Die„Lippische Landes=Zeitung
erscheint mit Ausnahme der Sonn= und Festtage täglich und werden derselben die amtlichen Bekanntmachungen des Amtsblattes für das Fürstenthum Lippe unentgeltlich als Extrabeilage beigegeben.
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Detmold, Leopoldstraße Nr. 117.
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6 181.
99.
Dienstag, 6. August.
1878.
Deutsches Reich.
Teplitz, 3. August. Die Großherzogin und die Prinzessin Victoria von Baden nahmen nebst dem Gefolge des Kaisers heute früh 9 Uhr an der auf der Königshöhe zum Gedächtniß des Geburtstages des hochseligen Königs Friedrich Wilhelm III. veranstalteten Feier Theil. Das Monument war mit Blumen und preußischen Fahnen auf das Reichste geschmückt. Die Großherzogin sprach dem Bürgermeister, dem Pastor und dem Gesangvereine ihren Dank für die Abhaltung der Feier aus, welcher Vertreter der Regierung, des Stadtrathes, der Schützen und die Mannschaften aus den preußischen und sächsischen Militär=Badehäusern, sowie eine sehr große Anzahl von Curgästen beiwohnten. Das Befinden des Kaiser Wilhelm ist auch heute ein vollkommen zufriedenstellendes.
— 3. Aug. Der König von Sachsen
ist heute Nachmittag um 1 Uhr hier angekommen. Er besuchte sofort den Kaiser und speiste später bei ihm. Um 6 Uhr ist er wieder abgereist. Das Herrenhausbad ist auf Wunsch des Kaisers dem Publicum wieder
Seonne, der Curliste ist Folgendes veröffentlicht worden: Se. Majestät der Kaiser und König haben in Erfahrung gebracht, daß Viele, welche im Herrenhause hierselbst Wohnung hatten, ihre Zimmer mit großer Bereitwilligkeit geräumt hatten, um die Logirung Sr. Majestät derart zu ermöglichen, daß auch Allerhöchstdessen Frau Tochter und Enkelin in der unmittelbaren Nähe Sr. Majestät Unterkunft finden können. Für diese Rücksichtnahme lassen Se. Majestät den Betheiligten Allerhöchst Ihre Anerkennung und Ihren Dank aussprechen und haben mich zu beauftragen geruht, den Betreffenden dies zu erkennen zu geben. Teplitz, den 2. August 1878. Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs: Graf Perponcher.—
Geschenk der Kaiserin. Die aus Moselweiß im Regierungsbezirk Koblenz,(es ist das erste Dorf die Mosel stromauf, auf dem rechten Ufer,) ausgewiesenen Salesianerinnen, welche im Schlosse zu Choteschau in Böhmen eine neue Stätte gefunden und ein Pensionat errichtet haben, wurden vor einigen Tagen freudigst überrascht, indem sie von der Kaiserin Augusta einen werthvollen Weihwasserkessel als Andenken übersendet erhielten.—
— Das von dem letzten Reichstag mit beschlossene Gesetz über die Gewährung einer Ehrenzulage
au die Inhaber des Eisernen Kreuzes, das beiläufig das letzte Actenstück war, welches der Kaiser am 2. Juni, am Tage des letzten Attentats, vollzogen hat, ist bereits in voller Ausführung begriffen. Die Inhaber des Ordens, welche das Gesetz zum Empfange der Ehrenzulage berechtigt, haben, so weit sie active Militärs sind, auf dem militärischen Dienstwege, alle übrigen durch Vermittlung ihrer Landwehrbezirkscomandos ihre Besitzzeugnisse unter Namhaftmachung der Casse, aus welcher sie die Zulage zu erheben wünschen, den Generalcomandos ihrer Corpsbezirke einzureichen.—
— Der Reichsanzeiger veröffentlicht die Ergebnisse des Abschlusses der Reichshauptkassenbücher für das Etatsjahr 1877/78. Danach bleiben, trotz mehrerer nothwendig gewesener beträchtlicher Etatsüberschreitungen, die aus den ordentlichen Reichseinnahmen zu deckenden Ausgaben um 485 351 M. hinter den Etatssätzen zurück. Unter den Reichseinnahmen sind Zölle und Verbrauchssteuern um 15 654 008, Wechselstempelsteuer um 462932., Ueberschuß der Post= und Telegraphenverwaltung um 1 693 395., Ueberschuß der Reichseisenbahnen um 106 447 M. hinter dem Etatsanschlage zurückgeblieben. Die Ausfälle beziffern sich zusammen auf 17916 782., welcher Summe die Mehrerträge an anderen Etatscapiteln mit zusammen 6371 283 M. und die oben erwähnten Ausgabe=Ersparnisse von 485 351 M. gegenüberstehen. Zur Deckung des verbleibenden Defizits von 11 060 147 M. ist aus den Ersparnissen an den von Frankreich für die Occupationstruppen gezahlten Verpflegungsgeldern ein gleicher Betrag für 1877/78 in Einnahme gestellt.—
— Nachdem unter dem Vorsitze des königlichen Ober=Berghauptmanns und Direktors der BergwerksAbtheilung im preußischen Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten Dr. Serlo, die aus den Mitgliedern, Geh. Commerzienrath Stumm aus Neunkirchen bei Saarbrücken, Consul H. H. Meyer
aus Bremen, königlichen baierischen Staatsrath v. Schlör und kaiserlichen Geh. Ober=Regierungsrath Huber, sowie dem unter Genehmigung des Reichskanzlers als geschäftsführendes Mitglied zugezogenen königlich preußischen Geh. Bergrath Dr. Wed ding bestehende Commission zur Untersuchung der Lage der deutschen Eisenindustrie am 8. und 9. Juli zusammengetreten war und den Gang der Geschäfte im Allgemeinen geregelt hatte, sind nunmehr die Entwürfe für die Fragebogen, welche den als Sachver
ständigen zu hörenden Eisenindustriellen vorgelegt werden
sollen, ausgearbeitet und mit einer Liste, aus welcher die Wahl dieser Sachverständigen erfolgen wird, an die einzelnen Mitglieder der Enquete=Commission zu eingehender Prüfung versendet worden. Die erforderlichen statistischen Uebersichten, welche den Sachverständigen ebenfalls zur Begutachtung vorgelegt werden sollen, werden gegenwärtig in der Abtheilung für Berg=, Hütten= und Salinenwesen des preußischen Handelsministeriums bearbeitet, um bei dem nächsten Zusammentritt der Commission, welcher mit der Eröffnung des Reichstags zusammenfallen dürfte, als Grundlage für weitere Berathungen dienen zu können.
— Die Zahl der bei den preuß. Gerichten beschäftigten Referendarien hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Während Ende 1873 die Zahl derselben 1685 und Ende 1874 ebensoviel betrug, war sie im Juli 1875 auf 1983, im Juli 1876 auf 2326 und im Juli 1877 auf 2709 Referendarien gestiegen.— Zur Prüfung als Gerichts=Assessoren sind im Jahre 1877 im Ganzen 403 Referendarien präsentirt worden, während deren Zahl im Jahre 1874 nur 272, im Jahre 1875 nur 269 und im Jahre 1876 wiederum 396 betragen hatte. Einschließlich der aus den Jahren 1874 bis 1876 im Bestand gebliebenen Assessor=Candidaten, deren es 176 gab, waren im Jahre 1877 im Ganzen zu prüfen 579, von denen 321 die Prüfung bestanden, 36 nicht bestanden haben und 217 im Bestande verblieben sind.— Die meisten Candidaten sind präsentirt worden vom Bezirk Breslau, nämlich 97, während Berlin nur 78, Köln 64, Naumburg 40, Königsberg 39, Celle 36, Frankfurt a. O. 24, Münster 21, Paderborn 19, Posen und Halberstadt je 16 gestellt haben.—
Bezüglich der Hebung des„Großen Kurfürsten“, schreibt man der„Weser Zeitung":„Die Nachricht der„Post“, daß die Admiralität bereits die zur Hebung des„Großen Kurfürsten“ erforderlichen Ketten beschafft habe, muß auf einem Mißverständniß beruhen. Selbst in dem Falle, daß die Admiralität die Hebung des Schiffes überhaupt für möglich erachtete, würde sie dieselbe sicherlich nicht ohne Mitwirkung der in solchen Arbeiten geübten englischen Techniker unternehmen. Bis jetzt aber ist die Ansicht vorherrschend, daß die Hebung des kolossalen Schiffes unmöglich sei. An bezüglichen Vorschlägen und Anerbietungen ist freilich kein Mangel, die Zahl derselben soll sich auf etwa 500 belaufen; unter
14. Alma.
Novelle von Helene von Hülsen. Fortsetzung.
Niemals hatte ich mehr Mitgefühl, nie tieferes Verständniß für das Geschick meiner armen Tante Clarchen gehabt— und mitunter ertappte ich mich 9Jar auf dem Wunsche, allen Kämpfen der Gegenwart und wahrscheinlichen Prüfungen der Zukunft auf gleiche Weise wie sie entrinnen zu können.—
Es war ein feuchter, trüber Morgen. Ein heftiges Gewitter, welches uns die Nachtruhe gestört, schien das Wetter auf mehrere Tage verderben zu wollen, und mein Mann wünschte uns Glück dazu, die Fahrt auf die Schneekoppe bereits im schönsten Sonnenschein gemacht zu haben.
„Es läßt sich heute selbstverständlich nichts unterslehmen, als in den Reunionssalon zu gehen, liebe Alma!“ sagte er nach einer Pause, in der ich mich vergeblich auf ein neues, seine kaufmännischen Interessen berührendes Gesprächsthema besonnen hatte.„Vielleicht Zeyst du immer im Voraus hinunter, indessen ich noch einen Besuch bei einem meiner Collegen abmache, der Lestern in einem andern Hotel eingetroffen sein soll!— Die Eisenbahnaktien der Keller=Gesellschaft sind, wie es in der heutigen Zeitung heißt, bedeutend gefallen, und cch kann nicht leugnen, daß ich sehr hart dadurch gecroffen werde. Vielleicht erfahre ich durch meinen Herrn Collegen etwas Tröstliches!"
" Ich erklärte mich einverstanden, indessen mein Mann sich erhob, Hut und Regenschirm ergriff und mich auf die Stirn küßte.
„Musizire ein wenig, liebe Frau!— Der Flügel im Reunionssaal steht offen, und mir scheint bei solchem Wetter nichts besser die Stunden zu kürzen— sagte
er freundlich und wandte sich nochmals auf der Thürschwelle.
„Gern“, entgegnete ich, angenehm von dieser Mittheilung berührt.„Uebrigens kannst du meiner Unterhaltung halber außer Sorge sein."—
Der Reunionssaal unseres Hotels lag im Erdgeschoß der auf die Straße führenden Vorderfront und war so hübsch und comfortabel eingerichtet, daß derselbe— wie ich gehört— einen sehr gesuchten Versammlungspunkt der Hotelbewohner und sonstigen Badekurgäste bildete. In der Mitte stand ein schöner großer Flügel, der so aufgestellt war, daß der Musizirende der Eingangsthüre den Rücken zukehrte. Ich fand den Saal trotz des noch immer strömenden Regens augenblicklich unbesucht und freute mich darüber. Obgleich ich nicht nur tiefe Neigung für Musik empfand, sondern auch große Uebung im Spiel besaß, hätte ich mich doch unter keiner Bedingung in meiner damaligen Stimmung vor einem fremden Ohre hören lassen mögen. So aber war es mir sehr wohlthuend, meine gepreßte Seele einmal wieder in Spiel und Gesang zu erleichtern und meinen Schmerz in Tönen auszuströmen. Ich begann mit Schuberts schöner Ballade... und ging dann zu einigen Mendelssohnschen Liedern über, die mir meine Mutter zum letzten Christfeste geschenkt, und die ich stets mit Vorliebe gesungen hatte. Bald aber fiel mir ein halb vergessenes Liedchen ein, dessen Text und tief ergreifende Composition in ganz besonderem Einklange zu meiner augenblicklichen Stimmung stand. Erst schüchtern, dann aber allmälig von Wort und Ton hingerissen, begann ich zu singen:
„Wenn ein Blick sich von uns wendet,
Welcher einst von Liebe sprach,
Wenn der gold'ne Traum geendet,
Und der Hoffnung Anker brach——
Alle Blüthen sich entfärben,
O, was bleibt dem Armen dann?—
Als vergessen oder sterben,
Wenn er nicht vergessen kann!"—
„Du auch hast mir einst gesendet,
Deiner Blicke süßen Glanz,
Und dich hart von mir gewendet,
Und zerrissen meinen Kranz,
Hold gelockt mich in's Verderben,
Treulos mich verlassen dann!—
Und jetzt sehn' ich mich zu sterben,
Weil ich nicht vergessen kann!“—
Ich hatte, mir selbst unbewußt, das ganze Weh, den ganzen Jammer meines tief verwundeten, innerlich zerrissenen Herzens in diese Strophen gelegt und fühlte, wie sich meine Augen feuchteten, als der letzte Nachhall dieses Schmerzensrufes einer mir vielleicht verwandten, oder von ähnlichem Geschick betroffenen Seele von meinen Lippen erstarb.— Eine lautlose Stille.— Dann drang ein Seufzer, der in seiner leidenschaftlichen Tiefe eher einem gewaltsam unterdrückten Aufschrei glich, an mein Ohr. Ich wandte erschreckt den Kopf und sah— ja, er war es wirklich!— Theodor Braunfels, an eine der Säulen nahe der Eingangsthür gelehnt, hinter mir stehen.— Schwindelnd— entsetzt— als hätte sich plötzlich ein Abgrund vor mir aufgethan, sprang ich empor und starrte den abermals so unerwartet vor mir erscheinenden Geliebten an, der mir fest und feierlich entgegen trat.
„Schön gesungen und so brillant vorgetragen, daß man sich zu dem Irrthum verleiten lassen könnte, diese Worte seien auch empfunden worden!“ sagte er kalt und verbeugte sich leicht.—(Fortsetzung folgt.)