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Standpunkt: Centrum.

Organ für Politik, Anzeigen, Unterhaltung, Landwirthschaft und Molkereiwesen.

Nr. 4d.

Sonntag, den 27. November 1892.

19. Jahrgang.

Wochen-Kalender.

Sonntag 27. November. Valerianus.

Montag 28. November. Rufus, Jakobus von Marchia.

Dienstag 29. November. Saturninus.

Mittwoch 30. November. Andreas.

Donnerstag 1. Dezember. Eligius B. Freitag 2. Dezember. Bibiana.

Samstag 3. Dezember. Franziskus=Xaverius.

Verzeichniß der Märkte für diese Woche.

29. November. Aschendorf, Wanne, Werne, Emmerich. 1. Dezember. Dülmen, Wesel, Haselünne.

An die Katholiken Deutschlands.

Am 19. Februar kommenden Jahres feiert unser glorreich regierender hl. Vater, Papst Leo XIII., den 50. Jahrestag Seiner Bischofsweihe, ein zweites goldenes Jubiläum, ganz ähnlich wie Sein großer Vorgänger auf dem Apostolischen Stuhle, Pius IX., welcher der Erste nach Petrus über 25 Jahre hindurch die dreifache Krone des Statthalters Christi trug und gleichfalls zwei goldene Jubiläen feierte. Wir müssen hierin die Fügung Gottes erkennen, der gerade in den schwersten Zeiten der Beraubung und Gefangenschaft Seinen Stellvertretern derart Trost spenden will, daß Er durch solche außer­ordentliche Anlässe die Herzen aller Gläubigen dem be­drängten Oberhaupte nahe bringt und Zeugniß von ihnen fordert, daß sie unter allen Verhältnissen treu und unent­wegt zum römischen Stuhle stehen.

Unser heiliger Vater hat uns in seiner herrlichen Encyclica über das Rosenkranzgebet vom 8. September dieses Jahres Selbst gesagt, in welcher Weise Er wünscht, daß die katholische Welt diesen Seinen Jubiläumstag mit ihm feiere.Von Unseren Söhnen erwarten Wir nicht sowohl Glückwünsche und Lobeserhebungen, als frommes Gebet Unsere höchste Freude wird es sein, wenn sie Uns erbitten, daß alles, was wir an Kraft und Leben, an Ansehen und Gnade noch besitzen, zum Heile der Kirche gereiche, sondern zur Zurückführung und Ver­söhnung der Verirrten und Feindseligen, welche schon lange unsere Stimme einladet."

Der Dorf-Tyrann.

Eine Erzählung aus dem Holländischen.

9. Nachdruck verboten.

Nein, noch war Jürgen Münter nicht am Ende seiner Prüfungen angekommen. Sein ältester Sohn, der als Knecht bei einem der Nachbarbauern diente und mit seinem Lohne eine Stütze der Haushaltung geworden war, mußte in diesem Frühjahr zur Musterung. Er zog allerdings eine glückliche hohe Nummer, aber bald hörte man auf dem Krähennest, wie Lotmann unter der Hand Alles aufbot, um seinem alten Feinde den empfindlichsten Schlag zu versetzen. Durch schlau erfundene und geschickt ange­fertigte Atteste und Reklamationen, die der gefügige und die wahre Absicht des Bürgermeisters nicht ahnende Ge­meinderath willig unterzeichnete, wußte der ehrlose Beamte den Sohn einer Wittwe, als den Ernährer seiner Mutter, vom Militär frei zu bekommen, obschon Jedermann wußte, daß diese reich war und der Sohn sich nicht um dieselbe kümmerte und auch nicht zu bekümmern branchte, im Gegentheil, von derselben noch reichlich unterstützt wurde. So konnte denn das hohe Loos dem jungen Münter nichts helfen; er mußte Soldat werden.

Welch banger, trauriger Tag für Vater und Mutter, als der Sohn ihnen Lebewohl sagte und nach der Haupt­stadt der Provinz reiste, um dort einem Infanterie=Regi­ment einverleibt zu werden! Wie viele Thränen wurden nicht auf dem Krähennest geweint und wie inbrünstig flehte man nicht zu Gott, er möge den Burschen bald gesund, und was mehr ist, unverdorben zu den Seinigen zurückkehren lassen!

Der falsche Flurschütz traf einige Tage später den Bauern auf dem Felde und fragte ihn unter hämischem Lächeln, ov Herr Nimmersatt, der ihm in andern Wider­wärtigkeiten so gut geholfen habe, nicht auch diese Ge­schichte für den Bauern habe ins Reine bringen können.

In Uebereinstimmung mit dem Höchsten Wunsche und in der Ueberzeugung, daß die gemeinsamen Gebete Vieler, sowohl an den Gnadenstätten in der ewigen Stadt, als auch an den bevorzugten Gnadenstätten der Heimath, die wirksamsten sein müssen, getragen von der Ueber­zeugung, daß in dieser bedrängten Zeit dem hl. Stuhle zur Durchführung Seiner erhabenen Aufgabe neben dem Almosen des Gebetes auch dasjenige der thatkräftigen Unterstützung nicht fehlen dürfe; daß das katholische Volk aber auch verpflichtet sei, seiner Liebe und Verehrung gegen den großen Papst und Dulder in der ganzen Welt offenen Ausdruck zu verleihen, hat die 39. General­Versammlung der Katholiken Deutschlands zu Mainz folgenden Beschluß gefaßt:

Die 39. General=Versammlung ladet die Katholiken ein, ihren Gefühlen der Verehrung, Liebe und Dankbar­keit für das erhabene Oberhaupt der Kirche Papst Leo XIII. aus Anlaß seines am 19. Februar 1893 statt­findenden 50jährigen Bischofsjubiläums einen entsprechen­den Ausdruck zu geben.

Im Anschluß an die Vorschläge des römischen Komitee's werden folgende Kundgebungen empfohlen: 1) Darbringung eines außergewöhnlichen Peterspfennigs als Stipendium für die vom hohen Jubilar zu feiernde Jubiläumsmesse. 2) Veranstaltung von Pilgerzügen nach Rom. 3) Veranstaltungen von Wallfahrten zu den Gnadenorten im eigenen Lande, um die Befreiung des heiligen Stuhles zu erflehen. 4) Gründung von be­sonderen Stiftungen innerhalb der Diöcesen, um das Andenken an Leo XIII. zu verewigen. 5) Abhaltung von Festversammlungen zu Ehren des Jubilars.

Das unterzeichnete Komitee ist zur Organisirung dieser Kundgebungen von der Generalversammlung be­rufen worden und wendet sich hiermit an die Katholiken Deutschlands mit der Aufforderung, den Beschluß der Generalversammlung nach allen Seiten hin auf das Kräftigste zu verwirklichen.

Bezüglich der Wallfahrten nach Rom wird durch den Vorstand des unterzeichneten Komitee's zu gegebener Zeit das Nähere bekannt gemacht werden. Als Zeitpunkt für die deutsche Wallfahrt ist vorläufig die Woche nach dem Weißen Sonntag 1893 in Ausicht genommen.

Die Wallfahrten in den einzelnen Diöcesen, die Ver­

Frau Lotmann erzählte, natürlich in dem heuchle­rischen Tone des tiefsten Mitleidens, allen ihren Nachbar­weibern, der junge Münter könne sich glücklich schätzen, daß er die Mistgabel mit dem Gewehr vertauscht habe; der arme Schelm braucht doch jetzt keinen Hunger mehr zu leiden, wie in den letzten Jahren auf dem bankerotten Bauernhofe.

Einige Monate später war Brüssel, die Hauptstadt des damals noch mit Holland zu einemKönigreiche der Niederlande" verbundenen Belgiens, in vollem Aufstande. Die Hoffnung, die man so lange gehegt hatte, die Rekruten wie gewöhnlich nach einigen Monaten der Aus­bildung noch in demselben Jahre in die Heimath zurück­kehren zu lassen erwies sich als eitel. Nein, der junge Münter kehrte auch im folgenden Jahre nicht nach Hause zurück; an seiner Stelle kamen aber eines Tages sechs Mann Einquartierung auf dem Krähenneste an.

Sie gehörten zu einem Infanterie=Bataillon, welches in dem Grenzdorfe sein Quartier genommen hatte.

Die größten Bauern des Dorfes hatten eine Ein­quartierung von vier Mann bekommen; warum bekam Jürgen Münter auf seinen Kopf sechs? Das war die Frage, die Jemand auf dem Rathhause an den Bürger­meister stellte, welcher darauf mit teuflischem Lächeln zur Antwort gab, daß der alte Schützenhauptmann und Kirchen­meister, der seinen Kopf immer so hoch getragen habe, ganz gut sechs Mann halten könne.

Münter machte keine Einwendungen gegen die unge­rechte Vertheilung, woran sein Feind allein die Schuld trug. Hanna sagte, daß die Soldaten wie brave Burschen aussähen und daß sie schon Sorge tragen werde, dieselben zufrieden zu stellen. Doch zeigte sich eine Schwierigkeit. Bei den Einquartierten befand sich ein Unteroffizier, der ein eigenes Bett und freies Zimmer verlangen konnte. Lotmann, der wohl wußte, wie leer es bei Münter's aus­sah, hatte denselben absichtlich nach dem Krähennest ge­

anstaltung der Festversammlungen und die Sammlung des Peterspfennigs bleibt der Organisation durch die einzelnen Komitee=Mitglieder in den betreffenden Diöcesen unter Heranziehung weiterer Hilfskräfte und in Ueber­einstimmung mit dem hochwürdisten Oberhirten über­lassen.

Nach den rührenden Worten, mit welchen unser Heiliger Vater uns sell zur Begehung seines Jubelfestes auffordert, dürsen w uns jeder weiteren Aufforderung enthalten. Wir sind überzeugt, daß, wie das goldene Priesterjubiläum, so auch das goldene Bischofsjubiläum Leo XIII. ein neuer Ruhmestag des katholischen Deutsch­land werden wird, an welchem es aufs Neue vor aller Welt zeigt, daß es treu und unabänderlich festhält an dem Stuhle Pertri und dem Großen Papste, der noch lange mit gleicher Kraft und Weisheit die dreifache Krone tragen möge.

Der geschäftsführende Ausschuß:

Carl Fürst von Löwenstein, Vorsitzender.

Die Eröffnung des Reichstages

ist am Mittwoch nach voraufgegangenem Gottesdienst in der St. Hedwigs= und in der Dom-Interimskirche um 12 Uhr im Rittersaale des königlichen Schlosses durch den Kaiser selbst erfolgt. Vor dem Throne stehend, die Prinzen Albrecht und Friedrich Leopold zur Seite, das Haupt mit dem Adlerhelm bedeckt, verlas der Kaiser die ihm vom Reichskanzler überreichte Thronrede. Dieselbe hatte folgenden Wortlaut:

Geehrte Herren! Beim Eintritt in Ihre Berathungen heiße Ich Sie zugleich im Namen Meiner hohen Ver­bündeten willkommen. Der Rückblick auf den seit Ihrer letzten Tagung verflossenen Zeitraum gewährt ein nicht ungünstiges, wenn auch nicht in allen Theilen er­freuliches Bild. Auf dem Gebiete des wirthschaftlichen Lebens sind berechtigte Erwartungen vielfach nicht in Er­füllung geganged. Der Absatz der Erzeugnisse der vater­ländischen Arbeit hat sich in seinem Ertrage nicht durch­weg auf der Stufe befunden, welche unserem wirthschaft­lichen Interesse entspricht. Daneben hat die in einzelnen Theilen des Reiches aufgetretene, nun aber, Dank der kräftigen Abwahr, als getilgt zu betrachtende Seuche dem inneren Verkehr empfindliche Schranken auferlegt und

legt, um den Leuten noch etwas mehr Last anzuthun. Gewiß eine halbe Stunde lang hielt der Bauer mit seiner Frau Rath, wie man es anstellen solle, um den Unter­offizier ordentlich zu beherbergen, und man kam endlich zu dem Beschluß, ihm das kleine, freundliche Kämmerchen über dem Keller, in Nord-Braband gewöhnlich die Schlaf­stätte von Herr und Frau, einzuräumen.

Ihr werdet da recht gut untergebracht sein," sagte Münter zu dem Unteroffizier;das Bett ist gut, hier in der Ecke steht ein Tisch zum Schreiben, und dort am Fenster könnt Ihr Eure Leute ausbezahlen, ohne auch nur vom Stuhle aufstehen zu brauchen."

Der Soldat sah sich mit großer Zufriedenheit in dem Raume um und fragte, mit der Einrichtung der dortigen Bauernhäuser bekannt, wo Münter denn nun selbst schlafen würde.

Wir werden uns schon auf einem Bündel Stroh in der Scheune behelfen," lautete die Antwort.Das Wetter ist ja noch so. kalt nicht."

Nein, das soll nicht geschehen!" rief der Unteroffizier, der das Herz auf dem richtigen Flack trug.Behaltet Euer Bett und Euer Schlafstube; ich gehe mit den Mann­schaften nach der Scheune.... Ich müßte mich ja ale Soldat schämen, wollte ich dem Hausherrn das Bett abnehmen."

Es thut mir leid, daß wir nur ein Bett mehr im Hause haben," erwiderte Münter;früher ging es uns besser..... Aber nehmt es unseretwegen nur ge­trost in Beschlag, wir wollen uns schon einige Tage behelfen."

Nichts da," versetzte der Unteroffizier,ich gehe nach der Scheune!Vater Willem" würde es sehr übel nehmen, wenn er wüßte, daß ein Soldat das einzige Bett feiner Hausleute einnähme."

Vater Willem, wer ist das?"