Ausgabe 
11 (1.2.1930) 27
Seite
243
 
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ARDEIERSSMATTUNDTNLSSE

Von Fellx Fechenbach

Presse, Partei, Parlament, diese drei P sind die großen Organe der modernen Demokratie". So lesen wir in Karl Kautskys Werk über den historischen Materialis­mus. Und nicht umsonst ist die Presse an erster Stelle genannt. Ihre gewaltige Bedeutung im sozialen und poli­tischen Ringen unserer Zeit wird heute von niemanden mehr bestritten. Dabei ist aber streng zu unterscheiden zwischen der bürgerlichen Geschäftspresse und den Zei­tungen der Ar beiterschaft. Während die bürger­liche Presse vorgibt, dieser oder jener Sache zu dienen, oder sich wie es in der Ueberzahl der Fälle geschieht das Mäntelchen derUnparteilichkeit" umhängt, in Wirklichkeit aber immer den nackten Geschäftsinteressen des Verlegers oder einer bestimmten Interessentengruppe dient. steht die sozialdemokratische Presse, frei von allen geschäftlichen Rücksichten, ganz im Dienste der sozi­alistischen Idee. Sie lehnt es grundsätzlich ab, in den seichten Gewässern derpolitischen Neutralität" zu schwimmen; sie will bewußt die Zeitung der Schaffenden aller Stände sein, für deren Ideale sie sich einsetzt, deren Sorgen und Nöte sie sich annimmt, für deren Aufstieg sie kämpft.

Als Organ der Demokratie wirkt sie durch sozi­alistische Kritik in hohem Maße aufklärend und mei­nungsbildend. Als Waffe im Kampf für den Aufstieg der Arbeiterschaft ist die sozialdemokratische Presse ein Mittel, das dauernd die notwendige Erziehungsarbeit des Proletariats besorgt und die Geschlossenheit und Kampf­kraft der Arbeiterschaft aufrechterhält und stärkt. Bismarck hatte die Bedeutung der sozialdemokratischen Presse im Ringen des Proletariats nach vorwärts und aufwärts sehr wohl erkannt. Er wußte: Will man den politischen und sozialen Aufstieg des Proletariats hindern, dann muß man seine Presse unterdrücken. Und in der Zeit des Sozialisten­gesetzes handelte er danach. Unsere alten Vorkämpfer können noch ein Lied davon singen.

In der bürgerlichen Presse sind die Redakteure Angestellte des Verlegers, und in den meisten Fällen haben gerade diejenigen, die die Zeitung schreiben und redigieren, am allerwenigsten Einfluß auf ihre Haltung in entscheidenden Augenblicken. Hinter ihnen steht der allmächtige Verleger oder die Interessentengruppe, die das Blatt finanziert. Es ist nicht selten vorgekommen, daß eine bürgerliche Zeitung aus der Hand eines demokratischen Verlegers in den Besitz eines politisch weiter rechts stehenden Mannes kam, und daß dabei der gesamte Redaktionsstab übernommen wurde. Wie man vorher demokratisch geschrieben hat, so schrieb man jetzt mittelparteilich oder volksparteilich, wie es gerade der Mann befahl, der die Gehälter bezahlt.

Ganz anders beim sozialdemokratischen Re­dakteur. Er kommt aus der Arbeiterbewegung, ist eng mit ihr und ihren Ideen verbunden. Ihm ist die Redaktions­tätigkeit nicht Handwerk, das er nach dem Willen eines Geldgebers ausübt. Er kann nur Redakteur an einer so­zialdemokratischen Zeitung sein, kann nur für das selbstgewählte Ideal schreiben, arbeitet nicht im Auftrag irgendeiner Geldmacht, sondern in Erfüllung seines eigenen Wollens!

Das alles ist nur möglich, weil die sozialdemokratische Presse kein Geschäftsunternehmen ist, weil sie im Besitz der Partei ist, weil alle erzielten Gewinne wieder zum Aus­bau der Zeitung verwendet werden und die Zeitung selbst im Dienste unserer Bewegung steht. Der Redakteur ist der Vertrauens mann der sozialdemokratischen Organisa­tion und die von ihm geleitete Zeitung der Dolmetsch der Wünsche und Strebungen der Arbeiterschaft. Und dank der demokratischen Kontrolleinrichtungen in der sozialdemo­kratischen Presse übt die sozialistische Zeitung zugleich die bedeutsame Rolle eines Mittlers zwischen Massen­willen und Parteiführung aus.

Weil die sozialdemokratische Presse ein von Profitinter­essen freies und reines Werkzeug einer großen sittlichen Idee ist, geht der Redakteur ganz auf in seiner Arbeit, wird ihm diese Arbeit an der Zeitung zur Lebensaufgabe, die ihn völlig ausfüllt. Das aber gerade gibt unseren Zeitungen jenen idealen Schwung, der die Massen begeistert und von dem immer wieder neue Kraft auf sie überströmt, die sich umsetzt in politische Aktivität.

*

Aus kleinen Anfängen haben sich unsere Zeitungen her­aufentwickelt zu achtunggebietenden Faktoren im politischen Kampf. Aber ihre Aufgabe besteht nicht nur darin, vo­litisch zu unterrichten und aufzuklären. Die Zeit, in der die sozialdemokratische Presse reines Agitations­organ und Vereinsblatt der Partei war, ist längst überwunden. Unsere Blätter sind moderne Zeitungen ge­worden, die nicht nur für die Parteifunktionäre geschrieben und gedruckt werden. Dem Funktionär steben immer zu wenig Parteinachrichten in seinem Blatt. Sie sind wichtig und notwendig. Aber neben dem Partei­funktionär halten auch ungezählte Massen von politisch weniger leidenschaftlich Interessierten, vor allem auch viele Frauen die sozialdemokratische Zeitung. Auch auf ihre Bedürfnisse muß Rücksicht genommen werden, wenn sich die Zeitung nicht um den politischen Einfluß auf diese Schichten bringen will. Also viel Unterhaltungsstoff, Nach­richten über alle möglichen Neuigkeiten, über Lokalereig­nisse, die interessieren, Bilderdienst und auch dann und wann einen Schuf Humor. Je mehr wir dem Neuigkeiten­

und Unterhaltungsbedürfnis des indifferenten Lesers ent­gegenkommen, um so leichter gelingt es uns, ihn für unsere Zeitung und damit auch für die sozialistische Idee zu gewinnen. Das Eingehen auf die Lesebedürfnisse der Indifferenten im unpolitischen Teil der Zeitung bedeutet eine Erweiterung des politischen Aktions­radius der sozialdemokratischen Presse.

Die Frauen und die sozialdemokratische Presse, das ist ein besonders schwieriges Kapitel. Erst seit elf Jahren sind die Frauen in Deutschland politisch gleichberechtigt. Die Zahl der politisch Indifferenten ist deshalb unter ihnen noch weitaus größer als unter den Männern. Sie haben einen andern Erlebniskreis, vielfach andere Interessen­gebiete. Sie verlangen von der Zeitung mehr Unterhaltung, Nachrichten, Familienneuigkeiten und bedingt durch ihre Aufgaben im Haushalt Inserate. Aber oftmals sind es gerade diejenigen, die darüber klagen, daß die sozial­demokratische Zeitung nicht ebensoviel Inserate habe wie die bürgerliche Presse, die dann, wenn sie selbst etwas zu inserieren haben, das in einer bürgerlichen Zeitung besorgen. Es ist in diesem Punkte ja schon um vieles besser geworden, und gerade in Lippe hat dasVolksblatt eine ganze Reihe von bürgerlichen Zeitungen nicht nur im redaktionellen Teil, sondern auch auf den Inseratenseiten überflügelt. Aber es muß noch besser werden, und es wird auch noch besser, wenn jeder unserer Leser all seine Familien= und sonstigen Inserate in seiner Zeitung aufgibt. So kann jeder selbst mithelfen, auch auf diesem wichtigen Gebiet seine Zeitung mit auszubauen.

Wir sagen seine Zeitung, denn das sozialdemokratische Blatt ist die Zeitung des Schaffenden. Nur die Opfer­bereitschaft der Genossen hat die Gründung des Volksblatts", und ihre unermüdliche Mitarbeit seinen Aus­bau möglich gemacht. Unsere Zeitung ist nicht nur die Arbeit

Die 200 sozialdemokratischen Parteizeitungen in Deutsch­land werden von 130 Parteiverlagen herausgebracht und in 110 Druckereien hergestellt. Diese Parteiverlage und Partei­druckereien, die zusammen nicht weniger als 7871 Arbeiter und Angestellte am 31, Dezember 1928 beschäftigten, bilden eine wirtschaftliche Erscheinung, die in der Welt einzig dasteht. Wohl haben auch die sozialdemokratischen Parteien anderer Länder eigene Zeitungseinrichtungen, und auch einige andere Parteien in Deutschland besitzen in geringem Umfang Zei­tungsunternehmungen, keine aber dieser inländischen politi­schen Parteien und keine unserer Bruderparteien im Ausland kommt auch nur annähernd in Umfang und Bedeutung an das heran, was die deutsche Sozialdemokratie in Jahrzehnten auf diesem Gebiet aufgebaut hat.

Die Parteiverlage und Druckereien benutzen die Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Offenen Handelsgesellschaft, mit einigen Ausnahmen auch die der Aktiengesellschaft bzw. der eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht als Rechtsform. In allen Fällen aber wurden diese Unternehmungen errichtet durch die Initiative der Partei. Sie werden geleitet von Personen, die sich als Treuhänder der Partei betrachten. Die Gesellschafter bzw. Firmenträger der Zeitungsbetriebe sind Vertrauenskörper­schaften der Partei und die einzelnen Personen erhalten für ihre Arbeit und Verantwortung keinerlei Entschädigung. Hin­ter ihnen aber stehen als Auftraggeber die Parteiorganisatio­nen der einzelnen Bezirke bzw. die Gesamtpartei, die in Ver­tretung der Parteigenossenschaft die eigentlichen Besitzer der sozialdemokratischen Zeitungsbetriebe sind.

Die sozialdemokratische Arbeiterschaft Deutschlands hat Ur­sache, auf die Entwicklung ihrer Parteizeitungsbetriebe stolz zu sein. Vielfach mußten sie sich in schwerem Kampf gegen Be­hörden und kapitalistische Gegner behaupten. Die Partei­redakteure und Geschäftsführer haben in früheren Jahren häufig ihre Tätigkeit für die Zeitungen mit Gefängnisstrafen büßen müssen. Alle diese Bedrängnisse und Schwierigkeiten haben nicht gehindert, daß sich die Parteizeitungen seit vielen Jahren in einer stetigen Vorwärtsentwicklung befinden. Die Zunahmen an Lesern schwanken in den letzten Jahren regel­mäßig zwischen 60= bis 80 000 pro Jahr. Naturgemäß ist das Verhältnis der Zahl der sozialdemokratischen Zeitungsleser zur gesamten Bevölkerungsziffer verschieden, je nach der Struktur der Bevölkerung und je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Verbreitungsgebiete. Durchschnittlich entfallen in Deutsch­land auf 100 Einwohner 2,01 zahlende Abonnenten. Wenn man berechnet, daß durchschnittlich auf jeden zahlenden Leser eine Familie von 5 Köpfen entfällt, so kann man feststellen, daß von 100 Einwohnern etwa 10 von der sozialdemokratischen

es bleiben. Aus dem lebendigen Strom der Arbeiterbewe­gung schöpft sie täglich aufs neue Stoff und Kraft; jeder Genosse ist Leser, Mitarbeiter und Werber zugleich. Es gibt keine Presse, bei der die Verbindung zwischen Redaktion und Leserschaft so eng und so innig ist wie bei der sozialdemokratischen. Und deshalb sprechen die sozialdemokratischen Arbeiter mit berechtigtem Stolz von ihrer Zeitung, an deren weitere Aufwärts­entwicklung sie freudig ihre ganze Kraft setzen.

Während der Werbewoche haben wir gerade in Lippe große Erfolge in der Werbung für unser Blatt gehabt. Aber damit darf es nicht genug sein. Für den Sozialdemokraten hat das Jahr 52 Werbewochen! Immer und überall rufen wir die Säumigen auf, bei jeder Gelegenheit werben wir für unser Blatt, weil wir wissen, daß wir damit der sozialistischen Sache am besten dienen. Unsere Jubiläums­nummer legt beredtes Zeugnis ab für die Leistungsfähigkeit der sozialdemokratischen Presse und sie ist besonders ge­eignet, demVolksblatt neue Freunde und Leser zu gewinnen. Nützt deshalb diese günstige Werbemöglichkeit und sorgt dafür, daß dasVolksblatt" überall in die Arbeiterwohnungen kommt, wo es bis heute noch nicht ge­lesen wird. Der Unternehmer liest sein Unter­nehmerblatt, in das Haus des Arbeiters gehört die sozialdemokratische Zeitung.

Wir können uns heute das politische Leben nicht mehr denken ohne eine starke sozialdemokratische Presse. Sie ist uns Waffe und Führerin zugleich. Sie weist uns den Weg durch die Wirrnisse der Zeit, sie zeigt uns immer wieder das hohe Ziel auf, dem wir zustreben; sie feuert uns stets aufs neue an, wenn wir mißmutig werden wollen, und sie leuchtet uns als lohende Fackel auf dem dunklen Weg aus der Welt kapitalistischer Ausbeutung in das Reich einer solidarischen Gesellschaft der Menschen!

Von A. Rupprecht

Parteipresse erfaßt werden. In den Bezirken, in denen für die Partei günstige Verbreitungsmöglichkeiten vorliegen, steigern sich die Durchschnittszahlen bis auf das Dreieinhalb= bis Vierfache der obengenannten Zahlen. Während dort, wo eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit der Einwohnerschaft von Großkapitalisten und Großgrundbesitzern vorliegt, naturgemäß die Ziffern weniger günstig sind. In vielen Distrikten Deutsch­lands herrscht noch die Gepflogenheit, daß zwei oder drei Familien zusammen eine Zeitung abonnieren, sodaß häufig die von der Parteipresse erreichten Einwohner eine noch günstigere Zahl, als oben dargestellt, ausmachen.

Zu den Gebieten, die innerhalb Deutschlands eine besonders gute Verbreitung der Parteipresse aufzuweisen haben, gehört das östliche Westfalen. Die in jeder Beziehung hochstehenden Zeitungen in diesem Gebiet haben sich bei der Leserschaft Achtung zu verschaffen gewußt und sind damit auch in Kreise eingedrungen, die über die Arbeiterschaft hinausgehen. Die Arbeiter in diesem Gebiet können mit Stolz erklären, daß ihre Zeitungen sich im öffentlichen Leben Geltung verschafft haben. Das DetmolderVolksblatt hat es im besonderen ver­standen, in weite Kreise einzudringen und zeigt eine recht gute Entwicklung, die von Jahr zu Jahr neue Fortschritte aufweist. Die prozentuale Verbreitung der Parteizeitung liegt in Lippe sehr stark über dem Durchschnitt im deutschen Reich.

Die sozialdemokratischen Parteidruckereien und=verlage sind nicht durch die Unterstützung von Großkapitalisten und Groß­banken entstanden und gefördert worden, sie sind vielmehr zum Teil mit recht ärmlichen Mitteln begonnen und aus dem Nichts heraus unter unsäglichen Mühen von den Partei­funktionären errichtet und erst allmählich zu ihrer heutigen Bedeutung fortentwickelt worden. Wenn es im vergangenen Geschäftsjahr möglich war, in den gesamten deutschen Partei­betrieben einen Gesamtumsatz von 74,9 Millionen Reichsmark zu erreichen, so bedeutet das sehr mühevolle und aufreibende Arbeit der Funktionäre und zugleich auch ein gutes Zusam­menspiel zwischen den Leitern der Druckereien und den dort beschäftigten Personalen. Die sozialdemokratischen Zeitungs­betriebe sind gemeinwirtschaftliche Unterneh­mungen, die als Eigentum der Gesamtheit aller Partei­genossen im Interesse der gesamten Partei wirken. Die Ge­winne fließen nicht einem Unternehmer oder Aktienbesitzer zu, sondern werden zum Ausbau der Zeitungsbetriebe immer wie­der im Interesse der Partei verwandt. Die Leser der Partei­zeitungen haben darum auch eine viel stärkere Bindung an ihr eigenes Unternehmen, als es die Leser der bürgerlichen Zei­tungen haben. Sie stärken durch ihre Treue als Leser nicht ein Privatunternehmen, sondern ihren eigenen Getrieb

DIE SOZIALDENOKRATISCHEN

LENTUNGSDEINEDE