Zur Seitenansicht

General-Anzeiger für Bonn und Umgegend

Bestandshaltende Institution

Zeitungsdruckerei und Verlagsanstalt H. Neusser GmbH

Beschreibung verfasst von

Stefanie Läpke (2018), Universitäts- und Landesbibliothek Bonn

Geschichte und Entwicklung

1889 gründete Hermann Neusser eine „Aktiengesellschaft Generalanzeiger für Bonn und Umgegend“. Neusser, gleichzeitig Verleger der nationalliberalen „Bonner Zeitung“, trat an Carl Hauptmann, den Verleger der zentrumsnahen „Deutschen Reichszeitung“ heran und bat ihm eine Teilhaberschaft am "General-Anzeiger" an, die Hälfte der Aktien weniger eine.

Ursache dieser Kooperation war die Gefahr, dass ebenso wie in anderen Städten, wo parteilose General-Anzeiger gegründet wurde, die Existenz der beiden politischen Zeitungen bedroht sein könnte. Der neu gegründete General-Anzeiger sollte nun hingegen die Existenz der beiden politischen Zeitungen sichern, indem durch den gemeinsamen General-Anzeiger immer ausreichend Mittel zur Verfügung standen, die politischen Zeitungen konkurrenzlos gestalten zu können.

Die "Deutsche Reichszeitung" war damals auf wenige hundert Abonnenten geschrumpft und Hauptmann erhoffte sich über den "General-Anzeiger" die "Deutsche Reichszeitung" sanieren zu können. Da Hauptmann das erforderliche Kapital nicht allein aufbringen konnte, übernahm die Zentrumspartei fast die Hälfte der erforderlichen 200 000 M.

Hauptmann stieg allerdings nach einem Zerwürfnis mir Neusser aus der Aktiengesellschaft 1891 wieder aus, da seiner Meinung nach der General-Anzeiger nicht dem vorgegebenen Statut entsprach, sondern inhaltlich reichhaltiger war als beschlossen und er somit die politischen Zeitungen in Gefahr sah. Hauptmanns Befürchtungen bewahrheiteten sich bekanntermaßen, da die liberale „Bonner Zeitung“ von Neusser zum 30.09.1891 einging. Hauptmann gründete im Interesse der Zentrumspartei als „katholischen General-Anzeiger“ (zit. n. Henseler 1953: 51) den „Bonner Stadtanzeiger“, der Ende 1891 das erste Mal erschien.

Laut Henseler (1953: 47) wurden die Verlagsakten vernichtet, nähere Angaben zur Gründung des General-Anzeigers finden sich aber in der "Deutschen Reichszeitung" (Ausgabe vom 29.09.1913): „Das Geschäftsjahr beginnt am 1. November 1889. […] Der General-Anzeiger hat lediglich und ausschließlich den Zweck, einem öffentlichen Handels- und Verkehrsbedürfnisse zu dienen, indem er zu den billigsten Preisen den Annoncen in der Stadt Bonn Verbreitung geben soll. Außerdem wird der General-Anzeiger bringen: a) Lokalnachrichten von Bonn und Umgebung, b) Neueste Nachrichten über Weltereignisse, c) Landwirtschaftliche Mitteilungen, d) Vermischte Nachrichten, alles nur tatsächlich, sowie e) Novellen und Erzählungen. Dagegen ist jede politische, soziale und religiöse Tendenz oder Erörterung ausgeschlossen. Um dem General-Anzeiger den Charakter eines reinen Anzeigenblattes für den gewerblichen und öffentlichen Verkehr streng zu wahren, werden nur solche Anzeigen, Artikel und Erzählungen aufgenommen, welche unzweideutig jedes politisch-, sozial- und religionspolemischen Inhalts sich enthalten. Daher finden Wahlaufrufe, Wahlprogramme oder sonstige Kundgebungen irgend einer politischen, sozialen oder religiösen Partei unbedingt keine Aufnahme.“ (zit. n. Henseler 1953: 47).

Auflagenhöhe, Inhalte, Verbreitung, Leserkreise, politische Ausrichtung, Konkurrenzblätter

Am 01.12.1889 erschien die erste Probennummer des General-Anzeigers mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren. Die Zeitung wurde zwei Jahre lang gratis verteilt, ab dem 01.12.1891 wurden monatlich 50 Pfenning erhoben, ein Drittel des Bezugspreises der gerade eingegangenen Bonner Zeitung (Bonner Wochenblatt). 1927 erreichte der General-Anzeiger eine Auflage von 45.000.

In der ersten Ausgabe vom 01.12.1889 wird eine Auflage von 16.000 Exemplaren täglich angekündigt. Laut dieser Ausgabe soll das Blatt ausschließlich dem Bedürfnis nach einem „unpolitischen Insertions- und Anzeigenblatt“ in Bonn nachkommen, es orientiert sich dabei an bereits seit längerem bestehenden und erfolgreichen ähnlichen Blättern in anderen Städten, die alle unter dem Namen „General-Anzeiger“ firmieren (z. B. Köln, Koblenz, Wiesbaden etc.). Als Grund für die Erfolge der General-Anzeiger wird die Tatsache angeführt, dass eine Anzeige in dem Blatt am wirksamsten ist, das „nicht auf den Leserkreis irgend einer Partei beschränkt ist, sondern welches in allen Familien, in allen Haushalten gelesen wird“ (General-Anzeiger vom 01.12.1889, S. 1).

Die bisherigen General-Anzeiger erreichten demnach eine Auflagenhöhe, die das der politischen Parteiblätter um das zehn bis zwanzigfache überstieg. Der General-Anzeiger war das Gegenteil eines politischen Blattes, im Vordergrund standen hier die Werbeinteressen einer stetig wachsenden Wirtschaft. Neben großen Inseraten von Markenartiklern und Kaufhäusern standen Klein- und Familienanzeigen sowie ein kleiner Textteil mit Tagesneuigkeiten, Lokalem, Feuilleton, Thea-ter- und Musikkritik, was nach Vogt (2018) die Zeitung für die unpolitische Mehrheit der Leser attraktiv machte. Auch der häufige Einsatz Neusser für lokale Belange, wie beispielsweise die Rettung des Beethoven-Hauses durch die Gründung des Beethoven-Vereins, trug zum Erfolg des General-Anzeigers als Lokalzeitung bei.

Als besonders wertvoll sah der General-Anzeiger seine „unparteiische Behandlung der lokalen Angelegenheiten“ sowie sein Bestreben, unparteiisch, sachlich und vielseitig zu sein (Ausgabe vom 01. Dezember 1891, Rückblick nach zwei Jahren). Auch wenn dem Zeitungstyp des General-Anzeigers Farblosigkeit oder gar Senkung des Niveaus als Massenpresse vorgeworfen wurde, so kann dem General-Anzeiger nach Henseler (1953: 60) aber auch eine Pionierarbeit für neue journalistische Methoden und darüber hinaus eine volksbildende Bedeutung zugutegehalten werden, da durch den General-Anzeiger auch Personen Zugang zu Zeitungen hatten, die mit den politischen Blättern vielmals nicht erreicht worden wären. Wenig sieht in Neussers General-Anzeiger eine Wiederaufnahme des Intelligenzblatt-Typus aus der kurfürstlichen Zeit oder gar Ähnlichkeiten zum biedermeierlichen Wochenblatt, wobei die politische Enthaltsamkeit des General-Anzeigers auf eine Selbstzensur über die Statuten zustande kam (cf. Henseler 1953: 51).

Weitere Entwicklung: Nationalsozialsozialistische Zeit

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde der jüdische Chefredakteur auf Druck der Partei durch einen gefügigen Nachfolger ersetzt und erst 1940 konnte mit Edmund Els ein Journalist ohne Parteibindung eingesetzt werden. Auch dieser konnte sich den Zwängen einer gleichgeschalteten Presse nicht entziehen. Als versucht wurde, den Verlag in die Gaupresse zu überführen, ließ sich Neusser auch durch SA-Demonstrationen vor dem Verlagshaus nicht einschüchtern (cf. Vogt 2018).

Die Auflage ging massiv zurück, so betrug diese 1936 nur noch 16.000 Exemplare (1927: 46.000). Auch der Generationenwechsel machte dem Unternehmen zu schaffen: Hermann Neusser III (1917-2002) befand sich beim Tod seines Vaters 1937 noch in der Ausbildung und hatte anschließend Wehrdienst zu leisten. Sein Schwager Otto Weidert (1909-1982) übernahm an seiner Stelle die Leitung des Verlages und führte das Unternehmen durch die NS-Zeit (cf. Vogt 2018).

1943 musste die Druckerei als „Ausweichbetreib“ neben der eigenen Zeitung noch drei Kölner Blätter drucken, da deren Druckereien ausgebombt wurden. Im Oktober 1944 wurde der Verlag zum Druck des NS-Parteiorgans „Westdeutscher Beobachter“ beschlagnahmt. Nachdem am 18.10.1944 das Verlagshaus zerstört wurde, wurde der General-Anzeiger in diversen Notquartieren und in unregelmäßigen Abständen gedruckt, bis 1945 Bonn eingenommen wurde. Nach dem Wiederaufbau wurden fremde Drucksachen gedruckt, die britische Besatzungsmacht ließ nur „Parteirichtungszeitungen“ zu. Im Oktober 1949, nach Aufhebung des Lizenzzwangs, erschien der General-Anzeiger wieder als führende Regionalzeitung (cf. Vogt 2018).

Am 01. Juni 2018 wurde der General-Anzeiger an die Rheinische Post Mediengruppe verkauft, womit die über 200-jährige Ära der Zeitungsfamilie Neusser in Bonn zu Ende geht.

Literatur

Weitere Hinweise