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(Früher Sonntagspost)
Organ der liberalen Volks- und Fortschrittspartei in Lippe.
Erscheint wöchentlich zweimal, Mittwochs und Sonnabends mit Zugabe des„Illustrirt. Sonntagsblatt“ Kostet bei den Reichs= Postanstalten, in der Spedition und bei unsern Colporteuren Detmold, Lage u. Blomberg 1 M. 10 Pf.
Sie 30.
Lemgo,
Mittwoch, 5. Mai 1880.
Anzeigen werden mit 10 Pf. die 4gesp. Zeile berechnet Für das Blatt bestimmte Anzeigen werden außer in der Expedition in Lemgo auch von den bekannten Colporteuren in Detmold, Lage und Blomberg entgegengenommen.
Die beabsichtigte Trennung der Vorstadt St. Pauli von Hamburg.
Preußen stellte vor Kurzem, wie uns die Zeitungen berichteten, den Antrag beim Bundesrathe, derselbe wolle beschließen, daß Altona und ein Theil der freien Reichsstadt Hamburg, nämlich die Vorstadt St. Pauli, in den Zollverein einverleibt würde. Die Bewohner von St. Pauli und namentlich auch die der freien Reichsstadt Hamburg, denen die Unverletzlichkeit ihres Gebietes durch Artikel 34 der Reichsverfassung garantirt ist, waren erstaunt über diesen Eingriff in ihre Rechte, und der Hamburger Abgeordnete Wolfsson richtete am vorigen Sonnabend an die Reichsregierung die Frage, ob die Nachricht begründet sei, daß Preußen beim Bundesrath die Einverleibung von Altona und einem Theil der Hamburger Vorstadt St. Pauli in den Zollverein beantragt habe, ferner ob vor Einbringung des Antrags zwischen Preußen und Hamburg Verhandlungen geschwebt haben und mit welchem Erfolg, so wie endlich, ob der Antrag auch gegen den Widerspruch Hamburgs aufrechterhalten werden solle und wie er sich mit Art. 34 der Reichsverfassung in Einklang bringen lasse. Nachdem der Redner die in den letzten Tagen in der Presse bekanntgewordenen Vorgänge bezüglich dieses Antrags recapitulirt hat, meint er, die Reichsregierung werde nicht sich einer Antwort entziehen können, da, wenn der preußische Ministerpräsident beim Bundesrath einen Antrag einbringe, dann sicher der Reichskanzler schon zu demselben Stellung genommen haben werde. Von Altona als preußischer Stadt wolle er nicht reden, aber St. Pauli komme in Frage, und legitimire ihn als hamburgischen Abgeordneten zu der Interpellation. Die Kunde von der Intention Preußens habe in Hamburg das größte Aufsehen gemacht. Er erinnert an den Antrag auf Erhöhung des Aversums für Hamburg und die andauernde Agitation, Hamburg zum Eintritt in den Zollverein zu bestimmen. Nach der Erhöhung des Aversums dachte Hamburg doch nun endlich Ruhe für seinen Handel zu gewinnen, aber wo fand der Handel je in Deutschland Ruhe? Wie ein Blitz aus heiterm Himmel kam der Antrag Preußens. Die volkswirthschaftlichen Bedenken, welche dem Antrag Preußens angesichts der Stellung Hamburgs im Welthandel gegenüberstehen, wolle er nicht des weiteren discutiren, er betone die Rechtsfrage. Artikel 34 der Reichsverfassung lautet:„Die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem
dem Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebiets bleiben als Freihäfen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenzen, bis sie ihren Einschluß in dieselben beantragen.“ Redner deducirt historisch und aus dem Hamburger Stadtrecht, daß die Vorstadt St. Pauli ein Theil Hamburgs im staatsrechtlichen Sinne sei. Die Zusammengehörigkeit sei so untrennbar in mercantiler und jeder anderen Beziehung, daß, wenn Hamburg vom Zollverein ausgeschlossen bleiben darf, St. Pauli dann nicht eingeschlossen werden kann; dessen Einschluß mache die Exemtion Hamburgs illusorisch. Hamburg habe bisher geglaubt, in den Händen des Reichskanzlers seine berechtigten Interessen gut gewahrt zu sehen; um so tiefer sei man erschüttert gewesen, von dieser Seite eine Handlung geschehen zu sehen, die nicht den Charakter der Bundesfreundlichkeit trägt. Er bitte die Regierung um eine beruhigende Erklärung. Unter=Staatssekretär Scholz constatirt die Richtigkeit aller in der Interpellation angedeuteten thatsächlichen Angaben. Ueber diese Anerkennung hinaus weiteres zu sagen, müsse der Reichskanzler ablehnen. Die Geheimhaltung der Thatsachen sei von keiner Seite als nöthig hingestellt; aber wenn der Reichskanzler die von Preußen beantragte Maßregel nach der politischen oder taktischen Seite hin discutiren wollte, so würde damit die verfassungsmäßige Stellung nicht gewahrt, die der Bundesrath einnimmt, und leicht der Schein erweckt, als solle eine Pression auf die Berathungen des Bundesraths ausgeübt werden. Auf Antrag Rickerts wird eine Besprechung der Interpellation beliebt. Dr. Karsten führt aus, daß die Handelsinteressen Altonas durch das jetzige Verhältniß keineswegs in einem Grade beeinträchtigt seien, um seine Einschließung in den Zollverein vom Standpunkt materieller Interessen als eine Nothwendigkeit oder auch nur als eine Frage des Bedürfnisses erscheinen zu lassen. Die Stimmung der Altonaer Bürgerschaft sei gegen den Anschluß an den Zollverein. Es sei nicht angemessen gewesen, vor der Einbringung jenes Antrags nicht Hamburg zu hören. Es sei das sogar nach dem Verfassungsrechte bedenklich und erhoffe, daß noch in letzter Stunde die Regierungen es sich überlegen werden, ob sie wirklich den beantragten Schritt thun sollen, der viele und berechtigte Interessen verletze. Rickert bedauert die ablehnende Haltung, welche die Reichsregierung heute bekundet hat, und behält dem Reichstage das Recht vor, wenn das Verfahren des Bundesrathes mit dem preußischen Antrage der
Auffassung widerspricht, die der Reichstag mit Artikel 34 der Verfassung verbindet, dann weitere Maßregeln zu ergreifen. St. Pauli gehöre in jeder Richtung, namentlich staatsrechtlich, zu Hamburg, und es könne daher St. Pauli dem Zollgebiet nicht anders angeschlossen werden, als durch einen aus der Initiative Hamburgs hervorgegangenen Antrag. Die Regierung habe ja bei Festsetzung der höheren Aversa für Hamburg selbst die Zugehörigkeit St. Paulis zu Hamburg anerkannt, da bei Feststellung der Kopfzahl Hamburgs die Landbezirke nicht, wohl aber die Einwohner St. Paulis zu den Stadtbewohnern gerechnet seien. Redner empfiehlt nochmalige sorgfältige Erwägung. Frhr. von Minnigerode protestirt gegen die Idee, die der Interpellation zu Grunde liege. Eine solche Verhandlung entspreche weder der Stellung des Reichstags noch der des Bundesraths, und die Regierung habe heute die einzig zulässige und correcte Haltung eingenommen. Der Bundesrath wache über der Souveränetät der Einzelstaaten, und wie er das thue, das könne nicht in akademischen Erörterungen des Reichstags entschieden werden. Richter(Hagen) bedauert, daß statt einer Interpellation nicht ein Antrag vorliegt, um heute schon ein Votum des Reichstags extrahiren zu können. Er will gern die Hand bieten, um einen Antrag für die nächsten Tage vorzubereiten. Vorgänge wie heute könnten wirklich das Zusammenwirken des Bundesrathes und des Reichstages nicht fördern. Nun solle der Reichstag schon nicht mehr das Recht haben, seine Meinung zu sagen, wenn der Bundesrath einen Verfassungsbruch begeht. Neulich bei dem Postanweisungsstempel habe der Reichskanzler dem Bundesrath gegenüber sich mit der Verantwortlichkeit gedeckt, die er dem Reichstage gegenüber habe, heute berufe er sich dem Reichstage gegenüber auf seine Verantwortlichkeit gegenüber dem Bundesrath. Solche Zustände führten zur Unverantwortlichkeit und zum Kanzlerdespotismus. Als preußischer Abgeordneter protestirt Redner gegen das Vorgehen seiner Regierung, ihre particularen Interessen zu benutzen, um einen Bundesstaat zu vergewaltigen. Man klage immer über das Sinken der Autorität des Rechts im Volke, aber wenn der Bundesrath so das Recht der Einzelstaaten mißachte, sei das keine befremdliche Erscheinung.(Beifall links.) Dr. Windthorst glaubt auch, daß St. Pauli zu Hamburg gehört und deshalb nicht ohne Zustimmung des letzteren dem Zollverbande einverleibt werden kann. Hamburg möge eine Petition in diesem
Drei Zukunftsbilder.
(Fortsetzung.)
Schon zum Theile im 24. Jahrhundert und noch mehr in der folgenden Zeit war das wissenschaftliche Material den Menschen gewissermaßen über den Kopf gewachsen. Die Summe des
Wissenswürdigen war eine so riesige geworden, daß der Einzelne sie absolut nicht mehr bewältigen konnte. Wer irgend etwas leisten wollte, mußte sich auf die speziellsten und engsten biete der Wissenschaft beschränken, eine Verständigung zwischen den einzelnen Theiten der Wis
senschaft war nicht mehr möglich, der zerstörende Zweifel wurde immer lauter und mächtiger, und schon brach sich die Ueberzeugung Bahn, daß die Menschheit den Kulminationspunkt der Entwicklung überschritten habe und daß nunmehr der Niedergang beginne. Da erschien im Jahre 3616 ein epochemachendes Buch:„Vollständige Theorie der Gehirnfunktionen,“ in welchem die Vorgänge in den einzelnen Gehirnzellen nachgewiesen und klargelegt wurden, und damit war Alles gewonnen. Wenn nämlich früher der junge Mensch von seinem 6. bis zum 20. Jahre in der Schule mit Latein und Griechisch und allen möglichen
anderen Dingen sich plagen und quälen mußte, um sich jene„Gymnastik des Geistes", d. i. jene Beweglichkeit des Gehirns anzueignen, welche eben das Wesen der Schulbildung ausmacht, war jetzt die Möglichkeit geboten, das Gehirn der Kinder in besonderen Gehirnschulen durch galvanische Ströme im Schlafe in der kürzesten Frist derart beweglich zu machen und auszubilden, daß der neunjährige Abiturient der Gehirnschule die Anstalt mit einer Reife des Verstandes und einer Summe von Kenntnissen verließ, wie sie in früherer Zeit ein bejahrter Mann kaum besaß.
Die zweite, nicht minder bedeutende Entdeckung