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Nr. 246

Mittwoch, den 17. October 1888.

15. Jahrgang

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Ruhrorter Zeitung

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Die Expedition.

Geschichts=Kalender.

17. October 1709. Die Preußen erstürmen die Lünette von Mons.

1805. Sieg der Franzosen über die Osterreicher unter Werneck bei Neresheim in Württemberg. Schmachvolle Kapitulation von Ulm durch den österreichischen General Mack.

1806. Der Lieutenant Hellwig befreit bei Eisenach(Fischbach) mit 50 Husaren 9000 in Erfurt gefangene Preußen. Bernadotte schlägt bei Halle ein preuß. Corps des Herzogs Eugen von Württemberg.

1813. Blücher wirft die Franzosen bis an die Thore von Leipzig zurück. Napoleon dieter dem Kaiser Franz den Frieden.

1821. Eroderung und Zerstörung von Tripolitza durch die Griechen.

1870. Besetzung von Montdidier durch ein Detachement der Maasarmee.

* Der Zollanschluß

von Hamburg und Breinen,

welcher lange Zeit zum Beginn dieses Jahrzehnts der Gegenstand heftigsten Streites in Deutschland gewesen, ist nun Thatsache geworden. Wir können es heute kaum noch verstehen, wie man sich über diese wichtige wirthschafts­politische Angelegenheit eine Zeit hindurch so gewaltig erhitzen konnte; es zeigt sich auch hierdei wieder einmal, daß Principienstreit und practische Ausführung oft himmelweit von einander verschieden sind. Die beiden Hansestädte hatten bei der Errichtung des neuen Deutschen Reiches ihre bis­herige Freihafenstellung garantirt erhalten, so lange sie selbst nicht den Wunsch aussprechen würden, in den deutschen Zollverband einzutreten. Politisch mit dem Reiche auf das Engste verbunden, blieben sie in wirth­schaftlicher Beziehung Ausland. Dieser Zustand führte manche Verdrießlich­keiten und Zollplackereien herbei, die auch in den Hansestädten selbst bitter empfunden wurden; aber man glaubte doch an der Freihafenstellung im Interesse des Welthandels festhalten zu sollen. Nach Einleitung der neuen deutschen Wirthschaftspolitik ergaben sich aus der Sonderstellung Hamburgs und Bremens aber vermehrte Reibereien, und die Dinge spitzten sich so zu, daß Fürst Bismarck mit der Fortverlegung der deutschen Zollämter aus beiden Städten zu drohen begann. Erfolgte die Ausführung der angekün­digten Maßregel, so war der Binnenhandel der beiden Städte total er­schüttert, und so begann man denn in Hamburg wie in Bremen die Sache sich reiflich zu überlegen. In Hamburg faßte man zuerst einen Entschluß, dem sich Bremen bald anschloß. Man betrachtete die Handelsbeziehungen genau und erkannte, daß für eine kleinere Anzahl von Großindustrien, welche Artikel zur Ausfuhr producirten, zwar die Freihafenstellung unbedingt nöthig sei, wenn eine fernere Existenz dieser Betriebe gewährleistet werden solle, daß aber im Großen und Ganzen der Handelsverkehr auf das übrige Deutschland angewiesen sei. Als man erst zu dieser Erkenntniß gelangt war, wurde die Verständigung mit der Reichsregierung leicht. Hamdurg und Bremen beantragten selbst ihre Einverleibung in den Zollverband, und erhielten dafür vom Reiche für alle Zeiten ein unantastbares beschränktes Freihafengebiet zugesichert, in welchem zwar keine Wohnungsniederlassungen bestehen sollten, den interessirten Export=Industrien aber sonst völlig freie Hand im Waarenbezug und in der Production gelassen wurde. Das Reich verstand sich ferner zur Leistung eines erheblichen Zuschusses zur Herstellung der Zollanschlußbauten, und mit dieser Vereinbarung waren dem heftigen Streite die Flügel beschnitten. Die großartigen Bauten, weiche besonders

in Hamburg eine gewaltige Ausdehnung genommen haben, sind in diesem Sommer fertiggestellt, nachdem mehr als ein halbes Dutzend Jahre viele Hunderte von fleißigen Händen dabei thätig gewesen, und in der Nacht zum Montag sind die letzten Zollschranken innerhalb des Reichsgebietes gefallen, Deutschland ist nun auch in handelspolitischer Beziehung einig, ein freier, von allen Zollplackereien ungehemmter Verkehr besteht nunmehr zwischen Hamburg=Bremen und dem übrigen Deutschland. Die alten Hansestädte sind

für Deutschland die wichtigsten Seehandelsstädte, durch die Vermittelung ihrer berühmten, großen Kaufleute kommen die meisten der zahlreichen über­seeischen Producte zu uns. Die Forträumung der Zollgrenze wird sicher einen vermehrten Absatz nach Deutschland hinein zur Folge haben, und ebenso werden die bir nenländischen Producte in reicherem Maße nach Hamburg und Bremen strömen. Dem oft gehemmten Handelsstrome ist nun eine kräftige Bahn eröffnet, und von seinem Fluthen schließlich zieht Nutzen doch das ganze große Vaterland. Die Freihafenstellung von Hamburg und Bremen im Deutschen Reiche, welches handelspolitisch geeinigt war, war eine un­natürliche, einmal mußte doch eine Aenderung eintreten.

Poüitische Nachrichten.

Deutschland.

* Berlin, 16. Oct. Kaiser Wilhelm in Neapel. Von allen Tagen, welche der Kaiser in Rom verlebt, war der Montag der am wenig­sten von der Witterung begünstigte. Es regnete fast ununterbrochen und der hohe Gast mußte sich auf einige kurze Ausfahrten beschränken. Den Abend verbrachten die hohen Herrschaften im Familienkreise. Am Dienstag Morgen erfolgte die Abreise nach Neapel bei prachtvollem Wetter. Kurz vor 8 Uhr verkündete eine Artillerie=Salve die Abfahrt des Kaisers, König Humberts und sämmtlicher Prinzen vom Quirinal nach dem Bahnhof. Unter­wegs wurden die Monarchen mit nicht endenwollenden Hochrufen begrüßt, während die Musikcorps der Spalier bildenden Truppen die preußische Nationalhymne spielten. Auf dem Bahnhofe waren die Spitzen der Civil­und Militärbehörden zur Verabschiedung anwesend. Gegen 9 Uhr setzte sich der Extrazug, welchem eine halbe Stunde früher der fahrplanmäßige Courierzug vorausgefahren war, in Bewegung. Auf den Stationen, an welchen ein kurzer Aufenthalt genommen wurde, wurden die Monarchen mit donnernden Hochrufen begrüßt. Am frühen Nachmittag erfolgte die Ankunft in der wunderbaren Vesuvstadt. Straßen und Häuser waren auf das Präch­tigste geschmückt, Triumphbogen und Ehrenpforten überspannen die Haupt­straßenzüge. Kein Haus war ohne Fahnen, darunter zahlreiche in den deutschen Farden. Fenster und Balkons waren nach südlicher Sitte reich mit Teppichen decorirt, die gesammte Bevölkerung erschien in Festkleidern. Tausende von Landleuten der Umgegend waren in ihren malerischen Festtrachten herbeige­strömt, enorm war der Zudrang aus Sicilien gewesen. Sämmtliche Schiffe im Hafen, vor Allem die des italienischen Paradegeschwaders, trugen vollen

Flaggenschmuck. Die glänzendste Ausstattung zeigte die Hauptstraße Neapels, der Toledo, die in einen Blumenhain umgewandelt war. Die Gaskande­laber waren in Palmengruppen verwandelt, gekrönt von buntfarbigen Glas­schalen. Außerordentlich effectvoll war auch die herrliche Ausschmückung des großen Munizipiums=Platzes, Blumen waren in überreichlicher Fülle hier verstreut. Und den großartigsten Hintergrund zu dieser Festdecoration gab der blaue Golf mit den ihn umgebenden Hügeln und dem Vesuv. Der Bürgermeister der Stadt hatte in einem öffentlichen Anschlage die Rea­politaner zu einem würdigen Empfange des hohen Gastes aufgefordert. Es hieß in der Proklamation, Neapel habe schon viele fremde Herrscher in seinen Mauern willkommen geheißen; jetzt komme ein erlauchter Nachkomme Fried­richs des Großen und Wilhelms I, ein Monarch, dem das italienische Volk ausrichtig zugethan sei. Hiervon möchten Alle Zeugniß ablegen. Auch die Presse drachte die herzlichsten Willkommengrüße. Als der Extrazug auf dem festlich geschmückten Bahnhof einlief, brachen die Versammelten in ein enthu­siastisches Eoviva=Rufen aus, während die aufgestellte Musikcapelle der die preußische Volkshymne erklingen ließ. Die Spitzen der Militär= und Civil­Behörden, der Geschwader=Commandant Acton, die Geistlichkeit begrüßten die Monarchen, worauf in dem prächtigen Empfangssaale eine kurze Vor­stellung der Anwesenden erfolgte. Der Kaiser sprach besonders den Ver­tretern der Stadt seinen wärmsten Dank aus. Unter wahrhaft betäubendem Enthusiasmus erfolgte der Einzug in die Stadt. Militär bildete in der Hauptsache Spalier. Voran fuhren der Kaiser und der König in Gala­karosse in großer Uniform, es folgten die Prinzen, das Gefolge und endlich die erschienenen Spitzen der Behörden. Sichtlich befriedigt ließ der Kaiser seine Blicke über die bunte Menge hinweg bis hinaus zum Hafen schweifen. Von Demonstrationen, wie sie durch Zettelvertheilen in Rom vorgekommen, ist bisher nichts bekannt geworden. Die Einfahrt erfolgte in sehr langsamem Tempo, man mußte auf die engen Straßen und die colossale Menschen­menge Rücksicht nehmen. Nach der Ankunft im Pulais zeigten sich die Majestäten wiederholt dem Publikum, das in seinem Eovivarufen unermüd­lich wor. Vor dem Diner soll noch Empfang und Spazierfahrt stattfinden, Abends wird ganz Neapel festlich illuminirt sein. Dem Kaiser wird dann eine Serenade dargebracht werden.

Von unserem Kaiser erzählen italienische Blätter: König Humbert hatte den als flotten Officier bekannten Divisions=General Driquet zum Ehrenbegleiter seines hohen Gastes bestellt, und mit diesem begab sich der Kaiser bekanntlich am vorigen Freitag Morgen nach Centocello, um das Paradefeld in Augenschein zu nehmen. Der Kaiser sprengte auf seinem prächtigen Goldfuchs querfeldein, ohne auf einige das Terrain durchziehende Gräben weitere Rücksicht zu nehmen. Der Monarch war so eifrig bei der Sache, daß er gar nicht bemerkte, wie er seinen Begleiter längst verloren hatte. Bei der Rückkehr aber stellte es sich heraus, daß das Pferd des Generals beim Sprunge über die Gräben versagt hatte. In Rom wird das Malheur des Officiers viel belacht.

Ein besonderes Geschenk wird der Kaiser erhalten, wenn er von Neapel aus Pompeji desucht, nämlich zwölf naturgetreue Modelle der in der verschütteten Stadt aufgefundenen Leichname. Man hat dies Geschenk gewählt, weil der Kaiser wie sein Vater ein großer Liebhaber antiker Gegen­stände ist.

Die künftige Sommerresiden; Kaiser Wilhelm's II wird nicht mehr das Marmorpalais, sondern Schloß Friedrichskron bilden. Schon lange hatte man die beschränkten Raumverhältnisse des ersteren unangenehm empfunden und einen gründlichen Umbau geplant, der jedoch auf mindestens sechs Jahre veranschlagt wurde. Der Kaiser wählte daher Schloß Friedrichskron zu seinem Wohnsitze aus, dessen Bauveränderungen kaum die Häifte der Zeit beanspruchen werden. Das Schloß wird eine voll­ständig neue Fagade aus Sandstein erhalten. Zur Renovirung des berühmten Muschelsaales sind an Marine und Bergwerke Weisungen er­gangen, welche die Auswahl besonders schöner Prachtstücke von Erzen und Muscheln bezwecken.

Unter dem Vorsitze des Staatssecretärs von Bötticher ist in Berlin eine Reichscommission zusammengetreten, welche die für den Reichstag be­stimmte Vorlage über die Errichtung eines Denkmals für Kaiser Wilhelm l in Berlin ausarbeiten soll.

Der Oberpräsident v. Bennigsen in Hannover hat vom Senat der Stadt Hamburg eine Einladung zu den am 29. October statt­findenden Zollanschlußfeierlichkeiten erhalten. Herr v. Bennigsen gedenkt der Einladung Folge zu leisten.

Das Großkreuz des Militär=Ordens von Savoyen, welches König Humbert dem deutschen Kaiser verliehen hat, gehörte auch zu den höchsten Auszeichnungen, welche weiland Kaiser Wilhelm I trug, der es im November 1873 erhielt. Dieser höchste italienische Militär=Orden ist im Jahre 1815 von König Victor Emanuel I gestiftet, war aber in der darauf folgenden langen Friedenszeit fast in Vergessenheit gekommen, bis ihn im Jahre 1855 König Victor Emanuel II erneuerte und den Jnsignien jetzige Gestalt gad. Das Großkreuz wird an einem breiten, in der Mitte roth und an beiden Seiten in gleicher Breite blau gestreiften Bande ge­tragen und besteht aus einem weiß emaillirten zwölfspitzigen Kreuze, dessen Arme durch einen mit goldenen Früchten besteckten grünen Lorbeerkranz ver­bunden werden. Das Kreuz wird durch eine große goldene Krone am Bande befestigt. Der dazu gehörige achtspitzige Stern mit 48 Strahlen trägt ein zweites Kreuz.

Corvetten=Capitän Prinz Heinrich von Preußen ist zum Commandeur der zweiten Abtheilung der ersten Matrosen=Division in Kiel ernannt worden. Es ist das ein Winter=Commando, dem im nächsten Frühjahr die Beförderung zum Capitän zur See folgen dürfte.

Ueber das Schicksal Stauley's, Emin Pascha's 2c. äußern sich in ihrem Octoberheft auchPetermann's geographische Mittheilungen". Es heißt da:Von Dr. Emin Pascha datiren die letzten Nachrichten vom 2. November 1887, und es ist dadurch nicht unwahrscheinlich, daß Stanley in dieser langen Zeit bei Emin eingetroffen ist, durch die Unterbrechung der Verbindung mit Uganda aber verhindert worden ist, seine Ankunft nach Zanzibar zu melden. Jedenfalls ist daran festzuhalten, daß eine etwaige Vernichtung Stanley's und seiner 500 Mann, die Zerstörung der Emin'schen Herrschaft, sei es durch die Mahdisten, sei es durch aufständische Stämme, bekannt geworden wäre. Inzwischen sind aber Ereignisse eingetreten, welche die Lage Emin's und Stanley's, selbst wenn sie sich vereinigt haben, als äußerst gefährdet erscheinen lassen. Nach den letzten vom 27. Juni 1888 datirenden Nachrichten aus Uganda ist die Verbindung mit Emin Pascha's Provinz gänzlich unterbrochen. Kabrega, der Häuptling von Unioro, hat Mohammed Biri, den tripolitanischen Händler, welcher auf Veranlassung von Dr. Junker 1886 den Verkehr zwischen Uganda und Emin eröffnet hatte

und seitdem durch wiederholte Reisen allein aufrecht erhalten hat, er­morden lassen, wahrscheinlich auch Capitän Casati, den Vertreter Emins bei jenem Häuptling. Diese Missethat ist jedenfalls auf Anreizung

In harter Schule.")

Roman von Gustav (3. Fortsetzung.)

Frau Hart betrachtete noch einige Minuten die Schlafende.Armes Ding, murmelte sie dann, sich mit der Schürze eine Thräne aus den Augen wischend,was sie nur zu der That gebracht haben mag? Was? unter­brach sie sich,Noth und Hunger, die alte Geschichte, die Eine fällt in diesen Pfuhl, die Andere in jenen. Wenn sie's mir nur gesagt hätte, ich dachte ja nicht, daß es so schlimm stand, da sie mir doch immer die Miethe pünktlich bezahlte. Jetzt will ich ihr eine Suppe kochen, daß sie etwas Warmes hat, wenn sie aufwacht, sie wird's brauchen können.

Sie rückte das Licht so, daß sein Schein die Schlafende nicht belästigte und entfernte sich leise, auf den Zehen schleichend, aus dem Zimmer, um in ihrer Küche zu hantiren.

Tiese Stille herrschte in dem Gemache, in welchem soeben dem Tode ein Opfer abgerungen war. Ein junges Wesen, das vorschnell seinen Tagen ein Ziel setzen wollte, schlief dort, nicht wie es erwartet hatte, den Schlaf des Todes, sondern einen Schlaf der Starkung und Erquickung, aus dem es erwachen sollte, zu neuem Dasein und zu neuer Erkenntniß und Auf­fassung dieses Daseins.

Gringmuth und der Schneider hatten gemeinschaftlich das Zimmer der Wiederbelebten verlassen. Letzterem sah man es an, wie froh er war, end­lich von seinem schrecklichen Dienst erlöst und von der Angst befreit zu sein, daß in seinem Hause ein Selbstmord vorgefallen war.

Heute muß ich eineWeiße" trinken, auf den Schrecken habe ich's verdient, stand deutlich in seinen Mienen zu lesen; so leichten Kaufes sollte er aber nicht davon kommen.

Als er sich an der Thür seines Miethers von diesem verabschieden wollte, sagte Gringmuth:Bitte, Meister Hart, kommen Sie doch einen Augenblick zu mir herein, ich möchte ein paar Worte mit Ihnen reden.

Ganz verdutzt über diese Aufforderung leistete Hart ihr mechanisch Folge; hätte er sich ihr selbst entziehen wollen, so wäre dies nicht mehr möglich gewesen, denn Gringmuth hatte bereits die Thür geöffnet und schob ihn hinein.

Setzen Sie sich, sagte er, auf einen Lehnstuhl am Tische deutend, auf welchem bereits die Lampe brannte, während er selbst auf dem Sopha Platz nahm. Der Schneider gehorchte furchtsam. Was in aller Welt konnte der Miethsmann, der für ihn stets etwas Unheimliches hatte, dem er so viel wie möglich aus dem Wege ging, der als Wucherer und Halsabschneider be­kannt und verrufen war, nur von ihm wollen?

Gringmuth schien dem kleinen ängstlichen Manne die Gedanken von der Stirn abzulesen und sich ein boshaftes Vergnügen daraus zu machen, die Pein seiner Erwartung zu verlängern, denn er ließ einige Minuten ver­streichen, ehe er das Wort nahm und hielt während dieser Zeit seine großen, scharfen, stahlgrauen Augen unverwandt auf sein Gesicht geheftet. Dem Schneider brach der kalte Schweiß aus.

Neueintrei

lletert.

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Nomans

Meister Hart, begann er endlich,Ihnen, als dem Hausherrn, muß ich ernste Vorstellungen wegen der Pflichtwidrigkeiten und Gesetzesüber­tretungen machen, die man sich in Ihrem Haushalte zu Schulden kom­men läßt.

Pflichtwidrigkeiten Ge setzes übertretungen! stammelte der Schneider.

Ja, nennen Sie es etwa anders, wenn Sie ein Zimmer an eine junge Dame vermiethen, während Sie die andere an Herren vermiethet haben?.

Meine Frau hat Fräulein Schmidt als zu unserem Haushalt gehörig und bei uns beschäftigt angemeldet.

Desto schlimmer, das ist Umgehung des Gesetzes, das ist wissentliche Täuschung der Behörden zur Erlangung eines Vortheils. Oder ist Fräulein Schmidt bei Ihnen beschäftigt? Hilft sie bei Ihnen beim Schneidern?

Nein, stotterte Hart,meine Frau

Ihre Frau kommt dabei gar nicht in Betracht, unterbrach ihn Gringmuth.

Sie haben die Wohnung gemiethet, Sie haben die Meldung zu machen, Sie trifft die Verantwortung für jede Unregelmäßigkeit und die daraus entspringenden Folgen. Wissen Sie, was Fräulein Schmidt ist, was sie treibt?

Meine Frau sagt

Sie sei moralisch, das kennen wir. Aber denken Sie doch nur, wenn Sie nun eine entsprungene Verbrecherin im Hause hätten!

So sieht sie nicht aus.

Trau, schau, wem! Wenn nun die Polizei käme, Haussuchung hielte, Verdächtiges sände, Sie als Hehler verhaftete, zehn Jahre wären Ihnen gewiß!:

Um Gottes Willen, Herr Gringmuth, Sie scherzen, ich bin ja un­schuldig wie ein neugeborenes Kind!"

Man hat schon bessere Leute um geringfügigerer Ursachen willen gebenkt. fuhr Gringmuth unerbittlich fort.Nehmen wir einen anderen Fall, sie wäre heute wirklich gestorben, man hätte Sie ja für den Mörder halten können!

Aber sie hat's doch selbst gethan.

Könnten Sie das beweisen? Wer heizt gewöhnlich die Oefen?

Meine Frau.

Mann und Weib ist ein Leib. Die Frau hat in Ihrem Auftrag gehandelt, die Frau muß dem Manne gehorchen, das wissen Sie ja doch, Meister Hart?

Der arme Meister stöhnte und keuchte.Warum sollten wir alten Leute denn wohl eine solche Unthat thun und uns an solch' jungem Leben vergreifen?

Aus Habsucht, Meister Hart, aus Habsucht. Gold und Edelsteine haben schon Viele geblendet.

Sie ist ja arm wie eine Kirchenmaus.

Das können Sie leicht sagen! Hat Ihre Frau nicht in letzterer Zeit mehrmals Goldsachen beim Goldschmied verkauft?

Der Schneider wurde todtenbleich.

Ich hab's ihr ja immer gesagt, sie soll die Dachstube nicht vermiethen, stöhnte er.Die Geschichte bringt uns noch in's Unglück, nach ihr gefragt ist heute auch schon worden.

Nach Ihrer Frau!

Nein, nach Fräulein Schmidt.

Von der Polizei?

Nein, es war ein Herr da, der sagte, sie hätte drei Zimmer bei ihm gemiethet und er wollte sich erkundigen, ob sie zahlen könne und ob sie moralisch sei. Aber meine Frau sagte, das wären faule Fische, da steckte was Anderes dahinter und brummte, daß ich zugegeben hatte, die Schmidt wohne bei uns.

Da haben wir's ja, man forscht schon nach ihr, Meister Hart, ich fürchte, Sie haben sich da eine sehr böse Suppe eingebrockt.

Der Schneider rang die Hände. In seiner Angst war er aufgesprungen und lief im Zimmer auf und ab, Gringmuth ließ ihn eine Weile gewähren. Endlich begann er wieder:

Fassen Sie sich, Meister Hart, vielleicht wird noch Alles besser, als Sie denken. Todt ist sie ja nicht, des Mordes können Sie nicht mehr an­geklagt werden.

Aber der Hehlerei, der Polizei=Contravention, was weiß ich Alles! Der Herr, der heute da war, kam gewiß von der Polizei.

Ihre Lage ist schwierig, versetzte Gringmuth mit großem Ernst,aber doch nicht hoffnungslos. Sie dauern mich, ich will zusehen, ob ich helfen kann.

Der Schneider athmete auf.Lieber, einziger Herr Gringmuth, das wollen Sie wirklich! Da sieht man, wie man Sie verkennt, wie man Sie verleumdet! Aber man soll mir nur wiederkommen, man soll Sie nur wieder einen Wucherer, einen hartherzigen Menschen nennen. Ich werde in der Stammkneipe auf den Tisch schlagen und sagen

Er hob die Hand, um pantomimisch anzudeuten, was er zu leisten ge­sonnen sei, aber Gringmuth fiel ihm in den Arm und in die Rede:

Das werden Sie bleiben lassen, Meister Hart, Sie werden überhaupt gar nichts sagen und gar nichts reden! Es mag nach Fräulein Schmidt von heute an fragen, wer da wolle, Sie geben keinen Bescheid. Sie wohnt nicht hier und damit basta.

Wenn aber die Polizei kommt?

Die kommt nicht, wenn Sie still sind. Erfährt man aber nur eine Silbe von dem Selbstmordversuch, so haben Sie sie auf dem Hals, darauf verlassen Sie sich. Es geht an Ihren Kragen, wenn Sie nicht reinen Mund halten.

Ich schweige wie das Grab, betheuerte der Schneider.

Das will ich Ihnen rathen, Meister Hart, es ist die einzige Möglich­keit, unter der Sie mit Ehren aus der Geschichte kommen können und die Bedingung, unter der ich Ihnen helfe. Erzählen Sie einer Menschenseele ein Wort von dem, was heute hier passirt ist, so ziehe ich meine Hand von Ihnen ab. Merken Sie sich das. Gute Nacht, Meister Hart. Und noch eins: Befehlen Sie auch Ihrer Frau, das sie schweige!

Ja, wenn sie nun aber nicht will?

Sind Sie nicht Herr im Hause? Nun, schweigen Sie nur, mit Ihrer Frau werde ich fertig, fügte er, die Angst des armen Pantoffelhelden sehend, gutmüthig hinzu.

Der ist besorgt und aufgehoben! rief Gringmuth, sobald die Thüre sich hinter dem Schneider geschlossen hatte.Noch sehe ich nicht klar in

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