Organ der Sozialdemokratie für das östliche Westfalen und die lippischen Freistaaten
Rummer 51 mit den Bellagen„Unterhaltungsbellage“,„Volk und Zeit“,„Der Kinderfreund“. 36. Jahrgang
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Erwedition 359.
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Bielefeld, Montag, 2. März 1925
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Wie Tobefahnung Dämmrung deckt die Lande, Umhüllt das Tal mit schwärzlichem Gewande.
Der Reichspräsident, Genosse Ebert, bat am Sonnabend vormittag die Augen für immer geschlossen. Am Freitag abend glaubten noch die Aerzte, das Leben des ersten Reichspräsidenten erhalten zu können. Ebert bekam sogar Schlaf, der aber gegen vier Uhr morgens sehr unruhig wurde. Bald verlor der operierte Patient das Bewußtsein. Kurz vor 10 Uhr vormittags begann die Agonie— um 10 Uhr 15 fenkte der Schnittersmann die Sense. Sanft war Ebert in den Todesschlaf verfallen.
Die Arbeiterklasse hat einen Führer verloren! Einen Großen! In tiefer Bewegung stehen wir an der Bahre des bleichen Mannes, der uns so oft Wegweiser und Halt in den wilden Stürmen eines kriegerischen und revolutionären Jaarzents gewesen ist.
Heiß und brennend ist der Schmerz über den furchtbaren Verlust. Die Kunde„Ebert ist tot!“ hat weit über Deutschlands Grenzen größte Bestürzung hervorgerufen. Ja, vielleicht hatte das Ausland— und das ist ja ein Stück deutscher Tragik— den Staatsmann und Führer viel besser erkannt und schätzen gelernt!
Die Fahnen senkten sich auf Halbmast.
Uns ging wie Wolfram von Eschenbach die Todesbotschaft wie eine Todesabnung großen Stils drückend auf die Seele. Wer es über sich brachte, in dem Augenblick, wo die Trauerbotschaft durch die Straßen lief, für eine Sekunde im Lärm des Alltags inne zu halten, und sich zu öffnen für die geheimen Ströme der Seelen, der spürte den Ruck, der durch die Menge ging, sah den Schatten, der über die Gesichter lief, sah die tiefe Teilnahme, die aus so manchem Auge flimmerte.
„Ebert ist tot!“ Gerade im Gewoge der vielen, Zahllosen, die mit des Tages Mühe und Qual bepackt ihren Weg gehen müssen, für eine Sekunde ein Aufborchen, ein Besinnen.
Trauer gerade unten in den Massen, beim Volk, bei den Arbeitern, bei den kleinen Leuten. Sie alle fühlen: Es war einer von ihnen!
Ein Sohn des Volkes! Einer, der von unten kam, einer aus dem Lande der Armut stand oben an der Spitze des Deutschen Reiches.
Der kennt die Seele des einfachen Mannes schlecht, der glaubt, daß dieses Bewußtsein den Massen des deutschen Volkes nichts bedeutet habe. Ein Mann des Volkes stand oben an der Spitze und mit der Trauerbotschaft flattert auch die Sorge um die Zukunft durch die deutsche Arbeiterwelt. War es einmal?
Es war ein Anfang. Trotz allem und allem ein Anfang, der uns hoffen läßt, der uns mit Zuversicht erfüllt.
Trauer und Klage unten in der Tiefe— aber auch oben Ernst uud Besinnung! Es ist nicht nur das Schweigen vor der Majestät des Todes, das durch die Rechtspresse geht, es ist ein seltener Augenblick des Erkennens und Würdigens alles dessen, was Ebert für die deutsche Geschichte bedeutet. Ist es doch längst kein Geheimnis mehr, daß in den Rechtskreisen seit Jahren die ehrlichen und einsichtigen Elemente sich immer wieder im Verborgenen gegen die fanatische Gehässigkeit auflehnten, mit der Evert bekämpft und beschimpft wurde. Immer wieder wurde auf das Beispiel Englands hingewiesen, wo Arbeiterführer, wenn sie Repräsentanten des ganzen Volkes waren, auch von den Gegnern in der besitzenden Klasse vor aller Welt geachtet und respektiert wurden. Aber Deutschland ist ja nicht England. Schier erstickend vor Haß, stürzten sich gewisse Kreise auf den Reichspräsidenten, um ihn mit den Schlingen der Verleumdung über seine Haltung im Munitionsarbeiterstreik zu 2kangen und zu erledigen. Sie werden nie begreifen, daß es keinen größeren Patrioten, keinen größeren Vaterlandsfreund gab als Friedrich Ebert.
Der Staatsmann in ihm, der immer fest den Blick aufs Ganze gerichtet hielt, wäre nie möglich gewesen, wenn Ebert nicht ein Mann aus einem Gusse gewesen wäre. Charakter war seine Stärke.„Sei ganz du selbst!“ Er wollte nie etwas anderes scheinen als das, was er wirklich war, und diese Schlichtheit seines Wesens gab allen seinen Handlungen, gab seinem ganzen politischen und gesellschaftlichen Auftreten überzeugende Kraft. Das war es, vor dem, wenn auch noch so unwillig, immer wieder selbst seine Gegner sich beugen
Ebert.
Laßt der Geschichte Recht und Wort, Ihr werdet's in den Büchern lesen.
Es trägt ein Weh den Toten fort. Denn dieser ist ein Mann gewesen.
Es war kein Mund, der Worte sprach, Es schien der Kleinste von den Großen, Und artete nicht Fürsten nach.
Die Volkes Vorn von sich gestoßen.
Doch wär am Steuer nicht voll Mut Ein Sohn des Volkes treu erstanden, So funkelte ein Fürstenhut gestien in deute
Wie Schmachgeft
deutschen Landen.
Laßt der Geschichte Wort und Recht—
Dies Grab wird Volk in Trauer einen.
Die Kraft des Volkes nur ist echt,
Die Große schniedet aus den Kleinen.
Iranz Rothenfelder.
mußten. Sicherheit im Innern und deshalb Sicherheit, Festigkeit, Ruhe und Kraft nach außen.
Von seiner Heidelberger Heimat hat er den Zauber der milden und ruhigen Linie, des versöhnenden Ausgleichs auf seinen Lebensweg mitbekommen. In Bremen atmete er Seeluft, Weltluft und sah mit dem Auge der Seeleute und Kaufleute Deutschland von draußen her, Deutschland als Ganzes, das ganze Deutschland und das ganze Volk über allen Parteikampf hinweg. Die Heiterkeit Heidelbergs und die Nüchternheit Bremens in sich vereinend, wurde er zu dem seltenen Arbeiterführer und Staatsmann, der durch Menschlichkeit bezauberte und mit Festigkeit führte. Er kannte die Not des Volkes, er kannte die Sorgen des Proletariats und mit seiner ganzen heißen Liebe trat er immer und überall für die Sache der Arbeiter, der Bedrückten und Geplagten ein. Aber er war stark genug, den mitfühlenden Menschen in sich selbst in der Gewalt zu halten, wenn es galt, auch einmal einen Weg zu gehen, der nicht populär war, einen Weg, voll von Steinen und Dornen gerade für die, die seinem sozial empfindenden Herzen am nächsten standen. Der Weg, auf dem er das deutsche Volk schwere und bittere Jahre führte, war ein Weg der Opfer und der Entsagung. Nur der konnte auf diesem Weg Führer sein, der Opfer und Entsagung am meisten von sich selbst forderte. Pflichtbewußtsein und Opferbereitschaft erfüllten ihn bis zum letzten Augenblick. Längst schon hatten ihn seine Freunde gebeten, sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Immer wieder gab er zur Antwort, daß noch eine Reihe wichtiger Fragen vorher erledigt werden müßten. So kam es, daß die ärztliche Kunst versagen mußte, weil sein Pflichteifer ihn hinderte, rechtzeitig die Operation vornehmen zu lassen.
Ebert ist tot! Die Gestalt dieses ersten Präsidenten am Beginn einer neuen Zeit in der deutschen Geschichte steht schon vor dem Auge der Zeitgenossen groß und würdig da. Sie wird noch größer erscheinen, wenn sie in späteren Jahren von der Ferne her in der Perspektive der großen Ereignisse der Kriegs= und Revolutionsperiode gesehen wird. Der tapfere Kapitän, der ein fast zerbrochenes Schiff im Sturm ruhig und fest durch tausend Klippen und Gefahren führte, wird in den Herzen aller Tapferen fortleben. Sein Leben war ihm nichts; in der Pflichterfüllung und in der Arbeit für seine hohe Aufgabe hat er es weggeworfen. Aber gerade deshalb wird er weiterleben, er und sein Werk!—
Hamburg, den 1. März.(Eig. Drabtmeld.)
Die Nachricht vom Tode des Reichspräsidenten hat hier sehr überrascht. Der Senat der freien und Hansestadt Hamburg wurde sofort zu mittags 1 Uhr zu einer Trauersitzung zusammenberufen. Gleichzeitig wurde auf allen staatlichen Gebäuden und auf den Schiffen im Hafen Halbmast geflaggt. Auch die ausländischen Schiffe im Hafen setzten ihre Nationalflaggen auf Halbmast. In der Trauersitzung des Senats wurde das Leben und die Persönlichkeit des Heimgegangenen durch Bürgermeister Or. Petersen gewürdigt. Ebert sei es zu danken, daß bis zu diesem Tage das Deutsche Reich zusammengehalten und die Voraussetzungen für den Aufbau eines freien, deutschen Volksstaates geschaffen seien. Er gab zum Schluß dem Dank Ausdruck, den ganz Deutschland, auch Hamburg, Friedrich Ebert als einem der besten Söhne des deutschen Volkes schulde. Anschließend wurde die Absendung von Telegrammen an Frau Ebert und an den Reichskanzler beschlossen.
Die Hamburger Sozialdemokratie hat Sonntag abend im großen Saale des Gewerkschaftshauses eine Trauerfeier abgehalten.