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Mikrofilmarchiv

der deutschsprachigen Presse.V.

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Märkischer Anzeiger

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Nr. 134(1. Blatt.) Mittwoch, den 11. Juni 1930.

6. Jahrgang.

Um Preisabbau und Töhnsennung.

Oeynhausener Schiedsspruch verbindlich.

In den Verhandlungen über den Oeynhause­ner Schiedsspruch hatten die Arbeitgeber er­klärt, daß sie die Preise in demselben Um­fange wie die Löhne abbauen wollten. Diese Erklärung ist in den Verhandlungen im Reichs­arbeitsministerium am 5. Juni 1930 geändert worden. Es sollen nach Wegfall der Akkord­Ueber=Verdienstklausel die übertariflichen Verdienste nicht nur der Arbeiter, sondern auch sämtlicher Gehalts­empfänger am 1. Juli so gekürzt werden, daß eine Ersparnis nicht bis zu 10 Proz., son­dern bis zu Proz. der Gesamtlohn= und Gehaltssummen eintreten wird. Nach den bindenden Zusicherungen werden rückwir­kend ab 1. Juni über das Ausmaß der erspar­ten Lohn= sund Gehaltssummen hinaus die Preise in der Eisenindustrie abgebaut. Der Reichsarbeitsminister hat sich eine Nachprüfung der zukünftig festzusetzenden Preise durch Wirt­schaftssachverständige vorbehalten.

Was die Höhe des Preisabbaues an­langt, so sind hierüber bestimmte und bin­dende Zusagen gemacht worden, über die noch von Seiten der übrigen Wirtschaftsorgane Beschluß gefaßt werden muß.

Abbauverhandlungen in

der Eisenindustrie.

Wie WTB.=Handelsdienst zu den Verhand­lungen über den Oeynhausener Schiedsspruch hört, sind die Verkaufsverbände der Industrie für Donnerstag eingeladen worden, um über das Ausmaß der Preisherabsetzung Beschluß zu fassen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird es auch nicht möglich sein, über das Ausmaß derselben etwas Genaueres zu sagen. Die Zusagen der Industriellen scheinen aber so weitgehend zu sein, daß der Reichsarbeitsminister sich zu einer Verbindlichkeitserklärung entschlossen hat. Die Durchführung des Lohn= und Gehaltabbaues ist so zu denken, daß auf jedem Werk die Akkord­sätze neu geregelt werden müssen. Infolgedessen wird die Lohn= und Gehaltsherabsetzung auf den einzelnen Werken möglicherweise aber verschie­den hoch sein, aber nicht über Prozent der Lohn= und Gehaltssumme betragen. Bei den Angestellten und leitenden Beamten muß be­achtet werden, daß auch dort nur die übertarif­lichen und die nichttariflichen Gehälter erfaßt werden können. Trotzdem nimmt die Eisen­industrie die Preissenkung sofort vor. Sie hat sich zu einer etwaigen Vorleistung verpflichtet und wird auch Kürzungen der Gehälter, die in­folge der Kündigungsfristen teilweise erst später in Frage kommen, gleich ganz bei der Preis­senkung in Rechnung stellen.

DerVorwärts. protestiert

und kündigt den Abwehrkampf der Gewerkschaften an.

Zu der Verbindlichkeitserklärung des Schiedsspruches in dem Manteltarifstreit der Gruppe Nordwest der Eisenindustrie sagt der Vorwärts" u.., der Reichsarbeitsminister habe damit vielleicht die folgenschwerste Entscheidung getroffen, die ein Reichsarbeitsminister seit der Revolution habe treffen können. Der Reichsar­beitsminister versuche damit, eine allgemeine Lohnsenkung herbeizuführen. Das müsse unwei­gerlich zunächst eine allgemeine Verschärfung der Wirtschaftskrise zur Folge haben, und was noch schwerer ins Gewicht falle, die Entfesselung schwerer und großer Arbeitskämpfe. Es sei ganz ausgeschlossen, daß die Arbeiterschaft sich ihre schwer erkämpften Löhne durch Schiede­sprüche einfach reduzieren lasse, auch wenn die­sen Schiedssprüchen die Verbindlichkeitserklä­rung zu Hilfe komme. Es sei nicht weniger sicher. daß die Gewerkschaften ihre ganzen Kräfte ein­

setzen würden, um ein derartiges Attentat auf die Lebenshaltung der Arbeiterschaft abzuweh­ren. Der Reichsarbeitsminister habe keine Ga­rantie dafür, daß der Senkung der Eisenpreise eine entschrechende Senkung der Lebens­haltungskosten folgen werde.

Verbindlichk.####rslärung des Schieds­spruches für die Eisenindustrie.

In dem Manteltarifstreit der Gruppe Nord­west der Eisenindustrie ist der Schiedsspruch vom 26. 5. ds. Is. für verbindlich erklärt worden.

Oberbürgermeister Dr. Bracht

zur Lohnsenkungsaktion.

Anläßlich einer Pressekonferenz führte Ober­bürgermeister Dr. Bracht auf Befragen aus:

Nach dem letzten Schiedsspruch in Gruppe Nordwest halte ich es für ausgeschlossen, daß die Beamtengehälter bei der Lohn­senkung unberührt bleiben, und je eher sie einbezogen werden, desto besser. Aus dem gleichen Grunde ist der Kampf gegen das Not­opfer seitens der Festbesoldeten unverständlich.

300 Millionen Mark Entschädigung

für die in Amerika beschlagnahmten deutichen Schiffe.

In Sachen der den deutschen Reedereten zu zahlenden Entschädigung für die während des Krieges in den amerikanischen Häfen beschlag­nahmten deutschen Schiffe ist soeben der Schieds­spruch gefällt worden. Der Schiedsrichter setzt die für die 24 beschlagnahmten Schiffe zu lei­stende Entschädigungssumme auf 74243000 Dol­lar einschließlich der bis zum 31. Dezember 1928 fälligen Zinsen fest. Diese Summe ist um 30 Mil­lionen Dollar höher als die Summe, die seiner­zeit die von dem Präsidenten Wilson eingesetzte Schätzungskommission genannt hatte.

Die Entscheidung des amerikinischen Schiedsrichters ist endgültig, und Schiedsrichter Ermick hat dem Schatzamt empfohlen, die Raten­zahlungen alsbald zu beginen. Zur Verfügung

stehen nach dem Freigabegesetz zur Zeit eine erste Rate von 25 Millionen Dollar, die jedoch nicht voll an die deutschen Reeder geht, da für Schiffe, Patente und die ehemals in deutschem Besitz be­findliche Funkstation Sayville insgesamt 100 Millionen Dollar angesetzt und die ehemaligen Eigentümer der Patente und der Funkstation di­her auch an der ersten Rate von 25 Millionen be­teiligt werden müssen, da jedoch bisher der Ge­samtbetrag der Entschädigung weder für die Pa­tente noch für die Funkstation festgesetzt ist,#o können den Reedereien für die Schiffe nur 74.26 der ersten Rate sofort ausgezahlt werden. Die hauptsächlichen Empfänger der Schiffsentschadi­gungen sind die Hamburg=Amerika=Linte, der Norddeutsche Lloyd und die Deutsche Dampf­schifffahrtsgesellschaftHansa"=Bremen.

Neichstag und Deckungsvorlagen.

Fühlungnahme mit den Regie­rungsparteien.

Mit der Rückkehr des Reichskanzlers Dr. Brüning nach Berlin wird erst für Ende dieser Woche gerechnet. Der Reichstag nimmt bekannt­lich seine Beratungen am 16. Juni wieder auf.

Er soll sich nach den Absichten der Regierung spätestens im Laufe der nächsten Woche in erster Lesung mit den neuen Deckungsvorschlägen be­fassen. In politisch unterrichteten Kreisen er­wartet man, daß sowohl vom Reichsarbeits­minister wie vom Reichsfinanzminister noch im Laufe der nächsten Tage Fühlung mit den hinter der Regierung stehenden Parteien ausgenommen werden wird, um die Annahme des Deckungs­programms sicherzustellen.

Wie die Telegraphen=Union hört, ist man im Finanzministerium gegebenenfalls bereit, Abänderungsvorschläge der Parteien anzuneh­men, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß der finanzielle Erfolg, der mit dem neuen Deckungsprogramm angestrebt wird, durch die Abänderungswünsche der Parteien nicht in Frage gestellt wird.

Zeppelin kommt nach Berlin und München.

Das LustschiffGraf Zeppelin wird am 21. Juni eine Fahrt nach München und Ber­lin ausführen.

Empfängebei König Carol.

König Carol von Rumänien empfing die Präsidenten von Kammer und Senat und so­dann General Averescu und Dr. Lupu. Carol wünscht eine Regierung der Konzentration. Da sich aber ihre Bildung als sehr schwierig erweist, wird zunächst ein Kabinett Maniu gebildet werden, in das auch Mitglieder der anderen Parteien eintreten werden.

Kehre zurück, alles vergeben!

Die neue Regierung wird voraussichtlich mit dem jetzigen Parlament weiter arbeiten, und erst nach der Herbsttagung, nachdem der neue Haushalt verabschiedet sein wird, wird versucht werden, eine Regierung unter der Präsidentschaft von Titulescu zu bilden. In diesem Falle würde dann die Konzentrations­regierung das Parlament auflösen und Neu­wahlen ausschreiben.

Die Vorgeschichte des Staatsstreichs.

Wie jetzt bekannt wird, soll der rumäni­sche Staatsstreich bereits am 24. April in Bellinzona in allen Einzelheiten festgelegt wor­den sein. Teilnehmer der Geheimsitzung sollen Prinz Carol, General Averescu, der rumänische Konsul in Turin, der rumänische Peinz Soutro sowie eine Reihe maßgebender rumänischer Per­sönlichkeiten gewesen sein.

Mit besonderem Interesse hat man in Paris den Bukarester Staatsstreich verfolgt. Die Pariser Presse zeigt sich zunächst sehr befriedigt. DerPetit Parisier. betont u.., daß alle Freunde Rumäniens, die die Rolle kennen wür­den, die dieses Land als vorgeschobener Posten in Osteuropa berufen sei zu spielen, es stark und einig wünschten und sich freuen würden, wenn der neue König nunmehr entschlossen bliebe, seine dem Volk gegebenen Versprichen zu erfüllen. DerMatin hebt heroor, daß man in Rumänien Ruhe und Einigkeit wünsche. Man sehne sich nach einer Regierung, die die Parteien, Rassen und Religionen in sich ver­einige, was zur Festigung eines Staates, dessen Bevölterung plötzlich von 7 auf 18 Millionen angewachsen sei, unumgänglich notwendig wäre. DasJournal erklärt, daß die Thronfrage derjenige sei, über die eine Verständigung am leichtesten habe erzielt werden können, weil niemand dadurch geschädigt werde. Der junge König Michael verliere keine Krone, finde aber seinen Vater wieder.

Zwei Segelboote gekentert.

Vier Personen ertrunken.

In Saßnitz auf Rügen unternahmen der 24= jährige Walter Hausmann mit seinem in Berlin ansässigen Bruder Willy und zwei anderen Leu­ten eine Fahrt mit einem Segelboot. Die jun­gen Leute, die offenbar des Segelns unlundig waren, hatten die Segel festgelegt. Etwa 1000 Meter von der Hafeneinfahrt legte eine starke Boe das Boot auf die Seite und die vier In­sassen fielen ins Wasser. Ein gerade von der Reede kommender Schiffsmakler hatte den Un­fall bemerkt und steuerte auf die Unglücksstelle zu. Er warf den mit den Wellen ringenden eine Leine zu, die diese nicht fassen konnten, da sie sich in der Schiffsschraube verwickelt hatte. Die vier Segler sind ertrunken. Ein Bergungsdampfer ließ durch einen Taucher die See nach den Lei­chen der Verunglückten absuchen, jedoch ohne Erfolg

*

Drei Tote auf dem Trummersec.

Auf dem Obertrummersee bei Salzburg kenterte ein mit acht Personen besetzter Boot. Drei der Insassen ertranken. Das Boot war von einem Angetrunkenen mutwillig zum Schau. keln gebracht worden.

Prosessor=Garnatts

Wirklicher Geheimer Rat Exzellenz Pro­fessor Adolf von Harnack, der berühmte Theo­loge, Geschichtsphilologe, Präsident der Kaiser­Wilhelm=Gesellschaft zur Förderung der Ge­schichte, der in Heidelberg 14 Tage erkrankt war, ist im Alter von 70 Jahren in der medizinischen Klinik in Heidelberg Dienstag nachmittag 4 Uhr sanft entschlafen. Am Sterbebett weilten die Gattin und der Sohn, Regierungspräsident von Harnack. Die Einäscherung wird, wie wir hö­ren, in Berlin erfolgen.

Adolf von Harnack wurde am 7. Mai 1851 in Dorpart als Sohn eines Professors der Theo­logie geboren. Wie sein Vater und zahlreiche seiner Vorfahren(die Familie Harnack weist viele angesehene Theologen auf), studierte Adolf Harnack nach dem Besuch des Gymnasiums in Dorpart an der dortigen Universität ebenfacts

Theologie. 1874 habilitierte er sich in Leipzig als Privatdozent, wurde zwei Jahre später außerordentlicher Professor und erhielt 1879 einen Ruf als ordentlicher Professor nach Gie­ßen. Nachdem er in gleicher Eigenschaft auch in Marburg gewirkt hatte, kam. er 1889 nach Berlin und wurde hier 1890 Mitglied der Preu­ßischen Akademie der Wissenschaften. Professor Harnack entwickelte sich mehr und mehr vom Theologen zum Historiker und Geschichtsphilo­sophen. Als geistiger Träger der liberalen theologischen Bewegung stand Harnack jahr­zehntelang in scharsem wissenschaftlichem Kampfe mit der positiven theologischen Richtung. In verschiedenen großen Werken und zahlreichen Broschüren und Schriften vertrat der Gelehrte seine Meinung, weit über die Kreise der theolo­gischen Wissnschaft hinaus beachtet. Sein Haupt­werk ist seine dreibändige Geschichte des christ­lichen Dogmas, von seinen Schriften am be­kanntesten die 1892 erschienene Broschüre des apostolischen Glaubensbekenntnisses.

Im Jahre 1906 wurde Professor Harnack zum Direktor der königlichen Bibliothek in Ber­lin ernannt und anläßlich der Einweihung des Bibliothekneubaues zu Beginn des Jahres 1914 in den erblichen Adelsstand erhoben. Er war auch Inhaber des Ordens pour le merite für Wissenschaften und Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz. Nach Erreichung der Altersgrenze wirkte Professor von Harnack, der u. a. den evangelisch=sozialen Kongreß ins Leben gerufen und die Kaiser=Wilhelm=Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften geschaffen hat, trotz seines Rücktritts von seiner Stellung noch vielseitig als Privatmann weiter. Zu seinem 78. Geburtstage wurde ihm zu Ehren das Har­nackhaus in Berlin=Dahlem eingeweiht, das von der Kaiser=Wilhelm=Gesellschaft errichtet, als deutsches Auslandsinstitut für ausländische Ge­lehrte dienen soll.

Verheiratet war Professor von Harnack mit einer Tochter des Professors Thiersch, einer En­kelin des berühmten Agrikulturchemikers Liebig.