Aurtiche Aumdei=Zeitunge
erscheint mit Ausnahme der Sonn= und Festage tügng
und werden in derselben die amtlichen Bekanntmachungen
des Amtsblattes für das Fürstenthum Lippe in besendern Rubrik veröffentlicht.
Redaction u. Expedition:
Detmold, Leopoldstraße Nr. 117.
Abonnementspreis für das Vierteljahr:
In Detmold 2 Mark 25 Pf., auswärts durch die Post bezogen 2 M. 60 Pf.,— mit Bestellgeld 3 M.
Inserate
werden mit 12 Pf. für den Raum der einfachen Corpus=Spaltzeile berechnet.
Verantwortlicher Redacteur August Klingenberg. Druck und Verlag der Meyer'schen Hofbuchdruckerei(Gebr. Klingenberg) in Detmold.
AS 144. Sonnabend, 21. Julii. 1904.
Verweisung der politischen und Preßvergehen an die Schwurgerichte.
Die Abgg. Philipps und Lenzmann haben bekanntlich mit Unterstützung von Mitgliedern verschiedener Fraktionen im Reichstage den Antrag eingebracht, dem § 80 des Gerichtsverfassungsgesetzes, wonach die Schwurgerichte für die Verbrechen zuständig find, welche nicht zur Zuständigkeit der Strafkammern oder des Reichsgerichts gehören, die folgenden Worte hinzuzufügen: sowie für die politischen und die durch die Presse begangenen Vergehen und Verbrechen mit Ausschluß der im Wege der Privatklage verfolgten. Als politische Verbrechen und Vergehen sind die nach§§ 80, 81, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 92, 94, 95, 97, 99, 101, 102, 103, 104, 107, 108, 109, 110, 111, 125, 127, 128, 129, 130, 130a und 131 des deutschen Strafgesetzbuches strafbaren Handlungen anzusehen.“
Für den Antrag lassen sich alle diejenigen Gründe geltend machen, welche bereits in der Reichstagskommission zur Vorberathung der deutschen Justizgesetze für Verweisung der Preßvergehen und politischen Delikte an die Schwurgerichte angeführt worden sind. Die politischen Vergehen gehören ihrer inneren Natur nach vor die Schwurgerichte. Die letzteren sind eigentliche Volksgerichte; die Geschworenen bringen bei ihren Wahrsprüchen die im Volke lebende Rechtsüberzeugung und Anschauung öffentlicher Verhältnisse zum Ausdrucke, oder sollten dies wenigstens thun. Bei der Beurtheilung von politischen Vergehen kommt es weniger auf eine technisch=juristische Beurtheilung, als auf die Geltendmachung der in verschiedenen Zeiten oft ganz verschiedenen Beurtheilung politischer Bestrebungen und Verhältnisse an. Gegen die ständigen Gerichtshöfe bildet sich namentlich in erregten Zeiten leicht Mißtrauen. Die Bestrafung eines politischen Verbrechers ist aber nur dann wirksam, wenn sie von einem durch das öffentliche allgemeine Vertrauen getragenen Gerichtshofe ausgeht. Der Reichstag hat wiederholt beschlossen, die Preßvergehen durch Geschworene aburtheilen zu lassen und es kann keinen Unterschied machen, ob das Vergehen durch die Presse oder in einer öffentlichen Versammlung begangen worden. Zudem haben viel
Die letzte Gräfin von Manderscheid.
Erzählung aus der Geschichte des Erzstifts Trier. Von Autonie Haupt.
I. Kapitel.
Auf mit Gott zum Kampf, Ihr Brüder, Mit dem Schwert und dem Gebete.
Volkslied.
Es war an einem sonnigen Frühlingstage des Jahres 1794. Rasch und herrlich war der Lenz in Das Trierische Thal gekommen; es grünte und blühte an den Ufern der sanft dahinfließenden Mosel, aber noch schöner war es auf den luftigen, freien Höhen der Berge, wo der Blick in weite Ferne schweifen und die ganze Frühlingspracht überschauen konnte.
Wie im Schooße des göttlichen Friedens schien die alte Residenz sich inmitten der blühenden Gefilde zu sonnen; in Wahrheit jedoch bildete die Hauptstadt des Erzstiftes in diesen Tagen voll banger Erwartung den Sammelplatz von Kriegsgefährten aller Art. Frankreich drohte mit bewaffneter Macht an den Grenzen, und die Tradition jener Greuelthaten und Zerstörungen der Soldaten Ludwigs XIV., von denen die alte Treviris sich kaum erholt, lebte noch zu frisch im Gedächtniß, daß man bei etwaiger Niederlage nicht das Schlimmste befürchtet hätte. Oesterreich und Preußen standen seit 1791 gegen die französische Republik unter den Waffen, doch der Feldzug der Deutschen ins feindliche Land war unglücklich, und die französischen Truppen hatten bereits in demselben Jahre allenthalben die deutschen Grenzen überschritten. Mainz und Nachen war in deren Gewalt gekommen; doch im Trierischen Erzstift war der Feind mit beträchlichem Verlust zurückgeschlagen worden. Auch Mainz und die Niederlande waren von den Deutschen wiedergewonnen worden. Niemand jedoch zweifelte daran, daß die Franzosen sehr bald mit verstärkter Macht wieder gegen Trier vorrücken würden. Der Kurfürst Klemens Wenzeslaus hatte da
fache Erfahrungen in Deutschland, namentlich in Baiern und Baden, bewiesen, daß auch bei Aburtheilung politischer Vergehen die Geschworenen, wenn sie auch einmal ein seltsames Verdikt fällen, im Allgemeinen doch ihrer Aufgabe gewachsen sind. Selbst in politisch aufgeregten Zeiten ist eine besondere Gefahr für den Staat und überhaupt für die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung schon aus dem Grunde nicht zu befürchten, weil in der größten Mehrzahl als Geschworene nur solche Staatsbürger berufen werden, welche der vermögenden Klasse angehören und daher an der Aufrechterhaltung des Bestehenden und der staatlichen Ordnung selbst das größte Interesse haben.
Mit vortrefflichen Worten trat namentlich der Abgeordnete Gneist bei der zweiten Berathung des Gerichtsverfassungsgesetzes im Reichstage für Verweisung der politischen und insbesondere der Preßdelikte an die Schwurgerichte ein, indem er u. A. sagte:„So erweist sich das Schwurgericht als ein sicheres, vertrauenswürdiges Organ der Entscheidung von politischen und Preßvergehen. Es lebt in den Geschworenen das Bewußtsein, daß für politische Vergehen dasselbe Recht Recht ist, wie für alle anderen. Sie wissen von selbst, daß die Ehre und der gute Name des Privatmannes durch das Gesetz eben so zu schützen ist, mag die Verleumdung mündlich, schriftlich, oder durch die Presse begangen sein. Sie wissen, daß der öffentliche Friede, die rechtliche und fittliche Bedeutung des Staates eben so zu schützen ist, mag der offene Angriff mündlich oder schriftlich oder durch die Presse erfolgen. Sie wissen, daß die Kollision zwischen dem Interesse der Neugier und Unterhaltung des Publikums einerseits und der dauernden sittlichen Ordnung der Gesellschaft andererseits stets nach demselben vergleichenden objektiven Maßstabe zu entscheiden ist; sie wissen, daß die Beugung des Rechtes durch die Parteileidenschaft und Sophistik immer an dem Punkte anfängt, wo man behauptet, für diese politischen Fragen müsse nicht das Gesetz gelten, hier müsse ein besonderes Recht für den Fall erst geschaffen werden durch 12 im Recht unfehlbare Nachbarsleute. In dem Zusammenwirken von Richtern und Geschworenen liegt allerdings ein Palladium der Freiheit und Ordnung.“
Was speziell die Frage der Verweisung der Preß
her im Februar 1794 einen Aufruf an seine Unterthanen erlassen, worin er eine allgemeine Bewaffnung anordnete. Ein rühmlicher Wetteifer war darauf hin entstanden, und viele Männer hatten freiwillig zu den Waffen gegriffen, um das Vaterland zu vertheidigen.
Im Frühjahre eröffneten die Franzosen wieder die Kriegsoperationen; nur mit äußerster Anstrengung leistete der kaiserliche Feldherr von Blankenstein mit kurtrierischen, kurkölnischen und österreichischen Truppen dem Andrängen des Feindes von Sarlouis und Diedenhofen her Widerstand; Trier schwebte in beständiger Sorge wegen eines Ueberfalles, in Folge deren die reichen Familien des Landes sich selbst und ihre Kostbarkeiten in Sicherheit zu bringen suchten. Es war ein unaufhörliches Kommen und Gehen; von allen Seiten zogen Kriegsleute herbei, und in der Stadt selbst, sowie in deren Umgebung entfaltete sich ein reiches, buntes Treiben.
Die Bergeshöhe, welche der Stadt gegenüberliegt, bietet in der Abendstunde des 1. Juni ein schönes, lebensfrisches Bild. Unter dem grünen Laubdache der stolzen Eichen haben sich kriegerisch gerüstete Männer, wohl 500 an der Zahl, in malerischer Gruppirung gelagert. Die neuen blauen Waffenröcke mit gelben Aufschlägen und silbernen Knöpfen über gelben, silberbordirten Westen, enge, weißlederne Beinkleider und bis ans Knie reichende Stiefel, sowie das weiße, von der Schulter zur Hüfte sich schlingende Bandelier und das kleine, dreieckige, mit weißrother Kokarde gezierte Hütchen kennzeichnen sie als kurtrierische Soldaten. Es sind auserlesen schöne, kraftvolle Hunsrücker Leute, welche von dem jüngsten Sproß des Oberhofmarschalls, Grafen Boos von Waldeck, auf eigene Kosten angeworben und ausgerüstet wurden, um dem geliebten Kurfürsten zur Hülfe zugeführt zu werden. Von dem Sammelplatze Zell aus waren sie dem jungen Grafen am ersten Tage über Wittlich nach Föhren zu dem Gute des Grafen Kesselstadt gefolgt, wo sie gastfreundlich bewirthet wurden, und von#wo aus sie heute ihren
vergehen an die Schwurgerichte betrifft, so läßt sich nicht in Abrede stellen, daß eine wahre Preßfreiheit, so weit sie für das öffentliche Leben nothwendig, ohne die Aburtheilung der Preßvergehen durch die Geschworenen nicht denkbar ist. Die Grenzen erlaubter Kritik über staatliche Organe und Einrichtungen werden oft schwer gefunden und sind nach dem politischen Standpunkte und dem subjektiven Ermessen schwankend. Wo, ganz abgesehen von irgend welchen Strafbestimmungen, die Grenzen einer erlaubten Kritik aufhören, wo die Kritik anfängt, unerlaubt zu werden, das läßt sich im Allgemeinen nicht bestimmen. Dies hat darin seinen Grund, daß es sich hierbei um ethische Begriffe handelt, die bis zu einem gewissen Grade quantitative Aenderungen vertragen, ohne ihre qualitative Eigenschaft zu ändern, daß aber auch lediglich die quantitative Aenderung über einen bestimmten Punkt hinaus die qualitative Aenderung bedingt, die Tugend in Lafter zu verkehren im Stande ist. Gesetzlich normiren läßt sich der Punkt nicht, an welchem die quantitative Aenderung zugleich die qualitative Aenderung herbeiführt. So gewiß man innerhalb bestimmter Grenzen darüber einig sein kann, daß hier Tugend, dort Laster vorliege, so gewiß giebt es einen, und zwar einen nicht unbedeutenden Spielraum, innerhalb dessen die Beantwortung der Frage, ob ethisch erlaubt oder unerlaubt, lediglich von individuellem Ermessen, von einem mehr oder minder fein ausgebildeten Empfinden abhängt. Eben deswegen hat der Ausspruch der Geschworenen in Preßsachen auch eine große Autorität, während die Urtheile ständiger Gerichte nicht selten Anfeindungen und Verdächtigungen unterliegen.
Deutscher Reichstag.
Sitzung vom 20. Juni.
Präsident v. Levetzow eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 25 Minuten.— Am Tische des Bundesrathes v. Bötticher und mehrere Kommissarien.— Das Haus setzt die zweite Berathung der Unfallversicherung fort und zwar mit§ 41 der Vorlage, welcher die Wahl von Vertretern der Arbeiter betrifft.— Von den sozialdemokr., sowie von den freis. Abgeordneten ist hierzu beantragt, die Regierungsvorlage wieder herzustellen, welche die Bildung von Arbeiter=Ausschüssen vorge
Weg durch das Gebirge nach Trier fortsetzten. Im Angesichte des Zieles läßt ihr Führer sie non kurze Rast halten; er ist stolz auf seine Truppen, mit voller Kraft und heiterer Lebensfrische sollen sie dem Auge des Fürsten sich vorstellen. Inhaltschwere Körbe wer
den ausgepackt, und gewaltige Becher mit köstlichem Moselwein kreisen von Mund zu Mund, dabei wird gesungen und geplaudert, während die Gewehre friedlich aneinander gelehnt find.
Seitwärts von den Uebrigen stehen zwei Männer in ernstem Zwiegespräch. In dem hochgewachsenen, muskelkräftigen Jüngling, welcher in seiner Haltung ungesuchte Hoheit bekundet, würde man sofort den Gebietenden erkennen, auch wenn man nicht die Auszeichnung der goldenen Ballets auf den Schultern, nicht den blitzenden Degen an goldgestickter Schärpe und nicht die reiche Bordirung der Weste sähe, welche, vorn offen, eine Fülle von feinem Spitzengekräusel sehen läßt. Nicht leicht möchte es dem Pinsel des Malers gelingen, eine stattlichere, vollkommenere Kriegererscheinung zu entwerfen, als Graf Antonius Boos von Waldeck sie bietet. In der Fülle frischefter Jugendkraft steht er da. Der Dreispitz mit wallendem Federschmuck bedeckt die reichen, kastanienbraunen Locken, welche, leichtgepudert, im Racken von dunkeler Schleife gehalten werden. Unter der freien, hohen Stirn sehen ein Paar tiefblaue, blitzende Augen fröhlich kühn in die Welt. Die Adlernase im Verein mit dem klassisch gewölbten Kinn und dem keck gedrehten Lippenbärtchen steigern den entschlossenen Zug um den schönen, stolzen Mund und geben seinem edlen Antlitze das Gepräge frühzeitiger Thatkraft. Daß es ihm an Muth und Kühnheit nicht mangelt, hat er vor zwei Jahren den Franzosen gegenüber bei den Schanzen von Pellingen und im Gefechte bei Saarburg bewiesen. Ohne seine Entschlossenheit und Geistesgegenwart wäre es damals dem kleinen Häuflein kurtrierischer und kaiserlicher Truppen schwerlich gelungen, den überlegenen Feind zu vertreiben.
(Fortsetzung folgt.)