Organ der
(Früher Sonntagspost.) liberalen Volks= und Fortschrittspartei in Lippe.
Erscheint wöchentlich zweimal, ttwochs und Sonnabends mit Zugabe, des„Illustrirt. Sonntagsblatt“ Kostet bei den Reichs=Postanstalten, in der Expedition und bei unsern Colporteuren in Detmold, Lage u. Blomberg 1 M. 10 P.
Ne
Mittwoch, 3. Januar 1877.
Anzeigen
werden mit 10 Pf. die 3gesp. Zeile berechnet Für das Blatt bestimmte Anzeigen werden außer in der Expedition in Lemgo auch von den bekannten Colporteuren in Detmold, Lage und Blomberg entgegengenommen.
Am Jahreswechsel.
Vergänglichkeit— du bist das Loos der Zeit,
Und unser Loos, die von der Zeit geboren:
Das Jahr, das eben sank zur Ewigkeit,
Unwiederbringlich ist es— uns verloren;
Doch wie der Friedhof deckt vergangne Klage,
So nahm es mit sich auch manch' böse Tage.
So trösten wir uns der Vergänglichkeit!
Wer möchte wohl zum zweiten Mal durchleben Die trüben Tage der vergangnen Zeit,
An die er heut nur denkt mit leisem Beben?
Wer noch einmal vom Rand des Kelchs nur trinken So bitter, ach! trotz gleißnerischem Blicken.
Doch war uns auch des Guten oft und viel In dem verflossnen Jahr von Gott beschieden!
Hat uns nach Arbeit und des Tag's Gewühl Nicht oft erquickt am Abend Ruh und Frieden?
Und wollt uns unser Loos zu hart bedünken,
Sah'n wir die Hoffnung da nicht lächelnd winken?
Die Hoffnung ist es, ewig jung und neu,
Die nie sich kehrt an Wechsel und an Zeiten; Sie winkt uns wie ein ew'ger Blüthenmai,
Streut Blumen auf den Weg, auf dem wir schreiten; Wirkt sie wie Balsam heut auf alle Wunden,
Zeigt sie zugleich uns morgen schönre Stunden.
Drum nur getrost! So, an der Hoffnung Hand,
Ist es nicht schwer, den kleinen Schritt zu wagen In's neue Jahr, in's unbekannte Land,
Zu guten— und zu andern Lebenstagen.
Drum nur getrost! Wird Euch mein Wunsch nicht trügen, So wird die Freud' das Leid weit überwiegen.
Noch ein Wort an die lippischen Wähler zum Reichstage.
Wähler zum Deutschen Reichstage!
Unser erster Aufruf zur allseitigen gewissenhaften Betheiligung an der am 10. Januar stattfindenden Wahl für den Reichstag wird Euch bereits zugegangen und zu Eurer Kenntnißnahme gelangt sein. Indem wir uns auf den Inhalt desselben beziehen, fügen wir stehend noch einige Worte hinzu.
Vor Allem seid bezüglich der bevorstehenden Wahl nicht gleichgültig, sondern seid auf Eurer Hut und daher wachsam!
Bedenkt, durch Nichtberücksichtigung dieser Mahnung würdet Ihr leicht, ohne es zu wollen, nicht allein unserm engern, sondern auch unserm Gesammtvaterlande Schaden bringen! Ueberdies ist eine richtige gewissenhafte Wahl eine Ehrensache für unser ganzes Land, so wie für jeden einzelnen Wähler.
Das Streben der Regierungspartei überall und auch bei uns — das wißt Ihr und könnt's fast in jeder Nummer des„Fürstl. Lipp. Regierungs= und Anzeige-Blattes" lesen— geht dahn, die Volks= und Fortschrittspartei zu verdächtigen, sie irre zu führen und zu sprengen und bei uns namentlich den Führer derselben, den Synd. Hausmann in der wohlverdienten Anerkennung des
Landes und seiner Wähler herabzusetzen, um ihn um Euer Vertrauen und um Eure Stimmen zu bringen. Aber laßt Euch nicht täuschen und verführen! Die Fortschrittspartei aller Orten und auch bei uns ist trotz aller Verdächtigung und Verleumdung eine durch und durch nationale Partei, sie weiset es daher zurück, daß irgend eine andere Partei sie in Anhänglichkeit an Kaiser und Reich übertreffe; sie ist ein Feind aller kirchlichen, gegen die Rechte des Staats sich auflehnende Hierarchie(Herrschergelüste), aller Particular= oder Sonderinteressen; sie ist eine constitutionelle, streng verfassungsmäßige Partei; sie wünscht die Rechte des Deutschen Kaisers im Deutschen Reiche gesteigert zu sehen gegenüber den Ansprüchen des Bundesrathes; sie tritt ein für die Rechte des deutschen Volkes; sie fordert für den Reichstag volles Budgetrecht, d. h. Steuerbewilligungsrecht; sie fordert Ministerverantwortlichkeit. Die Fortschrittspartei ist eine Partei der staatsbürgerlichen Freiheit, immer bereit zum Schutz jeder Freiheit; sie ist auch eine Partei der socialen Freiheit; sie verkennt nicht die mancherlei Schäden, von denen die Gesellschaft angefressen ist, nicht die Mängel der Gesetzgebung und will durch die Gesetzgebung die Bedingungen herstellen unter denen die Gesellschaft sich zu allgemeiner wirthschaftlicher Wohlfahrt zu entwickeln vermag.
Darum Wähler, laßt Euch nicht irre führen, weder durch die Vorspiegelungen unserer Streber und Kriecher, noch durch das bekannte commandirte Treibjagen der Schwachen und Einfältigen unter den Unterbedienten, noch durch andere unredliche lichtscheue Mittel und sollten sie auch(wie jüngst in Heiden. d..) an heiliger Stätte von der Kanzel in Anwendung gebracht werden!
Also, wer als ehrlicher Lipper und Deutscher volksthümliche, das Gemeinwohl fördernde Einrichtungen und keine Interessen=, Standes= u. Klassenvertretung für das deutsche Reich und für unser Land will, der muß auch volksthümlich, d. h. einen Volksmann in den Reichstag wählen und als ein solcher hat sich— das weiß alle Welt!— stets unser Hausmann bewährt.
Darum am Wahltage erscheint Alle, und Mann für Mann ein Jeder mit einem Stimmzettel für
Syndicus Hausmann in Horn!
der lipp. Volks= u.
Stellung der deutschen Fortschrittspartei zur nationalliberalen Partei bei den bevorstehenden Wahlen.
Klassisches Zeugniß für den Werth des von Nationalliberalen und Freikonservativen mit der Regierung über die Justizgesetze abgeschlossenen Pakts legte der Vertreter der konservativen Partei in der Generaldebatte des Reichstags, Abg. von Schöning ab. Derselbe, ein pommerscher Landrath und alter Konservativer von der Art der Landrathskammer unter Manteuffel=Westphalen, sagte:
„Es werden uns Vorschläge unterbreitet, die von den Antragstellern selbst nur mit den schwersten Bedenken gemacht worden sind, und denen auch von Seiten der uns benachbarten(Deutschen Reichs=) Partei schwere Bedenken entgegengestellt werden. Die Vorschläge welche uns gemacht werden, bewe
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