Die Lippische Landes=Zeitung==

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Verantwortlicher Redacteur August Klingenberg. Druck und Verlag der Meyer'schen Hofbuchdruckerei(Gebr. Klingenberg) in Detmold.

9 5. Freitag, II. Januar. 1804.

K

Was kostet die Frau?

Es beträgt, wie wir aus der interessanten Abhand­lung des Statistikers Dr. Engel überden Werth des Menschenn schon mitgetheilt haben, der gesammte Auf­wand vor, in und nach der Geburt für Unterhalt, Er­ziehung und Bildung, mit Einschluß des Sterblichkeits­und Zinsenzuschlags, d. h. also der Kostenwerth: 1) eines Knaben niederer Bildung am Ende seiner Jugend= und Lernperiode im erfüllten 15. Jahre = 3738 K 16+, 2) eines Jünglings mittlerer Bil­dung am Ende seiner Jugend= und Lernperiode im er­füllten 20. Jahre= 12,137 J 56 Pf., eines jungen Mannes hoher Bildung am Ende seiner Jugend= und Lernperiode im erfüllten 25. Jahre= 27,550 M. 23 J.

Die Methode, vermittelst deren unser Gewährsmann zu obigen Ergebnissen gelangt ist, läßt sich natürlicher Weise auch auf die schönere Hälfte des menschlichen Geschlechtes anwenden und es bedarf nur einer geringen Abweichung in der Handhabung des zur Berech­nung des Kostenwerthes des Mannes benutzten Schemas, um auf die an die Spitze dieses Artikels gestellte Frage eine wahrscheinlich genug erscheinende Antwort zu er­halten. Die körperliche, geistige und sittliche Erziehung, welche die Angehörigen resp. Staat und Gesellschaft den Mädchen angedeihen lassen, verzehren und ver­schleißen in derselben Weise Kapitalien, wie die Vor­bereitung der Knaben für das Leben; auch macht jene dreifache Pflege des Mädchens vom ersten Augenblicke seines Daseins an eine ununterbrochene Kette persön­licher Dienste, also mehr oder minder erhebliche Ar­beitslöhne erforderlich. Man fieht: für die Berechnung des gesammten direkten Aufwands für Unterhalt, Er­ziehung und Bildung ergeben sich hinsichtlich der Frau dieselben Anschreibungsposten wie für die Berechnung des Kostenwerthes des Mannes.

Ein nicht unwesentlicher Unterschied stellt sich in­dessen für beide Berechnungen heraus, sobald man das Bildungsziel ins Auge faßt. In dieser Hinsicht be­merkt Dr. Engel sehr richtig, daß dem Mädchen nur die Erfüllung der allgemeinen Volksschulpflicht obliegt und nur in einzelnen Fällen von Frauenbeschäftigung der obligatorische Nachweis einer etwas höheren Bil­dung verlangt wird. Im Uebrigen darf auch nicht außer Acht gelassen werden, daß für das Ende der Jugend= und Lernperiode und den Anfang wirthschaft­licher Selbständigkeit der Mädchen und Jungfrauen

Erika.

Novelle von Hermine Schiebel.

(29. Fortsetzung.)

Werden blieb, nachdem er Feuer gegeben, mit der Hand die Augen beschattend, stehen; jener Abend, wo der Förster lautlos an seiner Seite zusammengebrochen, trat wieder vor seine Seele, und mit derselben Waffe, die für den alten Mann so verhängnißvoll geworden, hatte er ihn niedergeschossen, ihn, der alle diese entsetzlichen Stunden heraufbeschworen. Der Oberförster ließ lang­sam die Hand sinken und näherte sich Walther; dieser hatte sich halb erhoben, auf den einen Arm gestützt lag er da, während der andere Arm neben ihm an der Erde ruhte: düster blickte er dem Oberförster entgegen, die bleichen Lippen zuckten nervös, während eine glühende Röthe einen Moment sein Gesicht überflog.

Das war gut getroffen, sagte er finster,Sie haben Wort gehalten und mich nicht getödtet. Das Zuchthaus wird sich freuen, einen seiner verdienstvollsten Söhne in seinen Schooß aufnehmen zu können.

n Sie hätten dasselbe wenigstens mit heilem Körper betreten sollen, gab Werden ruhig zurück,mich trifft also kein Vorwurf, wenn Sie den Rest Ihres Lebens ein Krüppel bleiben, ich habe Sie rechtzeitig gewarnt.

Walther entgegnete nichts, die Hand, die er auf die Erde gestützt, legte sich Minuten lang fest auf die Stirn.

Und was soll nun werden? fragte er dumpf.

Ich werde von der Oberförsterei Leute herbeiholen, die Sie nach der Stadt schaffenn, war die Antwort.

Wirklich? gab Walther höhnisch zurück, glauben Sie, ich würde mir erwiesene Wohlthaten ruhig an­nehmen, ohne einen Gegendienst zu leisten? Nein, mein Herr Oberförster, meinetwegen sollen Sie sich nicht bemühen. Sie müssen bei mir bleiben, um mir in

auch nicht so feste Zeitgrenzen gesetzt sind, wie für die männliche Jugend. Immerhin erscheint es im Zu­sammenhang mit der Berechnung des Kostenwerthes der Letzteren nicht unberechtigt, in Bezug auf das Bildungs­ziel für Mädchen nur die untere und mittlere Stufe des Kostenwerth=Schemas für Männer ins Auge zu fassen und nach dem Vorschlage unseres Gewährs­mannes die Fertigkeitsfrist für Mädchen von gewöhn­licher Volksschulbildung mit dem vollendeten 15. Jahre und für Mädchen mit höherer(Töchterschul=) Bildung mit dem vollendeten 20. Jahre anzunehmen.

In Bezug auf die Bemessung des Kostenwerthes bei der Geburt behandelt unser Autor Knaben und Mädchen auf einem Fuße und nimmt für die untere Bildungsstufe 100, für die obere 200 an; auch sichtlich des Verhältnisses, in welchem die Jahreskosten mit den Jahren wachsen, macht er keinen Unterschied zwischen Knaben und Mädchen, indem er für Mädchen von gewöhnlicher Bildung die Jahreskoften stetig um 10, für Mädchen höherer Bildung um 20 wachsen läßt. Und nicht mit Unrecht! Wer Söhne und Töchter er­zogen hat, der weiß, daß die Bedürfnisse Beider in der Jugendzeit so ziemlich dieselben sind. Im Appetit zum Verzehr von Nahrungs= und Genußmitteln und auch im Verschleiß von Kleidung und anderen Gebrauchsgegen­ständen geben die jungen Damen ihren Herren Brüdern gewöhnlich nichts nach. Zur Berechnung des Kosten­werthes der Frau, soweit der direkte Aufwand, d. h. der Kapitalverbrauch, der Kapitalverschleiß und die Ar­beitslöhne in Betracht kommen, könnte man sich deshalb der zwei ersten Kolumnen der Kostenwerth=Tabelle für Männer(ohne Berücksichtigung der Kapitalleihgebühr und des Kapitalrisikos) bedienen; wir erhalten demnach den Jahreskostenwerth einer Frau von der unteren Bildungsstufe beispielsweise im 15. Lebensjahre zu 250, den Jahreskostenwerth einer Jungfrau von höherer Bildung im 20. Lebensjahre zu 600 und den Lebens­kostenwerth bis zu diesen ihren bezüglichen Fertigkeits­fristen durch Summirung der einzelnen Fertigkeitsposten für erstere mit 2800, für letztere mit 8400.

Dies sind indessen nur die Individualkosten, der direkte Aufwand, wie er durchschnittlich für jedes ein­zelne Erziehungsprodukt gemacht wird, bis das ent­sprechende Bildungsziel erreicht ist. Für die Belastung des Nationalwohlstandes mit den Kostenwerthen der Bevölkerung müssen auch die beiden anderen Posten des grundlegenden Schemas, das Kapitalrisiko und die Kapitalleihgebühr, zugeschlagen werden. Das Rifiko,

daß ein großer Theil der Erziehungsprodukte ganz oder theilweise mißlinge, also ein gewisser Prozentsatz des Anlagekapitals ertraglos verloren gehe, ist hinsichtlich der Mädchen nicht minder vorhanden, wie bei der körperlichen, geistigen und sittlichen Erziehung der Knaben; desgleichen wird man auch nicht bestreiten können, daß dort wie hier die Zinsen des Anlage­kapitals mit in das Erziehungsprodukt übergehen, daß es also eine wenig kaufmännische Buchführung sein würde, wollte man von der Berechnung einer Kapital­leihgebühr absehen. Immerhin ist in letzterer Be­ziehung eine Einschränkung zu machen, indem berück­sichtigt werden muß, daß die Mädchen im Allgemeinen früher als die Knaben anfangen, eine kleine, wenn auch unscheinbare Rente abzuwerfen, indem sie sich im Haus­halt nützlich machen.

Unter Hinzufügung des auch bei der Kostenwerth= berechnung für Mädchen mit den Jahren abnehmenden Sterblichkeitszuschlags(Kapitalrisiko) und einer 4proz. Kapitalleihgebühr bis zum 10. Lebensjahre vermehren sich also die oben gewonnenen Zahlen um ein Beträcht­liches; wir erhalten, indem wir zugleich jene Summen mit dem nach Dr. Engels gesammelten Haushaltungs­buchungen berechtigten Markzeichen versehen, den Kosten­werth eines Mädchens von gewöhnlicher Volksschul­bildung bei Vollendung ihrer Vorbereitung für das Leben im erfüllten 15. Jahre zu 3563 K 19 3, den einer Jungfrau von höherer Bildung im erfüllten 20. Jahre zu 10,655 K 30

Preußischer Landtag.

Abgeordnetenhaus. Sitzung vom 10. Januar.

Präsident v. Köller eröffnet die Sitzung um 12¼ Uhr. Am Ministertische: Minister Dr. Lucius und mehrere Kommissarien. Der Bericht über die Verwendung des Erlöses aus mehreren Berliner Stadtbahn=Parzellen wird durch Kenntnißnahme für erledigt erachtet. Die Nachweisung über die Verwendung des Eisenbahn=Dis­positionsfonds pro 1882/83 von 900,000 A wird der Budgetkommission zugewiesen. Es folgt die erste Be­rathung der Landgüterordnung für die Provinz Schlesien. Abg. Scholz(Centr.) ist gegen die Vorlage, die nicht die Hoffnungen erfüllen könne, die man daran knüpfe. Die Absicht der Vorlage, die Zersplitterung des Grundbesitzes zu hindern, sei an sich zu billigen, werde durch die Vorlage aber nicht erreicht. Er bittet die Vorlage einer Kommission zu überweisen. Abg. von Heydebrand(Kons.) glaubt, daß eigentlich dem Bauern­

dieser schauerlichen Waldeinsamkeit Gesellschaft zu leisten.

Werden, der sich bereits einige Schritte entfernt, wandte sich bei diesen drohenden Worten dem Verbrecher wieder zu. In demselben Moment aber erhob dieser den Arm, der bis jetzt an der Erde gelegen, ein Schuß krachte, und lautlos brech der Oberförster, durch die Brust getroffen, todt zusammen.

Walther ließ den Oberkörper wieder finken, mit geschlossenen Augen lag er da, leise klagend strich der Abendwind durch die kahlen Bäume und leise, wie halb im Traum, klang die Stimme des Käuzchens zu ihm herüber.

So lagen sie Beide friedlich neben einander, so still, so ruhig, als hätte nie eine Leidenschaft ihr Herz durch­tobt; der bleiche Mond mochte wohl glauben, daß sie Beide gestorben, denn sein mildes Licht ruhte gleich voll und klar auf den starren Zügen des Todten und seines Mörders.

Erst als der Morgen im Osten graute, fanden Patrouillen des inzwischen aufgebotenen Militärs den ermordeten Oberförster, Walther neben ihm im heftigen Wundfieber. Die Majestät des Todes, doppelt schaurig und Ehrfurcht gebietend in dem großen weiten Walde, ließ die Empörung gegen den Mörder nicht zum Aus­bruch kommen; schweigend hoben die Soldaten den schwer Aechzenden auf die gekreuzten Gewehre und trugen ihn bis zum Waldessaum, von wo er auf einem requirirten Wagen nach der Stadt in das Gefängniß zurücktransportirt wurde.

Bald darauf bewegte sich ein zweiter Zug durch den Forst; die von dem Führer des Kommandos be­nachrichtigten Forstgehülfen trugen die Leiche ihres Vor­gesetzten auf einer aus Zweigen improvisirten Bahre nach der Oberförsterei.

Siegend stieg wieder die Sonne am Himmel empor,

die Nebel zerflossen vor ihrem Strahl, und ihr heißer Strahl sog die Blutstropfen an jener Waldstelle auf, klagend strich der Morgenwind durch die erstarrten Bäume.

*

*

Es war Frühling geworden, Sonnenglanz und Sonnengold lagen wieder auf der Marienthaler Auhöhe, Sonnenstrahlen huschten wie einst über die schlanke Gestalt Erikas, über ihr stilles, bleiches Gesicht, über ihr langes, prächtiges Haar.

Zum ersten Male seit jenem verhängnißvollen Tage war sie hierher zurückgekehrt, wieder lag das Skizzen­buch auf ihren Knien, aber sie arbeitete nicht, den Kopf in die Hand gestützt, blickte sie träumend in die stille Gegend hinaus.

Ja, es war Frühling geworden, Baum und Strauch waren aus dem langen Winterschlafe erwacht, mit frischen, krystallhellen Thauperlen hatten sie den Schlaf aus den Augen gewischt, halb neugierig, halb schüchtern blickten kleine Waldblumen zu dem blauen, wolkenlosen Himmel auf, und der Bach rauschte in schnelleren Wo­gen dahin, als wollte er mit dem Lied der Vögel Takt halten, das laut und schmetternd den weiten Wald durchschallte, wie eine Jubelouverture zu einem großen, gewaltigen Fest.

Ja, es war Frühling geworden, nur in dem eigenen Herzen nicht, duftende Blumen waren auch ihr erblüht, aber sie hatten leise, wie von tiefem Traum umfangen, auf frischen Gräbern genickt; dazu klagte aus der Ferne die Nachtigall, als wolle sie den stillen Schläfern da unten in der Erde ein Schlummerlied singen, das als süßer, seliger Traum noch ein Mal das todte Herz durchzieht.

(Schluß folgt.)