Nr. 28.

Rheinisch

Anzeiger.

Mittwoch den 7. April 1830.

Wahrheit Gerechti

Volksschulwesen.

Was soll die Volksschule lehren?

Je lauter allenthalben und auch in diesen Blät­tern Klagen sich erheben über die Einseitigkeit oder Verblendung mancher Schulmänner, welche den Gesammtreichthum menschlichen Wissens in den Kreis der Volksschule hinabziehen möchten, wenn gleich(wie es denn ja nicht anders möglich ist) im verjüngten Maaßstabe, desto mehr thut es noth, über die Art und das Verhältniß der mitzutheilenden Gegenstände klare Grundsätze auf­zustellen. Jene Stimmen, welche die neue Bil­dungsweise beschuldigen, sie beschäftige sich vor­zugsweise mit solchen Dingen, welche im gewöhn­lichen Leben gar nicht vorkommen, während die nothdürftigsten Fertigkeiten und Handgriffe dem zukünftigen Bauern und Bürger nur halb oder gar nicht beigebracht würden, könnten gar leicht zu dem entgegengesetzten Fehler, dem seelenlose­sten Mechanismus führen. Wollte man ihnen ausschließlich folgen, so möchte bald die Frucht des edlern Strebens, welches seit einem Viertel­jahrhundert im Erziehungsfache sich hervorthut, untergehen. Dies soll und darf nicht geschehen. Sind Einzelne zu weit gegangen, so kann dies

gkeit Gemeinwohl.

dem Kerne der Sache, der ein tüchtiger und äch­ter ist, keinen Eintrag thun. Hüten wir uns, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Was vor fünfzig und hundert Jahren zur Volksbil­dung allgemein hinreichend schien, das kann heut­zutage nicht mehr genügen. Aufklärung und Licht haben sich nach allen Seiten, auch über die Sphäre des Bürgers und Bauern verbreitet. Wer dies läugnen wollte, müßte muthwillig sein Auge der Sonne verschließen. Auch ist kein Zweifel, daß Bildung und Belehrung in Zu­kunft fortwährend wachsen, und in eben dem Grade auch die erwähnten höchst ehrwürdigen Stände daran Theil nehmen müssen.

In soweit hätten jene Herren Recht. Aber die Übertreibung! Freilich soll der Bauer die Philosophie in Ruhe lassen in ihren luftigen Rei­chen. Was wollte er auch damit? Nur die gediegene Ahre des erprobten Menschenverstandes bringt ihm Segen und Heil. Das Leben ist für jeden Menschen die beste Schule; so kann auch die Schule nichts Höheres bezwecken, als für das Leben zu bilden. Alles bloß Erklügelte, das Hirngespinnst phantastischer Weisheit bleibe ihr ferne. Sie lehre handeln und im Gebrauche der von Gott verliehenen Kräfte redlich leben.

Rb. W. Anz. 53. Bd.