Nr. 104.— Ruhrort=Homberg=Moers. Donnertag.
HotecTTTT.
28. Augus 1884. 11. Jahrg. Meiderich=Oberhausen.
oronnx.
Inserate werden nach Petitschrift berechnet und kostet die einspaltig Pestzelle 15 Pfg., für Geschäftsleute im Kreise Rülheim a. d. Naut und Duisbung 10 Pfg.— Rehlamen 40 Wg.
Verbunden mit der Lseitigen Gratisbeilage
„Illustrirtes Sonntagsblatt.“
erschemnt Dienstag. Donnerstag und Gamstag.
Wbommammmthger. 4: 1 ulcf 30 D, durch die Post 1### S0 8
Für die Rebectien serantwortlich: Otte Breubem in Ruhrert. Druck und Velag von Joh. Grendow u. Cohn in Buhrart.
Allgemeiner Anzeiger für die Amtsgerichtsbezirke Ruhrort, Mörs und Oberhausen.
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Tagsshalender
28. August 1749. Goethe's Geburtstag.— 1870. Ausweisung der Deutschen aus Paris.— 1882. Gefecht zwischen Arabi und den Engländern bei Kassassin.
29. August 1870. Mac Mahon wird über die Maas gedrängt.
Reseitce e cet eie e er cerce Ampthill und Peer von England ernannt. Seine Leiche wird nach England überführt werden.
Lord Ampthill
Nach ganz kurzem Krankenlager ist am Montag in Potsdam der englische Botschafter beim deutschen Reiche, Lord Ampthill, am Unterleibstyphus verschieden. Fast dreizehn Jahre hat er England gegenüber dem deutschen Reiche vertreten. Am 16. October 1871 wurde ihm die Ernennung zum Botschafter zu Theil, gewissermaßen als Belohnung für das außerordentliche Geschick, mit welchem er in der kritischen Zeit des deutsch=französischen Krieges die Vertretung Englands an Stelle des durch seine ausgesprochenen französischen Sympathien unliebsam gewordenen Lord Lostus geführt hatte. Lord Ampthill hat sich in der langen Zeit seiner Amtsführung in Berlin die wärmsten Sympathien erworben. Durch seine zum Theil in Deutschland genossene Erziehung und Ausbildung war er ein wahrhafter Freund deutschen Wesens und Geistes geworden; er besaß, eine Seltenheit unter britischen Staatsmännern, ein gewecktes Verständniß für unsere Eigenart und es gelang ihm in Folge dessen mehr als irgend einem seiner altenglisch gesinnten Vorgänger, sich zu unseren maßgebenden Personlichkeiten in ein mehr als äußerliches Verhältniß zu bringen. Dazu kam, daß er als Angehöriger einer der angesehensten Adelsfamilien des vereinigten Königreiches und durch seine Verheirathung mit einer Tochter Lord Clarendon's zu unserem Kaiserhause, zuvörderst zu der kronprinzlichen Familie in vertraute Beziehungen trat, die ihm nicht nur unter den diplomatischen Persönlichkeiten eine bevorzugte Stellung sicherten, sondern ihn auch vor den Folgen der politischen Veränderungen seiner Heimath bewahrte: er war von Lord Beaconsfield nicht weniger geschätzt, wie von Gladstone. Seiner politischen Anschauung nach war Lord Ampthill zwar ein entschieden Liberaler; indessen war die englische auswärtige Politik niemals dazu angethan, den Verstorbenen mit seinem politischen Glaubensbekenntniß in Collision zu bringen.
Er konnte daher, ohne gegen seine Ueberzeugung zu verstoßen, unter zwei Männern von so weit auseinandergehender politischer Anschauung, wie Disraeli und Gladstone dienen. Es bestand vielfach die Ansicht, daß Lord Ampthill mit der mißgünstigen Haltung der englischen Regierung Deutschland gegenüber nicht einverstanden war; es mag das in diesem Augenblick dahingestellt bleiben. Wenn man vielleicht auch keinen Grund hat, den Heimgegangenen als einen der großen Staatsmänner der Zeit zu beklagen, so stehen wir doch mit Trauer an dem offenen Grabe eines aufrichtigen Freundes Deutschlands, dessen Pulsschlag er zu deuten verstand, dessen Sprache er wie einer seiner Söhne sprach, dessen Cultur er hochschätzte.
Odo William Leopold Russel Locd Ampthill war als Sohn des Generalmajors Lord George William Russel(zweiten Sohnes des sechsten Herzogs von Beford) am 20. Februar 1829 zu Florenz geboren. Nachdem er in Deutschland und auf Reisen seine Ausbildung erhalten, trat er schon 1849 als Attachs bei der englischen Gesandtschaft in Wien in die diplomatische Laufbahn ein. Von 1850—1852 arbeitete er unter Lord Palmerston in dem auswärtigen Amt in London. 1852 wurde er als Attachs nach Paris versetzt, im April desselben Jahres wieder nach Wien, von wo er im Sept. 1853 nach Paris zurückkehrte. Im Augus 1854 als erster Attachs der Gesandtschaft in Konstantinopel beigegeben, erlebte er den Krimkrieg und dessen diplomatische Verwicklungen in nächster Nahe mit. Im Jahre 1857 wurde er nach Washington versetzt und im November 1858 der Gesandtschaft in Neapel beigegeben, zugleich aber, unter dem Titel eines Legationssekretärs, mit einer Spezialmission an den päpstlichen Hof betraut, wo er als diplomatischer Vertreter Englands auch dann belassen wurde, als in Folge des Zusammensturzes des Königreiches Neapel die englische Gesandtschaft bei demselben ihr Ende erreichte. Denselben Posten in Rom behauptete er ununterbrochen bis zum Jahre 1870. Beim Ausbruch des deutsch=französischen Krieges berief man ihn als Unterstaatssecretär in das Auswärtige Ministerium nach London. Lord Lostus, der damalige englische Gesandte in Berlin, schien nicht mehr geeignet, mit der preußischen Regierung zu verhandeln, besonders als einerseits die plötzlich auftauchende Pontusfrage, andererseits das Bemühen, zwischen den kriegführenden Mächten einen Waffenstillstand zu vermitteln, eingehende Verhandlungen zwischen beiden Staaten nothwendig machte. Deshalb wurde in diesem kritischen Moment Russel zu einer Specialmission nach Versailles ausersehen. Er entledigte sich seiner schwierigen Aufgabe mit Geschick und Energie bis zum Friedensschluß im März 1871. Am 16. October 1871 wurde er zum englischen Botschafter am kaiserlich=deutschen Hofe ernannt. Als solcher nahm er auch als britischer Bevollmächtigter an dem Berliner Congreß Theil. Vorher, 1872, war er zur Wurde eines
Die Kinder der Frau von Bland.
Roman von E. Bely.
(27. Fortsetzung.) Fünftes Kapitel.
Der Sommer trat unter Sturm und Regen frühzeitiger als herkömmlich sein Regiment an den Herbst ab. Nicht allein für Winfried von Bland hatte die Rosenzeit ein vorschnelles Ende erreicht. Badereisende kehrten hastig zu den Penaten zurück, wo Behaglichkeit sie entschädigen sollte für unvollendete Kuren, und die, welche, wie Renate von Bland, daheim geblieben waren, sich auf nachkommende schöne Tage vertröstend— einstweilen, denn ihr wirkliches Erscheinen war doch zweifelhaft.
Man redete in der Gesellschaft viel über die junge, reiche Frau, welche sich so wenig fashionablen Sitten fügte— sie, deren kühnste Wünsche auch hinsichtlich des Reisens sich hätten realisiren lassen, blieb unbeweglich hinter den fußdicken Mauern ihres Steinpalastes. War es Trauer um den Bruder, Rücksicht auf den mit Geschäften überhäuften Gatten? Ein leises, verneinendes Kopfschütteln— aber, welche Gründe? Renate kannte sie wohl— es hätte sie doch vielleicht hinausgetrieben, schon um das abgespannte, gleichgultige Auge Hendriks von Bland einmal nicht täglich auf sich ruhen zu fuhlen— aber— sie mochte jetzt nicht die Stadt verlassen, in welcher Hubert Rougemont weilte. Sie wußte, er kehrte nach Ausflugen von Tagen immer wieder in das kleine Haus der Baldergasse zurück und sie wurde nicht müde, ihn dort mit ihren Gedanken aufzusuchen. Käthe Kommerell war es, welche ihr unbewußt Herzensnahrung zutrug, kleine Züge von Hubert erzählte und selbst nicht bemerkte, daß Renate von jedem anderen fern liegenden Gesprächsstoff auf Jenen wieder hinzulenken wußte. Seit Winfried seinen Flug hinaus in die Fremde unternommen, holte Renate sich zu manchen Stunden die blonde Käthe herüber in ihr einsames Gemach— Hendrick wußte das, warf bei einem Zusammentreffen einen gleichgültigen Blick über die Erscheinung des jungen Mädchens und zog sich wieder zurück. In ihrem Thun zu Hause legte er seiner Gattin keinerlei Schranken auf.
Es windete und regnete stark, dennoch hatte Renate ihr Coupe bestiegen und zum großen Schrecken Miß Mary's eine Spazierfahrt unternommen. Im Freien waren aber ihr selber die Elemente zu mächtig, sie ließ nach der Stadt wenden und durchfuhr die Straßen. Durch das eine geöffnete Fenster trieb der Wind einen leichten Sprühregen herein: Miß Mary fand das„shoking“, aber sagte es nicht laut, sondern lehnte sich mit einer Duldermiene in die Ecke.
Auf dem Marktplatz mußte der Wagen im Schritt fahren, die Verkäufer packten ihre Waaren zusammen und drängten sich mit Körben und Zelten und riesigen Regenschirmen durcheinander. Endlich gab es eine Stockung, mehrere Stimmen kreischten auf, einige derde Worte flogen zu dem Kutscher hinauf und ein energisches„Halt!“ zwang ihn zum Folgeleisten.
Renate bog sich hinaus, während ihre Begleiterin noch ängstlicher in dem grauen Mantel verschwand.
Gs war nur ein Marktkord mit riesigen Kohlköpfen vor die Füße
Die gegenwärtige Arheiterlage in den Vereinigten Staaten.
Der Kampf um den gesetzlichen achtstündigen Arbeitstag im Staate Newyork, so schreibt man der„Soc.=Corr.“, wurde vorläufig durch die Ablehnung des Gesetzentwurfs Seitens der Legislatur in Albany lahm gelegt. Die Debatten waren nicht erregt, wohl aber klang im Allgemeinen das Gefühl durch, daß die Arbeitszeit dem Privatabkommen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer überlassen werden müsse, und der Staat kein Recht habe, sich in diese Angelegenheit zu mischen, und wohl auch nicht die Macht, das Gesetz durchzufuhren. Außerdem wurde der Umstand erwähnt, daß das Gesetz eine Vertheuerung der Production bedeuten würde.
Nach einem soeben angenommenen Gesetz ist es verboten, ausländische Arbeiter unter Contract nach den Vereinigten Staaten kommen zu lassen. Solche Contracte haben gesetzlich keine Gültigkeit. Eine Ausnahme hiervon wird nur bei Industrien gemacht, welche in den Vereinigten Staaten noch nicht bestehen, also erst eingefuhrt werden sollen, und zu welchen Arbeiter im Lande nicht zu haben sind. Die freie Einwanderung soll hiermit durchaus nicht beschränkt werden, ebensowenig ist es in Amerika Ansässigen versagt, ihre Verwandten oder Freunde aus Eurova, wenn auch für einen bestimmten Industriezweig, kommen zu lassen. Dieses Gesetz wurde auf die vielen Klagen hin geschaffen, daß eine große Zahl amerikanischer Fabrikanten sich billige ausländische Arbeitskraft verschaffen und durch vorgehende Contracte jahrelang an sich binden und so die Löbne drücken. Einwanderer aus Deutschland sollen sich vorsehen, ehe sie solche Contracte, die ihnen von Agenten angeboten werden, unterzeichnen;— wenn sie nicht aus freiem Willen den Kampf ums Dasein aufnehmen wollen, sollen sie sich das Verlassen der Heimath lieber zweimal überlegen, denn Arbeitscontracte sind keine Sicherung ihrer Existenz. Sie seien hiermit vor derlei Verlockungen dringend gewarnt. Viele Eisenbahnerdarbeiter, die unter Arbeitscontract nach den Vereinigten Staaten gebracht wurden, kehren wieder nach ihrer resp. Heimath zurück. Die Arbeit läßt bedeutend nach und nicht ausgezahlte Löhne sind fast Alltägliches an den jungen amerikanischen Bahnen.
Die Geschäftslage ist im Allgemeinen sehr flau, und die Hochfluth der Einwanderung drückt die Preise in manchen Branchen. Starke Gewerkschaftsvereine halten zwar die Löhne auf ihrem früheren Niveau, haben aber eine große Zahl Arbeitsloser zu unterstützen und versuchte Lohnreductionen durch kostspielige Strikes zu vereiteln.
In fast allen Kohlenminen von Ohio und Pennsylvanien gehen Lohnreductionen vor sich. Strikes sind mehr oder weniger aussichtslos, denn das Geschäft ist flau, und die vorhandene Arbeitskraft für den schwachen Bedarf zu viel. In Albens, Ohio, striken 5000 Kohlenarbeiter. Da dieselben seit Monaten nur halbe Zeit verdienen, sind sie aller Mittel entblößt. An Unterstützungsfonds fehlt es gänzlich und man befürchtet darum Krawalle.
Mehrere nordamerikanische Eisenbahnen sind mit den Löhnen an ihre Arbeiter im Rückstande, die Lokomotivführer und Arbeiter der JerseyCentralbahn striken, an anderen Bahnen hat es Krawalle abgesetzt. Solche Gesellschaften, welche für die Löhne ihrer Arbeiter nicht in erster Linie aufzukommen trachten, sollten von Seiten der Gerichte rücksichtslos zur Verantwortung gezogen werden. Für die hohen Saläre der Direction 2c. ist immer Geld genug in den Kassen.
Mit Ausnahme der Bauhandwerke gehen so ziemlich alle Geschäftsbranchen derzeit schwach, und die starke Einwanderung von Handwerkern vermehrt die Zahl der Arbeitslosen empfindlich.
Poltiche Nachrichten.
* Berlin, 27. Aug. Der„Reichsanzeiger“ widmet dem verstorbenen englischen Botschafter Ampthill folgende Worte:„Die Kaiserliche Regierung beklagt den unerwarteten Tod dieses ausgezeichneten Staatsmannes, welcher während einer nahezu 13jährigen Wirksamkeit die Beziehungen Großbritanniens zu Deutschland vermittelte und sich durch seine reiche Bildung zahlreiche Freunde erworben hat.“ Es verdient bemerkt zu werden, daß, während Lord Ampthill in diesen Worten sein volles Lob erhält, der von ihm vertretene Staat sehr kühl behandelt wird.
— Die für den 31. ds. Mis. angesetzt gewesene Taufe des jüngsten Sohnes des Prinzen Wilhelm von Preußen ist wegen der Erkrankung der Prinzessin am Scharlach auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
— Unter der hohen Generalität der preußischen Armee is nunmehr definitiv folgende Veränderung zu verzeichnen: General Graf Brandenburg, der bisherige kommandirende General des Gardecorps, ist in Genehmigung seines Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt; sein Nachfolger ist der bisherige kommandirende General des 3. Armeccorps, von Pape. Zu dessen Nachfolger ist der Generallieutenant Graf von Wartensleben, Commandeur der 17. Division in Schwerin, ernannt, den Generalmajor Bronsart von Schellendorf. Chef des Generalstabes des 10. Armee=Corps, ersetzt. Außerdem ist der bekannte Chef des Militärkabinets des Kaisers, General=Lieutenant von Albedyll zum kommandirenden General ernannt.
— Ueber eine politische Kundgebung des Großherzogs von Baden, welche allseitig in Deutschland und Oesterreich freudige Zustimmung finden wird, ist Folgendes zu berichten: Bei dem Festmahle des deutsch= österreichischen Alpenvereins in Constanz erwiderte der Großberzog von Baden in längerer Rede das auf ihn ausgebrachte Hoch, indem er seiner Theilnahme an den Interessen und Bestredungen der Alpenvereine Ausdruck gab. Nach dem Berichte der„Karlsruher Zeitung“ schloß er dann mit dem Hinweis auf zwei hohe ehrwurdige Spitzen, denen gegenüber auch die geübtesten Bergsteiger sich bescheiden müßten, in ehrfurchtsvoller Betrachtung zu verharten.„Ich meine“, fuhr der Großherzog fort,„die Spitzen der beiden Reiche Deutschland und Oesterreich, aus denen so viele Angehörige hier vereinigt sind. Ich fordere auf zu einem freudigen Hoch auf die Kaiser von Deutschland und Oesterreich mit dem Wunsche, es möge deren Feeundschaft so fest begründet sein, als die Alpen begründet sind, welche wir bei dellem Sonnenschein von hier zu sehen gewohnt sind; es möge aus dieser Freundschaft den Volkern beider Reiche auch fortan der Frieden erblühen, welcher der Sonnenschein ist, der ihre Wohlfahrt dauernd zu sichern vermag!“ Ein nicht enden wollendes Hoch erscholl sodann auf die Kaiser Wilhelm und Franz Joseph, und die Musik spielte die beiden National=Hymnen.
— Offenbar mit Bezug auf die in der„Nordd. Allg. Ztg.“ erhobenen Angriffe gegen das badische Beamtenthum hat der Großherzog von Baden dieser Tage beim Besuch der Gewerbeausstellung zu St. Georgen auf dem Schwarzwalde Worte hoher Anerkennung über die Thätigkeit der Beamten als der Organe der Staatsregierung gesprochen. Er wisse, sagte er, daß die Beamten bemüht seien, nicht nur ihre Pflicht da zu erfüllen,
wo es gelte, die Ordnung und das öffentliche Wohl zu pflegen, sondern auch im Bereiche der selbstständigen Thätigkeit der Gemeinden und der Gewerbetreibenden, wo sie die schöne Aufgabe erfüllten, helfenden, rathenden, unterstützenden, anregenden Beistand zu leisten, damit die freie Thätigkeit allerkräftigen Schutz und Förderung finde. Er hoffe, daß das hierzu nöthige vertrauensvolle Zusammenwirken aller betheiligten Kräfte auch fortan bewahrt bleibe.
— Der preußische Eisenbahnminister hat soehen eine bemerkenswerthe Verfügung an die königlichen Eisenbahndirectionen erlassen, bei welcher es sich um die Einführang einheitlicher Fahrbillets für den Bereich der preußischen Staats= und Staatsverwaltung stehenden Bahnen handelt. Darnach soll ein neues Billetsystem allmählich und zwar in der Weise eingeführt werden, daß das einheitliche System bis zum 1. Januar 1886 allgemein durchgeführt ist. Die bei einigen Staatsbahn=Verwaltungen gebräuchlichen sogenannten Coupon=Billets mit einem vom Schaffner abzutrennenden Coupon für die Hinfahrt, bei manchen Verwaltungen und bei Retour=Billets auch für die Rückfahrt, kommt dabei in Wegfall und das einfache Kartenbillet allgemein zur Annahme. Die Einheitlichkeit erstreckt sich sowohl auf Größe, Form und Farbe der Billets, wie auf den Text des Aufdrucks. Als Farben wird an den bisherigen: gelb für die erste, grün für die zweite, braun für dritte und grau für vierte Wagenklasse festgehalten. Ganz neu ist die Ausgabe besonderer KinderBillets, welche als solche durch Abtrennung eines durch einen diagonalen Strich gezeichneten Theil des Billets kenntlich gemacht werden. Es ist nicht zu verkennen, daß dem Reisenden durch ein einheitliches Billetspstem die in seinem Interesse liegende und durch das Betriebsreglement ihm auch zugemuthete Prüfung des gelösten Billets auf seine Richtigkeit wesentlich erleichtert wird.
— Der Verein zur Wahrung der Interessen von Handel und Gewerbe hat in letzter Zeit wenig von sich hören lassen; man war aber geneigt, sein Stillschweigen stets auf Rechnung der organisirenden Vorbereitungen, die ja immer wenig Zeit und Gelegenheit zu öffentlichen Kundgebungen übrig lassen, zu setzen. Wie die„Voss. Zeg.“ jedoch jetzt erfährt, nehmen diese organisirenden Vorbereitungen einen überaus langsamen Verlauf; ja sie sind sei: einigen Tagen fast ganz in Stillstand gerathen, weil sich bereits die ernsthaftesten Differenzen zwischen den Unterzeichnern des bekannten Aufrufs herausgestellt haben, hervorgegangen zum größten Theil aus Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Stellungnahme des Vereins zu den Reichstagswahlen. Währens ein Theil nur in
der Pferde gerollt und seine Besitzerin bemühte sich, dieselben wieder einzufangen.
„Guten Morgen, gnädige Frau!“ sagte da eine frische Stimme, und überrascht blickte Renate von Bland in das heitere Gesicht der Dienerin aus der Baldergasse.„Es ist nur, daß ich meiner Herrschaft sagen kann, daß Sie noch auf der Welt sind, denn wie oft hat Frau Rougemont ihre Verwunderung gehabt, daß Sie so gar nicht wiederkommen,“ plauderte das Mädchen weiter.„Nun wollen Sie mir gewiß einen Gruß auftragen, und wenn eine so feine Dame Zeit hat und der alten Frau einmal über eine Stunde hinweghelfen kann..“..
„Gewiß, ich komme bald,“ sagte Renate befangen.
„Es wäre gut angebracht, denn der junge Herr macht eine Reise, und sie sitzt jetzt recht verlassen da mit ihrer kranken Hand.“
„Hat sich die alte Frau verletzt!“ fragte Frau von Bland erschreckt.
„Die Hand zu brechen in ihren Jahren, das ist immerhin nicht angenehm, und wenn es auch gut anheilt, schnell geht's nicht. Aber meinen Sie. daß der Doktor es dem jungen Herrn hat schreiben dürfen? Um die Welt nicht— ja, alte Leute sind eigensinnig und ich wußte doch, daß der junge Herr sofort wiederzekommen wäre, und nun rutscht er ahnungslos in der Welt umher. Aber da helf Einer. Als ob ich nicht tausendmal so gut die Sachen herrichten konnte wie die Frau, als er abfuhr. Nein, die trippelt hin und her, treppauf und ab, bei seinem Alter, und fällt und bricht die Hand— gesagt hat sies aber erst, als er schon mit dem Zuge fort war. Ja, man hat seine liebe Noth mit alten Leuten.“ Sie machte eine Pause und sah erschöpft, aber mit freundlichem Lächeln in das Gesicht der Sitzenden.„„„„„„„
„Wenn die Dame allein ist, so komme ich einmal,“ sagte Jene zögernd.
„Ach, recht bald, wenn es sein kann. Es wird meine Frau so sehr freuen.“
Renate nickte, die Pferde zogen an.
Miß Mary saß so theilnahmlos, als habe sie von Allem nichts vernommen, in ihrer Ecke.
Eine seltsame Aufregung überkam die junge Frau. Sie wurde in der Baldergasse mit Sehnsucht erwartet, sie war dort nicht vergessen— Hudert weilte in der Ferne, nun konnte sie wieder ein Stündchen der alten Dame gegenübersitzen, von ihm hören— wie das verlockend war. Das Rollen des Wagens, der Wind, welcher ihre Wangen peitschte, die Gedanken, welche ihr durch den Kopf wirbelten, das Alles brachte sie in eine sieberhafte Hize. Sie gab nicht den Besehl zur Heimfahrt, wie sonst, sie hatte keine Rucksicht für die frierende, schmächtige Gestalt da an ihrer Seite— vergessen war Alles, Hendriks Verbot, die Gefahr, daß die Gesellschafterin Argwohn schöpfen konne.
Es wollte nicht dämmern, der Tag schien trotz des Sturmes von unendlicher Länge. Endlich richtete sie sich ungeduldig auf und befahl dem Kutscher, an den Anfang der Baldergasse zu fahren.
„Miß,“ sagte sie hier mit möglichst erzwungener Gleichgültigkeit,„eine
Adang en berch ige Ganchk uict elter tsche iche ute fahren Sie nach Hause, Sie sind so blaß. Ich werde auf dem Rückwege mich einer Droschke bedienen.“
Die Gesellschafterin fügte sich wie immer höflich in die Befehle der jungen Frau, aber als Renate mit raschem Sprung den Wagen verlassen hatte, zuckte ein gehässiger Blick aus den sonst so friedlichen Augen des blassen Mädchens.
„Ah, Mylady hat ihre Geheimnisse, und braucht mich nicht, um sie zu cachiren! Es wäre besser, Mylady hätte sich meiner Theilnahme versichert. Wenn ich Herrn Hendrik recht verstanden, so ist er practischer! Od ich einmal sehe, was er für eine Botschaft giebt, die ihm von den einzelnen Excursionen seiner jungen, schönen Frau erzählt?“
Sie starrte vor sich hin und lächelte endlich.
„Wir armen Schäferhunde, nicht bellen und nicht beißen sollen wir— und trifft uns einmal ein Fußtritt, so müssen wir auch den geduldig hinnehmen. Madame weiß, daß ich Wind und Regen hasse, daß ich darunter
— sie schleppt mich doch hinaus. Schäferhunde sollen in Regen und Sturm ebenso geduldig sein, wie bei Sonnenschein— knurren dürfen sie nur inwendig. Ah, my dear! Seit neun Jahren trage ich dieses Leben, dies Geschobenwerden— jetzt kommt mir die Lust, auch einmal Andere zu schieben— und wir wollen sehen.“
Wer hätte es nur geglaubt, daß der stillen, sanften Miß Mary Augen so zu funkeln verstanden!——
Renate war ohne Schirm, der feine Regen fiel ihr wohlthuend auf die heißen Wangen.
„O— eine Stunde heimlich=süßer Freiheit, eine Stunde in der Luft, wo er geathmet, bei der Frau, die ihn mit mir am wärasten und ehrichhten lacht.:
„Nein, die Freude!“ sagte Mathilde und riß die Thür weit auf.„Ich habe es der Frau kaum gesagt und nun sind Sie schon selber da.“
„Willkommen,“ rief die kleine Dame und streckte der Besucherin die linke Hand hin,„das ist recht, sich einmal um einen alten Inoaliden zu kummern. Ja, ja! Das habe ich von einem gewissen Uebermuth, welcher mich befallen, seit mein Hubert zurück ist— es ist wie eine Verjüngung über mich gekommen.“
Renaie schaute um sich— hier also hatte er seit Wochen stille Stunden zugebracht. Vielleicht war der leichte Druck dort an dem Polsterstuhle von
seinem Haupte.— Aber sie durfte nicht ihren Träumen nachhängen, sie mußte sich gewaltsam zusammenraffen.
„Nun sind Sie ganz glücklich!“ sagte sie zu Frau Rougemont—„e, ich begreife das.“
Die alte Dame nickte mit verklärten Blicken.
„Sehr glücklich, meine Liebe. Er ist schöner und stattlicher und klüger heimgekommen, mein Sohn, und wenn mein Auge auf ihm ruhen kann— das ist eine Herzensfreude. Daß eine Zeit der Trennung kommen soll,
daran mag ich nicht denken. Und Hubert auch nicht! Was sazen Sie! Er