JUBILAUMSNUMMER DESVÖLKSBLATTS · DETMOLD 1930
DAS VOLKSBLATT
Nicht jetzt, nicht schon wieder. Aber als wir damals den ersten Anbau an unsere ursprünglichen Betriebsräume in Angriff nahmen, rief eines Tages ein sogenannter Alteingesessener der ehemaligen Residenz einem gleichgestimmten Mitbürger die drei Worte zu, die da oben stehen:„Das Volksblatt baut!“
Es lag viel Verwunderung in dem Tonfall, in dem er das sagte. Und wenv der Empfänger der Mitteilung auch nicht gerade nach bewährtem Vorbild erwiderte: Ja, dürfen sie denn das?, so konnte doch kein Zweifel darüber aufkommen, daß auch er baß erstaunt war. Man wünschte uns nämlich in jener Zeit und in den Kreisen, denen die beiden angehörten, sehr viel Gutes, vor allem aber, daß wir recht bald in die Lage dessen versetzt sein möchten, der eines Tages merkt, daß es Zeit für ihn ist, das dicke Hauptbuch unter den Arm zu klemmen und die Beine zum Fenster hinausbaumeln zu lassen, das heißt, einen ausgewachsenen Konkurs anzumelden. Aber den Gefallen taten wir den lieben Freunden nicht!
Im Gegenteil, wir ließen die Umwelt nicht im Zweifel darüber, daß wir uns recht kräftig auszudehnen gedächten. Also wir begannen zu bauen.
Was notwendig ist, muß sein. Ein bißchen leid getan aber hat uns damals, daß wir zwei lebendigen Zeugen der schönen Tage— die das ehedem kommerzienrätliche Grundstück gewiß vordem gesehen hatten— den Garaus machen mußten. Es handelte sich um einen prächtigen Weidenbaum, eine Trauerweide, die an der Weinbergstraße stand und im Sommer ihre schlanken grünen Zweige wie lustige Fähnchen weit über der Straße flattern ließ und um einen mundervollen Weinstock, der in der sonnigen Ecke zwischen dem Wohnhause und dem Anbau fröhlich sein Dasein führte und wenigstens in dem einen Jahre eine Fülle von ganz ausgezeichneten Trauhen trug. Den Weinstock ließen wir zwar zunächst noch stehen, er behinderte den ersten Anbau nicht. Aber als er dann keine Luft, kein Licht und keine Sonne mehr bekam, fing er an zu quiemen, und wir haben ihn dann weggehauen.
Der erste Anbau richtete sich in erster Linie nach den verfügbaren Mitteln. Wir verraten kein Geheimnis— und außerdem ist es lange her!— wenn wir sagen, daß das damals unsere stärkste Seite nicht gewesen ist. Nein, in der Regel waren Bankkonto und Barkasse nicht übermäßig umfangreich. Ueber unsere Verhältnisse wollten wir aber auch nicht leben. So ließen wir uns dann eine bescheidene räumliche Erweiterung projektieren, die vor allem einen kleinen Laden und eine entsprechende Vergrößerung der Betriebsräume, insbesondere der Setzerei vorsah. Auch die Redaktion sollte nun endlich einen eigenen Arbeitsraum bekommen.
Den ersten Anbau führte Maurermeister Brinkmann in der Gretchenstraße aus. Die Arbeit ging so flott vonstatten, daß wir schon nach wenigen Wochen die Ellbogen freier rühren konnten. Da während des Umbaues auch die schon vorhandenen Räume in Mitleidenschaft gezogen wurden, bereitete die Unterbringung der Betriebsräume nicht geringe Schwierigkeiten. Es ging dabei ein bißchen bunt zu. Um so dankbarer waren wir, als alles in kurzer Zeit überstanden war.
Aber nach zwei bis drei Jahren saß uns die Jacke schon wieder zu eng am Leibe. Die Nähte— wenn wir im Bilde bleiben dürfen— knackten verdächtig. Der Amfang der zu bewältigenden Arbeit wuchs so schnell, daß wir bald wieder vor der Frage standen: Was nun?
Sollten wir wieder ein Stück auflicken, wie man einem in die Höhe schießenden Jungen in vergangenen Zeiten einmal ums andere ein neues Ende an die Buxen nähte? Das wäre ja auch eine Lösung gewesen. Aber eine gute? Mitnichten!, steht ja wohl im Katechismus. Um endlich zu einem Entschlusse zu kommen, haben wir uns die Sache mal ein Stündchen besehen und erwogen, und dann auf ein paar Bogen Zeitungspapier dicke Striche gezogen: bisheriger Maschinenraum wird Laden; daneben der neue Hauseingang, durchgezogen bis zum Treppenhaus; die alte Haustür bleibt und wird Zugang zum unteren Maschinensagl. Den machen wir so groß wie möglich, wenns geht, bis dicht an das alte Haus heran, und bis an Raspes Zaun, und an die Weinbergstraße. Im zweiten Stock der Maschinensaal für die Geschäfts= und anderen Drucksachen, daneben die Bleigießerei. Im dritten Stock über der Bleigießerei die Setzmaschinen und daneben die Handsetzerei. Und über allem schöne, luftige Räume für die Redaktion und die Partei.
Als wir den Genossen, die dabei gefragt werden mußten, diesen Laienplan vorlegten, sagten sie„toppf. Und dann hat die Bauhütte uns auf wunderschönen großen weißen Bogen das Ganze gehörig auf Vordermann gebracht, und ausgerechnet, was die Sache kosten würde.
Es war keine kleine Summe, die wir da zu hören bekamen. Daß wir sie aus eigener Kraft nicht ohne weiteres herwerden konnten, war uns klar. Aber bange machen hat in der zehnjährigen Entwicklung des Volksblattunternehmens nie gegolten. Wir wissen wohl, daß ängstliche Gemüter gelegentlich gemeint haben, sie hätten den großen Volksblattbau erst dann begonnen, wenn die letzte Mark dazu bereitgelegen hätte. Aber wenn wir solchermaßen vor dem notwendigen Entschlusse zurückgewichen
BAUT
Von W. Meler
wären, ja wenn man ganz allgemein in Deutschland bei allen Bauten in den Nachkriegsjahren nach solchem Grundsatz hätte verfahren, wollen, dann säße das Volksblatt noch heute im Pferdestall auf dem Heuboden, just wie in der ersten Zeit, und wahrscheinlich wäre der letzte deutsche Bauarbeiter inzwischen vermittels des Hungertodes zu seinen seligen Vätern versammelt worden.
Wo kriegen wir die Taler her? Ja, die Frage hat uns Kopfschmerzen bereitet, aber sie ist schließlich und doch wohl so gelöst worden, daß wir heute sagen können, wir haben gut daran getan, daß wir damals handelten. Eine Verzögerung des Baues auch nur um ein Jahr hätte uns einige Zehntausend Mark Mehrkosten verursacht.
In Verbindung mit dem Neubau mußte auf polizeiliche Verfügung hin auch das ganze Treppenhaus erweitert und die
Wenn ein an sich gesundes Unternehmen zehn Jahre bestanden hat, dann läuft der technische Apparat wie die kaufmännische Verwaltung zu einem guten Teil von selbst weiter. Und wer heute einmal einen prüfenden Blick in das sorgfältig gegliederte Räderwerk der Verlagsanstalt Volksblatt wirft, kann sich kaum eine richtige Vorstellung davon machen, wieviel Arbeit und Mühe dazu gehört haben, in einer zäh verfolgten Entwicklung den heutigen Stand zu erreichen.
Aller Anfang ist in der Tat schwer!
Als wir damals— im Jahre 1919— beschlossen, für Lippe ein eigenes Zeitungsunternehmen zu gründen, hatten wir wohl alle kaum eine richtige Vorstellung von der Summe der Hemmungen und Schwierigkeiten, die zu überwinden sein würden. Wo über das Problem debattiert wurde, bildete die Hoffnung, daß schon alles gutgehen würde, den wichtigsten Aktivposten. Die mit diesen Dingen vertrauteren Parteifreunde in der Nachbarschaft und im Reiche, die selbst schon früher Aufgaben dieser Art zu erfüllen gehabt hatten, blickten auf den lippischen Vorgang nicht ganz ohne Sorge. Sie ließen uns darüber nicht im Zweifel, daß schließlich alles Risiko von uns selbst auszuhalten sein würde.
Es zeigte sich schon bald, daß mit Hoffnungen und Wünschen allein wenig anzufangen war. Zwar bekundeten gleich im Anfang einige bürgerliche Druckereiunternehmer, daß sie nicht ungern mit der lippischen Sozialdemokratie über die Herausgabe einer sozialdemokratischen Zeitung einen Akkord abschließen möchten, aber bei näherem Zusehen ergab sich, daß sie dabei weniger an die Aufgabe an sich dachten als vielmehr daran, wie sie ein gutes Geschäft machen könnten. Das aber war nun ganz und gar nicht der von uns gewollte Zweck der Uebung. Wo aber der Knüppel offensichtlich beim Hunde liegt, wo die eigene Kraft nur bis zu gewissen Grenzen reicht, muß man sich einiges gefallen lassen.
Schlimm aber wird es, wenn sich dann ergibt, daß auch dem verehrlichen Kontrahenten die Flügel stark beschnitten sind. Das war hier leider der Fall. Unser erster Drucker, Heinrich Meyer aus Vlotho, war mit allen möglichen Versprechungen schnell bei der Hand. Als er aber den erforderlichen Maschinenpark beschaffen sollte, deutete er uns eines Tages freundlich an: Hannemann, geh du voran! So faß denn der Schreiber dieser Zeilen an einem rauhen JanuarSonntag 1920 frühmorgens im Kontor einer Druckerei in Hildesheim und schloß einen Kaufvertrag über eine Doppelschnellpresse ab. In jener Zeit blühte der Handel mit Druckereimaschinen nicht minder, wie im Kriege der mit Stacheldraht und Dörrgemüse. Und wir kamen erst später dahinter, daß auch die von uns erworbene Schnellpresse in wenigen Wochen durch eine Reihe von nicht immer selbstlosen Händen gegangen war. Und den Letzten beißen bekanntlich die Hunde.
Das Zeitungsinserat
Innerhalb der vielseitigen politischen, wissenschaftlichen, kulturellen, unterhaltenden und erzieherischen Gebiete, die eine aktuelle Tageszeitung tagtäglich in den buntschillernsten Variationen wiederspiegeln muß, darf dem Anzeigenteil eine besondere Wichtigkeit nicht abgesprochen werden. Kann man sich heute im In= oder Auslande überhaupt noch eine Zeitung vorstellen, die nicht durch die Inserate der verkaufenden und kaufenden Geschäftswelt, der Vereine, Gesellschaften und kulturell=künstlerischen Vereinigungen, dazu mitberufen ist, für die Inserenten die Reklametrommel in Bewegung zu setzen?
Soll nun eine Anzeige innerhalb der vielen abgedruckten, ihren eigentlichen Zweck, den des Gelesenwerdens, erreichen, so muß sie sich aus ihrer Umgebung abheben, muß den eigenen Reiz haben, das Auge zum Verweilen und zum Lesen zu zwingen. Dies kann nun auf verschiedene Art geschehen. Grundbedingung ist natürlich, daß die Wahl des Textes und seines räumlichen Umfanges dem Setzer die Möglichkeit gibt, durch Schriftwahl, Gruppierung sowie durch besonders zweckentsprechende Arrangierung und vielleicht auch bildhafte Ausschmückung das Wichtigste dem flüchtigen Leser typographisch so auszuschöpfen, daß der Blick zum aufmerksamen Betrachten sich bequemt, das Inserat gelesen wird. Wesentlich ist, daß der Inhalt des Inserates ein ihm angepaßtes, symbolisch anziehendes Kleid erhält. Einheitlich und in sich geschlossen muß die Gruppierung und Ausschmückung vorgenommen sein, ganz gleich, ob man nun durch besondere Schrift, durch kompakte
Treppen selbst in Eisenbeton ausgeführt werden. Erst hat uns das ein wenig gewurmt, wir sahen da unnötig einen ganzen Batzen Geld versickern. Aber wir dürfen heute ruhig zugestehen, daß auch das notwendig gewesen ist.— Daß wir uns entschlossen, mit dem Neubau eine zeitgemäße Heizungsanlage zu verbinden, hat sich auch als zweckmäßig erwiesen.
Ausgeführt hat den ganzen Bau die„Soziale Baugenossenschaft Bauhütte Land Lippe.“ Es war ihr erster großer Bau, und wenn sie später wiederholt auch ganz große Bauaufträge bekommen hat, so hat dazu wohl ein wenig diese ihre erste große Arbeit beigetragen.
Als wir den fertigen Bau bezogen, hatten wir die Ueberzeugung, nun für wenigstens ein Vierteljahrhundert vorgesorgt zu haben. Nun, Prophetenkünste liegen uns nicht, und deshalb wollen wir heute auch nicht versuchen, nach dieser Richtung hin in die Zukunft zu blicken. Aber etwas anderes wollen wir doch, nämlich dem Wunsche Ausdruck geben, daß lange vor dem Ablauf dieses Vierteljahrhunderts wieder einmal der Ruf ertönt:
Das Volksblatt baut!
Schwer war es auch, zu einer einigermaßen tauglichen räumlichen Unterkunft zu gelangen. Ein gemietetes Grundstück in der Paulinenstraße war nicht frei zu bekommen. Ein anderes in der Palaisstraße war zu teuer. An der Hiddeser Straße stand uns eines zur Verfügung, aber hier hätten notwendige Durchbauten viel Geld verschlungen. Daß wir schließlich am Wall gelandet sind, hat sich in der Folge dann aber doch als eine gute Lösung erwiesen. Zwar mußten wir einen Dichterling— den Teutonen und späteren Hakenkreuzler Fischer=Friesenhausen— als Mieter in Kauf nehmen. Und der war kein angenehmer Zeitgenosse. Aber er wechselte bald sein Domizil und zog nach Kassel. Unsere innigen Segenswünsche haben ihn begleitet!
Wie schwer war doch in der ersten Zeit die technische Arbeit zu bewältigen. Es fehlte uns jedoch nicht an willigen Kräften, die gern auch manche Unbequemlichkeit in Kauf nahmen. In der früheren herrschaftlichen Remise mit auschließendem Pferdestall stand die Zeitungsschnellpresse und ein Tiegel. Darüber, auf dem Heuboden, war die Setzerei untergebracht. Die erste Setzmaschine reckte ihren längsten Arm buchstäblich zum Dache hinaus. Bis der ganze Apparat einigermaßen lief, vergingen sorgenvolle Wochen! Die Gewerbepolizei runzelte wiederholt mißmutig die Stirn, und die gerubsamen Nachbarn liefen mehr als einmal zum Rathause, um bittere Klage darüber zu führen, daß sie nicht schlafen könnten. Die einen wegen des unverweidlichen Lärms, die anderen wegen der ihnen höchst unerwünschten polivischen Entwicklung und ihrer Förderung durch das Volksblattunternehmen.
Die kaufmännische Abteilung war auch nicht auf Rosen gebettet; sie behalf sich räumlich so gut oder so schlecht es ging. Und da sie in den Anfängen interrimistisch geführt werden mußte, ergaben sich auch hier mancherlei Hemmungen. Der Schrei nach Geld bildete bei ihr das tägliche Brot, und wenn wir uns heute noch richtig erinnern, hat er in mancher Nacht nicht wenig den Schlaf beeinträchtigt. Besser wurde es, als wir mit unseren Berliner Freunden zu einer dauernden Verbindung gelangten. Zwar drohte sie das eine oder andere Mal wieder in die Brüche zu gehen— unsere lippischen Freunde waren mitunter etwas dickköpfig, und die Berliner zeigten sich oft kurz angebunden—, aber es gelang immer wieder, die geknüpften Fäden beieinander zu halten.
Eine erkennbare Wendung zu einer guten Entwicklung trat nach der einen wie nach der andeven Seite aber bereits im Herbst 1920 ein. Wir lösten das nicht sehr glückliche Verhältnis mit unserm bürgerlichen Drucker und führten von nun an das ganze Unternehmen unter eigener Verantwortung.
Die seitherige Entwicklung ist hinreichend bekannt. Sie hat sich in stetig aufsteigender Linie bewegt. Und da die Grundlagen gut sind, leben wir der Gewißheit, daß das auch weiterhin so sein wird. W. M.
als Werbemittel
Umrandung, durch viel weißen Raum, durch ein originelles Symbol, durch bildhafte Ausschmückung und anderes mehr zu wirken sucht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang natürlich auch die Placierung. Kontrastiert auf der Inseratenseite in harmonischem Zusammenhang die große mit der kleineren Anzeige, das in kräftigen Typen gesetzte mit dem in zierlichen, schmückenden Buchstaben sich darbietenden Inserat, so hat jede Anzeige das im voraus, schließlich eher gelesen zu werden. Unvorteilhaft ist es natürlich, wenn mehrere gleichartig gesetzte Inserate auf einer Inseratenseite zusammengeballt sind. Man sollte darauf bedacht sein, wie das in unserem Blatte immer geschieht und von der Geschäftswelt stets anerkannt wird, Kontrastwirkungen zu erzielen. Gerade aus diesen Gründen ist es mitunter sehr töricht und selbstschädigend von der Geschäftswelt gehandelt, wenn sie der Auffassung ist, nur fette Schrift, fette Linien, die Vorschrift für diesen Platz, würden einem Inserat zu Wirkung und Erfolg verhelfen. Eine entsprechende Fassung und Form des Inserats ist meistens ausschlaggebend für erinnernde Wirkung.
Je mehr heute Zeitungen gelesen werden— und nach dem Tiefstand der Inflation sind alle Zeitungen wieder in starkem Aufschwung begriffen!—, um so lohnender ist das Inserat. Zeitungen werden nicht nur im Hause gelesen, sondern im Lokal, auf der Bahn, kurz überall! Inserieren heißt, sich an die breiteste Oeffentlichkeit wenden— inserieren heißt, sich der siebenten Großmacht, denn das ist die Presse, zu bedienen!
Aller-Anfang ist schwer