„Die Lippische Landes Zeitungn erscheint mit Ausnahme der Sonn= und Festtage täglich und werden in derselben die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsblattes für dus Füenenthum Lippe in besonderer Rubrik veröffentlicht.
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Verantwortlicher Redacteur August Klingenberg. Druck und Verlag der Meyer'schen Hofbuchdruckerei(Gebr. Klingenberg) in Detmold.
J6 140.
Montag, 18. Juni.
1885.
Deutsches Reich.
* Berlin, 16. Juni.(Die kirchenpolitische Kommission) berieth heute die Vorlage in zweiter Lesung. Zum Art. 1 beantragen die Konservativen, übereinstimmend mit ihrem in erster Lesung gestellten und damals von der Kommission abgelehnten Antrage, die Nr. 2 folgendermaßen zu fassen:„2) für die Anordnung einer Hülfsleiftung oder einer Stellvertretung in einem geistlichen Amte, sofern letztere nicht in der Bestellung als Verweser eines Pfarramts(Administrators, Provisors u. s..) besteht.“ Art, 2 würde dann fortfallen. Der konser
vative Antrag wird mit 12 Stimmen(Konservative und Centrum) gegen 9, der so abgeäuderte Art. 1 mit 16 gegen 5 Stimmen angenommen. Art. 2 ist hierdurch beseitigt. Die Diskussion über Art. 3 wird mit der über Art. 4, dessen Wiederherstellung die Freikonservativen als conditio sine qua non ihrer Zustimmung zu dem Gesetze beantragen, verbunden. Abg. v. Zedlitz begründet den Antrag auf Wiederherstellung, Abg. v. Cuny erklärt sich für, Abg. Windthorst gegen den Art. 4. Abg. Dr. Meyer=Breslau erklärt sich bereit, für jeden einzelnen Artikel der Regierungsvorlage zu stimmen; aber die Abänderungen seitens der Kommission machten sie ihm unannehmbar; denn durch diese Abänderungen würde ausgedrückt, daß Konservative und Klerikale im Bunde die Staatsregierung weiter drängen wollten. Abg. Graf Limburg=Stirum erwidert, das Centrum könne nicht, ohne den Entschließungen der Kirche zu präjndiziren, für Art. 4 stimmen; dadurch seien die Konservativen gezwungen, diesen Art. 4 fallen zu lassen, um überhaupt eine Mehrheit für das Gesetz zu erlangen. Abg. v. Cuny hebt hervor, daß auf diesem Wege die Mehrheit dahin komme, daß sie die staatliche Gesetzgebung von der Zustimmung der Kurie abhängig mache. Die Abgg. v. Rauchhaupt und Graf Limburg=Stirum erwidern, daß sie bloß mit den Thatsachen zu rechnen hätten, daß sie das Gesetz nur unter Mitwirkung des Centrums zu Stande bringen könnten und daß für das Centrum der angegebene Gesichtspunkt thatsächlich maßgebend sei. Artikel 3 wird mit einem vom Abg. v. Rauchhaupt beantragten Zusatz angenommen, Art. 4 gegen 7 Stimmen gestrichen. Art 5 wird angenommen; ebenso Art. 5a und Art. 6. Abg.
Dr. Windthorst erklärt, daß das Centrum zur Zeit für das Gesetz stimme, daß er sich jedoch seine definitive Entscheidung bis zur Schlußabstimmung im Plenum vorbehalte. Demnächst wird der ganze Gesetzentwurf in der von der Kommission beschlossenen Fassung mit 10 gegen 8 Stimmen angenommen. Dafür stimmen die Konservativen, das Centrum und der fortschrittliche Abg. Zelle; dagegen die Nationalliberalen, die Freikonservativen, der sezessionistische Abgeordnete Dr. MeyerBreslau und der Abg. Büchtemann. Mit der schriftlichen Berichterstattung wird der konservative Abg. Dr. Andree beauftragt. Die Vertheilung des Berichts wird voraussichtlich am nächsten Mittwoch, die zweite Lesung im Plenum am nächsten Freitag stattfinden.
*—(Neue Eisenbahnverstaatlichungsprojekte.) Der„Reichsanzeiger theilt die Anerbietungen der Staatsregierung an mehrere Privatbahnen behufs weiterer Durchführung des Staatsbahnsystems mit. Danach sind geboten: Der Oberschlesischen Eisenbahn für die Stammaktien aller Kategorieen eine feste Jahresrente von 10½ Proz. und eine baare Zuzahlung von 15 M. pro Aktie. Der Altona=Kieler Eisenbahn eine feste Jahresrente von 9 1/8 Proz und eine baare Zuzahlung von 13½ A pro Aktie. Der Breslau=Schweidnitz=Freiburger Eisenbahn eine feste Jahresrente von 4½ Proz. und eine baare Zuzahlung von 30 K pro Aktie. Der Rechten Oderuferbahn für die Stamm= und Prioritätsstammaktien eine feste Jahresrente von 7 2/5 Proz. und eine baare Zuzahlung von 30 M pro Aktie. Den Aktionären der Posen=Kreuzburger Eisenbahn sind für je drei Stammaktien Staatsschuldverschreibungen im Rennwerthe von 300 M vom 1. Juli 1884 an verzinslich angeboten, für eine Prioritätsstammaktie à 600 M Staatsschuldverschreibungen im Nennwerth von 600 K von Neujahr 1884 an verzinslich. Die Annahme der Offerten muß bis 15. Oktober erfolgen. Eine Erhöhung der Offerten wird als ausgeschlossen bezeichnet.
*—(Mittelparteien in der Auflösung.) Die„Köln. Ztg.“ schreibt: Unsere Ultras von rechts und links sind darin einig, in dem Rückzuge des Herrn von Bennigsen aus seiner parlamentarischen Wirksamkeit ein Zeichen zu erblicken, daß unsere„Mittelparteien in der Auflösung begriffen; seien. Das könnte einigen Schein für sich haben, wenn wir bloß auf das Frak
tionswesen der Parlamente sehen. In der Wirklichkeit brauchen wir nicht besorgt zu sein, daß die freisinnige, aber gemäßigte Partei, die der Verfassung treu ergeben ist und so wenig von feudalem und agrarischem Egoismus etwas wissen will, als von Radikalismus und Sozialdemoktratie, in Preußen und Deutschland aussterben oder ihre Bedeutung verlieren könnte. Das Bündniß der Konservativen mit den Ultramontanen, welches uns jetzt regiert, ist zu unnatürlich, als daß es sich lange behaupten könnte, und ein Umschwung kann unversehens auch durch äußere Umstände herbeigeführt werden; dann werden Männer wie Bennigsen wieder im Preise steigen.
*—(Hofprediger Rogge und seine Gegner.) Soeben ist als Separatabdruck aus der„Predigt der Gegenwart" die ausgezeichnete Rede erschienen, welche der Hof= und Garnisonprediger Bernhard Rogge, der Schwager des Feldmarschalls Grafen Roon, am Himmelfahrtstage am Sarge des entschlafenen SchulzeDelitzsch zur Tröstung und Erbauung aller anwesenden Leidtragenden gehalten hat. Man erinnert sich, daß die orthodoxen Blätter und zwar nicht allein diejenigen kirchlichen, sondern auch diejenigen politischen Charakters, über den Redner herfielen, weil er gewagt hatte, von dem vor ihm aufgebahrten Todten zu sagen:„Mögen den Entschlafenen auch manche Vorurtheile der Kirche und ihrem Bekenntnisse, ihren Gottesdiensten und Guadenmitteln ferngehalten haben, wir sind doch gewiß, dem Christenthum und dem Reiche Gottes ist er darum nicht fern geblieben.“ Solche echt chriftliche Duldsamkeit gefällt nun einmal nicht der„Kreuzztg.“ und dem„Reichsboten“ und nicht den hyperchristlichen Amtsbrüdern des Herrn Rogge, die hinter diesen Blättern stehen. Es ist begreiflich, daß Herr Rogge dem jetzt erschienenen Separatabdruck seiner Rede ein Vorwort vorausgeschickt hat, aus dem Einiges der Erwähnung nicht unwerth ist. Er sagt, er habe sich zu der Publikation um so eher entschlossen, als seine Rede zu mancherlei Mißdeutungen Veranlassung gegeben habe. Man habe ihm einen mit dem positiven christlichen Bekenntnisse unvereinbaren „ Latitudinarismus“ vorgeworfen und(was beinahe unglaublich klingt) er sei„mit einer ganzen Reihe theilweise anonymer Zuschriften voll der gemeinsten Schmähungen beehrt worden:. Der„Reichsbote; kann in der That auf sein Publikum stolz sein! Die Veranstaltung eines
er:„Meinst Du, daß er es wagt, mir im Walde allein gegenüber zu treten? Er steht schwer in meiner Schuld, wie ein wildes Thier hat er mich in seinem Hause
einst von dem Pfaffen überfallen lassen und mich gejagt—“
„Franz, Franz, mäßige Dichlu fiel Röschen ein.
Und bei Zeiten eingedenk, daß er seine rachsüchtigen Gedanken verbergen mußte, wenn er der Eidam des Tannenhof=Bauern werden wollte, fuhr Jener fort: „Du hast Recht, mich überkam der Zorn,— verzeih! Doch ein Wort zur Vertheidigung gegen den Verläumder hätte er mir gönnen sollen. Aber was rede ich von mir? An Dir, Rösle, hat er mehr verbrochen, Dich hat er bethören lassen, Dich gezwungen, dem Sohn der Wittwe die Hand zu reichen,— und Du haft es gethan! Du, vor Zeiten mir feierlich verlobt, wurdest das Weib Friders und vergaßest mich!“
Er hatte es mit schmerzlichem Ton gesprochen und so berückend, wie je, drang des Heuchlers Stimme an Röschens Ohr. Ihr besseres Selbst warnte sie vor ihm, und doch flüsterte sie leise:„Du thust mir Unrecht, Franz, ich vergaß Dich nie! Wärest Du mir nahe geblieben, hättest Du mir nur ein einziges Zeichen gegeben! Aber Du hattest den Muth verloren, Dir fehlte die Kraft, Dich vom Fall zu erheben, Du kamst nicht und ich harrte Deiner umsonst. Zu tief war ich getroffen, da drangen sie wir den Frider auf und ich—“
„Nicht weiter, Rösle, nicht weiter!" Er umschlang sie, ehe sie sich dessen versah, bedeckte mit leidenschaftlichen Küssen ihre bleichen Wangen und suchte sie mit den alten Schmeichellauten zu rühren und seinen Lockungen geneigt zu machen. Er sprach vom Lösen des verhaßten Ehebundes, von Aussöhnung mit ihrem Bater und von neuem Glück; wohl widerstand sie mit Worten, doch er glaubte heraus zu hören, daß es ihr nicht ernst war und daß sie sich ihm früher oder später doch ergeben werde und müsse. Mochte sie deshalb zum Aufbruch mahnen, er hielt sie nicht, den er wußte, daß sie wiederkommen werde.(Fortsetzung folgt.)
Durch Leid geläutert.
Ein Schwarzwald=Idyll von S. v.
(18. Fortsetzung.)
Doch jeder Schmerz schließt das Maaß des Erträglichen in sich; was darüber hinausgeht, zerschmettert sein sterbliches Gefäß, oder berührt es nicht mehr. Auch Frider gewann aus sich selbst die Kraft, diesen neuen Schlag wie ein Mann zu verwinden. Er hoffte jetzt nichts mehr von seinem Weibe,— nur auf das Kind noch blickte er; nicht immer konnte es ihm vorenthalten bleiben, einst sollte es erfahren, wer sein Vater sei, das hatte ihm der alte Bauer feierlich gelobt und auf sein Wort baute Frider.
Langsam erholte sich Röschen, aber scheu, wie zuvor, mied sie die Begegnung der Menschen. Nur Abends,
wenn es dämmerte, suchte sie erst im Garten, dann in Flur und Hain, Erquickung und Einsamkeit. Manchmal nahm sie ihren Kleinen auf den Armen mit, häufiger ließ sie ihn unter der Obhut der Ihren zu Hause, niemals duldete sie, daß Jemand sie begleite. Zwar wollte ihr der Vater dies anfänglich nicht erlauben; aber das aufgeregte Gemüth seiner Tochter und die Schonung, deren Nothwendigkeit Frau Babette alle Tage predigte, zwangen ihn am Ende, ihr, wider bessere Einsicht, den Willen zu lassen. Die Dorfbewohner erfuhren bald das seltsame Benehmen Röschens; zuerst lockte sie die Neugier, später gingen ihr Alle schon von fern aus dem Wege, die Einen aus Mitleid, die Anderen, indem sie ihren Hochmuth schalten.
Den alten Kunzelmann aber nahm schwerere Sorge in Anspruch. Sein Enkelkind wollte nicht gedeihen, wie es sollte, es sog mit der Muttermilch keine Lebenskraft ein, blieb schwächlich und keine Pflege wollte anschlagen, kein Mittel verfangen. Die klügsten Frauen des Dorfes wurden zu Rath gezogen, zuletzt auch ein Arzt; aber auch er hatte nur ein bedenkliches Kopfschütteln und bedauerndes Achselzucken. Um seinen guten Willen zu
beweisen, verschrieb er eine harmlose Arznei, im Stillen überzeugt, daß hier keine ärztliche Kunst zu helfen vermöge. Der jungen Mutter sagte man nichts, war es doch, als hätte Röschen kein Auge für das langsame Hinsiechen ihres Kindes.
Dann kam ein Abend, da ging sie, einsam wie immer, vom Elternhause durch den Garten über den Bach an den Waldessaum. Sie, die von ihrer frühesten Jugend an mit Weg und Steg vertraut war, kannte den Forst standenweit und fühlte sich darin heimisch, viel heimischer als in den Mauern des Tannenhofes, die ihr schmerzumnachtetes Gemüth nur noch mehr bedrückten. Sie ging tiefer in den Wald und setzte sich auf eine Bank in einer Lichtung; das Haupt an den Stamm der Eiche gelehnt, um welche die Bank gezimmert war, saß sie stumm und leblos. Dachte sie an vergangene Zeiten, dachte sie an ihr Kind,— an Frider,— an Franz?— Hinter ihr rauschte es im Dickicht, es mochte ein Reh oder ein Eichkätzchen sein, — doch nein! Es kamen Schritte näher, schleichend und behutsam, sie hörte ihren Namen flüstern, scheu fuhr sie zusammen,— da stand Franz selber vor ihr.
„Eadlich“,— rief er,— nendlich seh ich Dich wieder, Rösle! Seit Wochen und Monden schleich ich um Euer Haus, Alles hab ich von mir geworfen, um Dir nahe zu sein, um Dir zu sagen—“
Sie war von der Bank aufgesprungen, Franz aber trat ihr in den Weg und sich selbst unterbrechend fuhr er fort:„Bleib, Rösle, bleib! Nicht zum zweitenmal willst Du mich fliehen, nicht zum zweitenmal sollen sie Dich mir rauben.“
Erbebend hörte Röschen seine Worte; sie wollte entweichen, aber ihr Fuß haftete am Boden wie festgebannt, der Gleißnerische hatte noch einen Theil seiner alten Macht über sie. Nur noch halb widerstrebend, ließ sie sich von ihm auf die Bank niederziehen und stieß, jäh erröthend, die Worte aus:„Franz, woher kommst Du,— wenn mein Vater Dich hier fände—!“
Doch Jener ballte drohend die Faust, höhnisch rief