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Nr. 279.

Donnerstag, den 22. November 1888.

15. Jahrgang.

Abonnenents-Bekelun gen

auf die

Ruhrorter Zeitung

amtliches Kreisblatt für den Kreis Ruhrort

zugleich Meidericher Zeitung

werden fortwährend entgegengenommen.

Die Expedition.

Geschichts=Kalender.

22. November 1757. Schlacht bei Breslau. Die Preußen unter dem Herzog von Bevern werden durch Karl Alerander, Prinzen von Lothringen und Bar, geschlagen. Breslau ergiebt sich den Oesterreichern.

1767. Andreas Hofer gedoren.

1870. Bourdakt wird Obercommandant des 18. Armeecorps in Nevers. Beginn der Beschießung von Thionville(Diedenhofen.) Gefecht gegen Mobilgarden dei Quesnel.

* Die Hritallung des Friedene.

Nachdem Kaiser Wilhelm II im Interesse der Erhaltung des Friedens die Höfe von Rußland. Schweden, Dänemark, Oesterreich und Italien besucht hatte, tauchten einige Nachrichten auf, welche nur schwer mit den friedlichen Absichten von Rußland in vollen Einklang zu beingen waren. Die erste Nachricht betraf eine neue Organisation der russischen Armee mit einer gleich­zeitigen Vorwärtsbewegung derselben nach dem Südwesten Rußlands, also gegen die österreichisch=russische Grenze, die zweite Meldung kündigte eine große russische Anleihe von 500 Millionen Francs an, die hauptsächlich durch die französischen Bankkräfte beschafft werden würden. Die russischen Officiösen leugneten beide Nachrichten ab, gaben schließlich eine theilweise Richtigkeit derselben zu und bestritten dann wieder die zugegebenen Details, bis schließlich sowohl die Bildung neuer Armeecorps als auch deren Verlegung nach den Departements an den West= und Südwest=Grenzen Rußlands als geschehen zugestanden, wie auch für den 6. December 1888 der Ukas des Czaren an­gekündigt wurde, welcher den Abschluß der 500=Millionen=Anleihe befiehlt.

In Oesterreich wie in Deutschland war man sich in officiellen Kreisen wohl von Anfang an darüber klar, daß den russischen Ableugnungen und Vertuschungen keine Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Deutschland hat seit Jahren seine Ostgrenzen gestärkt, denn es sind daselbst die Festungen er­weitert und zumersten Rang erhoben, es sind neue strategische Eisen­bahnen ausgeführt, es sind endlich die Gornisonen erheblich verstärkt worden. Daß gleichzeitig eine deutsche Einwanderung zum Zwecke der Colonisirung

und Germanisirung nach dem Osten gelenkt worden ist, ist ebenfalls sehr zweckmäßig. Oesterreich aber warigegenüber den russischen aggressioen Ten­denzen zurückgeblieben, hat indessen so rasch als möglich das Versäumte in Bezug auf Festungs= und Eisenbahnbau, Garnisonirung und besonders auch durch eine beschleunigte Gesammt=Heeres=Organisation(Linie=Reserve, Landwehr und Landsturm), wie sie Deutschland dereits besaß, nachgeholt. Wenn nun auch durch diese gegenseitigen Armeevermehrungen die drei Mächte Deutschland, Oesterreich=Ungarn und Rußland eine ganz be­deutende Vermehrung ihrer Militärmacht durchgesetzt haben, es wird Nie­mand behaupten wollen, daß die gegenseitigen Verstarkungen der Truppen­kräfte in den Grenz=Departements der Echaltung des Friedens sonderlich förderlich wären.

Im Gegentheil, die neuen russischen Verschiebungen werden, obwohl bereits Vorbeugungs=Maßregeln getroffen sind, wahrscheinlich zu neuen mili­tärischen Maßregeln in Oesterreich=Ungarn und Deutschland führen. Bisher unn legte man den russischen Maßregeln deshalb keine allzugefährliche Be­deutung bei, weil man annahm, daß zu einem großen Kriege dem Czaren­reiche wahrscheinlich das erforderliche Geld fehlen würde, aber dieser Ein­wand, der für die Friedenserhaltung sprach, fällt, sobald es Rußland gelingt, durch eine erfolgreiche Anleihe via Frankreich 500 Millionen Francs Baargeld in seine Kassen überführen zu können. Es ist unleugbar interessant, zu sehen, wie heftig jetzt der finanzpoltische Krieg in der Presse und an der Börse entbrennt. Hier tritt Frankreichs den Frieden bedrohende Rolle klar zu Tage. Die Anleihe ist eine Art Prämie auf die russisch= französische Allianz. Die politischen Verschiedenheiten des absoluten Ciarenreiches und der französischen Republik haben diesen Plan von Thiers=Gortschakoff nicht zu

aes bentsche e aereaen aun e e. Leitung Bismaicks hat die Zeitelungen der Friedensstörer als Lügen und Fälschungen entlaupt, Rußland und Frankreich konnten nicht zusammenkommen, nun soll das Geld den Kitt bilden für die Allianz zum Kriege. In Italien erkennt man die Gefahr, welche die Emission von 500 Millionen Russen denIalienern bringt, wie auch denLombarden, in Pest und Wien fürchtet man den Druck auf dieRente, nur in Deutschland würde man voraussichtlich die Gelegenheit benutzen, sich derRussen von der Börse möglichst zu entäußern. England's Presse schließt sich den Warnungen

derKölnischen Zeitung an; es erscheint uns daher als ein bedenklicher, fast unpatriotiicher Mißgriff, wenn das deutsche Großkapital, das allerdings in kruischen Zeiten gewöhnlich verhängnißvolle Bockstreiche macht, die neue russische Anleihe Hand in Hand mit der Pariser Börse placiren helfen wollte.

Im Interesse des Weltfriedens wäre es zu wünschen, daß man Ruß­land neue kolossale Geldmittel allseitig verweigerte; ob die im Auslande placirten rusfischen Werthe möglichst nach Rußland abzuschieben wären, er­scheint nur so lange als eine beachtentswerthe Frage, als Rußland nicht loyal seine finanzielle Zusagen innehält und sich nicht mit seinem Zollkrieg gegen die ganze Welt begnügt, sondern auch die friedliche Lage in Europa noch durch Unterstützung der Revanchelust Frankreichs und durch eigene kriegerische Demonstrationen bedroßt.

Poütische Nachrichten.

Deutschland.

* Berlin, 21. Nov. Der Kaiser arbeitete am Mittwoch Vormittag zunächst längere Zeit allein und ertheilte dann dem Oderpräsidenten der Provinz Poser, Grasen v. Zedlitz=Trützschler, Audienz Darauf arbeitete der Kaiser mit dem Chef des Civilcabinets und empfing eine Deputation des 8. Husaren=Regimentes aus Paderborn, welche zur Begrüßung ihres Chefs des Großfürsten=Thronfolgers von Rußland nach Berlin defohlen ist. Nachmittags fand bei den Majestäten aus Anlaß des Geburtstages der Kaiserin Friedrich ein größeres Diner statt.

Der Großfürst=Thronfolger Nicolaus traf am Abend in Berlin ein und wurde von dem Kaiser persöalich empfangen und nach herzlicher Begrüßung ins Schloß zur Kaiserin geleitet.

Die Kaiserin Friedrich feierte am Mittwoch in Schloß Windsor ihren Geburtstag, wo zu Ehren des Tages ein Diner stattfand. In Berlin zogen die Wachen und Posten mit Haarbusch auf. Die königlichen und die prinzlichen Palais, die Kasernen, die öffentlichen und zahlreiche Privatgebäude hatten Flaggenschmuck angelegt.

Der dem Kaiser geschenkte Monumental=Brunnen wird seine Aufstellung auf dem Schloßplatze in Berlin finden und zwar so, daß sein Mittelpunkt parallel mit der Achse der Breitenstraße liegt. Die Anlage wird 7 Meter hoch, 17½ Meter breit sein. Die Einfassung des Brunnenbeckens wird aus dunkelrothem norwegischem Granit hergestellt werden.

Die Kaiserin Augusta hat schon wiederholt die letzte große Schöpfung ihres hochseligen Gemahls auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichtswesens, das Seminar für orientalische Sprachen in Berlin, durch ein besonderes Interesse ausgezeichnet. Die Kaiserin hat nunmehr dem Seminar eine aus einem bedeutenden jährlichen Einkommen bestehende Schenkung zugewendet und dadurch in werkthätiger Weise die Entwicklung der jungen Anstalt ge­fördert. Nach der Bestimmung der Allerhöchsten Spenderin sollen die be­treffenden Mittel für die schriftstellerischen Arbeiten des Semmars verwendet werden.

Einen Besuch des 10. Schlesischen Musikfestes, welches im Juni k. J. in Görlitz stattfinden soll, hat der Kaiser in Aussicht gestellt.

In den Blättern wird mehrfach angeregt, den Reichstag, dessen Gältigkeit am 20. Februar 1890 abläuft, schon im Herbst 1889 aufzulösen, damit dann die Neuwahlen stattfinden können und nicht zum Beginn des folgenden Jahres erst, wodurch die parlamentarischen Arbeiten sehr gestört werden würden. Unpractisch ist der Vorschiag nicht, aber es ist noch so lange hin bis zu den Neuwahlen, daß es unnöthig ist, sich schon jetzt mit denselben und ihrem Termin zu beschäftigen.

Französische Blätter hatten berichtet, ein Bahnbeamter aus Frau­zösisch=Aoricourt sei in Deutsch=Aoricourt ganz ohne Grund verhaftet worden. Ohne Grund war der Mann nun aber nicht eingesteckt, sondern er war eines Diebstahls wegen am 18, verhaftet, wurde aber schon am 20. wieder frei­gelassen.

Bei dem evangelischen Gottesdienst, welcher der Reichstags­eröffnung vorangeht, wird Dr. Kögel die Predigt halten.

DieNordd.=Allg.=Zig. bringt an der Spitze ihrer neuesten Num­mer folgende Zeilen: Die jüngsten Tage haben Kunde gebracht von der ebenso herzlichen, als gastfreien Aufnahme, welche dem deutschen Schulge­schwader in den österreichischen Seeplätzen am Adriatischen Meere bereitet wurden und von der ehrenvollen Aufmerksamkeit, mit welcher sowohl das österreichische Seeofficiercorps, wie die Behörden und die gesammte Bevölke­rung den deutschen Gästen begegnet sind. In allen Hafenplätzen der Mo­narchie, welche das Geschwader bisher anlief, hat man darin gewetteifert, den Besatzungen der deutschen Kriegsschiffe einen von den Empfindungen der Sympathie und Hochachtung durchdrungenen Willkommengruß zu ent­bieten, und ihnen nicht nur äußerlich, sondern aus vollstem Herzen heraus die Freude über diesen ersten Besuch zu erkennen zu geben. Die warme Begrüßung unserer Kriegsschiffe in den ferneren österreichischen Küstenstädten hat einen lebendigen Widerhall nicht nur in der ganzen deutschen Kriegs­marine, sondern im großen Vaterlande gefunden, welches mit freudigem Stolz die Kunde von der Auszeichnung, die den Vertretern unserer Seemacht widerfahren, vernommen hat. Allgemein wird diese so erfreuliche Kund­gebung in unserem Lande als ein Nachklang jener Trinksprüche aufgefaßt werden, in denen vor wenigen Wochen die Herrscher der beiden Reiche den Gesinnungen treuer Waffenbrüderschaft Ausdruck gaben, und mit welchen Allerhöchstdieselben die zwischen Ihnen bestehende Bundesgenossenschaft be­kräftigten. Ebenso wie die damals dem deutschen Heere gewidmeten Worte huldvoller Anerkennung in unserem Vaterlande das Gefühl pateiotischen Stolzes ezweckten und in den Herzen der Armee und der Nation ein tausend­faches Echo fanden, ebenso fühlt sich heute unsere Flotte und mit ihr das Land durch die Beweise herzlicher Gastfreundschaft geehrt, welche am Strande des Adriatischen Meeres den deutschen Seeofficieren zu Theil wurden, und erblickt in denselben eine neue Bürgschaft für das Erstarken der beide Reiche mit einander verbindenden Waffengenossenschaft. War schon durch die Aufnahme des dem Thron am nächsten stehenden preußischen Prinzen in den Verband des österreichischen Seeofficiercorps diesem engeren Band, welches zwischen der österreichisch=ungarischen und der deutschen Flotte besteht, ein bezeichnender Ausdruck gegeben, so ist das kameradschaftliche Verhältniß zwischen beiden Marinen durch die stattgefundene persönliche Begegnung in noch höherem Maaße gefestigt worden. Unvergeßlich wird in der Erinne­rung der betheiligten deutschen Seeofficiere das Andenken an den Besuch der österreichischen Flotte fortleben, deren Abzeichen ein erlauchter Prinz des deutschen Kaiserhauses, gleichsam als Symbol der Waffenbrüderschaft beider Reiche zur See, hinfort tragen wird.

Professor Gneist empfing anläßlich seines fünfzigjährigen Doctor=Jubiläums bereits am frühen Morgen den Besuch des Cultus­ministers, welcher die Glückwünsche des Kaisers und der Staatsregierung überbrachte. Ferner gratulirten der Rector und Senat der Universität, der Decan der philosophischen Facultät, die Juristenfacultät in corpore, sowie der Staatssecretär Schelling Namens des Reichsjustizamtes, eine Deputation der hiesigen Anwaltkammer des Oberverwaltungsgerichtes und zahlreiche per­sönliche Freunde. Von dem Reichsgerichtspräsidenten Simson, den Univer­sitäten Marburg, Rostock, Jena, Wien, Prag, Basel, Bern, Zürich, Dorpat, Cambridge, Oxford, Edinburg und Agram gingen telegraphische Glückwünsche, Adressen und Festschriften ein. Der Kaiser und der Großherzog von Baden verliehen dem Jubilar Ordensauszeichnungen. Die Studentenschaft wird zu Ehren Gneist's in der nächsten Woche einen Commers abhalten.

Professor Gneist hat zu seinem 50 jährigen Doctor=Jubiläum den Stern zum Rothen Adlerorden zweiter Klasse mit Eichenlaub erhalten.

Der neue Reichshaushalt für 1889/90 schließt nach der Fassung, welche er im Bundesrath erhalten hat, in Einnahme und Aus­gabe mit 949 Millionen Mark ab. Davon sind 806½, Millionen fort­dauernde Ausgaben.

Der Preis der Rückfahrkarten auf den preußischen Staalts­bahnen wird nunmehr vom 1. April k. J. ab allgemein auf den anderthalb­fachen Preis der einfachen Personenzugkarten herabgesetzt und überall nach Normaltaxen derechnet, die anderthalbfache Schnellzugstaxe somit abgeschafft werden. Die letztere, erst kurze Zeit bestehende Einrichtung hat sich nicht bewährt, da die Passagiere dieselbe nicht selten zu umgehen wissen. Man theilt eben eine mit Rückfahrkarten zu befahrende größere Strecke, wenn die Gültigkeitsdauer von zwei bezw. drei oder vier Tagen ausreicht, in mehrere Strecken von weniger als 100 km Länge und erzielt durch die Lösung von Einzel=Rückfahrkarten hierfür einen oft erheblichen Gewinn; so beträgt der­selde deispielsweise für die Strecke Hamburg=Frankfurt a. M. 5 Mk. Die jetzige Bestimmung bedingt auch manche Unbilligkeit, da zum Beispiel die Schnellzugstaxe auch im Verkehr zwischen solchen kleinen Stationen bezahlt werden muß, auf denen ein Schnellzug nie anhält. Es sei jedoch hierbei

In harter Schule.

Roman von Gustav Imme.

(31. Fortsetzung.)

XV.

Graf Falkenberg hatte mit Leontine die Richtung nach einer Gegend eingeschlagen, nach welcher sich alljährlich der Zug der Reisenden in breiten Stromen ergießt, die aber jetzt in den ersten Tagen des Mai noch ziemlich unbesucht war. Es ging nach Thüringen. In Eisenach verließen sie die Eisenbahn, der Graf nahm ein Fuhrwerk und sie fuhren in's Land hinein bis zu einem kleinen, in einem reizenden Thale gelegenen Dörschen. Etwas abseits davon lag auf einer Anhöhe eine kleine Villa und diese war das Ziel ihrer Reise.

Der Graf stellte dem im Erdgeschosse wohnenden bejahrten Ehepaar Leontine als die Dame vor, für welche die Villa von ihm gemiethet und eingerichtet sei, und schärfte ihnen ein, für sie die größte Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu haben. Dann führte er die junge Dame in ihre in der ersten Erage gelegenen Gemächer, die einfach, wie es für ein solches Land­haus angemessen, möblirt waren, aber durchaus keines Comsorts entbehrten und sogar ein hübsches Instrument und einen wohlgefüllten Bücherschrank aufzuweisen hatten.

Lassen Sie es sich hier einige Wochen gefallen, bat der Graf.Lange wird die Einsamkeit nicht währen, ich hole Sie bald ab zum regen, wechselnden Leben am Hofe."

Die Einsamkeit wird mir nach allem Durchlittenen gut thun, ant­wortete Leontine,und ich bin sehr damit zufrieden, daß ich mich hier auf meine Stellung vorbereiten kann"

Für die bringen Sie alle Erfordernisse in reichstem Maße mit, sagte

der Graf verbindlich.Mich macht bei Ihrem Aufenthalte nur Eins

besorgt, fuhr Falkenberg fort,Sie sind auf der Bedienung der beiden alten Leute beschränkt, die ich allerdings als treu, zuverlässig und geschickt kenne; ich habe aber nicht gewagt, noch eine Jungser zu Ihrer persönlichen Bedienung zu engagiren. Je mehr Menschen um ihren Aufenthalt wissen, um besto eher ist er der Gefahr ausgesetzt, verrathen zu werden.

Deshalb machen Sie sich keine Sorge, Herr Graf, lächelte Leontine, meine Toilette wird hier so einfach sein, daß ich sie auch ohne die Hülse einer Kammerjungfer zurecht bringen kann.

Noch an demselden Abend reiste der Graf wieder ab. Leontine richtete

sich wit Hülfe der Hauswirthin, die sich höchst gewandt und anstellig erwies,

hauslich ein und empfand ein eigenes, ihr bisher noch ganz unbekanntes Behagen darin, selbststandig für sich zu schalten und zu walten, undehindert von den Fesseln einer ihr ganzes Thun und Lassen fest regelnden Form, frei über ihre Zeit verfügen, vollständig nach ihrem Gefallen leben zu können.

Sie unternahm weite Spaziergänge, wobei sie es sich freilich gefallen lassen mußte, daß der alte Mann ihr von Weitem folgte. Die Leute waren im höchsten Grade anständig und respectvoll, belästigten sie nie mit Fragen, sprachen nur mit ihr, wenn sie sie anredete, aber in dem einen Punkte er­wiesen sie sich von einer beispiellosen Hartnackigkeit, sie ließen sie nie aus den Augen und behauptsten, der Herr Graf habe ihnen das gnädige

esc ste ese eie eie e eere und feei, wenn auch ganz abseits von der Straße, welche die Touristen zogen, gelegen, Leontine hätte sich für eine Gefangene halten können.

Noch in einem Punkte zeigten sich ihre Haus= oder Dienstleute, Fräulein von Reina wußte nicht recht, wie sie sie bezeichnen sollte, felsenfest sie nahmen nie einen Pfennig Geld von ihr an. Leontine besaß allerdings keine große Baarschaft, denn das reichliche Taschengelo, das ihr Vater ihr alle Monate zahlte, war stets für ihre Toiletten= und sonstigen Bedürfnisse, wie für ihre Armen darauf gegangen. Da sie aber nur wenige Wochen hier zu bleiben gedachte und überhaupt keinen rechten Begriff davon besaß, was der Lebensunterhalt eigentlich koste, so glaubte sie sehr reich zu sein, wollte bezahlen, was sie verbrauchte und Geschenke machen. Man wies es höflich, aber entschieden zurück mit dem Bemerken, der Graf habe das Alles geordnet.

Als sie dem Grafen, der nach Ablauf einer Woche auf einige Stunden kam, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, darüber Vorstellungen machte, war er sehr ernst und sagte:

Sie sind mein Gast, gnädiges Fräulein, indem Sie sich meinem Schutz: anvertrauten, haben Sie mir die Ehre an than, auch meine Gast­freundschaft anzunehmen. Sie werden sie übrigens nicht lange in Anspruch zu nehmen brauchen, fügte er fast wehmüthig hinzu,ich werde Ihnen wahrscheinlich schon nach wenigen Tagen die Nachricht zu bringen haben, daß die Prinzessin Ihre Gegenwart befiehlt.

Es vergingen jedoch mehrere Tage, es vergingen einige Wochen, ohne daß der Graf dieses Versprechen einlöste oder sich wieder sehen ließ. Statt seiner kam ein Brief, der Leontine bat, nicht ungeduldig zu werden, ihre Anstellung sei beschlossene Sache, sie verzögere sich jedoch durch einen un­vorbergesehenen Umstand um einige Wochen. Die Heirath ihrer Vorgängerin müsse wegen eines Todesfalles in der Familie des Bräutigams einen Auf­schub erleiden und die Prinzessin wolle die ihr sehr liebe junge Dame, eine Waise, unmittelbat von ihrem Hofe in das Haus ihres Gatten entlassen, halte aber bis dahin die Berufung der Nachfolgerin nicht für angemessen.

Dagegen ließ sich nichts sagen Leontine wartete. Der Graf kam auch etliche Male, behielt unverändert seine theilnahms= und respectvolle Haltung bei und vertröstete sie. Allmählich ward ihr aber doch die Zeit recht lang. Das fortgesetzte Leben in tiefster Einsamkeit und das eigenthum­liche Bewachungssystem, das von ihren Wirthsleuten, wenn auch in der besten Absicht gegen sie verübt ward, trugen edenfalls dazu bei, sie verstimmt und ungeduldig zu machen, und als nun Mai und Juni vergangen waren und ihre Angelegenheit noch auf demselden Flecke stand, der Graf auch länger als sonst sich weder sehen noch hören gelassen, da schrieb sie an ihn und ließ zum ersten Male Klagen über die lange Verzögerung laut werden.

Statt aller Antwort kam er selbst. Er gab Leontine vollkommen Recht, daß sie ungehalten werde, beklagte bitter, daß Verhältnisse, die mächtiger wären ais er, sich der Erfüllung seines Versprechens immer noch hindernd in den Weg stellten und ließ nicht undeutlich merken, daß eine starke Stromung gegen die Anstellung des Fräuleins von Reina thätig sei. Als Leontine darob nun merklich ängstlich ward und davon sprach, daß sie für diesen Fall doch auf andere Schritte für ihre Zukunft bedacht sein müsse, sagte er in seiner gewinnendsten Weise:

Bitte, bitte, mein gnädiges Fräulein, geben Sie meinen Worten nicht eine solche Deutung.

Ich hielt es nur für meine Pflicht, Sie ganz klar die Situation über­sehen zu lassen, damit Sie es verstehen, wenn noch einige Zeit verstreicht, ohne daß ich Sie an den Hof führen kann. Auch Fürsten sind nicht immer ganz frei. Die Prinzessin hat Rücksichten zu nehmen, daß aber schließlich die Wahl doch auf keine andere Dame fällt als auf Sie, dafür bürgt die große Theilnahme, die Prinz Arnold für Sie hat.

Diese letzten Worte waren, wie immer, wenn der Graf das Gespräch auf den Prinzen lenkte, mit einem so eigenthümlichen Tone gesprochen, daß Leontine unwillkürlich erröthete.

Ich bin fest überzeugt, fuhr der Graf fort,daß Ihnen die Stellung bei der Prinzessin sicher ist; wäre dies aber nicht der Fall, so könnte ich Ihnen vielleicht etwas Anderes mittheilen, was sich möglicherweise noch be­friedigender und beglückender für Sie gestaltete.

Sie sprechen in Räthseln, Herr Graf.

Und hat es nicht einen besonderen Reiz, Räthselhaftes zu errathen? fragte er.Ich glaube kaum, daß es der klugen Leontine von Reina allzu schwer werden dürfte, versetzte er mit feinem Lächeln.Leider muß ich Ihnen jetzt längere Zeit dazu lassen, fügte er mit trauriger Miene hinzu. Prinz Arnold macht eine mehrwöchentliche Reise und ich muß ihn be­gleiten. Ich werde aber häufig an Sie schreiden und Ihnen stets genau angeben, wo Ihre Briefe mich treffen können. Wenn wir uns wiedersehen, wird sich Alles günstig entscheiden, bis dahin Muth und Geduld.

Ach, es ist recht leicht für Denjenigen, der Abschied nimmt, um täglich wechselnden Scenen entgegenzugehen, Muth und Geduld zu predigen: schwerer wird die Ausükung für Den, welcher in einen kleinen Kreis gebannt jeder Zerstreuung beraubt ist und keine Thätigkeit hat, die ihn zwingt, seine Ge­danken fest und concentrirt auf einen Punkt zu richten und sie vom selbst­quälerischen Grüveln energisch abzuziehen.

Leontine las, sie beschäftigte sich mit weiblichen Handarbeiten, sie malte, denn auf eine desfallsige Aeußerung hatte sie der Graf reichlich mit Material zum Zeichnen und Malen versorgt, aber Alles reichte nicht hin, ihre Unruhe zu bannen.

Das Räthsel, welches ihr der Graf aufgegeben, beschäftigte sie wohl lebhaft, aber es erfüllte sie doch weit mehr mit Unruhe, als mit freudiger Hoffnung.

Sollte Prinz Arnold wirklich vorhaben, um ihre Hand zu werben? Dann war es doch eigenthümlich, daß er sie hier Monate lang so allein und so verlassen leben ließ, ohne ihr auch durch ein Wort, durch ein Zeichen seine Theilnahme zu erkennen zu geden. Zuweilen schnürte ihr die Angst die Brust zu, der Graf treibe doch ein falsches Spiel mit ihr. Ulrichs Aeußerungen über ihn fielen ihr alsdann schwer auf die Seele. Im nächsten Augenblick wies sie aber einen solchen Verdacht, der sich zudem in gar keine greifbare Gestalt bringen ließ, weit von sich und klagte sich der schnöden Undankbarkeit an gegen den einzigen Menschen, der sich ihrer Noih und Verzweiflung angenommen hatte.

(Fortsetzung folgt.)

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