Die„Lippische Landes=Zeitung.
erscheint mit Ausnahme der Sonn= und Festtage täglich und werden in derselben die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsblattes für das Fürstenthum Lippe in besonderer Rubrik veröffentlicht.
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Verantwortlicher Redacteur August Klingenberg. Druck und Verlag der Meyer'schen Hofbuchdruckerei(Gebr. Klingenberg) in Detmold.
Ue 277. Dienstag, 25. November. 1884.
Deutsches Reich.
* Berlin, 24. November.(Bei dem gestrigen Festessen im kaiserlichen Schlosse zu Ehren der Konferenz) wurde Stanley ganz besonders ausgezeichnet. Der Kaiser, der Kronprinz, Prinz Wilhelm und die badischen Prinzen unterhielten sich lange und eifrig mit dem berühmten Afrikareisenden. Außer den genannten fürstlichen Persönlichkeiten nahmen an diesem Festessen Theil alle Bevollmächtigten und technischen Beiräthe, der Schriftführer Botschaftsrath Raindre, Graf Wilhelm Bismarck und Dr. Schmidt, die Staatsminister und einige Generäle.
*—(Das Centrum hat seine parlamen
tarische Aktion) mit einigen Anträgen eröffnet, die zu sehr lebhaften Verhandlungen im Reichstag Anlaß geben werden. Die Wiedereinbringung des alten, soeben vom Bundesrath abgelehnten Antrags Windthorst über Aufhebung des Expatriirungsgesetzes hat natürlich nur den Zweck, mit der Regierung wegen ihres mangelhaften
Entgegenkommens gegen die Forderungen des Centrums Abrechnung zu halten und der Welt abermals das unerquickliche Schauspiel zu bieten, daß 5/ des Reichstags tanzen, wenn Herr Windthorst pfeift. Interessanter als der nachgerade genug abgehetzte Antrag Windthorst ist der sozialpolitische Antrag des Centrums, welchen die Herren von Hertling, von Schorlemer=Alst und Dr. Lieber eingebracht haben. Es wird darin ein Gesetzentwurf verlangt, welcher die Sonn= und Feiertagsarbeit, vorbehaltlich einzelner genau zu bestimmender Ausnahmen verbietet, die Kinder= und Frauenarbeit in Fabriken einschränkt und die Maximalarbeitszeit erwachsener männlicher Arbeiter regelt. Wie man sieht, enthalten diese Vorschläge, namentlich der der Feststellung eines Normalarbeitstages, ein gut Theil der praktischen Forderungen der Sozialdemokratie, die wiederholt in der Wahlbewegung als nächste Ziele der Arbeiterpartei proklamirt worden, und die auch von andern Parteien zum Theil als berechtigt, zum Theil mindestens als sehr ernster Prüfung und Diskussion würdig anerkannt worden sind. Man darf hierüber sozialpolitische Verhandlungen vom höchsten Interesse erwarten und gespannt sein, wie sich die Parteien zu den hier erhobenen, sehr einschneidenden Forderungen stellen werden. Neu ist übrigens auch diese Anregung des Centrums nicht. Im Januar 1882 bereits kam im Reichetag eine Inter
pellation des Centrums zur Verhandlung, welche die Anfrage an die Regierung richtete, ob sie die bestehende Fabrikgesetzgebung einer weiteren Ausbildung in der Richtung der Beseitigung der Sonntagsarbeit; der Einschränkung der Frauenarbeit, Feststellung einer Maximalgrenze für die Arbeitszeit männlicher Arbeiter und einer Ausdehnung der Befugnisse der Fabrikinspektoren zu unterziehen geneigt sei. Der Reichskanzler beantwortete damals eingehend die Interpellation und hob die ungemein großen praktischen Schwierigkeiten und Bedenken hervor, in einer Weise, die ihm vielfach als Rückfall in „manchesterliche" Ideenkreise vorgeworfen wurde; mit Lebhaftigkeit sprach er sich namentlich gegen die Einführung eines Normalarbeitstages aus.
*—(Ueber den neuen Reichstag urtheilt die„Deutsche Bauernzeitung): Wenn selbst der Kanzler das Schlagwort vom„Recht auf Arbeit“ in die Massen wirft, werden dadurch nicht die Wähler in dem Glauben, daß die sozialdemokratischen Führer sich auf rechtem Wege befinden, bestärkt? Die Agrarier und Konservativen wiegen sich zur Zeit noch in Glauben, die Sozialdemokratie bedrohe sie nicht, weil diese bis jetzt bauptsächlich in den Städten die Oberhand gewinnt. Ja die Agrarier beobachten diesen Angriff der Sozialdemokratie auf das städtische Bürgerthum mit unverhohlener Schadenfreude, aber schon sind auch die kleinen Landstädte in die sozialdemokratische Organisation hineingezogen, verdankt doch im Herzogthum Gotha der diesmal zum ersten Male obsiegende Sozialdemokrat diesen Sieg gerade dem kolossalen Stimmenzuwachs auf dem Lande. Allerdings haben dort auch die Konservativen den Sozialdemokraten offen unterstützt, denn selbst ein Oberpfarrer hat die Bauern aufgefordert, für den Sozialdemokraten zu stimmen, und als der freisinnige Kandidat das Revolutionäre, die Umsturzbestrebungen der Sozialdemokratie hervorhob, antwortete der Sozialdemokrat, die Regierung stände doch offenbar zur Zeit den Sozialdemokraten viel freundlicher gegenüber, als den Freisinnigen, mit dieser Erklärung leider die gegenwärtige Sachlage nur zu klar und wahr kennzeichnend. Daß also in Gotha wie in Breslau, Frankfurt, Hannover 2c. die Konservativen die Sozialdemokraten unterstützt haben, und in Magdeburg selbst ein königlicher Polizeipräsident zur Unterstützung derselben aufgefordert hat, beweist genügend, wie weit der Haß der Agrarier, Konservativen, ja selbst der Regierung
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dem Könige.
Historische Erzählung von Moritz Lilie.
(13. Fortsetzung.)
Leicester verbeugte sich.
„Wir haben heute Morgen bereits den Herzog von Northumberland zu der Dame gesandt, um unseren Besuch anzumelden“, fuhr Heinrich fort.„Wir erwarten ihn jeden Augenblick zurück, um zu erfahren, wie Katharina unsere Botschaft aufgenommen hat. Sie ahnt nicht, welches Glück ihr bevorsteht.“
„Sie wird Ew. Majestät um so dankbarer dafür sein, als es sich die ersten Höfe Earopas zur Ehre rechnen würden, mit dem Beherrscher Englands verschwägert zu werdene, erwiderte der Lord=Großkanzler.
„Northumberland bleibt sehr lange aus, die Strecke bis zu dem Landhause ist zu Pferde bequem in einer Stunde zurückzulegene, bemerkte der König ablenkend, aber mit unverkennbaren Zeichen der Ungeduld.„Wir würden es für kein günstiges Omen betrachten, wenn ihm ein Unfall zugestoßen wäre.
diesem Augenblick trat der Astrolog ein, der jeden Augenblick Zutritt zu dem König hatte.
„Nun, Alter, bringst Du gute Nachricht?“ rief ihm Heinrich entgegen.
„Noch einmal stellte ich in vergangener sternenheller Nacht Euer Horoskop, Sire“, entgegnete der kleine Mann,„aber die Konstellation der Gestirne ist dieselbe geblieben.
„Also günftig!“ sagte der König mit befriedigtem Lächeln.
Der Greis nickte.
„Die Sterne weissagen Euch beharrlich Gutes, Siren, versetzte er,„und sie verkünden, daß Eure Unternehmungen von Erfolg gekrönt sein werden. Nur mögt Ihr nicht allzu lange zögern, sie ins Werk zu setzen, denn das Glück ist wandelbar wie die Gestirne selbst.“
„Ihr hört es, Grafe, wandte sich Heinrich an seinen Großkanzler,„die Worte unseres Astrologen sind für uns ein Beweggrund mehr, nunmehr zu handeln.“
Ein Page trat ein und meldete den Herzog von Northumberland, gleich darauf trat dieser ins Gemach.
„Ihr ließet auf Euch warten, Herzog", redete der König ihn an, zwir waren besorgt um Euch. Nun Ihr aber wohlbehalten zurückgekehrt seid, sind wir begierig zu wissen, welche frohen Mittheilungen Ihr uns zu machen habt.“
„Wollte der Himmel, Ev. Majestät hätte einen Anderen mit dieser Mission betraut, wir würde dann die schmerzliche Aufgabe erspart geblieben sein, Euch das Furchtbare zu berichten!#erwiderte der Herzog mit leise zitternder Stimme.„Die Dame Eurer Wahl hat Eure Botschaft nicht mehr vernommen!“
„Was sagt Ihr, Northumberland?“ fragte rasch der König.„Ihr redet wohl im Fieber?“
„Nur die entsetzliche, traurige Wahrheit, Sire! Katharina Howard ist todt!u erwiderte der Herzog tonlos.
Heinrich taumelte einige Schritte zurück, dann faßte er nach der Lehne des Sessels. Der starke Mann drohte, überwältigt von der unerwarteten Schreckensnachricht, umzusinken.
Eine lange Pause trat ein.
„Hinaus, Ihr Spukgestalten, die Ihr gekommen seid, mich zu höhnen!“ schrie der Monarch wild auf und krampfhaft legte sich seine Rechte an den Griff des Degens. Dann sank er matt und gebrochen in den Stuhl und sein Haupt fiel kraftlos auf die Brust herab.
oNein, nein“, fuhr er fort, mit der Hand über die Stirn streichend, nes sind keine Gespenster, die uns äffen, es find die wohlbekannten Gesichter unserer vertrauten Räthe. Richard, Richard!" wandte er sich an seinen Günstling mit weicher Stimme,„daß auch gerade Du es sein mußtest, der diese furchtbare Kunde überbrachte!"
gegen das selbständige Bürgerthum in Stadt und Land gediehen ist. Mögen sich aber die agrarischen Großgrundbesitzer und Genossen nicht täuschen, die Sozialdemokraten machen vor den Rittergütern und Dorfgemeinden nicht Halt, in wenigen Jahren bilden auch diese das Ziel der sozialdemokratischen Angriffe und dann wird es für die Konservativen zu spät sein, ihre heutige Kurzsichtigkeit zu bereuen, die Herren Großgrundbesitzer werden dann die Früchte ihrer heutigen Unterstützung der Sozialdemokratie verdientermaßen ernten. Wenn aber der Haß der Agrarier, Großgrundbesitzer, wie auch der Sozialdemokraten gegen das Bürgerthum dieses fester zusammenschließt, dann wird es auch diese beiderseitigen haßerfüllten Angriffe glänzend abschlagen und überdauern. Mögen daher alle Bürger und Bauern, denen an einer gesunden Gestaltung der Zukunft gelegen ist, die Mahnung der diesmaligen Reichstagswahlen beherzigen und möge der Mittelstand in Stadt und Land, dessen gemeinsame Interessen ihn auf einander anweisen, sich fest vereinigen und gemeinschaftlich Front machen gegen seine Feinde, gegen agrarische Großgrundbesitzer, Konservative, schutzzöllnerische Großindustrielle und deren Verbündete!
*—(Gründung eines nationalliberalen Vereins.) Auf Einladung der Abgg. von Benda, von Cuny und Hammacher fand gestern in Berlin eine zahlreich besuchte Versammlung gemäßigt liberaler Männer statt zum Zwecke der Vorbesprechung über die Gründung eines nationalliberalen Vereins für die Reichshauptstadt. Die Herren von Benda und Hammacher begründeten die Einladung mit dem Hinweis darauf, daß die Berliner Parteiverhältnisse, wie sie bei den jüngsten Wahlen wieder recht grell hervorgetreten, sich immer mehr zu einem Gegensatz der schroffsten extremen Richtungen entwickelt hätten, denen gegenüber es an jedem Zusammenhalt und jeder Organisation der gemäßigt liberalen Richtung, der nationalliberalen Partei, fehle. In den weitesten Kreisen habe sich das Bedürfniß nach einer Sammlung der in Berlin sehr zahlreichen, aber zersplitterten und bisher unthätig gewesenen gemäßigten Elemente geltend gemacht. Als Aufgabe der Versammlung wurde die Einsetzung eines provisorischen Komités bezeichnet, welches die Konstituirung eines Vereins vorbereiten, einen Statutenentwurf aufstellen und einen Aufruf zur Sammlung unter die nationalliberale Fahne erlassen sollte. Nach längerer
„Eine Welt hätte ich darum gegeben, wenn man wir diese Botschaft abgenommen hätten, betheuerte der Herzog,„aber das Verhängniß hatte mich dazu bestimmt.“
„Und Du altes, graues Zerrbild von einem Gelehrten“, herrschte Heinrich den Sterndeuter an,„werfe Deinen Plunder ins Feuer und sage Deinen Sternen, daß sie lügen, daß sie vor Scham verdunkeln sollen, denn all ihr Wissen von den Schicksalen der Menschen ist weniger als eine Schnuppe, die vom Nachthimmel herabfällt und, noch ehe sie die Erde berührt, in Nichts zerstiebt.
Aus den dunklen Augen Bruce's schoß ein rascher Blitz auf Northumberland und ein kaum bemerkbares, sarkastisches Lächeln lagerte sich um seine Lippen. Aber er wagte es nicht, etwas zu entgegnen, um den Zorn des Königs nicht noch mehr zu reizen.
„Der Hochzeitszug wird sich jetzt in ein Trauergefolge verwandeln, Graf Leicester“, bemerkte Heinrich zu seinem Kanzler.„Ihr braucht Euch demnach heute nicht weiter zu bemühen. Für jetzt bedürfen wir Eurer Dienste nicht mehr, Mylord.“
Der Großkanzler verbeugte sich und ging.
„Und Du, Bruce beeile Dich und befolge meinen Rath“, wiederholte der König in drohendem Tone. „Deine Instrumente gehören ins Feuer und was dieses verschmäht, das wirf in die Tiefen der Themse, wohin ich Dich am liebsten nachsenden möchte.
Auf eine gebieterische Handbewegung seines Herrn schlich der Greis davon; Heinrich befand sich mit seinem vertrauten Günstling allein im Zimmer.
„Ist es denn möglich, Richard, daß dieses junge blühende Leben entfliehen konnte?" fragte er und seine Augen wurden feucht. Warum mußte mir die Vorsehung das Glück versagen, dieses herrliche Wesen zu besitzen?“
(Fortsetzung folgt.)