicht, höhere, niemals aber geringere zu werden. Trotzdem wird die Lage der Industrie keine schlechtere werden, denn andere Staaten, die mit uns auf dem Weltmarkte concurriren, werden uns folgen müssen. In Berlin sind 4000 männliche Almosen=Empfänger; unter dem Gesetz wird die Stadt 28000 Rentenempfäager haben. Heute verliert ein Almosen=Empfänger die Unterstutzung, sobald er von seiner Familie aufgenommen wird, der Rentenempfänger dringt seinen Angehörigen eine willkommene Unterstützung zu. Eine Armengesetzgedung ist diese Vorlage also nicht zu nennen. Die Frage der Lohnklassen resp. Ortsklassen wird einer näheren Erwägung bedürfen. Dem Reichszuschuß stimmen wir zu, denn hier liegt die Sache anders, als bei der Unfallversicherung, wo wir uns gegen den Zuschuß erklärten. Die Vorlage wird bedeutend zur Entlastung der Communen beitragen, denn ist sie auch kein Armengesetz, erleichtert sie doch die Armenlast, und es wäre ungerecht, Zwangsversicherung ohne öffentlichen Zuschuß zu schaffen. Vielleicht läßt sich während der Carenzzeit eine geringe, vielleicht die halbe Minimalrente gewähren, überhaupt ist eine den Arbeitern günstigere Fassung der Uebergangsbestimmungen zu empfehlen. Ohne eine Reichsanstalt stehen dem Gesetze unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen, das riesige Rechnungswerk kann ohne solche Anstalt nicht einheitlich geordnet werden. Es wird sich empfehlen, die Krankenkassen als Oegane der Alters= und Javalidenversorgung zu gestalten, denn durch besondere neue Organisationen überlasten wir namentlich die kleinen Ortsbehörden. Meine Freunde denken nicht daran, durch Marken und Quttungsbücher das Zwangsarbeitsbuch einzuführen. Wir hoffen, das Gesetz so zu Stande zu bringen, daß dasselbe zum socialen
Frieden sührt.(Bravo!)„ S65au####.
Abg. Hitze(Centrum): Von den Absichten des Vorredners sind auch
wir geleitet. Um eine neue Organisation der Armenpflege handelt es sich hier nicht, wie Herr Buhl zutreffend ausgeführt hat. In Deutschland haben wir 800000 Almosen=Empfänger, darunter noch Geisteskranke und Gebrechliche, während 13½ Millionen Arbeiter von diesem Gesetze umfaßt werden. Schon eine kleine Rente ist dem invaliden Arbeiter eine wichtige Hülfe. Freilich, die Socialdemokraten werden wir nie zufriedenstellen können. Eine anderweite, als die in der Vorlage getroffene Rentenabstufung ist wünschenswerth, möglichst müssen dabei die individuellen Löhne in Betracht gezogen werden. Hoher bezahlte Arbeiter hängen mit Vorliebe der Socialdemokratie an, eine höhere Rente würde ihre Unzufriedenheit beseitigen. Bedauetlich ist es auch, daß die Vorlage sich so wenig an die Krankenversicherung anlehnt. Fur die Consolidirung des Prämienwesens empfehlen sich kleine Verbände, und eine Angliederung an die Berufsgenossenschaften ist deshalb meines Erachtens der Errichtung einer Reichsanstalt vorzuziehen, welche bedeutende Kosten erfordern würde. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß die Berufsgenossenschaften reorganisirt werden. Der Streit um die Quittungsbücher könnte darurch vermieden werden, daß dieselben nicht von den Arbeitgedern, sondern non der Ortsbehörde geführt werden. Das Verfahren bei Feststellung der Rente und der Javalidität könnte vereinsacht werden, wozu die Berufsgenossenschaften besonders geeignet sind. Den Reichsbeitrag erachte ich als ein sehr entdehrliches Stück Communismus. Die Reichs steuern werden aus den breiten Massen des Volkes gedeckt, während die Gemeinden, denen dies Gesetz die Armenpflege erleichteit, ihre Steuern durch Zuschlage zur Einkommensteuer erheden. Mir scheint es recht gut möglich, den Reichszuschuß durch solche Zuschläge zu ersetzen. Kapitalienansammlungen in Folge des Deckungsverfahrens werden sich allerdinds einstellen, werden den Zinsfuß herabdrucken und damit die Grundlagen der ganzen Berechnung in Frage stellen. Der Mangel einer Rückvergütung an zahlreiche Kategorien von Arbeutern, die aus der Versicherung ausscheiden, ist eine Härte, die gemildert werden muß. Auch wir werden mitarbeiten an dem Zustandekommen der Vorlage, die nach unserer Meinung den socialen Frieden fördern wird.
(Bravo!)
Abg. v. Helldorf(cons): Es wird sich für uns darum handeln, dem Arbeitslohn einen anderen Character zu geden. Der Gedanke eines Individuallohnes ist in seinen letzten Consequenzen undurchfuhrbar. Der Reichszuschuß rechtfertigt sich nur, wenn die Vorlage auf Alle ausgedehnt wurd, deren einziges Cepital ihre Arbeitskraft bildet. Im großen Ganzen hat die Vorlage diese Grenze richtig gezogen. Hr. Hitze setzte sich mit seinen Fractionsgenossen in Widerspruch, als er meinte, die Reichssteuern belasteten die unteren Klassen. Das ist ein Irrthum. Die formelle Abfassung des Gesetzes läßt viel zu wünschen übrig, die bestehenden Organisationen der Verwaltung müssen möglichst erhalten werden dagegen. Freiwillige Weiterversicherung ist fur die zu empfehlen, die als kleine Unternehmer oder bei ihrer Verheicathung aus der Versicherung ausscheiden würden. Das Markensystem ist eine Lebensfrage für die Durchfuhrung des Gesetzes. Die Verpflichtung des Arbeiters, zu einer gewissen Zeit sein Buch zur Registrirung vorzulegen, wird auch nicht zu vermeiden sein. Bei Innehaltung der Alteisgrenze von 70 Jahren wird das Gesetz viel Elend mildern, wir werden davon kaum abgehen können. Ich fur meine Person din für das Deckungsverfahren, doch ist auch die Idee angeregt worden, das Umlageverfahren mit Bildung eines Staatsreservesonds einzurichten. Die Capitalienansammlung kann dadurch unschädlich gemacht werden, daß man ihre Verwaltung decentralisirt. Die Organisanon der Verwaltung nach Landestheilen ist die richtige. Zu bedauern ist es, doß die Regierung und das Haus so wenig Verstandnitz zeigen für die wichtige, sociale Bedeutung der Fabrik=, der Ar
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nicht an solchen, die die Zeit für diese Vorlage noch nicht gekommen erachten, aber der Gegenwart fällt die Aufgabe der Lösung socialer Fragen zu und eine Partei, die sich dieser Aufgabe nicht bewußt wird, müßte die
Folgen trogen.„„„„„„— 2—
Abg. Schrader(freis.): Das Gesetz gehi zu weit, denn es umfaßt Klassen, die keinen Vortheil davon haben werden. Wir müssen deshalb dringend warnen, noch über diese Vorlage hinauszugehen. Ja den 70 er Jahren würden Sie auf die Vorlage sowohl von der Industrie, wie von den Arbeitern eine entschieden ablehnende Antwort erhalten haben. Die Ortsklassen werden Sie wohl als einen Compromiß annehmen müssen, aber für mich sind sie ebenso unannehmbar, wie die Lohnklassen. Ich brauche mich bei meiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Gesetz um andere Vorschläge nicht zu bemühen. Den alleinstehenden Arbeiter schützen Sie durch diese Rente nicht vor der Armenpflege, sie ist viel zu niedrig, der invalide Arbeiter hat seine Kräfte so erschöpft, daß sie nicht lange mehr vorhalten und von dieser Rente ist keine Aufdesserung möglich. Wohl aber kann der Arbeitgeder ein Interesse daran haben, einen Arbeiter invalide erklären zu lassen. Ob die Vorlage ein Act der Armenpflege ist oder nicht, ist lediglich ein Streit um Worte. Practisch ist sie nichts Anderes. Von den jetzigen Steuerüberschüssen wird nichts mehr vorhanden sein, wenn das Gesetz in Kraft tritt, und zur Deckung des Reichszuschusses werden dann neue indirecte Steuern bewilligt werden sollen. Der ganze Gesetzentwurf wird den Arbeitern gar nichts heisen, sondern nur ihnen und ihrem Selbstständigkeitsgefühl schaden. Hohere Renten konnen Sie ohne höhere Prämie nicht gewähren. Die Arbeitgeber, namentlich die größeren, werden ihre Prämien durch Lohnreduction wieder einbringen, und den Reichszuschuß zahlt der Arbeiter edenfalls zum größten Theil. Der Arbeiter zahlt also die Prämie so ziemlich allein und hat recht wenig davon. Das Deckungsverfahren ist zweisellos das Bessere, Capitalienansammlungen sind dabei freilich nicht zu vermeiden. Das Quittungsduch ist zwar nicht zu vermeiden, aber leider nicht empfehlensuerth. Schuld daran sind diejenigen, welche die Abneigung gegen dies Buch bei den Arbeitern durch das Verlangen von Arbeitsbuchern hervorgerufen haben. Zu leugnen ist nicht, daß das Quittungsbuch die Stelle des Arbeitsduches wirksam vertreten kann, denn es wird steis ergeben, wo der Arbeiter einst gearbeitet hat. Die Berufsgenossenschaften waren einst der Liebling, heute sind sie das Stiefkind der Socialgesetzgedung. Auch ich halte ihr Hineinziehen in die Organisation nicht für zweckmaßig. Die von der Regierung vorgeschlagene Oeganisation hat bisher wenig Freunde gefunden und die neuen Vorschläge sind auch nicht recht geeignet. Eine Reichsanstalt wird heftigen partikularistischen Widerstand finden und keineswegs das leisten, was man von ihr erwartet. Die Verwaltung wie sie vorgeschlagen, ist sehr ähnlich einem Staat im Staate und ähnelt dereits sehr den Ideeen und Vorschlägen der Socialdewokraten. Zum socialen Frieden aber kommen Sie damit nicht. Man kann es dem Arbeiter nicht verdenken, wenn er mehr fordert, denn die Landwirthschaft ist auf diesem Wege ja zu bedeutenden Zugeständnissen gelangt. Das aber ist das Bedenkliche dieser neuen Gesetzgedung, daß sie nie zu Ende kommt. Sie wollen die freiwilligen Bestrebungen der Arbeiter und Arbeitgeber, sich selbst zu helfen, zurückdrängen und darin liegt ein großes Unrecht. Sie dürfen nicht den Arbeitern den Glauben nehmen, daß sie aus eigener Kraft für sich sorgen können, sonst drängen sie sie der Socialdemotratie zu. (Beifall links.)
Abg. Leuschner(freic.): Der Umfang des Gesetzes ist zu groß und muß verkleinert werden. Arbeiter mit 2000 Mk. Jahreseinkommen brauchen eine so geringe Rente nicht. Die landwirthschaftlichen Arbeiter sind heute schon meistens besser gestellt, als es nach dem Gesetze der Fall sein soll. Die Reichsanstalt ist ein nothwendiges und wünschenswerthes Central=Institut. Die Berufsgenossenschaften haben sich nicht bewährt, aber man muß sie doch beibehalten, dis man Besseres an ihre Stelle setzen kann. Vor zu hohen Renten werden wir uns huten müssen, denn niedrige Renten können wir immer erhöhen, aber hohe schwer ermäßigen. Ohne Reichsbeitrag ist der Gesetzentwurf nicht annehmbar. Redner empfiehlt Vorberathung des Gesetzes durch eine Commission von 28 Mitgliedern.
Nach einer kurzen Auswechselung persönlicher Bemerkungen vertagt sich das Haus auf Montag 12 Uhr: Fortsetzung der heutigen Berathung, 1. und 2. Lesung der Kaiser=Wilhelm=Deukmals=Vorlage.
81ck 6 k.
Restiche Rachrächten
Deutschland.
* Berlin, 7. Dec. Am Freitag Mittag begab sich der Kaiser vom Schlosse nach dem Opernhause und wohnte dort einer Generalprobe von Wagners„Rheingold" bei. Später ertheilte der Kaiser im Schlosse Audienzen und empfing u. A. den Grafen Richard Clemens zu SchöndurgGlauchau.
— Die Kaiserin, welche mehrere Tage bettlägerig gewesen ist, bewegt sich jetzt dereits wieder in ihren Gemächern und wird in den nächsten Tagen das Schloß wieder verlassen können.
— Das Schreiben, durch weiches der König von Portugal dem Kaiser Wilhelm dessen Ernennung zum Ehrenoberst des 4 portugiesischen Cavallerie=Regimentes ankündigt, lautet in wörtlicher Uebersetzung des portugiesischen Originales.„Sehr erhabener und sehr mächtiger Fürst Wilhelm II, Kaiser von Deutschland, König von Preußen, mein guter Beuder und Freund! Ich D'Luiz, von Gottes Gnaden, König von Portugal und Algarbien 2c., sende Ew. K. K. Majestät, die ich sehr liebe und schätze, viele Gruße. Um Co. K. K. Majestät einen Beweis der besonderen Werthschatzung zu geben, die ich fur die erhabene Person Ew. K. K. Majestät empfinde, und zugleich von dem Wunsche deseelt, das portugiesische Heer zu ehren, indem ich den erhadenen und ruhmreichen Namen Cw K. K. Mojestät in die Liste seiner Officiere einschreibe, habe ich mich entschlossen, Ew. K. K. Majestät die Stellung als Ehrenoberst in dem 4. Cavallerie=Regiment anzubieten, und hoffe ich, daß Ew. K. K. Majestät diese als den aufrichtigen Ausdruck meiner Gefuhle der Hochschätzung und unerschütterlichen Freundschaft annehmen werden. Sehr erhabener und sehr mächtiger Fürst Wilhelm II, Kaiser von Deutschland, König von Preußen, mein guter Beuder und Fieund! Unser Heir nehme die erhabene Person Ew. K. K. Majestät in seinen heiligen und hohen Schutz. Geschrieben 2c. Lu#z.“
— Kaiser Wilhelm II hat die nachgesuchte Genehmigung zur Anlage einer Pferdebahn in der Berliner Friedrichsstraße über die Linden hinweg abgelehnt, da die projectirte Breite für den vorhandenen Verkehr noch zu gering sei. Es würde aber einer Pferdebahnanlage an einer anderen Stelle der Linden voraussichtlich nichts im Wege stehen. Damit ist nun die Straßenverbreiterung total ins Wasser gefallen.
— Graf Herdert Bismarck ist aus Friedrichsruh, wo er mit dem Reichskanzler conferirt hatte, nach Berlin zurückgekehrt.
— Der Reichstag wird am nächsten Sonnabend in die Weihnachtsferien gehen. Wie verlautet, wird die preußische Regierung im Bundesrath einen Gesetzentwurf einbringen, welcher die Mißstände beseitigen soll, die sich im Lause der Zeit bei dem Abzahlungsgeschäft herausgestellt haben. Dem reellen Abzahlungsgeschäft soll aber durch diese Vorlage keinerlei Hinderniß bereitet werden.
— Wie die„Nat=Zig.“ erfährt, wied der Vorsitzende der deutschen ostafrikanischen Gesellschaft Dr. Carl Peters im Januar nach Zanzibar gehen, um sein Commando in der Emin=Pascha=Expedition zu übernehmen, wäahrend Premier=Lieutenant Wißmann dereits Ende dieses Monats dorthin vorausgehen dürfte.
— Der Papst empfing am Freitag die Prinzessin Friedrich Karl von Preußen.
— Die Thronrede, mit welchem der württembergische Landtag vom Thronfolger Prinzen Wilzelm geschlossen ist, gedenkt hervorragend des Todes der beiden Kaiser und des Besuches Kaiser Wilheims 1I Stuttgart, der gezeigt habe, daß das württembergische Volk fest zum Reiche stehe. Die gesetz
geberischen Arbeiten der abgelaufenen Session und Legislaturperiode haben gute Resultate gegeben und die Finanzlage des Landes erheblich gebessert. Die Thronrede spricht deshalb den Kammern den königlichen Dank aus.
— Die Errichtung eines Kaiser=Wilhelms=Denkmales durch die deutschen Kriegervereine erscheint jetzt gesichert. Ueber den Denkmalsplatz wird zwischen dem Kyffbäuser und der alten Kaiserstadt Goslar enschieden werden.
— Prinz=Regent Luitpold von Bayern empfing Freitag unter großen Feierlichkeiten den neuen österreichischen Botschafter Fürsten Wrede.
Belgien.
Nachdem in den letzten Tagen in den belgischen Strikebeurken fast ein halbes Dutzend Dynamitattentate vorgekommen sind, wenn sie auch glücklicherweise einen größeren Schaden nicht angerichtet haben, hat die belgische Regierung energische Maßnahmen ergriffen. In allen unruhigen Orten ist die Bürgergarde zur Verrichtung des Sicherheitsdienstes einberufen. Der Präsident des jüngst abgehaltenen Republikaner=Congresses, Salvi, und drei andere Mitglieder der Bewegung sind verhaftet. Die Dinge sind in Belgien leider zu weit gediehen, als daß Gewaltmaßregeln hülfen. So lange sich die Brüsseler Regierung nicht zu den recht nothwendigen gesetzgeberischen Reformen entschließt, wird keine Ruhe im Lande.
Italien.
Der Papst empfing den russischen Gesandten Iswolski, welcher ein Schreiben des Czaren überreichte.
Vatitanische Blätter erklären die Meldung, es solle ein Congreß aller katholischen Vereine nach Rom berufen werden, für unrichtig.
Die Kammercommission, welche die Steueranträge der Regierung, aus denen die neuen Armeeforderungen gedeckt werden sollen, zu berathen hat, hat die Vorlage abgelehnt. Man zieht eine Anleihe neuen Steuern vor. Die Commission zur Berathung der Militärforderungen selbst will den Kriegsminister fragen, ob die jetzt verlangten Summen nun die letzten sein werden, oder noch mehr Forderungen kommen werden.
Crispi sprach sich in den Kammern dahin aus, er glaube an keinen nahen Krieg, wenn die Lage auch ernst sei. Die Beziehungen zu Frankreich seien normal, Italien denke gewiß nicht daran, mit Frankreich Krieg anzufangen. Die Verstärkung der Wehrkraft sei indessen geboten durch die Lage sowohl, als auch durch die Stellung Italiens zu den übrigen Mächten des Friedensbundes. Der Minister hoffte zuversichtlich, die neuen Militärforderungen würden keinen Anlaß zur Krisis geben.
Nachdem die Kammercommission die Steuervorlagen abgelehnt hat, welche zur Deckung der Militärforderungen dienen sollten, befürchtet man den Rücktritt des Finanzministers Magliani. Die Militärcredite werden trotz dem von der Kammer bewilligt werden.
Frankreich.
In der Kammer hat sich wieder ein allerliebster Vorfall abgespielt. Der Abg. Lusini rief dem Abg. Basly herausfordernde Bemerkungen zu, worauf Basly antwortete:„Sie sind ein Schaftkopf!“. Darauf schickte sich Lusini an, seinem Gegner eine Ohrfeige zu geben, erhielt aber von diesem einen Fausthieb vor den Magen. Die schönste Prügelei sollte gerade losgeben, als die beiden Kampfhähne von ruhigeren Collegen von hinten ergriffen und so lange festgehalten wurden, bis sie sich einigermeßen ausgeschimpft hatten. Folgen hatte die Geschichte nun nicht mehr.
Spanien.
In Madrid ist wieder mal eine Ministerkrisis ausgebrochen; der Kriegsminister Cassola ist zurückgetreten. Wahrscheinlich#erfolgt eine Umbildung des gesammten Cabinets, doch bleibt Sagaßa Ministerpräsident.
Großbritannien.
Londoner Blätter berichten, der Araberhäuptling Buschiri sei mit seinen Leuten gegen die von den Deutschen wieder besetzte Stadt Bagamopo vorgerückt, in deren Nähe es zu einem blutigen Zusammenstoß gekommen sei. Die Araber hatten große Verluste. Die deutschen Seesoldaten blieden in ihrer ursprünglichen Hafenstellung. Zwei Seeleute sollen getödtet oder tödtlich verletzt, mehrere Andere verwundet sein.
Rußland.
In Petersburg ist man über die Preßattacke aus Anlaß der neuesten russischen Anleihe stark verschnupft. Der diesetwegen aus Berlin nach Petersburg berufene Botschafter Graf Schuwalow hatte mit dem Czaren und Giers lange Conferenzen.
Orient.
Der serbische Verfassungsausschuß hat seine Plenarsitzungen begonnen und wird mit der Arbeit wahrscheinlich rasch zu Stande kommen. Zum Beginn hielt der König eine sehr gemäßigte Reve, die großen Beifall fand. Die erneuten Wahlen sind ohne jede Störung verlaufen.
Provinzielle Nachrichten.
Speldorf, 6 Dec.(Eine hiesige Familie ward heute Morgen in nicht geringen Schrecken versetzt, indem man die traurige Entdeckung machen mußte, daß das Ladenmädchen während der Nacht durch Salzsäure (zum Glück verdünnte) sseinem Leden ein Ende zu machen versucht hatte. Das Mädchen, welches seit Jahren in dem Geschäfte thätig und als durchaus brav und unbescholten bekannt ist, verfiel zeitweilig in Spuren von Tiessinn, weshalb wohl angenommen werden darf, daß die unselige That eine Felge von Geistesstörung gewesen ist. Die Aermste befindet sich gegenwärtig im Krankenhause zu Mülheim und wird ein langes und beschwerliches Leiden durchzumachen haben.(Rh= u. Rztg)
Hagen, 6. Dec.[Gefundene Leiche.] Heute Morgen wurde der Schaffner Wenzel aus Altenhagen auf der Decke eines Waggons als Leiche aufgefunden; das Gesicht war erheblich verletzt. Der Mann war als dienstthuender Schaffner mit dem letzten Personenzuge von Deutz nach Hagen gefahren und bereits in Station Schwelm vermißt worden. W. ist jedenfalls bei der Durchfahrt unter einer Brücke an diese mit dem Kopf gestoßen und hat so den Tod gefunden.
Linden, 6. Dec.[Mord.] Ueber die an der Frau des Bäckermeisters Friedrich Dahlmann verubte Mordthat ist noch Folgendes mitzutheilen. Bei der gestern Nachmittag vorgenommenen Untersuchung durch den Herrn Landrichter Schulze aus Hattingen erschien diesem der Ehemann der That dringend verdächtig, weshalb derselde sofort verhaftet wurde. Der angebliche Diebstahl des Geldes bestätigt sich nicht; dasselbe ist in einem verschlossenen Schranke vorgefunden worden. Auch wurde constatirt, daß Thüren und Fenster nicht geöffnet worden waren. Die Leiche ist in's hiesige Krankenhaus gebracht worden und heute findet die gerichtliche Odduction statt. Nach Aussage der Gesellen und Dienstboten haben die Eheleute stets friedlich zusammen gelebt.
Solkales
Aus dem Kreise Ruhrort.
* Ruhrort, 7. Dec. Am kommenden Sonntag, Abends 8½ Uhr, wird Herr Pastor Dr. Uhlig im großen Saale des evangelischen Vereinshauses einen Vortrag über die Mission unter Israel halten, zu welchem alle evangelischen Gemeindeglieder freundlichst eingeladen sind.
Ruhrort, 8. Dec. Am Sonntag Vormittag 11½ Uhr findet im Weiß'schen Saale eine öffentliche Versammlung der Metallarbeiter statt. Die zur Verhandlung kommende, alle Metallarbeiter interessirende Frage lautet: „Der diesjährige Congreß der Metallarbeiter und seine Aufgade.“ Die Metellarbeiter Ruhrorts und Umgegend werden zu dieser Versammlung eingeladen.
i Ruhrort, 8. Dec. Zu der Frage, ob der Inhalt einer Postkarte, in welcher Jemand wegen Bezahlung einer Schuld gemahnt wird, als belidigend anzusehen, die Postkarte daher von der Beförderung auszuschließen ist, ist zu demerken, daß nach einer Entscheidung des Berliner Kammergerichts eine solche Mahnung an sich noch keine Beleidigung ist; sie wird erst dann
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